Protocol of the Session on July 6, 2017

(Dr. Robbin Juhnke)

den einen oder anderen im Westen der Republik ab und an daran erinnern muss.

In allen Parteien gibt es differenzierte Einschätzungen und Akzente, wenn es um einen angemessenen Umgang mit der Vergangenheit geht, selbst unter denjenigen, die unter dem DDR-Regime persönlich zu leiden hatten. Erst Anfang des Jahres haben wir das in der Debatte um Andrej Holm eindrucksvoll erlebt. Es ist wichtig und richtig, dass wir wieder zu einer sachlichen Debatte gefunden haben, denn wir müssen uns unserer gemeinsamen Verantwortung für einen würdigen Umgang mit der Vergangenheit stellen.

Ich bin sehr froh darüber und auch ein bisschen stolz, dass wir das als Parlament hinbekommen und bereits einige Initiativen in einem überparteilichen Konsens auf den Weg gebracht haben, unter anderem zur besseren Entschädigung der Opfer. Mein Stolz erstreckt sich durchaus auch auf die Novelle des ehemaligen Stasi-Landesbeauftragtengesetzes. Angesichts der Holm-Debatte hätten wir es auch einfach verlängern und damit abhaken können, um dem Risiko eines erneuten Streits aus dem Weg zu gehen. Aber genau das haben wir nicht getan, denn es bleibt wahr: Wer sich nicht in Gefahr begibt, der kommt darin um. Daher haben wir etwas anderes getan: Wir haben uns das Gesetz intensiv vorgenommen. Wir haben viele Gespräche mit Betroffenen, Verbänden, Opfergruppen, Historikern und vor allen Dingen untereinander geführt. Wir haben Vorschläge für eine umfassende Modernisierung des Gesetzes erarbeitet.

Darüber hinaus liegt Ihnen ein Antrag vor, in dem es um die Frage geht, wie wir künftig die DDR-Geschichte aufarbeiten wollen. Wir tun damit etwas, das für das Land Berlin ansonsten untypisch ist, und erklären uns hier für selbst zuständig. Ähnlich wie im Land Thüringen wollen wir ein Berichtswesen zur Aufarbeitung etablieren, denn es bleiben viele offene Fragen. Z. B.: Wie können wir die Opfer politischer Verfolgung noch besser unterstützen, wenn es um die strafrechtliche und berufliche Rehabilitierung und Entschädigung geht? Wie können wir den Prozess zur Aussöhnung begleiten? Wie vermitteln wir historisches Wissen im Zeitalter der Digitalisierung an alle, die keine Erfahrung mehr mit der DDR hatten? Darauf gibt es sicher nicht die eine Antwort. In vielen Fällen sind die Diskussion und die Auseinandersetzung als solche schon wichtige Schritte. Wir wollen aber auch immer wieder neu bewerten, welche Aufgaben und Herausforderungen sich daraus ergeben.

Lassen Sie uns dafür sorgen, dass zum Jubiläum der friedlichen Revolution im übernächsten Jahr Berlin das Bundesland ist, das für eine faire und kontroverse Diskussion über diese Fragen steht, das im Bundesrat erfolgreich Verbesserungen bei den Rehabilitierungsgesetzen anstößt und das gemeinsam mit den Akteuren vor Ort dem Campus der Demokratie zu einem spannenden, in

novativen und vor allen Dingen von jungen Leuten viel besuchten Ort weiterentwickelt. Darauf wäre ich jedenfalls nicht nur ein bisschen, sondern richtig stolz. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD, der CDU und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der AfD hat jetzt der Abgeordnete Herr Trefzer das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die AfDFraktion trägt die vorliegende Gesetzesnovelle zum Landesbeauftragten mit, da sie eine richtige und notwendige Aktualisierung der geltenden Rechtslage vorsieht. Zur weiteren Schärfung des Gesetzeszweckes halten wir allerdings die Einfügung einer Präambel und die Einrichtung eines Beirats für sinnvoll, die wir in zwei Änderungsanträgen vorschlagen. Ich freue mich, Herr Dr. Juhnke, dass Sie beim Beirat zu dem gleichen Ergebnis gekommen sind.

Lassen Sie mich aber zunächst ein paar Worte zur Vorgeschichte und zum Zustandekommen des Antrags sagen. Es war die AfD-Fraktion, die im April mit ihrem Antrag zur Verlängerung des Gesetzes über den Landesbeauftragten als erste die Konsequenzen aus der Evaluierung des Gesetzes vom Oktober letzten Jahres gezogen hat und damit offenbar den Anstoß zur jetzt vorliegenden umfassenden Novelle der übrigen Fraktionen dieses Hauses geliefert hat.

[Joschka Langenbrinck (SPD): Das lag nicht an Ihrer Initiative!]

Was dann folgte, ist eigentlich mit parlamentarischen Gepflogenheiten dieses Hauses nur schwer vereinbar, Frau West, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Es ist schon ein denkwürdiger Vorgang, wie hier Innenverwaltung und Koalitionsfraktionen versucht haben, die AfD aus der parteiübergreifenden Erarbeitung einer von allen Fraktionen begrüßten Gesetzesnovellierung herauszuhalten.

[Beifall bei der AfD]

Wie anders sollte es zu erklären sein, dass die Senatsverwaltung für Inneres in einer Stellungnahme fast am gleichen Tag den AfD-Antrag als unzureichend bezeichnet, an dem die übrigen Fraktionen dieses Hauses mit ihrem eigenen Antrag scheinbar die Konsequenzen aus dieser Stellungnahme ziehen. Entweder hat Sie, liebe Koalitionsfraktionen, die Senatsverwaltung für Inneres bereits deutlich vor uns über ihre Einschätzung informiert, oder es war umgekehrt so – das vermute ich –, dass Sie der Senatsverwaltung für Inneres signalisiert haben: Wir

(Dr. Clara West)

haben hier eine tolle Gesetzesnovelle. Schreibt der AfD in der Stellungnahme, dass ihr Vorschlag zu kurz greift! Aber sagt es ihr bloß nicht zu früh, damit sie nicht vor uns auf die gleiche Idee kommt!

[Beifall von Frank-Christian Hansel (AfD)]

In die eine oder andere Richtung muss es gelaufen sein. Das ist dieses Hauses eigentlich unwürdig.

Auch dass Sie, wie Sie gerade ausgeführt haben, Opferverbände im Zuge der Ausarbeitung Ihrer Novelle in Ihren eigenen Fraktionen angehört haben, statt eine ordentliche Anhörung in den dafür vorgesehenen Ausschüssen zu veranlassen, halte ich für einen zutiefst unparlamentarischen Vorgang.

[Beifall bei der AfD – Steffen Zillich (LINKE): Ist ja unglaublich!]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. West?

Bitte schön!

Sagen Sie, Herr Trefzer: Braucht die AfD-Fraktion wirklich die Innenverwaltung, um eigene politische Ideen zu entwickeln?

Keineswegs, Frau Dr. West! Es stimmt aber doch nachdenklich, dass Sie Ihren Antrag am gleichen Tag vorgelegt haben, an dem die Innenverwaltung unseren Antrag begutachtet hat. Da gab es doch offensichtlich eine Absprache zwischen Ihren Fraktionen und der Innenverwaltung. Das ist der Punkt, auf den ich hinaus will.

[Beifall bei der AfD]

Ich sage doch gar nicht, dass der Gesetzesvorschlag schlecht ist. Ich sage einfach nur, dass Sie getrickst haben, um uns nicht einbeziehen zu müssen. Ich finde das falsch. Das ist undemokratisch.

[Beifall bei der AfD]

Doch nun zurück zur Sache selbst: Es freut uns, dass Sie sich nun der Aufarbeitung der SED-Diktatur mit Ernsthaftigkeit widmen. Das war nach der Affäre Holm nicht unbedingt zu erwarten. Für die AfD-Fraktion war die Aufarbeitung von Anfang an eine Herzensangelegenheit. Das von Stasi und anderen Organen begangene Unrecht war keine Aneinanderreihung unglücklicher Einzelfälle, sondern hatte System. Wer heute über die Stasi spricht, vergisst allzu leicht, dass die Staatssicherheit weit mehr tat, als die Bürger zu bespitzeln. Auf die flächendeckende

Überwachung folgten oftmals Inhaftierung, körperliche und seelische Folter, Maßnahmen der Zersetzung und der Versuch, Existenzen zu vernichten. Deswegen ist es so wichtig – das wurde hier betont –, dass die Aufarbeitung weitergeht.

Die vorliegende Gesetzesnovelle bietet dazu zweifelsohne eine gute Grundlage. Sie wertet die Stellung des Landesbeauftragten auf, insbesondere durch die Entfristung des Gesetzes, aber auch – wie erwähnt, Herr Otto – durch das Rederecht hier im Parlament. Wir schlagen vor, dass über die erfolgte Präzisierung der Zweckbestimmung hinaus durch die Einfügung einer Präambel nach sächsischem Vorbild – der übrigens auch SPD, CDU und Grüne in Sachsen zugestimmt haben – der politische Zweck des Gesetzes noch deutlicher zum Ausdruck gebracht wird. Dadurch sollen die Opfer und der Einsatz für die friedliche Revolution ausdrücklich gewürdigt und die Verantwortung zukünftiger Generationen für die Erhaltung eines demokratischen und freien Landes unterstrichen werden.

[Beifall bei der AfD]

Durch die Errichtung eines Beirats kann die Stellung des Landesbeauftragten zusätzlich gestärkt und eine umfassende Vernetzung und gesellschaftliche Verankerung auch in Zukunft sichergestellt werden. Durch die Gesetzesnovelle inklusive Beirat und Präambel hätte Berlin dann eines der wegweisendsten Aufarbeitungsgesetze. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos)]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Abgeordnete Herr Zillich das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben uns in der Koalition in der Tat sehr intensiv mit diesem Gesetz beschäftigt. Eines, Kollege Trefzer, kann ich Ihnen aber versichern, auch wenn es Ihr Weltbild erschüttern mag: Einer Frage haben wir uns dabei nicht gestellt, nämlich der Frage: Was sagt eigentlich die AfD?

[Martin Trefzer (AfD): Ja, das ist das Undemokratische!]

Nein, das ist nicht undemokratisch, sondern das ist erstens klug,

[Zurufe von der AfD: Oh!]

zweitens angesichts der Mehrheitsverhältnisse die richtige Relevanz, und zum anderen ist es, was den Erkenntnisgewinn betrifft, überhaupt nicht angesagt, dass wir uns in dieser Frage mit Ihnen beschäftigen.

[Georg Pazderski (AfD): Das sagen ausgerechnet Sie von der richtigen Partei! – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Das ist eine Frage der (Martin Trefzer) politischen Hygiene! – Martin Trefzer (AfD) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Trefzer, Herr Zillich?

Nein. – Wenn man sich an ein solches Gesetz macht, das ja auszulaufen drohte, muss man sich zunächst die Frage stellen: Ist es sinnvoll, die Institution des Landesbeauftragten, aber auch ein solches Gesetz fortzuführen? Über 25 Jahre nach dem Ende der DDR ist das eine legitime Frage.

[Stefan Franz Kerker (AfD): Nein! Unrecht bleibt Unrecht!]

Wie diese Frage zu beantworten war, war gleichwohl nicht überraschend, denn alle in der Koalition vertretenen Parteien haben sie schon vor Beginn dieser Koalition beantwortet, indem sie gesagt haben, es ist notwendig, dass diese Institution fortgeführt und gestärkt wird.

Wir haben eine sehr intensive Debatte geführt, sowohl mit dem Landesbeauftragten Martin Gutzeit – wofür ich mich noch einmal ganz herzlich bedanken möchte – als auch mit Aufarbeitungsinitiativen, Opferverbänden und Gedenkstätten. Im Übrigen lassen wir es uns nicht verbieten, dass wir uns vor einem solchen Gesetzgebungsprozess mit ihnen verständigen. Wir haben schon parlamentarische Konsequenzen daraus gezogen, indem wir beim Thema Rehabilitierung, beim Thema Situation der Opfer – Stichwort Sozialticket – Initiativen gestartet und gesagt haben, dass sowohl für die Situation der Opfer als auch für die Aufarbeitung noch genug zu tun ist und wir deswegen dieses Gesetz fortführen möchten.

Natürlich stand auch die Frage im Raum: Soll man das Gesetz einfach nur fortführen – das wäre ein sehr kurzer Akt gewesen –, oder ist es nicht vielmehr notwendig, sich das insgesamt anzuschauen und zu überlegen, inwieweit eine Anpassung an die jetzigen Gegebenheiten durchzuführen ist? In diesem Diskussionsprozess ist relativ schnell deutlich geworden, dass wir in Bezug auf das Amtsverständnis und auch auf die Anlage dieses Gesetzes auf einer sehr guten Grundlage aufbauen können. Das ist wichtig für die Debatte, die hier stattfindet, auch in Bezug auf einen Beirat. Wir haben dabei bemerken können, dass das Amtsverständnis des Beauftragten schon jetzt darin besteht, ein Netzwerk zu bilden – nicht selbst Aufarbeitung zu betreiben, sondern in der Zusammenarbeit mit Aufarbeitungsinitiativen und Opferverbänden Aktivitäten zu ermöglichen, quasi ein Netzwerk und Arbeit zu ermöglichen. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, genau in dieser Art und Weise das Amt des Beauftragten

zu stärken, zu entfristen, aber gleichwohl mit einem Evaluationsauftrag zu versehen. Insofern finde ich es gut, dass wir dieses Gesetz jetzt einbringen. Über alles Weitere werden wir reden.

Zum zweiten Antrag, zu dem wir aus Zeitgründen Sofortabstimmung beantragt haben, komme ich jetzt aus Zeitgründen nicht mehr.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Besser ist das!]

Ich bitte aber trotzdem alle, dem zuzustimmen. – Danke schön!