Protocol of the Session on June 22, 2017

Zum anderen: Es geht natürlich auch um den Wettbewerb um qualifiziertes Personal. Wir werden in den nächsten fünf Jahren eine Pensionierungswelle von 20 Prozent haben. Das ist immens. Da geht Know-how weg. Das muss durch geeignete Rekrutierung kompensiert werden. Dazu gehört natürlich auch ein wettbewerbsfähiges Vergütungsniveau im öffentlichen Dienst. Dazu zählen auch Beamte.

Positiv an dem Gesetzentwurf – das möchte ich anmerken – ist, dass Sie die unteren Vergütungsgruppen – da haben wir besonders, aber nicht nur die Polizei und die Feuerwehr im Blick – überdurchschnittlich anheben, um auch dort eine Unwucht zu beseitigen. Sie sollten es fast genießen, wenn Sie das von einem Freidemokraten hören.

[Beifall bei der FDP]

Ein gravierender Mangel, mit dem Sie sich einiges kaputt machen, was Sie sich von dem Gesetzentwurf erhoffen,

(Anja Schillhaneck)

nämlich eine Wertschätzung seitens der Beamten, ist das maximale Hinausschieben des Termins, nämlich auf den 1. August. Der 1. Januar wäre richtig gewesen. Sie haben aber noch die Chance, den 1. Januar zu nehmen. Bei den Angestellten im öffentlichen Dienst wird zum 1. Januar angehoben. Zudem hat der Finanzsenator angesprochen, wie viele Bundesländer die Besoldung zu anderen Terminen anheben. Entscheidend ist aber, was in Brandenburg passiert, denn dort findet der Wettbewerb statt, und die machen es zum 1. Januar.

[Beifall bei der FDP]

Insofern wäre das ein wichtiges Signal der Wertschätzung, auch hier zum 1. Januar die Erhöhung durchzuführen. Wir sollten nicht das Gefühl vermitteln, dass durch den Zeitablauf die Hälfte der Erhöhung kassiert wird. Man könnte auch sagen, es kommt nicht nur darauf an, wie viel mehr gegeben wird, sondern auch darauf, ab wann mehr gegeben wird. Insofern bitte ich Sie, in den Beratungen unseren Änderungsantrag positiv zu begleiten.

Es gibt also noch viele Baustellen über die jetzige Besoldungsanpassung hinaus. Wir brauchen ein abgestimmtes Personalkonzept. Wir brauchen eine Taskforce, die sich zum Beispiel mit den Bezirken auseinandersetzt. Da haben wir enorm viel Potenzial und Know-how, auch was die Rekrutierung von Personal anbetrifft.

An die Koalition noch eins: Noch etwas hat mit Wertschätzung zu tun. Der Kollege Luthe hat es heute schon angesprochen. Wenn man den Feuerwehrleuten eine Verjährungseinrede entgegenhält für ein unberechtigtes Vorenthalten von Überstundenzuschlägen, dann ist das das Gegenteil von Wertschätzung. Es ist sogar fast schäbig.

[Beifall bei der FDP]

Insofern sollten Sie das auch machen. Das wird natürlich mehr kosten. Frau Schillhaneck hat fast schon verzweifelt gefragt: Wo sollen wir das Geld hernehmen? – Verzichten Sie einfach auf so unsinnige Vorhaben wie das Stadtwerk für 100 Millionen Euro. Dann wären wir auch an der Stelle schon eine ganze Ecke weiter.

Unsere Unterstützung für diesen Gesetzentwurf haben Sie. Noch besser wäre er, wenn Sie unseren Änderungsantrag annehmen würden. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung der Gesetzesvorlage und des Änderungsantrags der Fraktion der FDP an den Haupt

ausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Wir kommen nun zu

lfd. Nr. 4:

Einführung eines Freiwilligen Polizeidienstes

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 15. Mai 2017 Drucksache 18/03061

zum Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/0069

Zweite Lesung

Ich eröffne die zweite Lesung zum Gesetzesantrag und schlage vor, die Einzelberatung der 19 Paragrafen miteinander zu verbinden – und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe auf die Überschrift und die Einleitung sowie alle Paragrafen, Drucksache 18/0069. In der Beratung beginnt die AfD-Fraktion. Herr Kollege Vallendar hat das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Berliner Polizei ist überaltert, unterbesetzt, und schiebt einen enormen Überstundenberg vor sich her und gilt als unterbezahlt. Die Auswirkungen dieser Arbeitsbedingungen kann man an einer Zahl ablesen: 1 192! Das ist ein Anstieg von über 10 Prozent in zwölf Jahren. So viele Polizisten waren mit Stand September 2016 dauerhaft oder temporär verwendungseingeschränkt. Etwa jeder 16. Polizist ist in Berlin also polizeidienstunfähig. Die Stimmung in der Polizei ist am Boden. Für die jetzige Situation sind die Sparmaßnahmen in den zehn Jahren der rot-roten Landesregierung verantwortlich. Tatsächlich wurde aber erst gegen Ende dieser Regierungskoalition ein Stellenabbau vorangetrieben. Die folgende Koalition von SPD und CDU speckte hier weiter ab. Daran änderte auch der CDU-Innensenator Frank Henkel nichts.

[Michael Dietmann (CDU): Falschmeldung!]

Kamen 2009 noch 4,9 Polizisten auf 1 000 Einwohner, sank die Zahl auf aktuell 4,5 Vollzugsbeamte je 1 000 Berliner. Diese Quote wird sich auch nach der aktuellen Personalplanung für die Polizei bis Ende 2019 nicht verbessern. Offensichtlich gibt es, das hat auch die Debatte in der ersten Lesung gezeigt, Missverständnisse im Hinblick auf den Sinn und Zweck eines Freiwilligen Polizeidienstes. Der Kollege Dregger etwa hatte uns in der letzten Plenardebatte unterstellt, die AfD fordere den Freiwilligen Polizeidienst zur Terrorabwehr. Das ist absoluter Unfug. Das entspricht nicht der Intention der AfD. Es geht darum, dass gerade in Zeiten eines erhöhten Gefahrenpotenzials durch islamistische Straftaten die Polizei ihre Kräfte bündeln kann. Um die erforderlichen Kräfte freizusetzen, benötigt die Polizei zwingend einen Frei

(Florian Swyter)

willigen Polizeidienst, der die polizeiliche Arbeit nicht ersetzen, sondern ergänzen soll.

[Beifall bei der AfD]

Es ist mit unserem Gesetzentwurf ohne Weiteres möglich, den Freiwilligen Polizeidienst als Streifendienst zu Fuß einzusetzen mit geringen Befugnissen wie etwa die Identitätsfeststellung, den Platzverweis, Notwehr und Jedermann-Festnahmerecht. Die Bürger wollen gerade in einer solch großen Stadt wie Berlin die Polizei auch auf der Straße sehen.

[Beifall bei der AfD]

Nun möchte ich auch noch einmal auf das Argument eingehen, hoheitliche Aufgaben können und sollen ausschließlich nur Angehörigen des öffentlichen Dienstes übertragen werden. Das ist nicht ganz korrekt. Artikel 33 Abs. 4 des Grundgesetzes spricht von „in der Regel“, sieht also explizit Ausnahmen vor. Wenn dies nicht zulässig wäre, dürften auch andere Bundesländer keine Sicherheitswacht und keinen Freiwilligen Polizeidienst haben. Nebenbei boomt in Berlin mittlerweile der private Sicherheitsmarkt ohne jegliche staatliche Kontrolle.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Was?]

Dies stellt eine viel größere Gefahr für das Gewaltmonopol des Staates dar als ein freiwilliger unter Aufsicht der Polizeibehörden stehender Polizeidienst.

[Beifall bei der AfD]

Die Zahl der Mitarbeiter hat sich in diesem Bereich in nur sieben Jahren bereits verdoppelt. Security-Leute in schwarzen Uniformen und Neonwesten sind heute allgegenwärtig. Auf Flughäfen kontrollieren sie im Auftrag der Bundespolizei, sie patrouillieren in den U-Bahnen und in Einkaufszentren, halten Wache vor Behörden und Diskotheken und sogar Krankenhäusern. Konzerte und Sportveranstaltungen bedeuten in Zeiten von Terrorangst jedes Mal Großeinsätze.

Soll das zukünftig die alternative Sicherheit für Berlin sein? Warum wird überhaupt so viel Sicherheitspersonal gebraucht? Es wird gebraucht, weil sich die Privaten schon längst nicht mehr auf den Staat in dieser Hinsicht verlassen. Das ist das Zeugnis, das Berlin im Bereich der Sicherheit ausgestellt wird: ein dickes mangelhaft!

Das Sicherheitsgefühl der Berliner muss gestärkt werden, wenn wir an dem Punkt angelangt sind, an dem wir uns gerade befinden. Mittlerweile wird einem geraten, dass man sich abends am Görlitzer Park oder am Kottbusser Tor nicht mehr allein auf den Heimweg machen sollte. Hier stimmt etwas nicht in unserer Stadt.

Es hilft schon oft, dass jemand da ist, der einem zu Hilfe kommen könnte. Der Freiwillige Polizeidienst ist sozusagen die lebendige Überwachungskamera, etwas, das in Anbetracht fehlender dauerhafter Videoüberwachung übrigens als Ersatz dringend geboten ist. Deutschlandweit

gibt es zahlreiche freiwillige Dienste, welche eine hohe Anerkennung in der Bevölkerung genießen, ob Freiwillige Feuerwehr, das Technische Hilfswerk, der Bundesfreiwilligendienst, Reservisten der Bundeswehr, zu denen ich auch selbst zähle, und viele mehr. Warum es soll es also den Berlinern nicht ermöglicht werden, auch freiwillig die Berliner Polizei bei ihrer Aufgabenerfüllung zu unterstützen?

[Holger Krestel (FDP): Weil sie die Leute dafür nicht haben!]

Wenn nun von den Koalitionären dieses verdiente Ehrenamt verächtlich als Relikt oder uraltes Denken aus Westberliner Zeiten abgetan wird, machen Sie damit die Leistung verächtlich, die die zahlreichen freiwilligen Polizisten für unsere Stadt in der Vergangenheit erbracht haben, unter anderem auch dem Kollegen Holger Krestel. Das Signal, das Sie an die Polizei senden, ist Folgendes: Wir versuchen es nicht einmal, euch von den einfachsten, aber notwendigsten Aufgaben zu entlasten. – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Çağlar das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein weiteres Mal debattieren wir heute den Antrag der AfD-Fraktion über die Einführung eines Freiwilligen Polizeidienstes. Neben den schon vorgebrachten Argumenten, das wir keine schlecht ausgebildeten und vorbestraften Freizeitpolizisten auf Berlins Straßen haben wollen, hat sich in der Diskussion im Ausschuss gezeigt, dass selbst der antragstellenden Fraktion nicht klar ist, wie der Freiwillige Polizeidienst ausgestaltet werden soll. Fragen nach genauen Befugnissen sowie einer eventuellen Bewaffnung konnten nicht abschließend beantwortet werden. Richtige und wichtige grundgesetzliche Einschränkungen, hoheitliche Aufgaben, werden leichtfertig weginterpretiert.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Woldeit?

Nein! – Lediglich – und ich zitiere aus dem Ausschussprotokoll – bekämen Bürgerinnen und Bürger „das Gefühl von mehr Polizeipräsenz vermittelt“. Ein Ge

(Marc Vallendar)

setzesantrag, der nur positive Gefühle zum Ziel hat, ist Symbolpolitik und hat mit bürgernahen Lösungen wenig zu tun.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]