Protocol of the Session on May 18, 2017

Dort ist immer zu sehen, welcher Tagesordnungspunkt demnächst drankommt.

Herr Kollege Evers! Bitte schön, Sie haben das Wort!

Vielen Dank! – Herzlich willkommen, Frau Senatorin! Schön, dass Sie bei uns sind. Ein Stück weit geht es ja auch um Ihre Vergangenheit im Umgang mit diesem Thema.

Ich will vorwegschicken: Ich glaube, es ist uns allen hier im Haus gemein, dass das Thema Schaffung neuen Wohnraums eine hohe, wenn nicht höchste Priorität für uns hat. Das war schon in der letzten Legislaturperiode so. Das war eine wesentliche Maxime auch unserer Politik und ein Konsens, von dem wir froh waren, ihn auch mit der SPD in einer Koalition erreichen zu können. Zumindest dachten wir, dass ein solcher Konsens besteht.

Ich glaube, liebe Kolleginnen von den Grünen und von der Linken, wir waren gemeinsam, in seltener Eintracht, einigermaßen erstaunt darüber, was sich am Leipziger Platz zum Ende der letzten Legislaturperiode ein Stück weit im Vakuum des Wahlkampfs ereignet hat. Als ich mit dem Kollegen Matthias Brauner seinerzeit in die Behörde des Senators Geisel gegangen bin, um Aktenein

sicht zu nehmen, habe ich mir nicht vorstellen können, was wir dort vorfinden würden. Wir haben es mit einem Fall zu tun, wir reden über die bekannte – wahlweise – Baubrache oder prominenteste Werbefläche der Stadt am Leipziger Platz, bei dem dieser Grundkonsens, von dem ich gesprochen habe, nämlich der höchsten Priorität für die Schaffung neuen Wohnraums, einseitig von einem Senator, und ausgerechnet demjenigen, der für dieses Thema zuständig gewesen ist, aufgekündigt wurde. Für die Entwicklung des Leipziger Platzes gilt ein von diesem Hause beschlossener Bebauungsplan, deswegen sollte es auch unser gemeinsames Anliegen sein, ihn einzuhalten. Dieser Bebauungsplan sieht unmissverständlich bei der Realisierung von Bauprojekten einen 20-prozentigen Wohnanteil vor. Das ist auch nicht irgendeine Nebenbestimmung dieses B-Plans, sondern es ist ein wesentlicher Grundzug der Planung, und das ist auch von der zuständigen Senatsverwaltung laut Aktenlage so anerkannt. Das haben auch alle anderen Grundstückseigentümer am Leipziger Platz akzeptieren müssen. Sie alle hätten lieber Büroflächen und Gewerbeflächen in einer solchen Lage realisiert, aber sie mussten sich den strengen Vorgaben des B-Plans beugen, jedenfalls alle, die bisher dort Bauvorhaben realisiert haben. Eigentlich sollten sie sich darauf verlassen können, dass auch am Leipziger Platz gleiches Recht für alle gilt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD! Wir haben für den Wohnungsneubau, gerade mit Blick auf den B-Plan, in der letzten Legislaturperiode gemeinsam strenge Vorgaben geschaffen, unser Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung. Und auch da setzen wir selbstverständlich voraus, dass Bauherren sich an die Vorgaben städtebaulicher Verträge und von B-Plänen halten. Umgekehrt sollten sie aber auch alle das Gefühl haben, sich darauf verlassen zu können, dass der Staat selbst, dass der Senat sich an die vom Abgeordnetenhaus geschaffenen Voraussetzungen hält.

Deswegen halte ich es für ein fatales Signal, wenn der damalige Bausenator und heutige Innensenator dort Regeln des Bebauungsplans willkürlich außer Kraft setzt, völlig einseitig, rechtswidrig, gegen das klare Votum und die Einschätzung seiner eigenen Verwaltung. Wenn daneben dann noch der Eindruck entsteht, es habe ein sozialdemokratisches Füreinander auch in dieser Frage gegeben, dann entsteht ein Schaden nicht nur für dieses Projekt, sondern für die ganze Stadt.

Wenn die Öffentlichkeit dann auch noch getäuscht wird mit der Behauptung, Lärmgutachten hätten dazu geführt, dass man hier von einer Wohnnutzung absehen könnte, es sei unmöglich, dort verträgliche Wohnverhältnisse zu schaffen, dann erstaunt auch das beim Blick in die Aktenlage, denn dort steht eindeutig und durch die Verwaltung als Nachweis erbracht, dass es selbstverständlich möglich ist, die technischen Voraussetzungen für ein verträgliches

(Präsident Ralf Wieland)

Wohnen auch in den oberen Stockwerken dieses Grundstücks zu schaffen.

Diese Entscheidung des ehemaligen Senators Geisel war eine Entscheidung nach Gutsherrenart. Sie war rechtswidrig und politisch fatal. Ich hatte eigentlich die Erwartung, dass sie durch die rot-rot-grüne Koalition alsbald revidiert wird, denn es war ein breiter Chor der Empörung, der sich damals erhob. Ich erinnere mich noch an die gerade abwesende Fraktionsvorsitzende Kapek, die von einer unrechtmäßigen Einflussnahme des Senators sprach. Recht hat sie! Ich erinnere mich an Andreas Otto, der erstmals von Senatorenbaurecht sprach. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass wir diesen Begriff gleich in die Überschrift unseres heutigen Antrags übernommen haben, um Ihnen die Zustimmung zu erleichtern. Auch die heutige Senatorin Lompscher hat als Abgeordnete keine Zurückhaltung geübt, sondern sehr klar und deutlich gesagt, dass sie die Argumentation des Senators in keiner Weise nachvollziehen kann.

Also müssen wir jetzt hoffen, dass es uns gemeinsam gelingt, mit der SPD wohl kaum, aber vielleicht mit Ihnen von den Grünen und der Linken in seltener Eintracht, einen rechtmäßigen Zustand am Leipziger Platz wiederherzustellen. Die Chance dazu gibt es immer noch, und ich lade Sie dazu ein, sie zu ergreifen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Andreas Wild (AfD)]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Spranger das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!

[Mario Czaja (CDU): So, Frau Spranger, jetzt erklären Sie mal, was da passiert ist!]

Herr Czaja! Das werde ich Ihnen erklären. – Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Willkürlich, rechtswidrig, die Worte kann ich jetzt alle gar nicht wiederholen, die Sie jetzt so in den Raum gestellt haben. Herr Evers! Sie wissen es eigentlich besser. Sie haben bewusst einige Sachen einfach einmal weggelassen.

[Heiko Melzer (CDU): Auch schlimme!]

Deshalb erinnere ich Sie natürlich auch gerne daran, weil es eine öffentliche Diskussion gab. Wir müssen uns einmal anschauen: Wie war es denn damals? – Die Berliner Wohnungsfrage wird selbst im Wahlkampf, in dem scheinen Sie sich auch zu befinden, nicht am Leipziger Platz entschieden werden. Das ist scheinbar ein Luxusproblem der CDU, denn Sie wissen sehr genau: Ob Grundstückseigentümer aus einer Befreiung einen großen

Vorteil ziehen, ist an dieser Stelle zu bezweifeln. Der Immobilienmarkt weist derzeit eine ähnlich hohe Rendite für den Bau von Wohnungen oder Gewerbe aus.

[Stefan Evers (CDU):Ein Grund mehr, Wohnungen zu schaffen! – Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Inzwischen werden Bürohäuser zu Wohnhäusern umgebaut. Der Preis ist wahrscheinlich deutlich höher als 15 000 Euro, wenn man verkauft. Es geht dort um fünf Wohnungen, das haben Sie nicht gesagt, bei denen eine Nettokaltmiete von mindestens 3 000 Euro zu erzielen ist. Das sind nicht die Wohnungen, die wir vordergründig als Sozialdemokraten in den Vordergrund unserer Politik stellen, sondern wir wollen bezahlbaren Wohnraum.

[Heiko Melzer (CDU): Wohnungen sind das Stichwort!]

Aber es ging hier um ein anderes Problem. Es ging darum, das haben Sie natürlich nicht gesagt, dass Ihr Baustadtrat Spallek zwölf Jahre lang Stillstand provoziert hat, weil er eine unbefristete Werbeplanung ausgesprochen hat für einen Werbeplan, der immer noch da hängt, und Herr Geisel gesagt hat: Wir müssen dort endlich etwas machen –, und damit Bewegung reingebracht hat.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Evers?

Aber natürlich! Selbstverständlich!

Bitte schön!

Ich werde mich bemühen, zwei Fragen in einer zusammenzufassen, um nicht regelwidrig zu werden.

Dann machen Sie nur eine!

Verstehe ich Sie richtig, dass Sie uns hier einerseits vortragen, dass es bei Wohnungsneubau, der nicht Ihren Erwartungen und politischen Vorlieben entspricht, egal ist, welche rechtlichen Voraussetzungen am Standort bestehen, und dass Sie sich, zweitens, dann doch keinen Überblick über die Aktenlage verschafft haben? Denn dort ist ausdrücklich zu entnehmen, in welcher Art und Weise eine Bauverpflichtung des Grundstückseigentümers hätte herbeigeführt und die Regelungen dieser berühmten Werbevereinbarung überwunden werden können.

Bitte schön, Frau Kollegin!

Selbstverständlich haben wir uns das angeschaut. Im Übrigen haben wir gemeinsam im Stadtentwicklungsausschuss eine Riesendiskussion unter anderem mit der Senatsverwaltung gehabt, und zwar mit dem Abteilungsleiter Kühne. Daran werden Sie sich wohl erinnern können. Da hat er uns sehr genau erklärt, wie er selbstverständlich rechtmäßig den B-Plan zugrunde gelegt hat. Es geht hier um die Lärmabwägung, und selbstverständlich ist das genehmigungsfähig, so wie es passiert ist. Das haben Sie jetzt nicht gesagt. Natürlich halten wir uns daran, aber ich muss es Ihnen noch einmal deutlich sagen: Luxuswohnungen gehören zu Berlin. Wir sind auch gar nicht dagegen. – Herr Evers! Hören Sie mir wenigstens zu, wenn Sie schon die Frage stellen!

[Stefan Evers (CDU): Multitasking!]

Luxuswohnungen gehören zu Berlin, aber das sind nicht vordergründig unsere Ansätze, die wir als Sozialdemokraten haben, sondern wir wollen bezahlbaren Wohnraum, und auch wenn wir bezahlbaren Wohnraum wollen, werden wir uns selbstverständlich an die Gesetze halten.

Das, was ich Ihnen zu Ihrem Stadtrat gesagt habe, war: Wir hätten heute noch den Stillstand, wäre nicht Bewegung reingekommen, denn Herr Spallek hat dort Genehmigungen für Zeit seines Lebens ausgereicht. Da haben wir gesagt, völlig richtig, im Übrigen im Ausschuss Sie dann auch: Natürlich, es muss Bewegung rein. Es muss an der Stelle etwas passieren, und das wird passieren. Insofern haben wir einen anderen Ansatz als Sie. Wir sehen das so wie im Stadtentwicklungsausschuss – im Übrigen waren wir da noch gemeinsam in einer Koalition –, die Befreiung war zulässig und sinnvoll. Um eine Gewerbeplanung im Zentrum zu haben, das ist nicht unser Ansatz. Wir wollen dort eine ordentliche Bebauung.

Frau Kollegin! Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Czaja?

Aber natürlich! Aber klar! Dann habe ich wenigstens noch ein bisschen mehr Redezeit.

Frau Kollegin Spranger! Können Sie mir sagen, wer vor den fünf Jahren, bevor Herr Spallek dort Stadtrat war, dort Stadtrat gewesen ist und welcher Partei er angehört hat?

Unter dem Regime eines Herrn Spallek ist diese Freigabe erfolgt.

[Lachen bei der CDU – Heiko Melzer (CDU): Also, Sie können es nicht beantworten!]

Das muss ich leider so sagen. Auch das Bauamt von Mitte – das wollen Sie nicht hören, ich wollte es nicht sagen, aber dann sage ich es hier – hat im Übrigen in anderen Fällen Befreiung von der Wohnungsbaupflicht erteilt, die Herr Spallek dann ausgesprochen hat.

[Torsten Schneider (SPD): Hört, hört!]

Darüber sollten Sie auch einmal Erkundungen einholen und sich das anschauen, denn er hat das in seiner Regie mehrmals in Mitte gemacht. Jetzt tun Sie hier so, als ob das nun die einmalige Chance war, hier etwas nachzuholen, was Sie damals vermeintlich nicht hinbekommen haben. Es entstünden keine preisgünstigen Wohnungen, sondern reine Luxuswohnungen. Deshalb habe ich am Anfang gesagt, es ist auch ein Luxusproblem. Es geht um fünf Wohnungen. Der B-Plan ist ordentlich verhandelt worden. Und die Befreiung ist ordentlich erteilt worden. Insofern können Sie das gerne noch einmal hochziehen. Aber Sie wissen es besser. Schauen Sie sich die Akten an! Sie haben es ja getan. Aber schauen Sie sich vielleicht auch noch einmal die Argumentation von damals im Ausschuss an! Dann wissen Sie, dass Sie hier auch Unfug erzählt haben. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Torsten Schneider (SPD): Von Spallek lernen heißt siegen lernen! – Heiko Melzer (CDU): Mal sehen, was Linke und Grüne erzählen!]

Für die AfD-Fraktion hat jetzt der Kollege Laatsch das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es gehört: Es wurde Baurecht gebrochen, und das von denen, die uns ganz viel über Verantwortung für Wohnraum erzählen, über soziale Verantwortung für die Bewohner dieser Stadt. Die Wohnungsfrage wird nicht nur, aber auch am Leipziger Platz entschieden. Jede Luxuswohnung löst eine Kette von Freizügen aus.

[Lachen bei der LINKEN]

Ja, das erheitert Sie! – Geltendes Recht muss wiederhergestellt werden, besonders angesichts der Tatsache, dass wir uns im Ausschuss doch einig waren, der Entwicklung von Geisterstadtsyndromen entgegenzuwirken. Hatten wir nicht beim Thema Hochhausbau darüber

gesprochen, dass es von besonderer Bedeutung ist, für Lebendigkeit im Umfeld von Bebauung zu sorgen und unter allen Umständen die Abkoppelung von der Umgebung zu vermeiden? Wollten wir nicht Lebensräume schaffen statt abweisender Glasfassaden, wie wir sie im Regierungsviertel besonders bei den Lobbyistenblöcken finden?

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schneider?