Protocol of the Session on February 23, 2012

Sie haben Ihren ersten Redebeitrag mit der beliebten – jedenfalls in Ihrer Partei beliebten – Floskel beendet: Wer hat uns verraten? – Sozialdemokraten.

[Zurufe von den PIRATEN]

Ich weise diese Formulierung in diesem Haus für meine Fraktion entschieden zurück.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Ich glaube, Sie haben eine kleine Nachhilfe in Sachen Geschichte nötig.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Ich glaube, Sie wissen nicht genau, was Sie hier erzählen. Und wenn Sie es doch tun, so ist es eine Unverschämtheit. Dann erwarten wir eine Entschuldigung.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN]

Der flotte Spruch, den Sie hier von sich geben, stammt aus dem Umfeld der Sozialfaschismustheorie, die die SPD als den linken Flügel des Faschismus darstellt. Einer Partei, die unter dem Faschismus gelitten hat, deren Mitglieder in Konzentrationslagern gestorben sind, so etwas heute, an diesem Tag, vorzuhalten, ist eine bodenlose Frechheit.

[Anhaltender Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf von Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN)]

Wir haben heute Morgen gemeinsam der Opfer rechtsradikaler Umtriebe gedacht. Wir haben heute Morgen gemeinsam derjenigen gedacht, die Opfer von Leuten wurden, die sich anmaßen, über Recht und Leben anderer zu entscheiden. An einem solchen Tag reproduzieren Sie eine Theorie, die sich auf genau das gleiche Gedankengut gründet und die Sozialdemokratie in die Nähe des Faschismus rückt. Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokratie ist an einem solchen Tag zu Recht empört. Wir erwarten eine Entschuldigung. – Vielen Dank!

[Anhaltender Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege Oberg! – Herr Morlang! Sie dürfen noch einmal erwidern!

[Unruhe]

An dieser Stelle haben wir eine Premiere. Hier wurde das getan, was man im Internet einen Godwin pullen nennt. Einen Godwin zu pullen, heißt: In jeder Debatte gibt es früher oder später einen Nazi-Vergleich. Und der, der den Nazi-Vergleich gezogen hat, hat die Debatte verloren. Danke, lieber Sozialdemokrat!

[Zurufe von der SPD]

Jetzt noch mal zum Thema Zuhören! Wir haben auch das Protokoll. Ich habe gesagt, ich glaube, am Ende dieser Legislaturperiode wird man auf den Straßen von Berlin Folgendes singen, wenn Sie so weitermachen. Genau das habe ich gesagt. Ich persönlich werde das natürlich nicht singen. Ich persönlich habe das Internetvideo von MarcUwe Kling, der das Ganze in unser Jahrhundert umgesetzt hat, weiterverbreitet. Ich kann es übrigens empfehlen. Geben Sie ein: Wer hat uns verraten? – Marc-Uwe Kling ist großartig. Sie werden feststellen, dass ganz viele das singen. Das können Sie selbst machen. Ich muss das jetzt nicht singen.

An der Stelle werde ich mit viel Vergnügen zuschauen, wie Sie auch von Leuten auf der Straße, die das singen, eine Entschuldigung fordern. Ich habe es nicht gesungen. Ich habe nur vermutet, dass Leute es tun werden. Wenn Sie das irgendwie hinkriegen, das mit dem Zuhören, mit dem Verstehen und dem dann Wiedergeben, dann werden Sie sich vielleicht ein bisschen weniger echauffieren. – Aber an dieser Stelle sage ich: Treffer, versenkt! Der Godwin ist gepullt, Sie haben verloren! – Danke!

[Beifall bei den PIRATEN – Zurufe von der SPD und der CDU: Pfui! Buh!]

Danke, Herr Kollege Morlang! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Es wird die Überweisung des Gesetzesantrags federführend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung und mitberatend an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr und an den Ausschuss für Digitale Verwaltung, Datenschutz und Informationsfreiheit empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

(Vizepräsident Andreas Gram)

lfd. Nr. 4.2:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Tagesordnungspunkt 23

Mit abhängigem Parallelbetrieb Flugrouten optimieren und Lärmbelastungen reduzieren

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0171

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Als Redner ist mir der Kollege Moritz benannt worden.

[Beifall von Stefan Gelbhaar (GRÜNE)]

Bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vertauen und Verantwortung sind wichtige Kriterien, um Akzeptanz für politische Entscheidungen zu erreichen. Beides, sowohl Vertrauen in die Politik als auch Verantwortung für die Menschen, ist bei den Entscheidungen rund den Flughafen Berlin-Brandenburg kaum festzustellen. Bei der Festsetzung der Flugrouten sollten die Prämissen auf Sicherheit, dann auf Gesundheitsschutz und erst danach auf Wirtschaftlichkeit gelegt werden. In der Realität kommt aber unmittelbar nach der Sicherheit die Wirtschaftlichkeit und weit abgeschlagen erst der Gesundheitsschutz.

Dass die Wirtschaftlichkeit höher als der Gesundheitsschutz bewertet wird, belegt erneut die jüngst öffentlich gewordene Stellungnahme des Flughafens auf Anfrage des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung. Das BAF wollte die Frage geklärt haben, ob der vollständig parallel unabhängige Betrieb beider Pisten teilweise eingeschränkt werden könnte. Das BAF wollte dadurch lärmgünstigere Flugrouten möglich machen. In der Antwort des Airport Research Centers im Auftrag der Flughafengesellschaft vom Dezember 2011 wird der parallel unabhängige Betrieb nicht empfohlen. Und warum? – Weil es auf der Nordpiste zu marginalen Kapazitätsengpässen kommen könnte! Grundlage dieser Antwort war der neue Flugplan mit Stand vom November 2011, der 100 bis 200 Flugbewegungen am Tag mehr vorsieht als die eigentliche Flugroutenfestlegung des BAF im Januar 2012. Daher ist es vollkommen verständlich, dass sich die Betroffenen wieder getäuscht und betrogen fühlen. Das sollte doch allen verständlich sein.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Wahrscheinlich sieht der Regierende Bürgermeister das immer noch anders und fordert weiter von den Betroffenen, sich endlich in ihr Schicksal zu finden. Herr Wowereit – leider sehe ich ihn hier nicht – ist ja auch gut geschult worden, wie man dem Magazin der Fremdenverkehrswirtschaft vom Dezember 2011 entnehmen kann.

Dort findet sich nämlich ein wirklich für diese Situation passendes Zitat:

Einen Kommunikationserfolg konnte von Randow zumindest schon bei Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit verbuchen. „Ich habe ihn mehr als eine Stunde gebrieft, um den Zusammenhang zwischen Hub-Betrieb und der parallelen Bahnnutzung auf dem neuen Hauptstadtflughafen erläutert.“ Im Wahlkampf habe Wowereit dann klar zum Flughafen gestanden und sich von der kleinen, aber lautstarken Protestgruppe nicht verunsichern lassen.

Herr Randow war Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, dann wechselte er zu Air Berlin und ist jetzt Hauptgeschäftsführer des Luftverkehrsverbands BDL. So viel vielleicht zum Vertrauen in politisch Verantwortliche, die dann so „gebrieft“ sind und sich dementsprechend verhalten.

Aber zurück zu unserem Antrag und zur Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger. Wir wollen mit unserem Antrag erreichen, dass Berlin als Anteilseigner der Flughafen Berlin Schönefeld GmbH einen abhängigen Betrieb der beiden Pisten zulässt, zumindest außerhalb der Spitzenzeiten, und bei den weiteren Anteilseignern für diese Entscheidung wirbt. Ein solcher politischer Beschluss des Abgeordnetenhauses ist notwendig, um hier endlich einen Schritt voranzukommen, einen Beschluss dafür in der Flughafengesellschaft herbeizuführen und letztendlich lärmgünstigere Flugrouten festlegen zu können und die Menschen weniger zu belasten.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Die Fluglärmkommission – Herr Gaebler, Sie hatten das in den Medien gesagt – kann diesen Beschluss nicht herbeiführen. Die Fluglärmkommission ist nur ein beratendes Gremium und hat außerdem im Frühsommer vorigen Jahres die Bitte zur Berechnung von Flugrouten unter abhängigem Parallelbetrieb an die Deutsche Flugsicherung gestellt. Die Deutsche Flugsicherung ist dieser Bitte nicht gefolgt. – Ich bitte Sie, unseren Antrag in den Ausschuss für Bauen und Verkehr zu überweisen, um ihn dort, wie wir es letztens schon getan haben, sachorientiert zu beraten und unserer Verantwortung für die Menschen gerecht zu werden. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Moritz! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt die Kollegin Harant das Wort. – Bitte sehr, Frau Kollegin!

Danke, Herr Präsident! – Sehr verehrte Damen und Herren! Es ist wirklich wohltuend, Herrn Moritz zuzuhören nach der vorher doch sehr aufgeregten Rederunde. Manchmal fragt man sich, ob die Länge und die Aufgeregtheit dem Thema wirklich angemessen sind,

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Oh! Das ist heiß!]

von den Inhalten, im Übrigen, ganz zu schweigen.

[Beifall bei der CDU]

Wir gehen jetzt mit dem Thema Flugrouten um, das uns sicher nicht zum letzten Mal beschäftigen wird, schätze ich. Alles im Leben hat zwei Seiten. Das gilt auch für den neuen Flughafen Berlins in Schönefeld. Da gibt es sicher ganz viel Positives zu vermelden: Tegel wird geschlossen, der letzte innerstädtische Flughafen. Das wird die hohe Lärmbelastung für die Menschen rund um Tegel reduzieren. Das ist eine gute Nachricht für diese Menschen. Drei Milliarden Euro wurden verbaut. Große Hoffnungen verbinden sich mit diesem Flughafen, sowohl was Arbeitsplätze betrifft als auch wirtschaftliche Impulse für die gesamte Region. Die meisten Berlinerinnen und Berliner freuen sich darauf.

Aber es gibt natürlich eine Kehrseite. Es geht um den Fluglärm. Da, wo geflogen wird, entsteht Lärm, und der ist nun einmal da, wo ein Flughafen ist. Folgerichtig wäre es also gewesen, den Flughafen in eine menschenleerere Region zu bauen, ich sage nur Sperenberg, die alten Geschichten, Sie wissen es, die SPD wollte es, die Grünen eher nicht.

[Zuruf von den GRÜNEN]

Aber die Entscheidung ist anders. Wir müssen jetzt mit den Fakten zurechtkommen. Das wollen viele Bürgerinitiativen nicht akzeptieren. Die Proteste halten an. Es wird sogar von einer Schließung des Flughafens geträumt, von Neuplanung gesprochen. Ich erinnere nur an die angekündigte Demo am kommenden Samstag. Man verweigert sich der Wirklichkeit, denn der Flughafen wird kommen.

Das heißt aber nicht, dass nicht alles daran gesetzt werden muss, die drohende Lärmbelastung für die umliegenden Gemeinden so weit wie möglich zu reduzieren. Da sind wir uns, denke ich, alle einig. Insofern ist die Zielrichtung dieses Antrags, die Optimierung der Flugrouten, die Reduzierung der Lärmbelastung natürlich absolut richtig und wird von uns unterstützt. Wir wollen, dass jede Möglichkeit geprüft wird, schon jetzt, ab morgen. Nach meiner Information ist das auch schon der Fall. Es gibt eine AG Betriebsregie beim Flughafen, die genau das tut, was der Antrag fordert. Es kann dann der abhängige Parallelbetrieb wirklich dazu beitragen, dass die Flugrouten noch einmal anders festgesetzt werden. Allerdings geht immer die Sicherheit vor. Der abhängige Parallelbe