Protocol of the Session on February 23, 2012

Warum auch nicht? Sie sind schließlich die Spezialisten für Vorschulpädagogik.

[Beifall bei der LINKEN]

2010 forderten sie die Länder auf zu handeln. In Berlin wurde daraufhin ein Leitfaden für die Lebensmittelhygiene in Kindertagespflegestellen erstellt. Ein Leitfaden ist ein Leitfaden und kein Gesetz und damit Punkt. Sollten nämlich diese Vorgaben maßgeblich sein, sind sie, allein was die baulichen Maßnahmen betrifft, in privaten Mietwohnungen nicht realisierbar. Wer hat schon in seiner Küche drei Waschbecken mit separaten Funktionen für Lebensmittel, für Geschirr und für die Hände extra?

[Heiterkeit bei der LINKEN]

Wessen Vermieter macht da mit?

Durch die notwendigen hohen Investitionen ist zu erwarten, dass viele Tagespflegeeltern ihre Tätigkeit aufgeben. Wer sich entscheidet weiterzuarbeiten, hat einen enormen Mehraufwand, für dessen Bewältigung im Grunde eine Extrakraft eingestellt werden müsste: jemand, der die Etiketten und Kassenbons archiviert, mehrmals täglich das Kühlschrankthermometer abliest, auch das in der Tiefkühltruhe des Supermarktes nicht vergisst, und all das auch noch dokumentiert und Akten anlegt.

[Heiterkeit von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Die Arbeit wird auch in ihrer Qualität verändert, und das ist für mich fast das Schlimmste. Das Zubereiten von Mahlzeiten, das Einkaufen auf dem Markt, die Gestaltung von Festen und Feiern unter freiem Himmel sind ein Teil des pädagogischen Prozesses. So etwas geht nicht mehr, wenn Tagespflegestellen Lebensmittelunternehmen sind. Und wer möchte schon, dass die frühen prägenden Er

nährungserfahrungen seines Kindes darin bestehen, dass das Mittagessen in einer Aluminiumassiette zur Tür hereingereicht wird? – Aber darauf läuft es hinaus.

Für die Tageseltern wird es jedenfalls enger, weil der Bund Europarecht eng auslegt. Berlin macht da auch noch mit, und zwar ohne Not. Zudem handhabt jeder Bezirk die Umsetzung anders. Die geeigneten Kontrollkapazitäten haben sie alle nicht. Die Tageseltern sind verunsichert. Zu Recht regt sich Protest. Es gibt eine entsprechende Petition an den Bundestag, denn wir haben es mit einer bundesweit unüberschaubaren Situation zu tun, mit von Bundesland zu Bundesland unterschiedlicher Vorgehensweise. Dankenswerterweise hat Frau BurkertEulitz das eben noch mal aufgeklärt: Wir müssen da gar nicht mitmachen. Wir machen das Theater ohne Not.

Hier muss Rechtssicherheit hergestellt werden. Wir erwarten, dass sich der Senat gegenüber dem Bund gegen die Einstufung von Tagespflegestellen als Lebensmittelunternehmen stark macht und sich auf die Seite des Europarechts und der Praktikerinnen stellt. Ziehen Sie also jetzt die Notbremse! – Unsere Fraktion stimmt dem Antrag zu.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin Möller! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Kollege Simon das Wort. – Bitte schön!

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Vor dem Trinken die Temperatur messen!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der hier zu beratende Antrag beginnt mit den Worten „Rechtssicherheit für Tageseltern schaffen“. Dieser Forderung kann sich die CDU-Fraktion anschließen. Die ca. 1 500 Tageseltern in Berlin leisten für die Kinder und ihre Eltern eine wertvolle Arbeit, die weiterhin unterstützt werden muss. Es muss verhindert werden, dass den Tageseltern bei ihrer täglichen Arbeit unnötige Hürden entstehen.

Ihr Antrag, werte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, spricht ein wichtiges Thema an. Er ist aber unausgegoren. Das möchte ich an zwei Punkten verdeutlichen.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Erstens: Sie schreiben in Ihrem Antrag unter anderem:

Der Senat von Berlin wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass die Berliner Tageseltern Rechtssicherheit und Rechtsklarheit darüber erhal

ten, ob … Hygienevorschriften rechtlich verbindlich für sie gelten.

Was, bitte, möchten Sie damit zum Ausdruck bringen? – Selbstverständlich wissen die Tageseltern, dass sie Hygienemindeststandards zu beachten haben, und das tun sie auch. Die Tageseltern dürfen sich aufgrund der Presseberichterstattung zwar durchaus zu Recht fragen, welche Hygienemaßnahmen zu treffen sind, aber nicht, ob.

Zweitens: Es geht um mehr als um Rechtssicherheit. Es geht auch darum, wie wir uns positionieren, mit einer konkreten Position dazu. Darüber, ob die Tageseltern Lebensmittelunternehmer sind und damit den Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 unterliegen, sagt Ihr Antrag aber gar nichts. Sie haben mündlich dazu vorgetragen, aber die Beschlussgrundlage ist Ihr Antrag. Da Ihr Antrag unausgegoren ist, kann er so nicht verabschiedet werden. Aber das Thema muss diskutiert werden. Gerne werde ich nun vor der möglichen Diskussion in den Ausschüssen ein paar Punkte ansprechen.

Wenn man als Mutter oder Vater sein Kind in die Obhut von Tageseltern gibt, möchte man die Gewissheit haben, dass das Kind mit größtmöglicher Sorgfalt von den Tageseltern betreut wird und man sich um das Wohl des Kindes keine Sorgen machen muss. Ich teile die Ansicht des Bundesverbandes für Kindertagespflege, dass für eine ordnungsgemäße Kindertagespflege die Einhaltung hygienischer Mindestanforderungen unverzichtbar ist. Gerade kleine Kinder sind gegenüber Krankheitserregern besonders empfindlich. Solche Erreger könnten auch durch Lebensmittel oder Hygienemängel verbreitet werden.

Ich denke, wir sind uns einig, dass die Gesunderhaltung und Gesundheitsförderung von Kindern besondere Priorität hat. Um den gesundheitlichen Schutz unserer Kinder zu gewährleisten, ist somit die Einhaltung hygienischer Mindestanforderungen in der Kindertagespflegestelle erforderlich. Deshalb denke ich, dass der Schutzzweck der in Rede stehenden EU-Verordnung richtig ist. Rechtssicherheit hätte durch die schnelle Bereitstellung eines Leitfadens für die Lebensmittelhygiene in der Kindertagespflege erfolgen können. Dieser Leitfaden existiert in Berlin erst seit August 2011. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat aber die zuständigen obersten Landesbehörden bereits im März 2009 auf die Rechtslage hingewiesen. Warum hat die damals zuständige Senatorin Lompscher mehr als zwei Jahre verstreichen lassen, um die Tageseltern darüber aufzuklären, welche Anforderungen auf sie zukommen? – Werte Kollegin Lompscher! Die schnelle Herbeiführung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sieht anders aus.

[Beifall bei der CDU und der SPD – Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (LINKE)]

Aber diese Aufgabe werden wir nun erledigen.

[Lachen von Dr. Gabriele Hiller (LINKE)]

Vor wenigen Tagen haben der Senator für Justiz und Verbraucherschutz und die Senatorin für Bildung, Jugend und Wissenschaft die Initiative ergriffen und zunächst das Bundesministerium angeschrieben. Zusätzlich kann und muss schon jetzt der vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz benannte Ermessensspielraum beim Vollzug der EU-Hygieneverordnung dringend genutzt werden, um sachgerechte Lösungen für den Einzelfall zu finden. Die Lebensmittelkontrolleure der Bezirke dürfen keine unverhältnismäßigen Maßnahmen gegenüber den Tageseltern ergreifen, denn der Erhalt der Betreuungsplätze bei den Tageseltern ist auch im Hinblick auf die bedarfsgerechte Versorgung mit Betreuungsplätzen in Berlin immens wichtig. Sie ist eine wichtige Säule der Kindertagesbetreuung.

Die CDU-Fraktion wird dem Antrag nicht zustimmen.

[Özcan Mutlu (GRÜNE): Welch eine Überraschung!]

Wir beantragen zur weiteren Beratung die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie und den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege Simon! – Für die Fraktion der Piraten hat jetzt der Kollege Kowalewski das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Tageseltern lösen in dieser Stadt ein Problem, das diese Stadt selbst gemacht hat. Wenn es ausreichend Kitaplätze gäbe, wären weniger Eltern auf Tageseltern angewiesen, um den Ausgleich zwischen Berufs- und Familienleben zu bewerkstelligen. Wir sehen uns mit einer Situation konfrontiert, in der uns in drei Jahren 23 000 Kitaplätze fehlen werden. Auch erweiterte Betreuungsmöglichkeiten für die Eltern, die nicht von 8 bis 16 Uhr arbeiten, sondern vielleicht auch mal zu anderen Zeiten, sind nicht ausreichend vorhanden.

[Unruhe]

Entschuldigung, Herr Kollege! – Ich bitte, die Gespräche einzustellen, nach vorne zu kommen oder hinauszugehen. Der Redner hat immer die Aufmerksamkeit verdient. – Bitte schön!

Danke schön, Herr Präsident! – Wir sollten glücklich sein, dass es diese Notlösung, die durch Tageseltern entsteht, gibt.

[Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE): Das ist keine Notlösung!]

Gut, vielleicht ist es nicht in jedem Fall eine Notlösung. Für viele Eltern ist es das leider trotzdem. Gut, wir können gerne noch darüber sprechen. Dann bezeichne ich es jetzt nicht als Notlösung. Ich sage, schade, dass wir jetzt diese Lösung für viele Menschen als solche nicht unterstützen, sondern ihr durch eine seltsame Auslegung einer EU-Hygienevorschrift an die Existenz gehen. Hier wird ein sinnloses Bürokratiemonster erschaffen, und das wahrscheinlich unabsichtlich.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Und solche Gefahren kennen wir. Wir haben gerade die sprunghaften Anstiege der Haftpflichtversicherungsbeiträge von Hebammen erlebt, die dazu führen, dass mehr und mehr freiberufliche Hebammen dieses Geschäft einstellen müssen. Ich hoffe, dass das mit den Tageseltern nicht ähnlich aussieht.

Die EU-Kommission selber, die dieses Hygienevorschrift entwickelt hat, sagt, dass Tageseltern nicht unter diese Regelung fallen. Die Senatsverwaltung hingegen hält die Tageseltern genauso für Lebensmittelunternehmen wie beispielsweise die Kantine hier ein Stockwerk unter uns, auch wenn das nicht unbedingt die gleiche Größenordnung ist.

[Joschka Langenbrinck (SPD): Unsinn!]

Ja, dann muss man erst einmal fragen, woher diese Ansicht kommt. Gab es da überhaupt jemals Probleme, die diese Ausweitung rechtfertigen? Ich kenne Probleme im Bereich der Betreuung. Da hat uns Herr Czaja vor einem Monat ja gesagt, dass ihn das nicht tangiere. Aber ich glaube, dass das hier tatsächlich kein ausreichend großes Problem darstellt, um die ganzen Risiken damit zu erkaufen.

Ich bin in der glücklichen Lage, selber einmal Lebensmittelunternehmer gewesen zu sein, das heißt, ich kenne die Tretmühle. Das fängt damit an, dass man sich beim Gesundheitsamt ein Video anschauen darf, wo man erklärt bekommt, dass man nicht ins Essen niesen soll und geht bis da hin, dass die Berliner Wasserversorgung einen zweiseitigen Fragebogen ausgefüllt haben will, wo dann die Frage steht, wie viele Friteusen man denn habe. Die Bezirksämter, die das dann auch kontrollieren müssen, sind ohnehin schon völlig überlastet mit der Lebensmittelkontrolle.

[Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE): Genau!]

Es gibt ja die Idee in Pankow mit dem Imbiss-Smiley, nach der dritten Kontrolle bekommt man einen grünen

Smiley, dann wissen die Kunden, hier sind die Lebensmittel in Ordnung. Das Problem dabei ist, dass es die dritte Kontrolle einfach nicht gibt, weil die entsprechenden Behörden überlastet sind. Somit wird dieser sinnvolle Vorstoß zur Farce.

Man kann natürlich sagen, die Kontrolle durch die Veterinärämter kann man dadurch umgehen, dass man keine tierischen Produkte verwendet, das freut die Gesundheit und die Umwelt.

Trotzdem ist es natürlich der Sinn dieses Parlaments und unsere Aufgabe, dass wir Rechtssicherheit schaffen sollen. Deswegen bin ich dafür, dass wir sofort über diesen Antrag abstimmen. Herr Simon! Sie sind da gerade auch schon vorgeprescht. Wenn es dann noch Probleme gibt, kann man auch den Landeselternausschuss befragen oder den Bundesverband für Kindertagespflege, der hat gerade eine Petition beim Deutschen Bundestag initiiert, die jetzt gerade schon 2 290 Mitzeichner hat, die eben auch fordern, hier Rechtssicherheit zu schaffen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]