die Hauptstadt aller Deutschen und trägt in diesem Sinne auch Verantwortung für unser ganzes Land. Und so sollten wir uns der Hauptstadtaufgabe auch annehmen, die Berlin als Ort deutscher Geschichte und Teil der föderalen Vielfalt besonders auszufüllen hat. Ja, mehr noch, die deutsche Hauptstadt Berlin bedeutet auch in ganz hervorgehobener Weise europäische Verantwortung und Weltmetropole. – Herr Regierender Bürgermeister! Ich habe mich sehr gefreut, dass Sie das Thema Hauptstadtgesetz aufgegriffen haben. Es entspricht einer Beschlusslage meiner Fraktion aus dem Mai 2015, dass wir ein solches Hauptstadtgesetz auf den Weg bringen sollen; denn es ist richtig, dass wir die Aufgaben regeln, die Berlin im Auftrag des Bundes wahrzunehmen hat. Und es ist auch richtig, dass die Vorarbeiten der Stiftung Zukunft mit der Stadtgesellschaft eine hervorragende Grundlage für die Debatte ist, an der die Fraktionen, meistens durch die Vorsitzenden, auch mitgewirkt haben; denn wir brauchen hier eine Debatte über das Hauptstadtbild mit der Stadtgesellschaft. Berlin ist die Hauptstadt aller Deutschen, aber die größte Verantwortung für das Gelingen der Hauptstadt tragen die Berlinerinnen und Berliner.
Es ist an der Zeit, dass wir dem folgen, was bereits im Grundgesetz steht. Im Grundgesetz steht seit dem 1. September 2006 Berlin als Hauptstadt in Artikel 22. Ja, ich bin sehr dafür, größtmöglichen parlamentarischen Konsens in so einer Debatte Hauptstadtgesetz – Verfassungsänderungen herbeizuführen, aber aus meiner Fraktion gibt es da ein klares Statement. Warum sollen wir als Berliner denn nicht in unsere Verfassung schreiben, dass wir Hauptstadt sind, wenn das sogar im Grundgesetz steht? Es ist doch eine Frage des Selbstverständnisses und ein deutliches Signal, dass wir uns auch positiv zu dieser Hauptstadtfunktion bekennen.
Im Rahmen dieser Debatte über das Hauptstadtgesetz müssen viele Initiativen, vor allem auch die Fraktionen im Bundestag, aber auch wir, mitmachen; denn eine Debatte kann nicht ohne Berlin stattfinden. Berlin selbst wird die wichtige Aufgabe zuteilwerden, Erwartungen, Ziele, Wege zu formulieren, eine Vision zu entwickeln. Berlin ist nicht Instrument in der Hauptstadtfrage, sondern wir sind der Akteur und der Gestalter. Dieser Diskussion müssen wir uns in der nächsten Legislaturperiode deutlicher stellen.
Wie soll das Profil als Hauptstadt weiterentwickelt werden? – In Berlin bündeln sich entscheidende Herausforderungen für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche, kulturelle Veränderungen stehen dabei oft stellvertretend für bundesdeutsche Entwicklungen im Fokus. In den letzten 25 Jahren hat sich das Land, aber auch seine Hauptstadt zum Teil in atemberaubender Geschwindigkeit verändert.
Aber gerade hier in Berlin gibt es auch, ebenfalls sichtbarer als in anderen deutschen Städten, die Bereitschaft und Unterstützung der Menschen, der Bürger, Veränderungen anzunehmen und sie zu gestalten. Diese Bereitschaft gibt es auch deshalb, weil sich ihre Menschen hier zu unserer Stadt und ihrem Land zugehörig fühlen; denn regionale Verankerung und gemeinsames Nationalgefühl schließen sich überhaupt nicht aus und sind auch kein Gegensatz zu Toleranz und Identität, nein, im Gegenteil, sie bedingen die Vielfalt unseres Landes.
Es ist viel über die Finanzierung gesprochen worden. Das ist eine zweite Säule, die man auch mitberücksichtigen muss. Der Bund leistet sehr viel für die Wissenschaft, für die Kultur, für die Sicherheit. Mit dem Hauptstadtkulturfonds erfahren unsere Kultureinrichtungen Unterstützung, ob das die Frage der Kofinanzierung beim Stadtschloss, ob das die Frage des Instituts für Gesundheitsforschung ist – alles etwas, wofür wir außerordentlich dankbar sind. Im nächsten Jahr läuft der Hauptstadtfinanzierungsvertrag aus. Parallel gibt es eine Debatte über die Neuordnung der Länderfinanzen, und es gibt Gespräche über die Finanzierung im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise zwischen Bund und Ländern, also ein gewaltiges Paket, das da ist. Es ist für uns alle hier nicht befriedigend – das muss man sagen –, dass das nicht geklärt ist, bevor die Wahl zum Abgeordnetenhaus stattgefunden hat oder dann auch der Wahlkampf zur Bundestagswahl beginnt. Aber wir sollten die Hoffnung nicht aufgeben, dass es diesen Durchbruch noch geben kann.
Lassen Sie mich abschließend sagen: Natürlich sind wir der Auffassung, dass die Ministerien komplett nach Berlin gehören. Das ist praktisch und ideell so richtig. Wir müssen 22 Jahre nach dem Bonn-Berlin-Gesetz auch sehen, dass das für Berlin in die Tat umgesetzt wird. Wir wollen Berlin als kompletten und vollständigen Regierungssitz haben. Alle Bundesministerien gehören nach Berlin.
Die Entscheidung vor 25 Jahren für die Hauptstadt war ein herausragendes Ereignis für die Einheit unseres Landes, für die Entwicklung von Europa. Es folgte eine positive Entwicklung unserer Stadt getragen von einer Aufbruchsstimmung und von vielen neuen Möglichkeiten. Heute bestätigen gerade die Zahlen und Prognosen, die wirtschaftliche Entwicklung, die Situation auf dem Arbeitsmarkt, wie attraktiv und gefragt Berlin ist. Es ist unsere Aufgabe, unsere Hauptstadt mitzugestalten. Lassen Sie uns 22 Jahre nach diesem Bonn-Berlin-Gesetz und 25 Jahre nach dem Hauptstadtbeschluss gemeinsam daran gehen, das Profil Berlins als Hauptstadt weiterzuentwickeln und die Perspektiven für ein starkes Berlin zu schärfen. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Piratenfraktion hat jetzt der Kollege Magalski das Wort. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste und Zuhörer! Wir Piraten setzen bei unserer Landesliste auf eine ausgewogene Mischung aus neuen und erfahrenen Köpfen. Bei letzteren bin ich derjenige, der diese Liste anführen darf. Ich führe deshalb heute gerne aus, was uns 25 Jahre Bundeshauptstadt Berlin bedeuten, vor allem aber, was uns dieser Umstand als Stadt im Fokus des nationalen und internationalen Interesses jetzt und in Zukunft weiterhin bedeuten muss.
Ich gehöre zur Generation derer, die die ehemalige Bundeshauptstadt Bonn als Schüler kennengelernt haben, und bin heute froh darüber, dass wir damals schon den Schritt nach Berlin gegangen sind. Ich vermisse die Bonner Republik nicht und glaube, wenn wir die bundes- und landespolitischen Strukturen von damals mit den heutigen vergleichen, dass sehr wohl sehr viel an gesellschaftlichen und politischen Veränderungen auf den Weg gebracht worden ist, immer wieder kleine Schritte zu mehr demokratischem Selbstverständnis, insgesamt zu mehr Mit- als Gegeneinander in Berlin.
Wir müssen jetzt aufpassen, dass das nicht einreißt, dass unsere Gesellschaft nicht von Menschen und Verfassungsfeinden gespalten wird. Da diese Schritte, wie wir sie als kompromissfähige Demokraten gehen können, oft gehen müssen, oft zu klein sind, ist es tatsächlich erfreulicher, wenn wir sie in der Spanne von 25 Jahren betrachten.
Aber auch in dieser Legislaturperiode hat sich die Hauptstadt entwickelt. Sie entwickelt sich jeden Tag. Ja, auch wir Piraten haben in den letzten fünf Jahren dazu beigetragen, dass sich unsere Hauptstadt politisch weiterentwickelt hat, denn als wir vor fünf Jahren in dieses Haus kamen, lagen die für unsere Hauptstadt gerade jetzt wieder so wichtigen Themen wie die Transparenz von öffentlichem Verwaltungshandeln und eine aktive Bürgerbeteiligung durch neue Partizipationsverfahren völlig brach.
An einer gesamtgesellschaftlich progressiven Entwicklung hat Berlin als Bundeshauptstadt aber auch einen ganz eigenen und besonderen Anteil, denn nicht nur die parlamentarische Arbeit wird durch die unverwechselbare Atmosphäre Berlins geprägt und beeinflusst. Unser ganzes gesellschaftliches Gefüge und Zusammenleben fußt auf den Stimmungen in dieser Stadt, behaupte ich. Deshalb ist es auch eine so große Verantwortung und Ehre,
Berlin und seinen Einwohnerinnen und Einwohnern an dieser Stelle als Volksvertreter dienen zu dürfen.
Wie weltoffen aber ist unsere Hauptstadt noch, wenn einerseits Kulturpaläste entstehen, deren Nutzen noch fraglich oder unwirksam ist, andererseits aber kulturelle Freiräume wie gestern z. B. in der Rigaer Straße aus vorgeschobenen Gründen geräumt werden?
Das ist nur ein Beispiel. Der Vétomat, die Potse und viele freie Gruppen sind bedroht. Das RAW-Gelände müsste als soziokulturelles Schutzgebiet ausgewiesen werden, um es endlich zu sichern,
Denn ist das unsere offene Hauptstadt? Ist das die Atmosphäre, die wir künftig wollen, in der Hundertschaften von Polizei im Görlitzer Park auf Kifferjagd gehen und Parkbesucher, Anwohner und Familien, die friedlich im Park chillen wollen, verängstigen und vertreiben?
Wo liegt da die Verhältnismäßigkeit? Warum werden diese Einsatzkräfte nicht da eingesetzt, wo sie wirklich gebraucht werden, z. B. um Kriminalität zu bekämpfen?
Die Polizei in der Hauptstadt tut das ja tagtäglich. Dafür sind wir auch dankbar. Sie wird aber leider immer wieder von kopflosen politischen Führungen davon abgehalten.
[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Dr. Turgut Altug (GRÜNE) – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]
Berlin als Hauptstadt und mit ihr ganz Deutschland braucht eine völlig andere Willkommenskultur, besonders für geflüchtete Menschen, wie Einzelne und Gruppen schon beispielhaft vorleben, aber grundsätzlich für alle, die sich hier zu Hause fühlen wollen. Man muss nämlich nur einen Satz sagen, um Berliner zu sein: Ich bin ein Berliner.
Da stehen voll ausgestattete Unterkünfte bereit, und die können nicht genutzt werden, weil ein entsprechender Antrag mit den Stimmen der Koalition im Hauptausschuss vertagt und damit versenkt wird. Ist das diese Willkommenskultur? Ich bin daher nicht mehr gewillt, Ihren Lippenbekenntnissen Glauben zu schenken, wenn dem keine Taten folgen. Michael Müller! Frank Henkel! Werden Sie künftig der Verantwortung gerecht, in die Sie gewählt werden!
Ich weiß, dass das nicht immer möglich und schon gar nicht einfach ist, aber fadenscheinige Ausreden und faule Kompromisse haben wir satt. Wir haben den Stillstand, den diese Koalition in der Hauptstadt verursacht, satt. Warum wird eine Hauptstadtschule wie das Oberstufenzentrum Martin Wagner in Weißensee zerschlagen, das eine vorbildliche Integrations- und Bildungsarbeit leistet? Warum sind Willkommensklassen so wenig willkommen? – Weil dort geflüchtete Schülerinnen und Schüler in ihrem eigenen Saft schmoren und zu wenig Kontakt zu anderen Schülerinnen und Schülern haben.
Den müssen diese freiwillig selbst herstellen, und das gelingt einfach nicht immer. Integration muss Inklusion sein und für alle umgesetzt werden. Das ist der Anspruch, den wir als Hauptstadt haben müssen.
Die Zustände am LAGeSo stehen dem entgegen. Wir sind aber auch Hauptstadt der Kinderarmut. Obdachlosigkeit ist ein großes Problem. Lesben und Schwule werden auf offener Straße angegangen. Das sind drängende Probleme, denen wir uns tagtäglich stellen müssen, auch in diesem Parlament.
Natürlich müssen die Bauprojekte ordentlich beendet werden – ich streiche hier mal „ordentlich“, denn das ist ja so an der Stelle nun nicht mehr möglich –, also einfach mal beendet werden.
Die nächsten Großprojekte in der Bundeshauptstadt umzusetzen, das ist eine große Aufgabe, die die nächste Regierungskoalition haben wird. Das Museum des 20. Jahrhunderts – ehemaliger Arbeitstitel: Museum der Moderne – im Kulturforum wird zwar vom Bund als Bauherrn verantwortet werden, aber wir müssen hier trotzdem ganz genau und aufmerksam beobachten, was dort passieren soll, und uns einmischen.
Die Sanierung und Ergänzung am Haus der Kulturen der Welt, die Nachnutzung des Flughafens Tegel, die Entwicklung des Flughafengebäudes zum neuen Stadtquartier „Berlin Creative District“ – was ist das? Was wird das sein? Was wird aus dem ICC?
Und so weiter und so fort. Wie und wer wird hier weiterentwickeln und finanzieren? Deshalb sind auch die Ergebnisse der Neuregelung des Hauptstadtfinanzierungsvertrags so wichtig. Deshalb interessiert uns der Verhandlungsstand und was am Ende dabei herauskommt, das, was Berlin in der Summe dann hoffentlich gerechterweise mehr Ent- als Belastung bringen wird. Momentan sind uns dazu aber keine Details bekannt. Sie sind nicht zu erfahren, und Sie haben dazu auch nicht viel gesagt, Herr Regierender Bürgermeister. Ich hatte eigentlich erwartet,
dass Sie ihre Regierungserklärung mit einigen nützlichen und vor allen Dingen erfreulichen Neuigkeiten und Informationen für die Berlinerinnen und Berliner garnieren würden.
Nicht neu dagegen ist, dass unsere Hauptstadt eine Verkehrswende braucht. Wie groß das Bedürfnis danach ist, haben zuletzt die über 105 000 Berlinerinnen und Berliner gezeigt, die den Radentscheid mitgezeichnet haben.