Der 20. Juni 1991 war mit Sicherheit ein historischer Tag, und zwar nicht nur für Berlin, sondern für ganz Deutschland. Ich finde, heute, 25 Jahre später, können wir sagen: Die Entscheidung, Berlin zur Bundeshauptstadt zu machen, war die absolut richtige Entscheidung, und das war vor allem ein wichtiger Schritt, um die deutsche Einheit zu vollziehen. Das erkannte vor 25 Jahren auch Wolfgang Schäuble, der uns in seiner beeindruckenden Rede damals schon deutlich machte, dass Berlin das Symbol für Einheit und Freiheit ist, dass damit aber auch die Überwindung der Teilung Europas einhergeht. Man kann von Wolfgang Schäuble halten, was man mag, seine Griechenlandpolitik wird mit Sicherheit keinen Anlass zum Lob geben, aber die Verdienste, die er für Berlin erlangt hat, alles das, was er für Berlin getan hat, auch gerade an diesem 20. Juni 1991, rechtfertigen, dass er nun die Ehrenbürgerwürde des Landes Berlin verliehen bekommt.
Berlin hat als Hauptstadt dieser Republik gutgetan, und diese Republik hat auch Berlin gutgetan. Deutschland genießt heute wieder internationales Ansehen, und ich bin überzeugt davon, dass Berlin gerade auch als weltoffene, quirlige und internationale Stadt dazu beigetragen hat. Aber, das muss man den Rheinländern sagen, es wird immer auch ein Stück Bonn in unserer Republik stecken. Das alleine rechtfertigt aber nicht, dass 25 Jahre nach der Hauptstadtentscheidung immer noch sechs Bundesministerien in der Rheinstadt verbleiben. Diese Doppelstruk
tur kostet uns jährlich Millionen und ist vor allem das Gegenteil einer effizienten Bundesverwaltung. Deshalb, glaube ich, ist es Zeit, diesen Umzug nach Berlin endlich zu vollenden. Das ist der einzig richtige und konsequente Schritt, der die Gegebenheiten an die politische Realität anpasst.
Berlin hat von diesem Umzug in den letzten 25 Jahren enorm profitiert. Wir wurden wieder zur Metropole, vor allem aber sind wir in der ganzen Welt ein Symbol für Freiheit und dafür, dass jede Mauer irgendwann einmal fallen kann. Die Frage aber, was für eine besondere Rolle und Aufgabe Berlin als Hauptstadt eines vereinten Deutschlands und Europas bekommt, ist bis heute leider ungeklärt. Berlin ist zwar unbestritten das Synonym für ein wiedervereinigtes Deutschland, die Hauptstadtrolle aber, die Frage also, wie wir unsere Nation hier eigentlich repräsentieren, ist nicht nur in Deutschland, sondern auch innerhalb Berlins umstritten. Darum heißt es so schön: Andere Länder haben eine Hauptstadt, wir haben eine Hauptstadtfrage. – Wir finden, dass es höchste Zeit ist, diese endlich einmal zu klären.
Genau vor diesem Hintergrund gibt es einige, die die Debatte über das sogenannte Berlin-Gesetz vorantreiben. Obwohl vor zehn Jahren das Grundgesetz in Artikel 22 dahin gehend geändert wurde, dass die Bundesrepublik die Verantwortung für die Bundesrepräsentanz trägt, ist das Bundesgesetz, das Näheres regeln soll, bis heute nicht auf den Weg gebracht worden. Lieber Herr Regierender Bürgermeister! Bevor wir Gesetze fordern, sollten wir vielleicht erst einmal klären, was in einem solchen Gesetz enthalten sein soll. Die Fragen, was eine gesamtstaatliche Repräsentanz ist, wie diese wirklich ausgefüllt werden kann, wer welche Aufgaben übernimmt und wer sie im nächsten Schritt finanziert, müssen geklärt werden, bevor wir uns auf so ein starres Gefüge wie ein Bundesgesetz verständigen. Deshalb sollte die Diskussion erst einmal geführt werden, bevor wir das Berlin-Gesetz gar in die Berliner Verfassung schreiben.
Es wäre deutlich besser, sich dieser Tage auf die Verhandlungen über einen Hauptstadtfinanzierungsvertrag zu konzentrieren. Gestern im Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien konnte der Senat keine Antwort darauf geben, wo sich derzeit die diesbezüglichen Verhandlungen befinden. Obwohl nur 24 Stunden später eine Regierungserklärung zu genau diesem Thema angekündigt war, gab es leider keine Antwort. Wenn der Senat sich ähnlich gut auf die Verhandlungen mit dem Bund vorbereitet, na dann – Halleluja!
Dafür, dass in der Vergangenheit schlecht verhandelt wurde, spricht allein der Bereich der hauptstadtbedingten
Sicherheitsaufwendungen. Sie haben es selbst erwähnt: Derzeit werden jedes Jahr mehr als 120 Millionen Euro für die Sicherheit der Hauptstadt ausgegeben. Der Bund bezahlt gerade einmal 60 Millionen Euro. Das bedeutet, dass das Geld – erstens – bei Weitem nicht ausreicht und diese Situation – zweitens – vor allem auf dem Rücken der Polizistinnen und Polizisten ausgetragen wird, die weit über ihr Limit leisten und belastet werden. Das wird auch auf dem Rücken der Außenbezirke ausgetragen, für die dann nicht mehr genug Kapazitäten zur Erbringung der Sicherheit bestehen. Der Senat hat den letzten Hauptstadtvertrag schlecht verhandelt, sodass in der Folge 60 Millionen Euro von den Berlinerinnen und Berlinern gezahlt werden, um Botschaften, Staatsbesuche und Ministerien für den Bund zu beschützen. Das heißt aber auch, dass für die Bürgerinnen und Bürger in Nikolassee, Mahlow, Köpenick und Wilmersdorf nicht mehr genug Geld übrig bleibt, damit auch mal ein Kiezpolizist vorbeischaut, es sei denn, man wohnt zufällig in der Rigaer Straße.
Der Senat muss deshalb bei den Verhandlungen, die derzeit zum neuen Hauptstadtvertrag ab 2018 laufen, auf höhere Zuschüsse drängen und diese sodann dringend in mehr Personal investieren.
Wie distanziert und teilweise unproduktiv das Verhältnis zwischen Bund und Berliner Senat ist, wird in keinem anderen Bereich so gut deutlich wie im Bereich der Kulturpolitik. Wenn die Rolle einer Hauptstadt in erster Linie in der Repräsentation der Gesamtstaatlichkeit besteht, geht dies maßgeblich über die Frage der kulturellen Identität eines Landes. Demnach ist es auch absolut folgerichtig, dass der Bund sich mit rd. 400 Millionen Euro pro Jahr an den kulturellen Einrichtungen und Projekten der Bundeshauptstadt beteiligt. Aber auch nach 25 Jahren ist nicht zu Ende ausverhandelt, wofür der Bund in Berlin eigentlich konkret zuständig ist. Das zeigt sich u. a. auch am Eiertanz um den Hauptstadtkulturvertrag. Das zeigt sich aber auch an dem Umgang untereinander und miteinander. Nur mal ein Beispiel: Allein die Tatsache, dass der Bund sich an der Sanierung des Martin-Gropius-Baus und des Hauses der Berliner Festspielen beteiligt hat, es der Kultursenator dann aber nicht einmal für nötig gehalten hat, zur Eröffnung zu erscheinen, hat beim Bund zu Recht für große Verärgerung geführt.
Dabei haben wir große Baustellen – allein das HumboldtForum, das Bauhaus-Archiv oder das Museum der Moderne am Kulturforum. Dennoch ist die Hauptstadtkulturpolitik oft von Unstimmigkeiten gekennzeichnet. Ich gehöre nicht zu denen, die sagen, wir müssen hier als Bittsteller gegenüber dem Bund auftreten. Ein gegenseitiger Respekt ist hingegen schon eine wichtige Grundlage und Snobismus, wie er so manches Mal in der Vergangenheit geherrscht hat, sicherlich unangemessen. Deshalb müssen wir auch mit dem Eiertanz rund um das Hum
boldt-Forum aufhören. Wenn wir verhindern wollen, dass das Berliner Stadtschloss demnächst zu einem einzigen Palast für Touristen verkommt, müssen wir jetzt die Zeit nutzen und mit der Stadtgesellschaft in einen Dialog darüber eintreten, wie auch das Humboldt-Forum künftig ein kulturell attraktiver Ort werden kann, und zwar für die ganze Stadt, für alle Berlinerinnen und Berliner und die Besucher, die in unsere Stadt kommen.
Durch den Hauptstadtstatus bekam Berlin ohne Frage ein Flair, das weltweit eine magische Wirkung entfacht hat und Menschen aus allen Himmelsrichtungen anzieht. Darunter sind viele junge Menschen, hoch qualifizierte und kreative. Hierdurch ist Berlin in den letzten Jahren zu einer Art Labor für gesellschaftliche Entwicklung weit über die eigenen Grenzen hinaus gereift. Das ist nicht nur wunderbar, das ist ein großer Schatz. Dieser muss aber politisch gelenkt und gesteuert werden. Ja, Berlin war schon immer eine Einwanderungsstadt. Das heißt aber auch, dass gebürtige Berliner wie ich in der Minderheit sind. Das ist zum einen eine große Herausforderung, zum anderen aber zugleich auch eine riesengroße Chance, gerade für eine Hauptstadt. So schwierig es vielleicht ist, bei einer weniger ausgeprägten Verwurzelung der Einwohner eine gemeinsame Identitätsbildung zu entwickeln, so ist es für eine Hauptstadt doch gleichzeitig eine herausragende Chance, denn genau dadurch kann Berlin zum Spiegel Deutschlands und der Welt werden.
Hauptstädte sollen im Allgemeinen ihr Land repräsentieren. Sie sollten Identifikationspunkt sein, Schaufenster, Visitenkarte; ein Ort, an dem sich auch die unterschiedlichen kulturellen und regionalen Besonderheiten des Landes erleben lassen und sichtbar werden. Deshalb sollte, was in Deutschland an Herausragendem entwickelt wird, in Berlin repräsentiert werden. Was in Berlin entsteht, sollte nach unserer Auffassung sowieso und grundsätzlich die Visitenkarte „Zukunft“ tragen. Damit wird Berlin nicht nur endlich eine echte Hauptstadt, sondern vor allem ein Aushängeschild für unsere Nation und eines von internationaler Beachtung.
Damit das gelingt, muss nicht nur Berlin mit dem Bund einen gemeinsamen Weg beschreiten, vielmehr müssen wir endlich auch in einen richtigen, vielleicht auch harten Dialog mit den anderen 15 Bundesländern zu der Frage eintreten, was sie sich eigentlich von einer Hauptstadt Berlin wünschen und was sie zugleich bereit sind, dafür zu tun.
Berlin als Hauptstadt sollte Vorbild, sie sollte Vorreiterin sein. Sie sollte progressiv sein und vor allem deutlich machen, was geht. Eine Hauptstadt zu sein bedeutet auch, die damit einhergehende Verantwortung zu tragen. In den letzten 25 Jahren hat sich viel verändert. Leider wurde Berlin in diesem Zusammenhang an vielen Stellen auch
oder die Tatsache, dass viele in dieser Stadt es für möglich halten, dass die Wahlen im September nicht regulär durchgeführt werden können, ist ein Symbol eines enormen Verlustes des Vertrauens in die Regierung, der uns allen schadet.
Gleichzeitig hat Berlin eine sehr aktive Bevölkerung, die Lust hat, die Stadt mitzugestalten und Politik mitzumachen. Diese Bevölkerung wird in Berlin bisweilen aber nicht als Partner für eine Zukunft gesehen, sondern sie wird systematisch seit Jahren bekämpft.
Wir wollen, dass Berlin als Hauptstadt Vorbild für städtische Entwicklung wird: im Bereich einer ökologischen Transformation, über eine alternative und moderne Mobilität, bis hin zu bezahlbaren Wohnkonzepten. Aber auch hier hinkt Berlin anderen Städten leider hinterher. Ich muss nur die Stichworte Bürgerämter, Schulbauten und Straßenzustand nennen.
Das aber wohl beschämendste Beispiel für das Versagen Berlins als Vorbild für die Nation ist die monatelange Katastrophe am LAGeSo. Während andere Länder wie Bayern, die sich nicht einmal darum beworben haben, Hunderttausende Menschen aufgenommen und registriert haben, mussten die Menschen in Berlin in der Kälte stehen und frieren und waren monatelang im Ungewissen. Das Problem, das daraus entsteht, ist nicht nur, dass wir abschreckendes Beispiel statt Vorbild sind, sondern dass wir all denjenigen, die eine sogenannte WashingtonLösung favorisieren, Futter geben, denen, die wollen, dass Berlin nicht mehr selbstverwaltet, sondern vom Bund gesteuert wird. Da müssen wir alle Einigkeit haben. Das wollen wir nicht hinnehmen. Berlin muss weiterhin souverän und selbstbestimmt sein.
Gerade jetzt erlebt Berlin wahnsinnig viele Umbrüche. Man kann noch einmal auf die Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts verweisen. Auch damals stand diese Stadt vor vielen Umbrüchen. Damals ist es aber gelungen, große Würfe zu produzieren: der S-Bahnring ist entstanden, Gartenstädte – Le Corbusier – und andere große Entwicklungen. Das heißt aber, dass wir einer Politik, die quirlig und bunt ist, mutige Antworten entgegenstellen müssen. Das heißt, dass wir Berlin heute zur grünsten Metropole Europas machen müssen, zur Hauptstadt für moderne Mobilität, zur Energiewendehauptstadt. Vor allem müssen wir Berlin weiterhin so weltoffen und frei erhalten, dass hier jeder leben kann, wie er oder sie es will. Genau für diese Offenheit und Vielfalt steht Berlin auch heute. Das macht uns aus. Deshalb ist Berlin nicht nur Bundeshauptstadt. Berlin ist auch Hauptstadt der Homos. Gerade in Zeiten wie dem schrecklichen An
Berlin hat eine große Geschichte hinter sich. Ich bin überzeugt davon, dass Berlin auch eine große Zukunft vor sich hat. Wer aber die Champions League anführen will, der darf nicht stetig im Hinterhof trainieren.
Deshalb, lieber Herr Müller, heißt Demokratie eben auch, dass man es mal ertragen muss, wenn Probleme angesprochen werden.
Der Anspruch einer neuen Berliner Regierung muss es deshalb sein, Berlin wieder gemeinsam an die Spitze der Bewegung zu setzen. Ich bin überzeugt davon: Eine pulsierende Hauptstadt braucht auch pulsierende Politik.
Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kollege Saleh das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An diesem Wochenende konnte man das Brandenburger Tor in Regenbogenfarben und den Pariser Platz voller Menschen sehen.
Nicht nur im deutschen Fernsehen, auch in der internationalen Presse waren diese Bilder aus Berlin zu sehen. Die Berlinerinnen und Berliner hatten sich versammelt, um der Opfer des schrecklichen Terroranschlags von Orlando zu gedenken. Die Menschen am Brandenburger Tor haben der Welt wieder einmal gezeigt: Berlin steht gegen Hass und für Vielfalt.
Berlin hat ein Zeichen der Solidarität und des Mitgefühls gesendet. Wir stehen zusammen mit allen, die ein freies und gleichberechtigtes Leben wollen. Junge und ältere Menschen standen gemeinsam auf dem Pariser Platz, Homosexuelle und Heterosexuelle, Menschen mit Wurzeln in der ganzen Welt, Menschen verschiedener Religionen oder gar keiner Religion. Auf dieses bunte Berlin, diese Stadt der Vielfalt, der Freiheit und des Mitgefühls sind wir so stolz.