Protocol of the Session on June 23, 2016

Wir werden weiterhin die gewonnenen finanziellen Spielräume nutzen, die solidarische Stadt mit Bildung, Arbeit, Wohnen für alle zu gestalten. Trotz der guten Entwicklung unserer Stadt und der weiteren guten Aussichten auf, wie es DIW-Präsident Fratzscher gesagt hat, „goldene Jahrzehnte Berlins“ muss man natürlich auch nicht darum herumreden. Es gibt Probleme.

[Dirk Behrendt (GRÜNE): Ach?]

Viele haben vor allem etwas mit den Jahren des notwendigen Sparens und der Beschränkung auf die wesentlichen Bereiche zu tun. Wir müssen selbstkritisch zugeben, in manchen Bereichen sind die Grenzen überschritten worden, was sich gerade in der öffentlichen Verwaltung auf Bezirks- und Landesebene zeigt. – Wir wissen das. Und glauben Sie mir, ich bin der Erste, der die Probleme so schnell wie möglich beseitigen möchte. Aber Umsteuern braucht auch Zeit. Wichtig ist es, dass wir in die Maßnahmen kommen. Und vor uns liegt jetzt ein Jahrzehnt der Investitionen. Nur so können wir die Hauptstadt Berlin auf Erfolgskurs halten.

Und neben der weiteren Konsolidierung des Haushalts bedeutet das, wir werden die zusätzlichen Einnahmen investieren in die Schaffung von neuem bezahlbaren Wohnraum für alle sozialen Schichten. Hier geht es uns in der Mieterstadt Berlin vor allem natürlich um mehr Mietwohnungen und um den Erhalt und Ausbau von Sozialwohnungen. Das Ziel der 400 000 städtischen Wohnungen haben wir fest im Blick. Wir müssen und werden darüber hinaus in den nächsten zehn Jahren alle noch nicht sanierten Schulen sanieren.

[Ramona Pop (GRÜNE): Das habe ich schon mehrmals gehört!]

Es muss jetzt Schluss sein mit dem kleinkarierten Hin- und Herschieben von Verantwortung und der nötigen Mittelschätzung.

[Beifall von Dr. Gabriele Hiller (LINKE)]

Wir werden eine funktionierende Sanierungsstruktur schaffen,

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU und den GRÜNEN – Zuruf von Joachim Esser (GRÜNE)]

wenn nötig, auch neue Wege gehen und uns auch an anderen Städten orientieren. Wir werden dafür auch die notwendigen Mittel aufbringen. Auch diese Frage eignet sich nicht für Parteien- und Verwaltungsgezänk: Es geht um unsere Kinder.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wir werden die Verkehrsinfrastruktur an die Notwendigkeiten der wachsenden Stadt anpassen, und zwar dort, wo sie gebraucht wird. Das bedeutet, es wird mehr und bessere Wege für den sich stetig entwickelnden Fahrradverkehr geben.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Aha!]

Wir werden, so wie es die Berlinerinnen und Berliner mehrheitlich wollen und brauchen, den ÖPNV verbessern und ausbauen.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Och?]

Auch der individuale und Lieferverkehr werden sich auf ein gutes Straßennetz verlassen können. Hier geht es um die von mir vorhin angesprochene Kompromissbereitschaft aller, um einen aufeinander abgestimmten und modernen Verkehrsmix zu schaffen.

[Benedikt Lux (GRÜNE): So?]

Ich fordere alle Beteiligten auf,

[Ajibola Olalowo (GRÜNE): Dann würde ich mal anfangen!]

hier nicht nur mit Maximalforderungen zu kommen, und sei es von noch so gut organisierten Initiativen. Das hilft keinem Berliner, um besser, schneller und sicherer von A nach B zu kommen, sondern wir brauchen einen der Stadt angepassten Verkehrsmix.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Und wir werden kontinuierlich unsere Verwaltung den Bedürfnissen unserer Bürgerinnen und Bürger für Dienstleistungen anpassen. Dazu werden wir in Ausbildung, Anwerbung und bessere, für eine Arbeit im öffentlichen Dienst werbende Arbeitsbedingungen investieren. Der öffentliche Dienst mit seinen 80 Berufsbildern muss wieder ein attraktiver Arbeitgeber sein.

Das wird alles nicht von heute auf morgen komplett umzusetzen sein, das wissen und sehen auch die Berlinerinnen und Berliner, aber es wird kontinuierlich besser. Wir müssen alle Berlinerinnen und Berliner auf diesem Weg mitnehmen. Dafür lohnt es sich, auch einmal Zwischenschritte einzulegen und gemeinsam nach dem besten Weg zu suchen. Aber lassen Sie uns gemeinsam aufhören, diese phantastische Stadt mit ihrem hervorragenden Potenzial schlechtzureden!

[Zurufe von den GRÜNEN: Oh! – Beifall bei der SPD und der CDU]

(Regierender Bürgermeister Michael Müller)

Der wachsende Erfolg Berlins wird von außen argwöhnisch beobachtet, und auch deswegen werden wir mit übermäßiger Kritik und Spott überzogen. Gleichzeitig hat Berlin sich in den letzten 25 Jahren seit dem Hauptstadtbeschluss in die 1. Liga der Metropolen Europas emporgearbeitet. Wir stehen zurzeit an dem Punkt, wo wir diese Entwicklung mit Augenmaß und Kontinuität weiterentwickeln müssen, ohne dabei die Berlinerinnen und Berliner und die Einzigartigkeit dieser Stadt aus den Augen zu verlieren. Heute, 25 Jahre nach dem Hauptstadtbeschluss, scheint alles möglich zu sein. Für mich können die prognostizierten goldenen Jahrzehnte nur bedeuten, dass Berlin spätestens in 25 Jahren ein Vorbild für andere Metropolen ist, weil Berlin eine Stadt bleibt, in der Menschen aller sozialen Schichten gemeinsam in allen Quartieren leben können; weil der soziale Ausgleich Konsens der Politik und Stadtgesellschaft ist; weil Vollbeschäftigung erreicht ist und so die Menschen durch gute Arbeit selbstbestimmt am sozialen Leben teilhaben können; weil durch gute kostenlose Bildung in den Kitas, im zweigliedrigen Schulsystem, der Gemeinschaftsschule und den Unis alle die Chance auf alles haben; weil die Finanzen nicht nur geregelt sind, sondern wir vielleicht Geberland sind;

[Ha! bei den GRÜNEN]

weil Berlin die weltoffene, tolerante, aufgeschlossene und bunte Stadt der Freiheit ist, die die Menschen weiterhin anzieht; und weil die Integration der Menschen, die in den letzten Monaten gekommen sind und die aufgrund weiterer internationaler Krisen in den nächsten Jahren auch noch zu uns kommen werden – machen wir uns nichts vor, es wird dabei bleiben, dass viele Zigtausend, Hunderttausend Menschen in den nächsten Jahren in unser Land kommen werden –, weil die Integration dieser Menschen gelungen ist.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Bei der heutigen Regierungserklärung war es mir wichtig, dass wir uns auf die bedeutendste Weichenstellung für unsere Stadt in den letzten 25 Jahren besinnen, den Hauptstadtbeschluss am 20. Juni 1991, und den mühsamen, aber insgesamt guten Weg, den Berlin seitdem genommen hat, noch einmal Revue passieren lassen. Dabei sollten wir uns unseres Erfolgs, aber auch der Herausforderungen und Chancen bewusst werden, die noch vor uns liegen.

Dies ist die letzte Sitzung vor der Sommerpause, und wir alle werden in den nächsten Monaten Wahlkampf führen. Wahlkampf ist die Zeit der Auseinandersetzungen. Wir alle müssen Probleme benennen und mit den besseren Lösungskompetenzen und Vorschlägen um das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler werben. Es geht um den Kampf der besseren Ideen für Berlin.

[Ajibola Olalowo (GRÜNE): Die haben Sie aber nicht!]

Wir müssen uns aber in diesen auch für viele unübersichtlichen Zeiten in unserem Wahlkampf unserer Verantwortung bewusst sein, nicht durch leichtfertige und überzogene Debatten das Geschäft der Populisten zu betreiben. Denn diese setzen auf Vorurteile und brauchen dazu Untergangsszenarien, damit sie weiter ausgrenzen, die Gesellschaft spalten und Menschen gegen Menschen ausspielen können. Wozu das Säen von politischem Hass führen kann, haben wir gerade in England erleben müssen, beim heimtückischen Mord an der englischen Politikerin Jo Cox. Wir müssen gemeinsam die Demokratie und Liberalität verteidigen. Nicht Islam gegen Christentum sind die Gegensätze unserer Zeit, sondern autoritär gegen demokratisch, ausgegrenzt gegen integriert, eingemauert gegen weltoffen. Ich bin froh, dass sich alle hier vertreten Parteien darüber im Klaren sind, dass es auch darum geht, den Erfolg Berlins, vor allem die dafür notwendige Weltoffenheit und Vielfältigkeit der Stadt zu verteidigen.

[Beifall bei der SPD, der CDU und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Dafür werden die im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien demnächst eine gemeinsame Erklärung gegen Ausgrenzung, Hass und reaktionären Populismus unterzeichnen und so ein gemeinsames Zeichen der Demokraten setzen.

Berlin, das ist das kulturelle Herz Deutschlands in einem vereinten Europa. Berlin, das ist die wirtschaftlich erfolgreiche Stadt, die anzieht. Berlin, das ist das weltoffene Gesicht Deutschlands. Aber Berlin weiter gemeinsam und verantwortungsvoll in die möglichen goldenen Jahrzehnte zu führen, nicht für uns, sondern für die Menschen, die hier gern leben, die diese Stadt lieben, das ist doch die eigentliche Aufgabe. Berlin ist die Hauptstadt der Freiheit in einem wiedervereinten Deutschland. Lassen Sie uns gemeinsam zum Wohle dieser großartigen Metropole arbeiten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Regierender Bürgermeister!

Ich rufe nun auf

lfd. Nr. 1:

Aussprache über die Erklärung des Regierenden Bürgermeisters

in Verbindung mit

Aktuelle Stunde

gemäß § 52 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

(Regierender Bürgermeister Michael Müller)

„25 Jahre Bundeshauptstadt Berlin“

(auf Antrag der Fraktion der SPD)

Für die Aussprache über die Erklärung des Regierenden Bürgermeisters bzw. die Besprechung der Aktuellen Stunde steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu 15 Minuten zur Verfügung. Gemäß Artikel 49 Abs. 4 unserer Verfassung steht der Opposition das Recht der ersten Erwiderung zu. Es beginnt in der Aussprache deshalb die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Frau Kapek, bitte schön, Sie haben das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! – Mir wird angezeigt, meine Redezeit sei zu Ende.

[Bravo! und Beifall bei der CDU – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Das wäre ein bisschen sehr schnell.