Die Wortmeldungen beginnen wie immer in zwei Runden nach Stärke der Fraktionen mit je einer Fragestellung an den Senat. Das Verfahren ist Ihnen bekannt. Die erste Frage steht der Fraktion der SPD zu. – Frau Kollegin Radziwill! Bitte schön, Sie haben das Wort!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen! Meine Herren! Ich frage den Senat: Hält der Senat die pflegerische Versorgung in stationären Einrichtungen angesichts der demografischen Entwicklung in Berlin für angemessen? – Vielen Dank!
Herr Präsident! Frau Abgeordnete Radziwill! Vielen Dank für die Frage, die ja auch im unmittelbaren Zusammenhang mit dem gerade verabschiedeten Landespflegeplan steht.
Sie sprechen ein wichtiges Thema an. Berlin wächst, Berlin wird bunter, aber Berlin wird eben auch älter. Durch die zunehmende Anzahl älterer Menschen in Berlin ist auch der Bedarf an ambulanter und stationärer Versorgung im Bereich der Pflege von Bedeutung, denn jeder Dritte über 80 ist pflegebedürftig. Die positive Nachricht ist: Die Mehrheit der zu Pflegenden will zu Hause gepflegt werden, und sie kann das auch, weil drei Viertel der Pflegebedürftigen in den eigenen vier Wänden gepflegt werden.
Aber gerade für Menschen mit einer schwereren Demenz ist die stationäre Unterbringung häufig nicht vermeidbar, um eine gute Qualität der Pflege zu ermöglichen. Das sehen wir auch in den Berliner Pflegeheimen. Wir haben in Berlin 33 000 Plätze in 290 Pflegeheimen. Die Auslastung ist in den letzten Jahren um 5 Prozent auf jetzt
durchschnittlich 89 Prozent gestiegen. Das bedeutet: Jeder, der einen stationären Pflegeplatz braucht, bekommt diesen auch. Aber das ist ganz unterschiedlich, so ist die Auslastung in Marzahn-Hellersdorf, in Reinickendorf oder in Spandau überdurchschnittlich, in den Innenstadtbezirken wie beispielsweise in Neukölln, in den inneren Ortsteilen von Neukölln, unterdurchschnittlich.
Der Landespflegeplan, den wir vorstellen, hat auch genau dies zum Zweck, nämlich den Leistungsanbietern zu zeigen, wo ein Bedarf besteht und wo Investitionen in stationäre oder ambulante Pflege von Bedeutung sein können. So verrate ich, glaube ich, kein Geheimnis, wenn ich sage, dass wir bei Vivantes, wo auch eine große Pflegeeinrichtung als Tochter dazugehört, nämlich das Forum für Senioren, auch darüber nachdenken, an weiteren Standorten stationäre Pflegeeinrichtungen zu schaffen. Marzahn-Hellersdorf und Spandau gehören dabei zu den beiden Bezirken, bei denen das Forum für Senioren über eine solche Investition nachdenkt, um auch landesseitig, vom Landesunternehmen, ein solches Angebot zu erweitern.
Wir wissen aber auch, dass das auch am freien Markt geschieht. Von daher gehen wir derzeitig davon aus, dass man das genau beobachten muss, aber dass der Markt, das Angebot sich auch immer an dem Bedarf ausgerichtet hat und deswegen die stationäre Versorgung von Pflegebedürftigen in Berlin auch weiter gesichert ist.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Czaja! Danke für die Antwort, allerdings konnten wir den Landespflegeplan nicht gemeinsam im Ausschuss beraten. Daher meine Frage heute hier: Vor dem Hintergrund, dass in dem letzten Landespflegeplan aufgeführt wurde, dass der Bedarf höher sein wird als das vorhandene Angebot ab diesem Jahr, möchte ich noch einmal nachfragen und um eine konkretere Antwort bitten, welche Maßnahmen Sie konkret ergreifen, um diese gute Versorgung auch in Zukunft zu gewährleisten. Denn alles nur dem Markt zu überlassen, kann, glaube ich, auch nicht unser Ziel sein.
Herr Präsident! Frau Abgeordnete Radziwill! Sie teilen mit mir die Auffassung, dass ich in der nächsten Ausschusssitzung auch lieber über den Landespflegeplan als
über Cannabis gesprochen hätte. Aber das war der besondere Wunsch einiger Abgeordneter, dem der Ausschuss nachgekommen ist.
Das Zweite ist: Nein, wir überlassen es nicht nur dem Markt, dass sich da ein zusätzliches Angebot bildet, weshalb wir ja u. a. auch bei Vivantes im Forum für Senioren genau über diese Angebotserweiterung sprechen.
Das Dritte, was man dabei immer mit beachten muss, ist, dass es keine lineare Fortentwicklung im Bereich der Pflege gibt. Wir sehen, dass die Lebensphase, in der Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen sind, immer kürzer ist und der Pflegegrad und die Pflegebedürftigkeit immer höher sind. Pflegewohngemeinschaften sind ein neues und gut wachsendes Modell, gerade auch für Menschen mit einer schweren Demenz, die trotzdem in der letzten Phase ihres Lebens in einer Gemeinschaft zusammenleben. Die Experten sind sich bei der Frage, wie stark stationäre Pflegeeinrichtungen im Verhältnis zu anderen Wohnformen von den folgenden Generationen überhaupt noch genutzt werden, nicht ganz einig, aber einig sind sie sich in einer Frage: Der Anteil der stationären Pflege an dem gesamten Bedarf, für Pflegebedürftige etwas anzubieten, wird immer geringer werden.
Das Land könnte wie in den Neunzigerjahren mit eigenen Landesinvestitionsprogrammen auch im Bereich von Pflegeheimen tätig sein. Das war unmittelbar nach der Wiedervereinigung ein Instrument, um insbesondere die Pflegeheime in den östlichen Bezirken und in den neuen Bundesländern zu ertüchtigen. Bislang gibt es kein Bundesland, das einen solchen Weg wieder gegangen ist, sondern die Refinanzierung erfolgt über den Investitionsanteil, der in einer stationären Einrichtung zu tragen ist – wenn sie es sich selbst leisten können, selbst, und ansonsten über die Hilfe zur Pflege. Wenn ein solcher Bedarf gesehen werden würde, müsste der Haushaltsgesetzgeber an dieser Stelle mit staatlichen Investitionen einen Zuschuss gewähren. Bislang ist dieser Bedarf aber nicht gegeben, auch nicht auf der Basis des Landespflegeplans, denn sowohl über die kommunalen Anbieter als auch über die privaten Anbieter ist das Angebot an stationären Pflegeplätzen immer mitgewachsen. Bei den Überlegungen, die derzeitig u. a. im Forum für Senioren vorgenommen werden, kann davon ausgegangen werden, dass dieser Weg auch weiter gegangen wird.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat: Wie bewertet der Senat die neuerlichen Vorwürfe gegenüber der BSR, die trotz eines rechtskräftigen Urteils des Berliner Kammergerichts aus dem Jahr 2007, Aktenzeichen 8 U 179/06 und 8 U 180/06, selektiv Anlieger an Privatstraßen zu Zahlungen von Straßenreinigungsentgelten heranzieht?
[Christopher Lauer (PIRATEN): Kennen Sie das Aktenzeichen, Herr Geisel? – Steffen Zillich (LINKE): Eine kurze und spontane Antwort, bitte!]
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Wansner! Dieses Vorgehen der BSR folgt dem Berliner Straßenreinigungsgesetz. Der von Ihnen konkret angesprochene Sachverhalt ist mir aber im Moment nicht bekannt. Ich werde dem gern nachgehen.
Herr Senator! Mir liegen Schreiben der Berliner Stadtreinigung vor, wo sie Anlieger dieser Privatstraßen auffordert, rückwirkend für drei Jahre die Straßenreinigungsgebühren zu zahlen.
Diese Anlieger haben mit sehr vielen Mitteln ihre Straßen selbst instandgesetzt, haben die Reinigungskosten selbst zu zahlen und verstehen in diesem Zusammenhang nicht,
dass die BSR sie noch dazu verpflichtet, Straßenreinigungsgebühren zu zahlen, für die sie selbst aufkommen.
Herr Kollege Wansner! Ich erkenne keine Frage, und ich finde, dann ist das ein wenig der Missbrauch dieses Instruments. Wenn Sie einen Debattenbeitrag leisten wollen, müssen Sie das in der Debatte machen.
Ich frage den Senat zu den für sinnlos erklärten Gesprächen zwischen dem Finanzsenator und der GEW: Welche Strategie verfolgt der Senat zur Vermeidung weiterer Streiks und zur Fachkräftesicherung für unsere Berliner Schulen?
Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Es ist nicht so, dass die Verhandlungen von meiner Seite oder vom Senat für sinnlos erklärt worden sind, sondern im Gegenteil hat es dazu Gespräche gegeben, und es wird vielleicht auch in Zukunft dazu Gespräche geben.
Das Thema, um das es materiell dabei geht, ist, dass die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Berlin im Unterschied auch zu anderen Gewerkschaften davon ausgeht, dass ein großer Spielraum besteht, auf Landesebene tarifvertragliche Vereinbarungen zu treffen, für die wir und auch andere Gewerkschaften davon ausgehen, dass das bundesweit im Rahmen der TdL gemacht werden muss – im Rahmen von Eingruppierungstarifverträgen und Ähnlichem. Insofern ist es so, dass normalerweise in den Verhandlungen, die je nach den Zyklen der Tarifverträge etwa alle zwei Jahre stattfinden, auf Bundesebene im Rahmen der Tarifgemeinschaft der Länder diese Gespräch stattfinden und zu einem Ergebnis führen.
Die GEW hat den Eingruppierungstarifvertrag für Lehrer, den es neu auf der Ebene der TdL gibt – übrigens auch
auf Initiative aus Berlin – und der dort verhandelt worden ist, nicht unterschrieben und im Gegenzug ihre Landesverbände ermächtigt, Tarifverhandlungen über Landestarifverträge zu führen. Dazu muss man ganz nüchtern sagen, dass die Tarifgemeinschaft der Länder das nicht zulässt, und sie lässt es nicht zu, weil es das Wesen einer Tarifgemeinschaft ist, Tarifverträge auf Bundesebene abzuschließen oder auch generelle Vereinbarungen, die einen Tarifvertragsersatz darstellen. Dort gibt es eine Meinungsverschiedenheit zwischen der GEW und mir als dem für diese Frage zuständigen Senator.
Trotzdem macht es Sinn, über Dinge zu reden, die man vielleicht unterhalb oder außerhalb von Tarifverträgen machen kann, aber, wie gesagt, bitte nicht mit dem Ziel, Tarifverträge zu umgehen. Da stellen sich insbesondere zwei Fragestellungen heraus. Die eine ist die Frage der Bezahlung von Lehrern, die neu in Berlin anfangen. Dort haben wir bei der Wiedereinbringung des Landes Berlin in die TdL eine günstige Regelung ausgehandelt. Das heißt, es werden nach der Erfahrungsstufe 5 Lehrer bezahlt, die als sogenannte Vollerfüller – also mit zwei Fächern – in weiterführenden Schulen arbeiten. Das führt zu einem Bruttoverdienst von exakt 5 000 Euro, und das ist sicherlich auch eine ordentliche Bezahlung.
Ich habe in den Gesprächen zugesagt, dass ich gern dazu bereit bin, alles dafür zu tun, dass diese Regelung verlängert wird. Sie gilt bis Ende 2017. Das heißt aber auch, dass alle, die bis dahin in Berlin anfangen, das dann lebenslang haben. Das fällt dann also nicht weg.
Das zweite Thema, wo es durchaus Sinn macht, darüber zu reden, weil es auch einen grundsätzlichen landespolitischen Spielraum gibt, betrifft die Grundschullehrer. Bei Grundschullehrern können wir im Rahmen von gesetzlichen Regelungen dort auch auf Berliner Ebene etwas tun. Aber auch das ist dann eine gesetzliche und nicht eine tarifvertragliche Regelung. Man muss auch sehen, dass wir in Berlin als Konsolidierungsland nicht als einziges Bundesland Grundschullehrer in eine komplett andere Besoldungsgruppe hineinführen sollten, denn dieses wird uns in allen Diskussionen um das Thema Länderfinanzausgleich und Konsolidierungsprogramm vorgehalten werden. Das wird keiner in einem anderen Bundesland verstehen. Deswegen habe ich gesagt, dass es dafür derzeit keine Möglichkeit gibt. Ich gebe aber gern zu, dass sich gerade dieses Thema über die Zeit weiterentwickeln kann, und deswegen ist mir dabei das Wort „derzeit“ wichtig.
Ich hätte viele und muss mich entscheiden. Ich frage mal so: Glauben Sie wirklich, dass die 20 Millionen Euro, die es kosten würde, die Grundschullehrkräfte gleich zu bezahlen, den Länderfinanzausgleich bundesweit ins Wanken bringen?
Vielen Dank! – Nach den Rechnungen, die in meinem Haus angestellt werden, ist die von der Gewerkschaft ausgesprochene Forderung nicht mit 20 Millionen Euro pro Jahr zu bezahlen. Es geht dabei vielmehr um 60 Millionen Euro. Das ist schon ein großer Unterschied. Sie wissen alle, wie schwierig es ist, die Personalbudgets im Haushalt vernünftig auszubalancieren. Zentraler Punkt in den Diskussionen des Stabilitätsrats ist bei jeder Sitzung, und war es auch gestern – gestern Nachmittag hat der Stabilitätsrat getagt –, ob die Personalausgaben in den Konsolidierungsbundesländern beherrschbar sind oder ob sie es nicht sind. Insofern spielt das eine wesentliche Rolle. Die hinter Ihrer Frage stehende Vermutung, dass es keine wesentliche Rolle spielt, ist irrig.