Protocol of the Session on February 9, 2012

Ich gebe jetzt dem Kollegen Freymark von der CDU das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren heute den umfangreichen Bericht zur Sonderüberprüfung des Forschungsreaktors BER II nach den Vorfällen um das Kernkraftwerk in Fukushima. – Im Zuge der Vorbereitung auf diesen Tagesordnungspunkt habe ich festgestellt, dass dieses Thema insbesondere im zuständigen Fachausschuss, aber auch hier im Plenum bereits mehrfach ausführlich debattiert wurde. Darüber hinaus durfte ich mich gestern persönlich über die Arbeit des Helmholtz-Zentrums vor Ort informieren.

Selbstverständlich unterstützt auch die CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus die Vorgehensweise der Bundesregierung, die bereits im März 2011 eine Sicherheitsüberprüfung aller kerntechnischen Anlagen in der Bundesrepublik Deutschland angeordnet hat. Dabei standen die Leistungsreaktoren zwar zunächst im Mittelpunkt, allerdings wurden auch die Forschungsreaktoren, wie der BER II, in diese Überprüfung einbezogen. Dieser sogenannte Stresstest war wichtig und richtig, nachdem der Forschungsreaktor bereits ohnehin aufgrund planmäßiger Umbaumaßnahmen seit Oktober 2010 nicht mehr in Betrieb war.

Das nun vorliegende Untersuchungsergebnis vom TÜV Rheinland ergab erfreulicherweise keinerlei Gründe, die einen Weiterbetrieb des BER II infrage stellen könnten. Besonders erfreulich ist zudem die Tatsache, dass durch die Sonderüberprüfung nach Auskunft der Fachleute eine Reihe von Erkenntnissen gewonnen werden konnten, die Möglichkeiten zur Verbesserung der technische Sicherheit der Anlage aufzeigen. Diese Optimierungspotenziale beziehen sich auf Maßnahmen außerhalb des Normalbetriebs, sind also dem Bereich der Notfallmaßnahmen zuzuordnen. Dazu gehören zwei: insbesondere die Verstärkung der Notstromversorgung und die Ergänzung der bereits vorhandenen Notüberläufe an Flachdächern für starke Regenfälle, um sicherzustellen, dass bei verstopften Entwässerungsleitungen kein Regenwasser in die Reaktor- oder Experimentierhalle gelangen kann.

Ein wesentliches Ergebnis dieser Sonderuntersuchung ist aber meines Erachtens die Aufforderung der Gutachter, das Notfallhandbuch für den BER II zu ergänzen, denn derzeit fehlt eine übergeordnete, systematische Darstellung von festgelegten Maßnahmen, auf die im Ereignisfall zurückgegriffen werden könnte. Die Forderung der Gutachter, dieses Notfallhandbuch in Anlehnung an die Rahmenempfehlungen für die Planung von Notfall

schutzmaßnahmen durch die Betreiber von Kernkraftwerken zu überarbeiten, ist sinnvoll, um noch mehr Sicherheit auch in Forschungsreaktoren zu erreichen. Wir sollten, da beziehe ich alle Parteien explizit ein, alle gemeinsam darauf hinwirken, dass diese Maßnahmen so schnell wir möglich realisiert werden.

[Beifall bei der CDU]

Abgesehen von diesen Möglichkeiten zur zusätzlichen Steigerung der Sicherheit des Forschungsreaktors bleibt die Feststellung, dass diese Anlage, wie alle anderen kerntechnischen Anlagen, bei einem sehr unwahrscheinlichen Fall eines Flugzeugabsturzes in einen Gefährdungszustand gelangen kann. Damit dieser Fall jedoch möglichst ausgeschlossen wird, existiert bereits heute über dem Forschungsreaktor BER II ein auf 671 Meter Höhe begrenztes Flugbeschränkungsgebiet mit einem Gesamtradius von 1 482 Metern.

Im Hinblick auf die Eröffnung des neuen Großflughafens Berlin-Brandenburg und die kürzlich bekannt gewordenen endgültigen Flugverfahren kann heute festgestellt werden – da darf man sich auch nichts anderes einreden lassen –, dass der Forschungsreaktor nicht direkt überflogen wird.

Schließlich möchte ich vorschlagen, eine intensivere Fachdiskussion über diesen sehr detaillierten Bericht im Rahmen der Ausschussberatung vorzunehmen. Dabei haben wir auch die Möglichkeit, den Autoren dieses Gutachtens Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben sowie direkte Fragen zu stellen.

Herr Kowalewski war so freundlich, heute den Bericht des „Tagesspiegels“ zu zitieren, wonach die Betreiber angegeben hätten, das Ding nach 15 Jahren stilllegen zu lassen. Das ist keineswegs der Fall. Wenn Sie auf die Internetseite des Helmholtz-Zentrums gehen, werden Sie schnell feststellen, dass diese Aussagen niemals getätigt wurde und auch nicht zutreffend sind.

Ich will auch gar nicht die Schließung in den Vordergrund stellen. Ich stelle die Forschungsergebnisse in den Vordergrund, die dort erzielt werden. Dort sind jedes Jahr 2 000 Forscher aus der ganzen Welt anwesend und machen diesen Standort zu einem mit großer Perspektive und Notwendigkeit für dieses Land.

[Beifall bei der CDU]

Sie müssen langsam zum Ende kommen.

Ich möchte nicht den Alzheimerkranken oder denjenigen, die Multiple Sklerose haben sagen, dass wir hier die Forschung einstellen und schaut bitte weiter, ob es anderswo

die Möglichkeiten gibt. Es ist weltweit einer der besten Standorte, die wir haben. Den sollten wir trotz aller Bedenken, die wir einbeziehen müssen, erhalten. Wir müssen in diesem Sinne verantwortlich handeln. Deshalb lassen Sie es uns verantwortungsvoll in den Ausschüssen debattieren, nicht mit Polemik hier im Plenum. Dafür ist dieses Thema zu wichtig. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege Freymark! – Herr Dr. Albers, jetzt haben Sie für Ihre Fraktion das Wort. – Bitte schön!

[Beifall bei der LINKEN]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Freymark! Es wäre schön, wenn es so wäre, wie Sie sagen, aber Ihre Forschungssenatorin scheint sich für dieses Problem überhaupt nicht zu interessieren; sie ist nicht im Saal. Selbst die Wissenschaftssenatorin ist nicht anwesend. Nun ist inzwischen Gott sei Dank Herr Zimmer eingetroffen. Er kann dann berichten.

Gerade weil die Ängste der Menschen vor dem Atom keineswegs irrational, sondern angesichts der Bilder aus Japan nur allzu gut begründet sind, und weil die Ereignisse in Fukushima den Begriff Sicherheit im Zusammenhang mit der Beherrschbarkeit der Atomkraft noch einmal auf drastische Weise relativiert haben, war es klug und verantwortungsvoll, dass unsere damalige Umweltsenatorin unmittelbar nach der Katastrophe schon im April eine Sonderprüfung des Forschungsreaktors am HelmholtzZentrum in Wannsee veranlasst hat, lange bevor eine entsprechende Aufforderung des Bundesumweltministers am 2. August 2011 ergangen war.

Nun handelt es sich bei dem Reaktor am HelmholtzZentrum in Wannsee – es wurde schon gesagt – nicht um ein Kernkraftwerk. Dort wird auch nicht an der Entwicklung oder Erprobung der Kernenergietechnik gearbeitet. Dennoch war es notwendig, eine zusätzliche Sonderprüfung durchzuführen, die zum Zweck hatte, mit den Erkenntnissen aus Fukushima die Robustheit dieses Reaktors gegen definierte äußere Störeinflüsse zu prüfen. Das Ergebnis dieser Prüfung liegt nun vor. Die Grünen haben dazu einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, in dem sie erklären – Frau Kubala hat das hier noch einmal erläutert –, dass auf der Grundlage des vorgelegten Gutachtens eine Gesamtbeurteilung des Reaktorrisikos weiterhin nicht möglich sei. Ihre Kritik an dem Gutachten erschließt sich mir allerdings, Frau Kubala, so nicht. Sie wird auch in Ihrem Antrag nicht unterlegt. Wir können aber im Ausschuss sicherlich noch detailliert darüber sprechen.

Wir reden – das wurde auch gesagt – über eine kalte Neutronenquelle, die ihre praktische Nutzanwendung beispielsweise in der Materialerforschung findet, die aber auch der Grundlagenforschung zur Beschaffenheit der Materie dient. Sie ist zurzeit nicht nur für die Berliner Wissenschaftslandschaft noch unverzichtbar. Hier forschen jährlich mehr als 2 000 Wissenschaftler aus aller Welt.

Wir wollen hier aber auch nichts schönreden. Aus dieser Unverzichtbarkeit des Reaktors leitet sich dann natürlich auch eine ganz besondere Verpflichtung zu strenger und sorgfältiger Kontrolle ab. Das Gutachten belegt, dass die Wissenschaftler und Techniker am Helmholtz-Zentrum auch in diesem Sinne eine hervorragende Arbeit leisten. Bei einer eventuell notwendigen Schnellabschaltung dieses Reaktors kommt der Kernspaltungsprozess bereits in weniger als 0,5 Sekunden zum Erliegen. Die Auslöseschwelle für eine solche Schnellabschaltung bei einem Störungsfall ist betrieblich extrem niedrig angelegt. Nach dem Abschalten ist dann nur noch für maximal eine Minute aktive Kühlung notwendig. Dieses wird allein durch die Nachlaufzeiten der Pumpen gewährleistet. Ein Nachfüllen der 200 Kubikmeter fassenden Reaktorbecken mit Wasser ist selbst unter extremen Bedingungen einfach zu bewerkstelligen, da der Schwimmbadreaktor – auch das wurde gesagt – bei Normaldruck arbeitet und keinen Druckbehälter braucht und daher leicht zugänglich ist.

Das alles belegt das Gutachten. Es zeigt aber auch Schwachstellen auf und zeigt Verbesserungsbedarf. So ist für zwei von 22 Absturzszenarien der Erhalt der vitalen Funktion des Reaktors nicht sicher nachzuweisen – so heißt es da. Aber was sollte da ein neues Gutachten bringen, Frau Kubala? Welche zusätzliche Erkenntnis erwarten Sie davon? Die Frage ist nicht, ob wir ein neues Gutachten brauchen, sondern welche Konsequenzen wir aus dem vorliegenden ziehen. Wenn Sie daraus die Konsequenz ziehen, den Reaktor stilllegen zu wollen, müssen Sie das auch so sagen. Dann muss man darüber diskutieren.

Es ist leider das übliche Problem mit Ihnen. Sie wollen sich wieder einmal nicht festlegen und drücken sich vor einer politischen Entscheidung. Dass diese nicht einfach ist, nehme ich Ihnen gern ab. Aber Sie machen sich etwas vor, wenn Sie glauben, dass sie durch ein weiteres Gutachten einfacher wird.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Uwe Doering (LINKE)]

Wir haben bereits bei Behandlung des Themas in der letzten Legislaturperiode darauf hingewiesen, dass dieser Reaktor sicher ein Auslaufmodell ist. Die Zukunft dürfte in den meisten Anwendungsbereichen den sogenannten Spallationsquellen gehören. Bei einem ist der Unterschied die gepulste Energie, bei dem anderen ist der Unterschied die kontinuierliche Energie. Da gibt es dann auch noch Nischen, in denen man das benötigt. In Lund, in Schwe

den, entsteht in europäischer Zusammenarbeit ein entsprechendes Großprojekt, das aber nicht vor 2020 in Betrieb gehen wird. Das hat sicher auch Auswirkungen auf den Forschungsstandort Berlin. Darüber sollten wir allerdings sehr bald diskutieren und überlegen, wie es dann am Helmholtz-Zentrum weitergeht.

Kleinere Spallationsanlagen gibt es bereits in der Schweiz und in England. Wäre Berlin beispielsweise auch ein geeigneter Standort? Dazu ist bereits etwas gesagt worden. Der Senat wäre gut beraten, dieses Thema nicht zu verschlafen.

Herr Kollege! Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Alles Weitere werden wir im Ausschuss besprechen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und der SPD]

Ich bedanke mich herzlich. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0124 wird die Überweisung federführend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt und mitberatend an den Ausschuss für Wissenschaft und den Ausschuss für Wirtschaft empfohlen. – Ich höre keinen Widerspruch. Damit verfahren wir so.

Wir kommen zu

lfd. Nr. 18:

a) Kein Flughafenknast – nirgendwo!

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0101

b) Kein Flughafenknast auf dem Großflughafen BER „Willy Brandt“

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0102

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit Frau Bayram. – Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Vielen Dank! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Eröffnung des Flughafens BER Willy Brandt könnte es im Juni nicht heißen: Die Welt zu Gast auf dem Flughafen Willy Brandt, sondern auch: Die Welt im Knast auf dem Flughafen Willy Brandt.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Da geht er, der Regierende Bürgermeister!]

Willy Brandt, einst selbst Asylbewerber, hat den Schutz in Norwegen erhalten, den Sie, meine Damen und Herren von CDU und SPD nun vielen Menschen bei der Ankunft auf dem Flughafen Berlin-Brandenburg verweigern wollen.

Der Bau einer Unterkunft zur Unterbringung von Asylbewerbern auf dem Flughafen muss von Ihnen gestoppt werden.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Es sollen 300 Haftplätze auf dem BER entstehen, bei denen im sogenannten Flughafenverfahren eine Sonderbehandlung von Asylbewerbern erfolgen soll. Dies ist keineswegs eine besondere VIP-Lounge, bei der die Menschen frei entscheiden können, ob sie bleiben oder gehen. Daher ist es unglaublich, dass Sie, Herr Regierender Bürgermeister, in einer Antwort auf meine Kleine Anfrage behaupten, dass es sich um keine freiheitsentziehende Maßnahme handele, wo doch jeder weiß, dass man nur von Knast sprechen kann, wenn der Staat jemanden drei bis 30 Tage gegen den Willen einsperrt.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Besonders erstaunlich ist, dass der alleinige Grund, warum Sie die Menschen auf dem Flughafen festhalten, die Tatsache ist, dass sie über einen sicheren Drittstaat eingereist sind oder keinen Pass oder Ausweis haben. Dann gilt für sie auf einmal auch nicht mehr die UNKinderrechtskonvention, weil es Ihnen nicht passt. Aber nicht mit uns! Wir brauchen keinen Kinderknast auf dem BER.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Im eigenen Land unerwünscht, verfolgt und auf der Flucht, so geht es vielen Asylbewerbern, die in unserem Land Schutz und Hilfe suchen. Oft sind sie traumatisiert, haben Haus und Hof verloren und auch ihre Familien. Dennoch wird von ihnen verlangt, dass sie nicht nur in der kurzen Zeit von zwei Tagen einen lückenlosen Ablauf der Ereignisse schildern, sondern alle möglichen Unterlagen beibringen, deren Beschaffung realistischerweise mehrere Monate in Anspruch nehmen würde. Da sie das Unmögliche zu leisten nicht imstande sind, wird ihnen die Durchführung des Asylverfahrens verweigert und somit jegliche Hoffnung auf Schutz und Hilfe genommen.