Protocol of the Session on March 17, 2016

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Herr Präsident! Das habe ich auch nicht so verstanden. Manche Leute kommentieren sich ja auch selbst. – Meine Uhr läuft nicht, ich nutze das gerne. – Also noch mal: Was macht Frank Henkel beruflich? – Anscheinend nicht Innensenator. Ich finde es sehr bemerkenswert, dass wir es hier in einer Aktuellen Stunde besprechen müssen, dass ein Straßenfest genehmigt worden ist. Ja, Sie haben vollkommen recht, es ist ein sehr wichtiges Fest. Ich bin auch allen Menschen, egal welcher Partei, sehr dankbar dafür, dass sie es organisieren. Es ist interessiert da draußen übrigens niemanden, wer hier auf den Donnerstagfrüh sagt, wir waren es aber oder wir waren es aber. Die Berlinerinnen und Berliner haben ein Interesse daran, dass der 1. Mai friedlich stattfindet.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Und es sollte auch in unserem Interesse sein, dass das passiert. Von daher ist es eine Selbstverständlichkeit, dass es in Berlin zum 1. Mai ein Myfest gibt. Und deswegen verstehe ich nicht, warum wir in dieser Aktuellen Stunde über so eine Selbstverständlichkeit reden müssen. Wir reden auch nicht darüber, dass irgendwelche Fanmeilen genehmigt worden sind. Wir reden auch nicht darüber, wenn die Bußgeldstelle der Berliner Polizei erfolgreich Knöllchen verschickt hat. Ich weiß, dass erfolgreiche Verwaltungsakte mitunter eine Seltenheit im Bundesland Berlin sind. Aber sie haben in meinen Augen noch nicht den Stellenwert, dass wir uns in einer Aktuellen Stunde mit ihnen befassen müssen.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Und eines, Herr Eggert sprach das ja schon an, muss dann der Innensenator erklären in seiner Rede: Wie eine Veranstaltung, auf der letztes Jahr 250 000 Menschen waren und wo zu erwarten ist, dass dieses Jahr wieder ungefähr 250 000 Menschen kommen, wo es weniger Bühnen gibt, weniger Angebot, der Raum der Veranstaltung nicht erweitert wird, sich also mehr Leute auf ein kleineres Angebot stürzen,

[Fabio Reinhardt (PIRATEN): Kürzer!]

ja, kürzer; 22 Uhr – das ist, das wissen wir alle, der Zeitpunkt, wo der Antifa e. V. dann sagt: So, jetzt fahren wir wieder nach Hause –

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

es geht nur bis 22 Uhr, und da muss mir der Innensenator mal erklären, wie ein solches Myfest dann noch eine befriedende Wirkung haben kann. Mir ist es ehrlich gesagt, und das beziehe ich jetzt wieder auf die Leute, die das organisieren möchten oder nicht, persönlich egal, in welcher Art und Weise dieses Myfest stattfindet. Ob das eine Demonstration ist, ob das irgendeine Veranstaltung ist, ob es vom Bezirk gemacht wird, ob es von Privat gemacht wird – es ist mir alles egal. Wir als Parlament und dieser Senat sollten alles dafür tun, damit es stattfinden kann. Ich bin noch immer komplett konsterniert, aber doch sehr stolz darauf, dass ich schon fünf Minuten rumgebracht habe, dass wir heute über dieses Thema reden. Jetzt lasse ich den Innensenator darüber sprechen, dass er Ihnen noch mal schildern kann, was für ein heroischer Kampf das war, dieses Volksfest stattfinden zu lassen, nachdem seine Behörde gesagt hat: Nein, das findet nicht statt!

[Heiterkeit und Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Und dann, lieber Herr Czaja, komme ich noch mal wieder. – Vielen lieben Dank!

[Heiterkeit und Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Für den Senat hat jetzt Herr Senator Henkel das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, ich muss zu Beginn noch einmal darauf eingehen, was in den letzten Wochen offensichtlich an Propaganda aus dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg gestreut wurde

[Lachen bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Zurufe von den GRÜNEN und den PIRATEN]

und was sich in den Redebeiträgen auch wiedergefunden hat, getreu dem Motto: Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt.

[Lachen bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Zurufe von den GRÜNEN und den PIRATEN]

So einfach ist es nicht, bestenfalls, meine Herren Vorredner, kindliche Naivität, in Ihrem Fall allerdings eher

dadurch begründet, dass Sie einfach nichts zu sagen haben, jedenfalls nicht in der Sache.

[Zuruf von Martin Delius (PIRATEN)]

Es geht um die Aussage, die Polizei und auch ich hätten das Myfest lange Zeit gefährdet und erst jetzt endlich den politischen Charakter dieses Myfests erkannt.

[Beifall von Antje Kapek (GRÜNE)]

Ich habe überhaupt gar kein Problem damit, dass sich die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg Frau Herrmann so hartnäckig an mir abarbeitet. Da muss sich ein bisschen was festgesetzt haben, offensichtlich seit Oranienplatz und Gerhart-Hauptmann-Schule. Da muss sich was aufgestaut haben, so schlimm, dass sie sich sozusagen permanent Richtung Klosterstraße entlädt.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Geschenkt! Ich sage, besser ein ordentliches Feindbild haben als ein entsprechendes Magengeschwür. Das wünsche ich niemandem.

[Beifall bei der CDU]

Aber dann sollte sie es bei mir persönlich belassen und nicht auch die Polizei mit reinziehen, die sich seit Jahren sehr engagiert und umfangreich in das Myfest einbringt. Deshalb möchte ich hier klar betonen, es ist schlichtweg falsch, was die Bürgermeisterin seit vergangenem Herbst behauptet, nämlich die Polizei hätte sich aus der Verantwortung gezogen und vor allem ihre Rechtsauffassung geändert. Das stimmt doch überhaupt nicht. An der rechtlichen Lage hat sich überhaupt nichts geändert. Die Polizei hat nach einer Anwohnerklage im vergangenen Jahr gegenüber anfragenden Medien erklärt, wie der rechtliche Rahmen für dieses Myfest aussieht. Und dieser Rahmen ist eindeutig. Das Myfest war in den letzten Jahren keine Versammlung nach dem Versammlungsrecht, sondern eine Veranstaltung. So einfach ist es manchmal. Da lässt sich rechtlich auch nichts anderes interpretieren. Ich staune über den einen oder anderen Juristen, der sich hier zu Wort gemeldet und zu diesem Punkt eingelassen hat.

[Andreas Gram (CDU): Möchtegernjuristen!]

Es ist nett gemeint, dass das Bezirksamt eine politische Veranstaltung bei der Polizei angezeigt hat, aber Frau Herrmann weiß ganz genau, dass das überhaupt keine versammlungsrechtliche Relevanz hat. Und dafür, dass sie das sehr wohl weiß, spricht auch, dass sie sich unmittelbar nach dem letzten 1. Mai, der so außerordentlich erfolgreich war, von allen hier zu Recht gewürdigt, öffentlich von diesem Myfest verabschiedet hat. Es hat sich rechtlich nichts geändert, und es hat sich auch nichts an der Bereitschaft der Polizei oder meiner Verwaltung geändert, alles dafür zu tun, um dieses Myfest zu einem Erfolg zu machen.

Jede Behörde hat in der Vergangenheit mehr getan, als sie formal eigentlich müsste. Das Myfest war ein hervorragendes Beispiel dafür, was wir in Berlin auf die Beine

stellen können, wenn wir nicht nur auf Zuständigkeiten pochen, sondern im Interesse eines größeren Ganzen zusammenarbeiten, Zivilgesellschaft, Bezirk, Polizei und Senat. Hier haben alle etwas getan. Der Senat hat eine Viertelmillion Euro – ich will nur mal daran erinnern, weil immer so getan wurde, es sei das Gesellenstück eines Einzelnen – aus dem Haushalt bereitgestellt. Die Polizei hat sich u. a. um die Müllabfuhr gekümmert, was sie gefahrenabwehrrechtlich kann, aber nicht müsste. Das private Engagement der Myfest-Crew ist sowieso, wie ich finde, über jeden Zweifel erhaben.

Ich würdige auch ausdrücklich den Bezirk. Ich weiß sehr wohl, dass gerade der Referent der Bezirksbürgermeisterin seit Jahren sehr viel unternimmt, um unterschiedliche Interessen auszugleichen und Probleme ganz pragmatisch zu lösen. Das ist ein Mann, mit dem man nicht nur reden kann, sondern mit dem man sehr gut zusammenarbeiten kann. Frau Herrmann mag ihre Gründe haben, sich aus dieser bewährten Zusammenarbeit herauszunehmen und das Myfest nicht mehr in der bewährten Form fortsetzen zu wollen. Ich habe unmittelbar nach dem letzten 1. Mai meine Unterstützung öffentlich angeboten. Leider ist auf dieses Angebot nichts gefolgt, sonst hätten wir heute wahrscheinlich nicht diesen Zeitdruck.

[Lachen von Heidi Kosche (GRÜNE)]

Aber in den letzten Wochen ist zum Glück Bewegung in die Sache gekommen, und diese Bewegung ging auch nicht vom Bezirk aus, sondern sie ging von dem von Ihnen so sehr gescheuten Innensenator aus. Es ist ja richtig, ich habe natürlich auch persönlich ein großes Interesse, dass das Fest erstens stattfindet und zweitens ein Erfolg wird. Ich halte nämlich das Myfest für einen ganz zentralen Baustein für einen friedlichen 1. Mai. Deshalb habe ich mich eben nicht zurückgelehnt. Deshalb habe ich nicht gesagt, hier, du Bezirk, du bist allein dafür verantwortlich, nein, das Myfest ist ein gemeinsames Projekt, von dem wir alle profitieren. Kreuzberg profitiert davon, weil dieses Fest dazu beiträgt, dass nicht die Autonomen die Kontrolle über den Bezirk übernehmen, sondern die vielen friedlichen und feiernden Menschen, aber eben auch Berlin, weil nicht mehr diese Bilder von brennenden Barrikaden um die Welt gehen, sondern ein anderes friedliches Weltbild an diesem Tag aus Kreuzberg, aus Berlin erzeugt wird. Und daran hat dieses Myfest ganz entscheidenden Anteil.

[Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Ich finde, wenigstens da kann man mal klatschen. – Was haben wir also getan? – Ich habe zuerst versucht zu vermitteln. Der Bezirksstadtrat ist schon angesprochen worden. Dr. Beckers hatte eine Zusammenarbeit mit einem etablierten Großveranstalter angeregt. Ich habe in diesem Fall angeboten, diesen Kontakt zu sondieren und herzustellen, und habe dies dann auch getan. Beide Seiten – das haben Sie den Medien entnommen – haben dann ganz schnell festgestellt, dass sie ganz offensichtlich nicht

(Bürgermeister Frank Henkel)

zusammenpassen. Es dauerte nicht sehr lange, um diese Feststellung zu treffen.

Nachdem dieser Versuch, einen externen Veranstalter für das Myfest zu finden, gescheitert war, haben wir nach anderen Lösungen gesucht. Ende Februar hat daher ein Gespräch zwischen der Myfest-Crew, Herrn Polizeipräsidenten Kandt und mir stattgefunden. Ich finde, es war ein gutes, fast einstündiges Gespräch, und wir konnten uns in diesem Gespräch auf einen Weg verständigen. Der Polizeipräsident und ich haben deutlich gemacht, dass eine Versammlungslösung rechtlich realistisch ist, wenn das Myfest seinen politischen Charakter deutlich stärker herausstellt. Das Myfest war und ist politisch. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel.

[Beifall von Heidi Kosche (GRÜNE)]

Aber es hatte in den vergangenen Jahren doch einen Charakter, der eine Einstufung als Versammlung eben eher nicht gestattet hätte. Die Veranstalter haben diesen Ball aufgegriffen und um Bedenkzeit gebeten. Auch das ist völlig normal. Es hat dann in den folgenden Wochen sehr intensive interne Abstimmungen innerhalb der MyfestCrew gegeben und auch einen intensiven Austausch mit der Berliner Polizei.

[Zuruf von Steffen Zillich (LINKE)]

Herr Zillich! Sie können doch eine Kurzintervention machen oder was auch immer Sie wollen.

[Zuruf von Steffen Zillich (LINKE)]

Ich halte mich hier an die Fakten. In der vergangenen Woche hat es dann einen Durchbruch gegeben. Die Myfest-Crew hat sich für einen versammlungsrechtlichen Weg entschieden und in ihrer Pressemitteilung deutlich dargestellt, dass sie den politischen Rahmen dafür schaffen will. Ich freue mich sehr, dass sie jetzt endlich eine Perspektive für dieses Myfest hat.

Im Ergebnis gibt es jetzt drei Anmeldungen im Bereich Oranienplatz, Oranienstraße, Adalbertstraße, im Bereich Mariannenplatz und im Bereich Mariannenstraße/Naunynstraße bis einschließlich Feuerwehrdenkmal, zwei Anmeldungen durch die Myfest-Crew und eine durch eine Vertreterin einer politischen Partei. Ich sage bewusst, ich rede hier von einer Perspektive. Wir sind noch nicht am Ziel, sondern – und das ist in den Redebeiträgen angeklungen – wir haben noch viele Fragen zu klären. Jetzt geht es um die Details. Auch diese Details sind nicht trivial. Da sind wir in einem regen Austausch. Vergangenen Montag hat es ein weiteres Gespräch gegeben, bei dem dann auch der Bezirk vertreten war. Für die Veranstalter sind natürlich weiterhin Haftungsfragen sehr wichtig. Das kann ich bei der Dimension, über die wir sprechen, auch nachvollziehen.

Da wird es im Detail in der Tat vor allem um wichtige Abgrenzungsfragen gehen. Da müssen wir klären, wie das geht, übrigens auch viele andere Themen, die zum

Teil angesprochen worden sind, z. B. die Frage, wie mit den teilweise unterschiedlichen Anmeldungen umgegangen wird, eben auch für die 18-Uhr-Demo. Ich denke, jeder der hier Anwesenden war schon einmal auf dem Myfest und weiß, dass da ab dem Nachmittag nichts mehr geht. Die Polizei könnte wohl schon aus Sicherheitsgründen keine Demonstration mit 20 000 Teilnehmern durch eine Versammlung mit 30 000 oder 40 000 Teilnehmern führen, und das in der Oranienstraße. Wer die kennt, weiß nun wirklich, was da abgeht und wo ein Teil der Probleme liegt. Hier bleiben die Kooperationsgespräche abzuwarten.

Eine andere Frage, die zu erörtern ist, ist, inwieweit man bei Überfüllung den Veranstaltungsraum schließen kann. Immerhin haben wir es hier nicht mit einer Veranstaltung, sondern mit einer dann jetzt grundgesetzlich geschützten Versammlung zu tun.

Auch die Frage der Sicherheit ist vorhin angesprochen worden. Natürlich bleibt die Sicherheit ein Thema. Der Veranstalter würde gerne wieder auf Sicherheitsdienstleister zurückgreifen, wie es in der Vergangenheit praktiziert wurde. Aber eine Versammlung sieht ehrenamtliche Ordner vor. Auch dieses Problem ist nicht unlösbar. Aber auch da wird es um die wichtige Frage der Abgrenzung gehen.