Protocol of the Session on March 17, 2016

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

und es kommt nicht von den Grünen. Das kann man natürlich nicht akzeptieren. Also wird daran herumkritisiert.

Ich probiere einmal, die Geschichte so zu erzählen, die Anwohnerinnen und Anwohner, die sich da organisiert haben, allen voran Silke Fischer, haben es erreicht, die Krawalle, die zu einem Ritual verkommen waren, wegzuschaffen. Es ist gelungen, das Myfest zum Grundstein eines friedlichen Mais reifen zu lassen. Aber, das sollte man hier auch nicht vergessen, einem weiteren Sozialdemokraten sollte für das Myfest gedankt werden. Es war Ehrhart Körting als Innensenator, der mit seiner Strategie der ausgestreckten Hand

[Beifall bei der SPD – Zuruf von Antje Kapek (GRÜNE)]

auf die Bevölkerung zugegangen ist und zur Deeskalation beigetragen hat. Dafür gilt ihm immer noch unser Dank. Wir können ihn Dieter Glietsch, der heute hier ist, auch mit ausrichten. Wir haben es geschafft zu deeskalieren. Ich fordere hier Herrn Innensenator Henkel noch einmal auf: Kehren Sie zurück zu dieser Strategie! Gehen Sie zurück zur Deeskalation, und zwar nicht nur am 1. Mai. Helfen Sie mit, dass die Berliner Polizei wieder als Partner angesehen wird – und das auch in den etwas bunteren Kiezen unserer Stadt!

In der Tat hat das Myfest inzwischen nicht nur eine stadtweite gewaltpräventive Dimension erreicht, sondern ist zu einem internationalen Partyevent geworden. Wer, wie ich, beim letzten Mal Gast des Myfestes gewesen ist, wird mitbekommen haben, wie eng es in den Straßen und wie hoch der Druck an einigen Stellen gewesen ist. Wir können uns alle glücklich schätzen, dass es zu keinen größeren Gefahrensituationen gekommen ist. Der Andrang in den letzten Jahren hat dazu geführt, dass sich das Myfest unkontrolliert in die benachbarten Straßenzüge ausgeweitet hat. Dort bestehen Gefahren, hier ist Handlungsbedarf vorhanden. Bezirk und Innensenat müssen Verantwortung übernehmen und dafür sorgen, dass die Zumutungen durch die Menschenmassen, die die Anwohnerinnen und Anwohner dieser Gegend zu ertragen haben, reduziert werden. Es ist wichtig, dass das Myfest

verantwortlich organisiert wird und zwar ab dem 2. Mai bis zum nächsten 1. Mai eines Jahres. Man hat – wie bei regelmäßigen Feiertagen – ein ganzes Jahr Zeit, das Fest zu organisieren. Man hat genügend Zeit, um Gesprächsrunden zu führen. Ich finde es sehr wichtig, dass dies geschieht.

Nun hat die Myfest-Crew mit Unterstützung der Polizei versucht, auf die neuen Herausforderungen zu reagieren und das Konzept für das Myfest innerhalb kürzester Zeit erneut entschlackt. Dazu muss ich sagen: Das ist eine krachende Ohrfeige für die im Bezirk regierenden Grünen, die zuvor eigentlich immer nur gejammert haben, dass diese Aufgabe angeblich viel zu groß für sie sei und den Bezirk heillos überfordere. Offenbar scheint es aber doch lösbar zu sein – und es wurde hier vorgemacht.

Der aktuelle Rechtstreit um das Myfest – ich glaube, er läuft gerade heute – hat durch die Klarstellung des Polizeipräsidenten von Berlin offenbart, dass das Myfest rechtlich keine Versammlung im Sinne von Artikel 8 GG ist. Die Konsequenz ist eine ganz einfache: In der bisherigen Form kann das Myfest als Veranstaltung im öffentlichen Raum nicht mehr stattfinden. Es müsste als Straßenfest behandelt werden. Viele Fragen wie die nach den Kosten und der Übernahme des Sicherheitskonzepts drängen sich dadurch auf. Deshalb hat sich die MyfestCrew entschlossen, dieses Fest wieder politischer zu machen, den Fokus darauf zu legen, wie der Beginn ausgesehen hat: ein Bürger- und Bürgerinnenfest, das dafür gesorgt hat, dass politische Themen in den Vordergrund gerückt worden sind, die in unserer Stadt und der Gesellschaft umso wichtiger sind.

Es bleiben aber einige Fragen offen. Ich hoffe, darauf nachher Antworten vom Innensenator zu bekommen oder wenn wir den Antrag behandeln. Auf politischen Versammlungen sind nach Auskunft der Berliner Polizei keine professionellen Security-Kräfte zulässig. Diese haben aber in der Vergangenheit immer wieder für Sicherheit rund um die jeweiligen Bühnen und an den Zugängen gesorgt. Wie gehen wir damit künftig um? Wie soll dies gewährleistet werden, ohne dass an jeder Bühne und an allen Eingängen die Berliner Polizei steht und sie abriegeln? So wird ein friedliches Myfest vermutlich nicht stattfinden können.

Ein weiterer Punkt, der zu klären und der weiterhin offen ist, ist die Frage, ob das Festgelände nicht erweitert werden müsste. Wenn 250 000 Personen auf dieser engen Fläche zusammenkommen, muss man dann nicht sagen: Wir organisieren, dass es Auslaufflächen in andere Richtungen gibt? Müssten wir das dann auch kontrollieren? Wie sichern wir die benachbarten Kieze? Wie sichern wir, dass die Zumutbarkeitsgrenze und die Toleranz der Anwohnerinnen und Anwohner nicht überschritten bzw. überstrapaziert werden? – Das sind Fragen, von denen ich hoffen, dass wir heute einige Antworten auf sie be

kommen. Klar ist: Das Myfest kann nur Erfolg haben, wenn es eine politische Veranstaltung von Anwohnerinnen und Anwohnern für alle Bürger und Bürgerinnen in der Stadt bleibt. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns allen einen friedlichen Mai 2016. Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Kollege Taş das Wort – bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin heute eigentlich davon ausgegangen, dass Herr Wansner über den 1. Mai redet. Dann wäre es ein bisschen Karneval, aber der Karnevalist scheint heute nicht da zu sein. Das ist vielleicht auch gut so.

Wir reden heute über etwas Ernsthaftes, nämlich über den Tag der Arbeit. Der Tag der Arbeit gehört zu den wichtigsten Feiertagen mit politischem Charakter. Wie an keinem anderen Tag wird am 1. Mai über die Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse, den Wert der Arbeit an sich und über Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Menschen diskutiert. Wie es sich für einen Feiertag gehört, werden auch die Errungenschaften der Arbeiterbewegung gefeiert. Es ist ein schöner Tag mit einer wichtigen politischen Botschaft. Angesichts der turbokapitalistischen Zeiten, in denen wir leben, ist der Tag der Arbeit heute wichtiger denn je. Wir leben in einer Zeit, in der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer trotz einer Vollzeitstelle aufstocken gehen müssen. Wir leben in einer Zeit, in der die Rechte der Beschäftigten kontinuierlich beschnitten werden. Wir leben in einer Zeit, in der die Stammbelegschaften immer wieder gegen Leiharbeiter und -arbeiterinnen ausgespielt werden. Wir leben in einer Zeit, in der 45 volle Erwerbsjahre oftmals nicht mehr ausreichen, um ein würdiges Leben im Alter zu führen. Wir leben in einer Zeit, in der ein Stundenlohn von 8,50 Euro als Triumph der Arbeiterbewegung verkauft wird, ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir leben in einer Zeit, in der die arbeitende und arbeitslose Bevölkerung in Deutschland von der Politik stiefmütterlich behandelt wird. Insofern sind Kundgebungen, Proteste und Feierlichkeiten zu diesem Thema eine wichtige Auseinandersetzung mit der aktuellen politischen Entwicklung. Wir brauchen diese Feierlichkeiten, weil sie eine wichtige und akute gesellschaftliche Herausforderung in den Mittelpunkt rücken.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN) und Philipp Magalski (PIRATEN)]

Die überwältigende Mehrheit der Demonstrierenden am 1. Mai möchte am Tag der Arbeit friedlich auf den gefährdeten Stellenwert der Erwerbsarbeit aufmerksam machen. Leider kommt es neben den politischen Demonstrationen seit den Achtzigerjahren auch zu regelmäßigen Ausschreitungen in Kreuzberg.

Man muss zu den Anfängen im Jahr 2003 zurückgehen, um die Bedeutung des Myfestes für einen friedlichen Tag der Arbeit zu verstehen. Die Berlinerinnen und Berliner hatten verstanden, dass die ritualisierte Gewalt am 1. Mai nur verhindert werden kann, wenn Senat, Bezirk und die Kreuzberger Zivilgesellschaft an einem Strang ziehen. Infolgedessen haben Anwohnerinnen und Anwohner, Gewerbetreibende und zivilgesellschaftliche Initiativen das Kreuzberger Myfest ins Leben gerufen. Mit ihrer Initiative bilden die Aktivistinnen und Aktivisten einen Gegenpol zu den gewalttätigen Ausschreitungen. Zusammen mit der neu eingeführten Deeskalationsstrategie der Polizei war das die Voraussetzung dafür, dass der 1. Mai in den folgenden Jahren weitgehend befriedet werden konnte. Auch wegen der Myfest-Feierlichkeiten ist die Gewalt am 1. Mai deutlich zurückgegangen. Zudem erfreut sich das Fest eines regen Andrangs. Es bietet ein breites kulturelles Angebot auf zahlreichen Bühnen und spiegelt den Charakter unserer Hauptstadt sehr gut wider. Ob die zunehmende Beliebtheit des Myfestes der politischen Botschaft zugunsten besserer Arbeitsbedingungen zugutekommt, darüber kann man sicherlich streiten. Ich glaube, dass der politische Charakter des Festes an diesem besonderen Tag wieder gestärkt werden sollte. Daran müssen alle Beteiligten gemeinsam arbeiten.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Allerdings, das Myfest ist als friedliche, gewaltlose Gegenveranstaltung nach wie vor ein Erfolgsmodell, und auch das ist eine politische Funktion, die man würdigen muss. Dieses Erfolgsmodell wird übrigens auch von allen Seiten gewürdigt. Selbst die Polizei führt den Rückgang der Krawalle auf das friedliche Myfest zurück. Das alles muss man sich bewusst machen, um zu begreifen, was tatsächlich auf dem Spiel steht. Man sollte eigentlich davon ausgehen, dass dieses Erfolgsmodell vom Senat vollumfänglich unterstützt wird. Leider stellt sich die Realität etwas anders dar. Die Polizei kündigt die Vereinbarung auf, das Myfest unter den Schutz des Versammlungsrechts zu stellen, und es beginnt ein monatelanges und unwürdiges Schwarzer-Peter-Spiel zwischen Innensenator und Bezirk. Ich glaube, dass der Innensenator allen Grund hat, sich für ein Gelingen des Festes einzusetzen, anstatt sich hinter juristischen Problemen zu verstecken und die Verantwortung auf den Bezirk abzuwälzen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

(Björn Eggert)

Wer mit dem Myfest seine parteitaktischen Spielchen spielt, der handelt fahrlässig und gefährlich. Und genau das werfe ich dem Innensenator, genau das werfe ich Ihnen, Herr Henkel, vor, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Nun scheint es eine Lösung für das Zustandekommen des Myfests in diesem Jahr zu geben. Dies begrüßen wir selbstverständlich ausdrücklich. Ob das in der Praxis funktionieren wird, wird man sehen. Der Senat ist jedenfalls gut beraten, sich hierfür aktiv einzusetzen. Egal, wie der Senat zur Botschaft des Tags der Arbeit steht, er muss zumindest die gewaltpräventive Wirkung eingestehen. Allein diese Motivation sollte doch ausreichen, um das Fest nicht nur in diesem Jahr, sondern auch für die kommenden Jahre sicherzustellen. Das ist übrigens auch das, was wir als Oppositionsfraktionen seit geraumer Zeit fordern. Sonst haben wir jedes Jahr dasselbe Theaterstück wie in den vergangenen Jahren. An der Stelle vielleicht angemerkt: Angemeldet werden können hätte das Myfest von dem zuständigen Stadtrat Peter Beckers, nicht von Frau Herrmann.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Damit wir das Theaterstück dort nicht fortsetzen, ist selbstverständlich an der Stelle insbesondere Herr Henkel gefragt. Als Innensenator dieser Stadt ist es Ihre Pflicht und Aufgabe, für Sicherheit in dieser Stadt zu sorgen. Und dazu gehört am 1. Mai nun mal ein funktionierendes politisches Myfest. Ich bin froh, dass die Oppositionsfraktionen diese wichtige Frage unermüdlich ansprechen, und hoffe sehr, dass wir dem Ziel eines dauerhaften Myfests in absehbarer Zeit ein Stück weit näherkommen. Insofern werbe ich hier noch einmal für die Unterstützung unseres Antrags. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Eggert? – Sie sind fertig, dann hat sich das erledigt. – Dann spricht jetzt für die Piratenfraktion Kollege Lauer. – Bitte schön!

[Zuruf von den GRÜNEN: Auch kein Kreuzberger!]

Ja, auch kein Kreuzberger; und das ist auch gut so.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe diese Frage schon mal im Rahmen der Haushaltsberatungen gestellt. Ich stelle diese Frage gerne noch mal, denn sie bleibt für mich noch immer offen: Was macht Frank Henkel eigentlich beruflich?

[Lachen bei den GRÜNEN – Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Für mich persönlich war zu Beginn dieser Legislaturperiode das Thema „100 Tage große Koalition, wir sind die Tollsten“ ein Tiefpunkt in Bezug auf die Aktuelle Stunde. Aber ich muss sagen, auf meiner persönlichen Hitliste wird das hier, glaube ich, für immer auf Platz Nummer 1 sein. Sechs Wochen vor dem Myfest – –

[Zuruf von Senator Mario Czaja]

Herr Czaja hat gerade reingerufen, es ist bald zu Ende. Das ist sehr richtig, Herr Czaja.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Ich glaube, Sie sind aber auch bald nicht mehr Senator. Wenn man meinen Namen googelt, liest man, glaube ich, geilere Sachen über mich, als wenn man Ihren googelt und Sachen über Sie liest.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Ich bin Ihnen sehr dankbar für diesen Zwischenruf, denn zu diesem hochpolitischen Thema hätte man – – Ja, Zwischenfragen immer. Wer hat eine Zwischenfrage?

Kollege Rissmann.

Ja, Herr Rissmann, bitte!

Danke, Herr Kollege Lauer! Zum Stichwort, wer welchen Beruf ausübt: Über welche Berufsausbildung verfügen Sie, und welchen Beruf üben Sie gegenwärtig aus? Wie oft googeln Sie sich selbst am Tag?

Das geht ja jetzt zum Glück nicht von meiner Zeit ab. Das hier ist übrigens quasi eine Vorbemerkung zur Beantwortung der Frage von Herrn Rissmann. Dass angesichts dessen, was hier letzten Sonntag passiert ist, hier gerade so ein Theaterstück aufgeführt wird und Sie mir, Herr Rissmann, mit Ihrer Frage so dermaßen ins Messer laufen, das zeigt ja, in welchem Zustand sich der Parlamentarismus befindet.

Ich antworte auf Ihre Frage: Mein höchster formaler Bildungsabschluss ist Abitur. Ich widme mich diesem Halbzeitparlament im Moment Vollzeit. Und ich googele mich so ungefähr 10- bis 30-mal am Tag.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

(Hakan Taş)

Jetzt kommen wir aber wieder zum Thema!

Sehr gerne! Aber, wissen Sie, Herr Präsident, mit Verlaub, wenn mir solche wichtigen hochpolitischen Fragen gestellt werden – –

Das war auch keine Kritik an Ihnen.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]