Protocol of the Session on March 17, 2016

[Lachen bei den PIRATEN]

Es wird immer dieses Missverständnis gepflegt, was falsch ist. Es ist kein Ersatz für den Einsatz von Sicherheitskräften, es ist eine Ergänzung. Man darf es nicht überschätzen, man darf es nicht unterschätzen. Jedenfalls

(Benedikt Lux)

haben wir schon viele Erfolge erzielt. So weit ist das sicher.

Vorab: Ich finde dennoch den Antrag der Piraten interessant. Ich finde, der ist einer eingehenden Beratung im Ausschuss würdig. Es geht hier um die Videoüberwachung, deren Effekte und Auswirkungen in der Vergangenheit. Nach heutigem Verständnis stellt die Videoüberwachung – das ist im Antrag richtig dargelegt – häufig einen Grundrechtseingriff dar. Das ist ja ein bisschen unterwegs, was die Rechtslage angeht. Zu Beginn der Wahlperiode hatten wir in Umsetzung der gerichtlichen Entscheidung die Aufgabe, eine Rechtsgrundlage für die sogenannten Übersichtsaufnahmen zu schaffen. Auch auf anderen Feldern brauchen wir natürlich saubere Rechtsgrundlagen. Das steht außer Frage, denn es handelt sich um einen Grundrechtseingriff, und hier müssen wir sicher sorgfältig vorgehen. Wir dürfen auch nicht inflationär von solchen Eingriffen Gebrauch machen, denn jeder Eingriff belastet unsere Freiheit und schränkt sie ein. Das ist klar. Deswegen sind wir hier sehr sensibel. Deswegen muss man sich immer einer Beobachtung stellen. Man muss sich das ansehen und gucken, ob in der Vergangenheit erzielte Effekte ausreichende Rechtfertigung für die Grundrechtseingriffe sind. Das alles ist richtig.

Da setzt der Antrag der Piraten an, okay, etwas großspurig. Moratorium war schon Thema. Ich glaube, wir brauchen kein Moratorium, auch nicht für eine Ausweitung. Das brauchen wir alles nicht, aber wir stellen uns gerne der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Ich glaube, das kann man auch sehr optimistisch tun. Man muss es dennoch ergebnisoffen tun, sonst wäre es keine redliche Auseinandersetzung. Der Katalog allerdings müsste vielleicht noch etwas überarbeitet werden. Man sollte das nicht überlasten. Man sollte auch nicht unnötig Kosten erzeugen. Aber ich habe es so verstanden, das ist sozusagen ein Aufschlag der Piraten. Darüber können wir gerne reden, wenn es Ihnen wirklich nicht um eine generelle Diskreditierung der Videoüberwachung geht, sondern um eine nüchterne, sachliche Betrachtung des Instruments. Wenn dann am Ende eine Evaluation steht, mit der man arbeiten kann, ich bin da offen. Da sind viele gute Fragen drin.

Anders als im Antrag der Piraten angedeutet – in der Begründung wird es am Ende immer politischer –, sind wir, ich habe es eingangs gesagt, vom Erfolg und von der Notwendigkeit des Instruments überzeugt. Es ist auch nicht so – das wird durch Wiederholung nicht besser –, dass die Videoüberwachung keine Effekte erzielt, gerade bei der Strafverfolgung, das geht alle naselang durch die Presse, und auch von den Ermittlungsbehörden wird uns das berichtet, gerade im repressiven Bereich ist es ein ganz wichtiges Instrument. Hier werden auch immer wieder Verbesserungen eingefordert, was die Qualität, die Ausrichtung der Kameras und all das angeht. Dazu

sind wir bereit, aber auch das steht einer Evaluation nicht im Weg.

Noch einmal: Freiheitseinschränkungen sind immer ein hoher Preis für mehr Sicherheit, und wir brauchen hierfür eine Rechtfertigung. Das gilt auch dann, wenn die Betroffenen scheinbar mit der Überwachung einverstanden sind. Auch dann muss man sensibel sein. Da bin ich völlig dabei. Und der in diesem Zusammenhang gern gebrauchte Satz, wer nichts verbrochen hat, der hat auch nichts zu befürchten, der ist grundlegend falsch, auch da bin ich dabei.

[Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE) und Christopher Lauer (PIRATEN) – Christopher Lauer (PIRATEN): Da kriegen Sie aber Szenenapplaus als CDUler!]

So viel Sachlichkeit soll sein. Natürlich beeinträchtigt die Überwachung das Verhalten jedes einzelnen Menschen und schränkt dessen Privat- und Intimsphäre ein, und dafür muss man eine Rechtfertigung haben. Dem soll die Evaluation dienen. Ich bin da offen, wir sollten da rangehen, Moratorium nein, aber eine Überprüfung des Status quo sehr gerne, aber dann bitte auch mit der notwendigen Ergebnisoffenheit von Ihrer Seite. Sollten wir gute Effekte nachweisen, dann ist das ja das beste Argument für einen weiteren Ausbau. – Vielen Dank!

[Beifall von Dr. Gottfried Ludewig (CDU) und Philipp Magalski (PIRATEN) – Zuruf von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Vielen Dank, Herr Lenz! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Taş. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist erfreulich, dass auch die CDU diesen Antrag interessant findet. Die Sicherheit der Berlinerinnen und Berliner ist nicht verhandelbar, ihre Grundrechte aber auch nicht, Herr Lenz! Die Installation einer Kamera in der Öffentlichkeit ist ein tiefer Eingriff in die Grundrechte eines jeden Menschen. Auf das Mittel der Videoüberwachung darf deshalb nur zurückgegriffen werden, wenn keine geeigneten Alternativen gegeben sind. Doch wie soll man feststellen, ob und an welchen Orten eine Kameraüberwachung angebracht ist? Und vor allem: Wie soll man feststellen, ob das in dem Moment auch etwas bringt? Ich sage, derjenige, der neue Überwachungstechnik einführen will und Eingriffe in die Grundrechte plant, muss nachweisen, dass das etwas bringt und das Mittel im Verhältnis zum Zweck steht.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

(Stephan Lenz)

Das ist im Fall der immer weiter ausgedehnten Videoüberwachung in Berlin und ganz besonders im öffentlichen Nahverkehr nicht geschehen. Hierzu ist es notwendig, eine unabhängige und breite wissenschaftliche Studie anzulegen. Deshalb unterstützen wir dieses Anliegen. Wir haben das schon bei der Ausweitung der Speicherfrist auf 48 Stunden erlebt, die Koalitionsfraktionen verlassen sich bei derart wichtigen Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen auf Bauchentscheidungen und allgemeine Stimmungslagen. Das kann nicht der richtige Weg sein. Deshalb muss dieses Instrument so schnell wie möglich einer kritischen Betrachtung unterzogen werden.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Über die Wirkung von Kameraüberwachung lässt sich streiten. Eines ist jedoch sicher: Sie hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Sicherheitspersonal in dieser Stadt abgebaut wurde. In Bussen und Bahnen muss man schon Glück haben, mal auf ansprechbares Personal zu treffen.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Und auf den allermeisten Bahnhöfen in der Stadt: Menschenleere und Kameras. Ob das in der konkreten Situation Sicherheit schafft, da habe ich meine Zweifel. Eine Kamera kann in einer Gefahrensituation nicht eingreifen. Sie kann höchstens bei erfolgten Straftaten dazu führen, dass die Täter schneller ermittelt werden. Es geht doch aber darum, dass Straftaten gar nicht erst verübt werden. Was wir deshalb brauchen, sind Einsatzkräfte, die in einer konkreten Gefährdungssituation auch zum Schutz betroffener Bürgerinnen und Bürger eingreifen können. Der Ausbau der Überwachungstechnik wird die Probleme nicht lösen, sondern höchstens verlagern.

Das kann nicht das Ziel einer vernünftigen Sicherheitspolitik in der Stadt sein. In den vergangenen Jahren ist der Einsatz von Kameras zur Überwachung des öffentlichen Raums enorm angestiegen. Wir haben es in Berlin inzwischen mit fast 15 000 Kameras zur Überwachung der Öffentlichkeit zu tun. Das heißt im Umkehrschluss, dass eine Berlinerin und ein Berliner kaum auf die Straße gehen kann, ohne in irgendeiner Weise mit Kameras in Berührung zu kommen.

In Berlin können wir auf eine positive Entwicklung verweisen. Die polizeiliche Kriminalstatistik weist seit Jahren eine zurückgehende Gewaltkriminalität in Berlin aus. Auch die Jugendkriminalität ist so niedrig wie lange nicht. Wir haben es also nicht, wie viele Befürworter der Videoüberwachung behaupten, mit einer Eskalation der Gewalt in der Stadt zu tun. Panikmache ist fehl am Platz. Es kann deshalb nicht sein, dass die Koalitionsfraktionen den Einsatz der Kameraüberwachung in der Stadt noch weiter intensivieren wollen, ohne vorher die Wirkung zu evaluieren. Insofern unterstützen wir diesen Antrag. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Taş! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Gibt es nicht, dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4:

Für eine neue politische Kultur (II): Karenzzeit für Senatoren/Senatorinnen und Staatssekretäre/Staatssekretärinnen (Gesetz zur Änderung des Senatorengesetzes und des Landesbeamtengesetzes)

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 29. Februar 2016 Drucksache 17/2764

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/1412

Zweite Lesung

Ich eröffne die zweite Lesung zum Gesetzesantrag und schlage vor, die Einzelberatung der drei Artikel miteinander zu verbinden. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift, die Einleitung, die Artikel I bis III der Drucksache 17/1412. In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Behrendt. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schade, dass wir uns nicht auf eine Regelung zur Karenzzeit für Senatorinnen und Senatoren in diesem Haus verständigen konnten. Andere Landtage sind da weiter. Brandenburg hat gerade Ende letzten Jahres eine entsprechende Regelung verabschiedet. Die ist seit Januar 2016 in Kraft. Das zeigt, dass es geht. Es ist ja in der Debatte sowohl zur Einbringung als auch im Ausschuss geltend gemacht worden, man könne das juristisch gar nicht erfassen, was man erfassen will, das würde alles gegen die Berufsfreiheit verstoßen, was die Grünen sich hier ausgedacht haben. Anders der Deutsche Bundestag, der eine entsprechende Regelung für Bundesministerinnen und Bundesminister eingeführt hat, und anders neben anderen Landtagen auch der Brandenburger Landtag.

Aber noch einmal kurz zur Sache. Worum geht es uns eigentlich? – Wir haben heute schon darüber gesprochen, was Senator Henkel während seiner Amtszeit tut oder nicht tut. Mit unserem Antrag wollen wir uns heute mit dem interessanten Thema beschäftigen, was Senator Henkel nach seiner Amtszeit tut oder nicht tut, was er tun

(Hakan Taş)

sollen darf oder nicht tun sollen darf. Das ist rein fiktiv, selbstverständlich. Aber gehen wir mal davon aus, die Amtszeit von Senator Henkel endet Ende dieses Jahres, und beispielsweise ein Anbieter von Feuerwehrausstattungen kommt auf die Idee, Senator Henkel zu verpflichten, bei ihm in der Geschäftsführung tätig zu werden. Dann tut er das mit Sicherheit nicht deswegen, weil sich Herr Henkel besonders gut eignet, um Feuerwehrschläuche, Spritzen und Fahrzeuge zu verkaufen,

[Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Wer weiß!]

sondern er tut das deswegen, weil Senator Henkel in der Senatsverwaltung all diejenigen kennt, die für die Feuerwehrausstattung zuständig sind und er fünf Jahre lang deren Dienstvorgesetzter war. Da sind Loyalitäten entstanden, und diese Loyalitäten und diese Kontakte sind Geld wert. Deswegen könnte der Feuerwehrausstatter auf diese zugegebenermaßen vielleicht ein bisschen abwegige Idee kommen, Senator Henkel zur Beförderung seines Geschäfts einzustellen. Ich sage Ihnen: Das wollen wir nicht.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Es ginge noch schlimmer – auch rein fiktiv der Fall –, wenn der ehemalige Senator X. oder Y., der im Zuge seiner Diensttätigkeit mit einem privaten Anbieter zu tun hat, weil es Geschäftsbeziehungen zu der Senatsverwaltungen gibt, weil es Genehmigungserteilungen gibt, und dann kommt eine Verabredung zustande, du machst das und das für mich mit deiner Verwaltung, und dafür fällst du, wenn deine Amtszeit einmal endet, weich, und wir werden für eine Anschlussverwendung sorgen, wir stellen dich dann ein als Berater, als Geschäftsführer, in der Werbeabteilung, was alles dort möglich ist. – Das sind die krassen Fälle. Und die wollen wir noch viel weniger.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Wir wollen deshalb eine Abkühlphase ins Berliner Senatoren-/Senatorinnengesetz schreiben, dass zumindest in der Zeit direkt nach Ausscheiden aus dem Amt keine unmittelbare Anschlussverwendung in problematischen Bereichen stattfindet. Die Rückkehr in den angestammten Beruf ist überhaupt völlig unproblematisch, das ist ja geltend gemacht worden, wir würden das verweigern. Das ist völlig unproblematisch, wenn Senator Heilmann nach seiner Tätigkeit als Justizsenator wieder zu Scholz and Friends geht. Es ist auch völlig unproblematisch, wenn Wirtschaftssenatorin Yzer nach ihrer Tätigkeit als Wirtschaftssenatorin wieder Pharmalobbyistin wird. Das wollen wir damit nicht verweigern. Wir wollen aber die problematischen Fälle, wo es genau um die Kontakte geht, die man in seiner Amtstätigkeit aufgebaut hat, und auch um die Loyalitäten zu den Mitarbeitern, die man zu Geld macht, das ist das, wovor wir einen Riegel schieben wollen.

Ich gebe Ihnen zu, dass wir leider mit unserer legislativen Tätigkeit der aktuellen Entwicklung hinterherrennen. Die

Vorstellung, dass ein ehemaliger Staatssekretär der Berliner Innenverwaltung auf die Idee kommt, sein dienstlich erworbenes Wissen an den Senat zu verkaufen, darauf, dass so etwas überhaupt möglich ist, wäre ich nicht gekommen. Auch darüber wird man nachdenken müssen, ob man hier Schutzvorkehrungen braucht.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Aber heute wollen wir erst einmal die krassen Fälle, die eindeutigen Fälle, die deutlichen Fälle, die den Brandenburger Gesetzgeber und den Bundesgesetzgeber veranlasst haben, entsprechende Regelungen zu schaffen, regeln. Deswegen werbe ich heute noch einmal für unser Gesetz, um diese Anschlussverwendung in Zukunft auszuschließen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Herr Karge von der SPD hat in der ersten Beratung, als wir das hier vor zwei Jahren beraten haben, gesagt, es würde, wenn wir solche Regelungen hätten, ausschließen, dass wir die Besten für den Senat gewinnen.

[Heiterkeit bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Da kann ich nur sagen, dieser Vorschlag von uns wird das nicht verhindern. Wie das bisher gelungen ist, das sieht man ja am amtierenden Senat. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Christopher Lauer (PIRATEN): Nur die Besten!]