Protocol of the Session on March 3, 2016

Vielen Dank! – Umso mehr freut es mich, dass sich bei der SPD-Fraktion die gleiche Grundhaltung entwickelt hat, wie ich den Ergebnissen Ihrer Klausurtagung und den Aussagen des Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh entnehmen konnte. Der Kollege Saleh hat in der Abendschau vom 22. Januar 2016 nicht nur die Kostenfreiheit des

Schulhortes angekündigt, sondern, nach Intervention von Udo Wolf, auch die Abschaffung der Bedarfsprüfung zugesagt.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das finde ich großartig. Ich hoffe, dass wir hier noch zum Ende dieser Legislaturperiode ein Zeichen setzen können.

Was ist unsere Begründung für die Abschaffung der Bedarfsprüfung? – Wir haben ungefähr 150 000 Grundschulkinder. Die Kinder, die in Schulen mit gebundenem Ganztagsbetrieb sind, haben Glück, denn hier sind Unterricht und außerunterrichtliche Bildung und Erziehung sowie Freizeitaktivitäten von 8 bis 16 Uhr über den Tag verteilt, und alle Kinder müssen in dieser Zeit in der Schule sein, und das kostet die Eltern nichts. Die Kinder, die an offenen Ganztagsschulen sind, haben dieses Glück nicht unbedingt, denn hier müssen die Eltern einen Bedarf nachweisen, wenn die Kinder den Hort besuchen sollen oder möchten. 60 000 Kinder werden in Berlin ausgegrenzt. Wer wird hier ausgegrenzt? – Der Großteil sind Kinder arbeitsloser Eltern und Kinder von Geflüchteten. Wir müssen uns auch hier endlich der Frage stellen, was Kinder in belasteten Lebenssituationen und ungünstigen städtischen Verhältnissen brauchen, damit der Teufelskreis von sozialer Herkunft und Schulerfolg durchbrochen wird.

[Beifall bei der LINKEN]

Das gilt besonders in den sozialen Brennpunkten der Stadt und natürlich auch für Flüchtlingskinder. Dass Flüchtlingskinder, insbesondere wenn sie in Massenunterkünften leben müssen, so viele Angebote zur Integration wie möglich erhalten müssen, ist doch wohl unbestritten. Auch hier verweise ich auf Raed Saleh – dass wir hier etwas anders machen müssen als bisher, damit sie alle Chancen bekommen, um bei uns anzukommen.

Kinder arbeitsloser Eltern kommen häufig aus Familien, wo die Eltern ihnen eben nicht die Bedingungen bieten können, dass sie so gefördert werden, wie sie es benötigten. Gerade diese Kinder werden zurückgewiesen? Und dann wundern sich Politikerinnen und Politiker – auch hier im Haus –, wenn Schülerinnen und Schüler Schulabschlüsse nicht schaffen, wenn sie zu schwänzen anfangen und aus diesen Kindern eben nicht wird, was aus ihnen werden könnte? Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass die Bedeutung des Horts für die Bildung noch oft verkannt wird und Erzieherinnen und Erzieher häufig als „die, die nur spielen und basteln“ eingeordnet werden. Das sind sie eben nicht.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Es ist auch an der Zeit, die Bedeutung des Horts für Bildung und Erziehung anzuerkennen. Ich appelliere an die SPD – denn mit den beiden Oppositionsfraktionen weiß ich mich ziemlich einig –, dass wir hier wirklich ein Zeichen setzen und diesen Zustand beenden.

(Pavel Mayer)

[Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin Kittler! – Für die SPD erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Oberg. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Viele von uns kennen die Situation: Wenn Freunde oder Bekannte mit Kindern nach Berlin ziehen, bekommt man oft die Frage zu hören, wie es hier mit der Ganztagsschule aussehe. Die Eltern wollen wissen, ob sie eine Chance haben, in diesem Bundesland einen Ganztagsschulplatz für ihr Kind zu bekommen. Das Erstaunen ist oft recht groß – es handelt sich ja um Zugezogene –, wenn man ihnen erklärt, dass in Berlin jede Grundschule und auch die Integrierte Sekundarschule Ganztagsschulen sind. Erstaunt sind sie deshalb, weil sie es aus den Bundesländern, aus denen sie kommen, in der Regel nicht kennen. Sie empfinden es als glückliche Situation, und das ist es ja auch, dass alle Eltern, die in Berlin ihre Kinder zur Schule schicken, die gute Gewissheit haben, dass sie, wenn sie es denn brauchen, für ihre Kinder ein Ganztagsbetreuungsangebot bekommen.

Die Situation hat allerdings auch einen Haken, das ist richtig. Es fängt dabei an, wie definiert wird, wer eigentlich einen solchen Ganztagesplatz benötigt. Momentan geht es allein darum, ob die Eltern jemanden brauchen, der ihr Kind betreut, weil ihre Lebens- oder Arbeitssituation es so verlangt. Es wird nicht die Frage gestellt, ob es für das Kind gut wäre, den ganzen Tag betreut zu werden und zusätzliche Bildungsangebote außerunterrichtlicher Art zu bekommen. Das ist allerdings ein Problem, weil damit immer noch so getan wird, als sei ein Ganztagsbetrieb so etwas wie Betreuung. Das ist nicht der Fall. Wir sind der Überzeugung, dass Ganztagesschulen selbstverständlich neben dem Unterricht wichtige Bildungsangebote unterbreiten. Wir wissen auch, dass gerade die, denen das bei der Bedarfsprüfung heute verwehrt wird, diejenigen sind, die derartige zusätzliche Angebote vielleicht am dringendsten benötigten.

Deshalb lautet unsere Forderung – das haben wir auch beschlossen, das ist kein Geheimnis; die Linkspartei hat das ja auch dankenswerterweise offengelegt –, dass dieses Angebot jedem offenstehen muss. Deshalb begrüßen wir diesen Antrag auch ausdrücklich; er greift unsere Initiative auf.

[Beifall von Regina Kittler (LINKE) – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für uns ist aber auch klar, dass das nur ein erster Schritt sein kann. Wenn Ganztagsbetrieb tatsächlich Bildung bedeutet und Bildung nicht vom Geldbeutel abhängen darf, dann darf der Hort natürlich auch keine Gebühren

kosten. Wir haben in Berlin noch nie Studiengebühren gehabt – sie mussten wir somit nicht abschaffen. Gemeinsam mit Ihnen von der Linksfraktion, Frau Kittler, haben wir die Kitagebühren abgeschafft. Mit der CDU sind wir gerade dabei, die Krippengebühr abzuschaffen. Wir wollen nun auch so schnell es geht den nächsten Schritt tun und die Hortgebühren abschaffen, damit die Betreuung für jedes Kind möglich ist. Die Abschaffung der Bedarfsprüfung ist zweifellos der erste Schritt. Wir wollen dabei gerne schnell vorankommen, wissen aber auch, dass sowohl die Abschaffung der Hortgebühren als auch ggf. die Abschaffung der Bedarfsprüfung Geld kosten. Die Hortgebühren werden wir in dieser Legislaturperiode, im laufenden Haushalt sicherlich nicht abschaffen. Wir wollen aber die Beratung dieses Antrags gerne nutzen, um herauszufinden, was die Abschaffung der Bedarfsprüfung eigentlich kosten würde. Dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen. Man kann das sicherlich berechnen, wir würden das aber auch gerne kritisch diskutieren. Aus verschiedenen Bezirken liegt die durchaus gute Nachricht vor, dass die Bezirksämter sehr verantwortlich damit umgehen und bei jedem, der einen Antrag stellt, in der Regel auch einen entsprechenden Bedarf anerkennen.

Ihre Rechnung, Frau Kittler, zu den 40 Prozent Ausgegrenzten, geht nicht ganz auf, da sie unterstellt, dass jeder, der nicht teilnimmt, gerne teilnehmen würde. Richtig ist aber, dass es Eltern gibt, die ihren Kindern das bislang nicht ermöglichen wollen, weil sie keinen Bedarf dazu sehen. Das bedeutet aber auch, dass es ggf. billiger ist als wir annehmen. Wir möchten den Antrag gerne nutzen, um das zu klären und mit Ihnen zu diskutieren, um sodann herauszufinden, ob wir vielleicht einen Spielraum haben, das in dieser Legislaturperiode noch zu entscheiden. Wenn das so ist, dann sollten wir das auch gemeinsam tun. – Vielen Dank!

[Beifall von Regina Kittler (LINKE)]

Eine Nachfrage vom Kollegen Zillich nehmen Sie noch mit, oder?

Ja, sehr gerne!

Bitte schön!

Würden Sie meine Auffassung teilen, dass die Abschaffung der Bedarfsprüfung gegenüber einer Abschaffung der Gebühren vordringlich wäre?

Sie ist nicht nur vordringlich, sondern sie ist auch leichter durchzuführen, weil sie billiger ist. Deshalb habe ich gerade auch ausgeführt, dass die Abschaffung der Gebühren ein Thema ist, das wir sicherlich erst im Rahmen des nächsten Haushalts angehen. Wir laden alle anderen Fraktionen im Haus herzlich dazu ein, es mit uns gemeinsam zu tun. Viele von Ihnen haben bereits ähnliche Projekte mit uns gemacht, ich habe das erwähnt. In dieser Legislaturperiode, im laufenden Haushalt werden wir das sicherlich nicht können – das andere vielleicht doch. Daraus ergibt sich die Reihenfolge, und entsprechend werden wir das auch im weiteren Fortgang beraten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Danke schön! – Kollegin Remlinger spricht jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und hat das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Vorrednerin, werter Vorredner! Es klingt fast so, als sei große Einigkeit im Haus ausgebrochen. Es freut mich außerordentlich, dass wir jetzt endlich den Ganztagsbetrieb diskutieren. Es freut mich, dass der Fraktionsbeschluss der SPD zur Abschaffung der Hortgebühren im Ganztag die Diskussion eröffnet hat, die mit dem Antrag der Linksfraktion heute mehr als folgerichtig ihre Fortsetzung findet. In der Tat: Wer Bildung kostenlos haben will, wer die Ungerechtigkeit beseitigen will, dass der gebundene Ganztagsbetrieb kostenfrei ist, der offene aber nicht, der sollte sich natürlich auch – und das ist Ihnen ja sofort klar geworden – an das Hauptziel aller bundesweiten Ganztagskonzepte erinnern, dass es um die Verbesserung der Chancen der Benachteiligten geht. So wie die Kostenfreiheit zum verbesserten Zugang zum Ganztagbetrieb beiträgt, tut es notwendigerweise auch die Abschaffung der Bedarfsprüfung.

Wir müssen differenzierter diskutieren als allein über die Frage, wie viele Ganztagsschulen wir haben. Mit Stand 2013 waren bereits 83 Prozent der Berliner Schulen Ganztagsschulen. Gleichzeitig haben aber nur 50 Prozent aller Berliner Schülerinnen und Schüler den Ganztagsbetrieb besucht. Das ist ein Zugangsproblem, das ist aber auch ein Qualitätsproblem, da wir wissen, dass – neben der Qualität der Angebote – nur die regelmäßige Teilnahme am Ganztagsbetrieb ein entscheidender Faktor dafür ist, dass die Idee der Ganztagsschule auch etwas bewirkt.

Ich möchte mich gar nicht so sehr daran aufhalten, was wir hier als Konsens feststellen, sondern ich möchte Ihnen sagen, dass wir uns der Frage der Qualität im Ganztagsbetrieb gerade deswegen zuwenden müssen, weil wir bis jetzt bundesweit – zum Beispiel durch die Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen – StEG –, die im Jahr 2005 länderübergreifend angestoßen wurde – nicht nachweisen können, dass der Ganztagsbetrieb nützt. Ich zitiere S. 136 der Studie: Auch wenn „die Daten der StEG-Studie Anlass geben, von einer tendenziell positiven Wirkung der Ganztagsschule auszugehen, fehlen hierzu bislang weitergehende belastbare Befunde.“

Und auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat bereits 2010 hervorgehoben, dass verlängerte Schulzeiten nicht per se positiv für die Kinder und Jugendlichen sind, sondern mittlerweile klar ist, dass besonders positive Effekte davon abhängen, dass die Angebote hohe Qualität haben.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Diese Befunde gelten ganz sicher auch für Berlin. Diese Befunde dürfen wir nicht einfach ignorieren. Sie sollten uns alle bestürzen und den Anlass geben, den Ganztagsbetrieb noch mal ganz neu zu diskutieren. Denn es kann uns nicht egal sein, dass Kinder in der Woche rund zehn Stunden länger in der Schule sind und wir keinen nennbaren Effekt messen können.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Hildegard Bentele (CDU)]

Liebe Senatorin! Lieber Raed Saleh! Wir waren ja schon öfter so verblieben, dass ihr die Quantität bzw. die Kostenfreiheit einbringt und wir als Grüne die Qualität.

[Zuruf von Hildegard Bentele (CDU)]

Liebe CDU! Sie dürfen auch mitmachen! – Sollte hier der ganz große Konsens für Qualität im Ganztagsbetrieb ausbrechen, bin ich die Erste, die sich darüber freut. Leider sind wir aber im Moment eher auf dem Weg, den Ganztagsbetrieb in Berlin in die Krise zu reiten. Wir sind auf dem Weg, neben der Qualität in der Grundschule auch noch die Qualität im Ganztagsbetrieb zu zerstören, schon allein durch die Raumfragen. Sie ahnen es: Ich bin wieder bei den modularen Ergänzungsbauten. Die sind nicht nur langweilige, antiinnovative und im Zweifel ungesunde Gebäude, das Problem aus Sicht des Ganztagsbetriebs ist die Verdichtung an den Standorten, wo wir 150 bis 300 zusätzliche Kinder an die Standorte packen. Dass das die Aufenthaltsqualität, dass das die Qualität der Angebote steigert, wird niemand von Ihnen behaupten.

Deshalb fordere ich erneut, dass Sie den Mut zur Verwaltungsreform aufbringen, zu Reformen, die uns schneller machen und uns erlauben, den Aufbruch zu echten Schulen für das 21. Jahrhundert zum rhythmisierten Ganztagsbetrieb, zu Schulen als vielfältige, abwechslungsreiche, befreiende und gesunde Orte zu machen. Ich will Schulen

mit anderen Grundrissen, die den schnellen Wechsel zwischen unterschiedlichen Lernformen erlauben. Ich will Schulen mit hoher Aufenthaltsqualität, gerade auch für die Pädagoginnen und Pädagogen, die den ganzen Tag da sein sollen. Und ich will das, weil wir wissen und nachweisen können – im Gegensatz zum Ganztagsbetrieb –, dass dann Lehrer und Schüler weniger oft krank sind, dass Vandalismus und Aggressionsverhalten fast vollständig verschwinden können, und weil wir sogar nachweisen können, dass sich die Schulnoten verbessern.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Und um diese Lernerfolge muss es uns gehen. Ja, wir müssen weg vom Begriff der Betreuung. Wenn die Kita eine Bildungseinrichtung ist, dann der Hort erst recht. Und wir müssen über das Fachpersonal sprechen, über den Erzieherschlüssel, den Leitungsschlüssel, über die Kooperation von Erzieherinnen und Lehrkräften und vieles mehr.

Ich sollte mich freuen, wenn der heutige Antrag der Linken also nur ein Auftakt zu einer echten Ganztagsdebatte ist, und freue mich in diesem Sinne auf die nächste Ausschusssitzung. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Regina Kittler (LINKE) und Dr. Manuela Schmidt (LINKE)]

Vielen Dank, Frau Kollegin Remlinger! – Die Kollegin Bentele hat jetzt das Wort für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag ist kurz, und deshalb möchte ich mich in der ersten Lesung auch kurz halten. Über die Abschaffung des Bedarfsnachweises für die Teilnahme am offenen Ganztagsbetrieb kann man nachdenken, wenn man den genauen Bedarf und damit die Kosten kennen würde, wenn man ausreichend Erzieher, Konzepte und Räume für die vielen neuen Schüler, die dann in die Betreuung kämen, hätte, wenn wir uns in den Haushaltsberatungen befinden würden und wenn wir nicht gerade bis 2019 einen dreistelligen Millionenbetrag für die Abschaffung der Kitagebühren und die Qualitätsverbesserung eingeplant hätten.

Also: So etwas schütteln wir nicht aus dem Ärmel, so etwas muss man gemeinsam als politische Priorität festlegen! Insofern ist der richtige Zeitpunkt für so eine Maßnahme eher das zweite, denn das erste Halbjahr in diesem Jahr. – Danke schön!

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Regina Kittler (LINKE): Sind Sie nun dafür oder dagegen?]

Vielen Dank, Frau Kollegin Bentele! – Kollegin Graf hat jetzt das Wort für die Piratenfraktion. – Bitte schön!

Für mich hat sich das wie „teilweise dafür“ angehört.

[Jutta Matuschek (LINKE): Wenn sie in der Opposition sind, sind sie ganz dafür!]