Protocol of the Session on March 3, 2016

[Jutta Matuschek (LINKE): Wenn sie in der Opposition sind, sind sie ganz dafür!]

Sehr geehrtes Präsidium! Liebe Damen und Herren! Berlin ist bekannt für die Ganztagsschule, wie Herr Oberg das gerade auch schon dargestellt hat. Danach haben wir vermeintlich fehlenden Bedarf bei 40 Prozent aller Grundschulkinder.

[Lars Oberg (SPD): Quatsch!]

Das ist kein Quatsch, Herr Oberg, das ist nämlich das, was in der Antwort zu der Schriftlichen Anfrage dazu stand. Diese Kinder haben nämlich keine Teilhabe an der ergänzenden Förderung und Betreuung in der Ganztagsschule.

In der Betrachtung dieser Thematik gibt es drei wesentliche Aspekte. Als Erstes haben wir hier eine Bloßstellung der Eltern, denn Eltern sind in der Rechenschaftspflicht. Sie müssen klarstellen, warum sie die Ganztagspflege haben möchte. Eigentlich sollte uns das gar nichts angehen. Denn wie wollen Sie diesen glaubhaften Nachweis eines Bedarfs wirklich führen? Eltern auf Arbeitssuche sind zum Beispiel nicht nur am Vormittag auf Arbeitssuche. Fakt ist: Arbeitssuchende sind den ganzen Tag über Arbeitssuchende, so lange, bis sie eine Beschäftigung gefunden haben. Bewerbungsgespräche, Termine beim Jobcenter, verpflichtende Maßnahmen des Jobcenters, Weiterbildungen oder Kontaktpflege zur Branche erfordern viel Zeit und das eben nicht nur zu den Kernzeiten der Schule am Vormittag, sondern auch am Nachmittag. Haben Sie schon einmal etwas von Arbeitssuchenden in Teilzeit gehört?

Als ob diese Belastung durch die Arbeitssuche nicht groß genug ist, müssen sich diese Eltern nun auch noch eine zusätzliche Safari durch den Bürokratiedschungel aufbürden. Es freut mich sehr, dass Sie inzwischen auch diesen Bedarf erkannt haben, und ich hoffe, dass wir entsprechend Ihrer Vorschläge im Ausschuss auch einen entsprechenden Änderungsantrag von Ihnen sehen können. Nach Ihrer aktuellen Rede würde ich das erwarten, wenn Sie wirklich diese Zahlen wissen möchten.

Das Zweite sind die pädagogischen Aspekte. Kinder müssen altersgerecht, fachgerecht, umfassend und vielfältig – kurzum: qualitativ hochwertig – in ihrer Entwicklung gefördert werden. Das besagt auch § 4 der Schülerförderungs- und Betreuungsverordnung. Dafür sind in erster Linie die Eltern verantwortlich. Das ist auch richtig so. Aber was ist, wenn Eltern sich das nicht zutrauen oder

(Stefanie Remlinger)

aufgrund ihrer zeitlichen Probleme das nicht können? Vielfältige Angebote des Horts oder auch der Kita können Eltern mitunter auch einfach nicht bezahlen, weil ihnen die benötigten Ausstattungen und Mittel dafür fehlen.

Als Drittes kommen die sozialen Aspekte hinzu. Zu dieser Förderung gehört nämlich auch, dass man zum Beispiel an Kindergruppen teilnimmt, und das regelmäßig, um die sozialen Kontakte auch zu pflegen. Auch Kinder der 5. und 6. Klassen in der Vorpubertät profitieren von den Angeboten wie Musik, Theater, Sport, Kunst und Medienpädagogik. Hier sind wir auch an einem Punkt, an dem Sie, zumindest auch häufiger im Ausschuss, nicht ganz den Bedarf gesehen haben. Denn gerade in der 5. und 6. Klasse war der Hort für Sie nicht mehr so relevant. Freizeiteinrichtungen sind für diese Kinder meistens noch nicht zugänglich, weil diese Einrichtungen erst für Kinder ab 14 Jahren geöffnet sind oder der Kontakt zu den älteren Jugendlichen noch nicht gewünscht ist.

Die ergänzende Betreuung und Förderung in der Ganztagsschule ist Teil des Bildungsangebots der Schule und keine Ersatzaufbewahrung, die Eltern zugutekommt, die ihre Kinder aus zeitlichen Gründen nicht beaufsichtigen können. Und einen angenehmen Nebeneffekt können wir auch noch verzeichnen: Durch den Wegfall der Bedarfsprüfung werden in den Jugendämtern Ressourcen frei, die wir in die Beratung der Eltern stecken können oder zum Beispiel in die Bearbeitung der Anträge zum Elterngeld.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Danke schön! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie und an den Hauptausschuss empfohlen. Widerspruch höre ich nicht – dann verfahren wir so.

Lfd. Nr. 3 A:

Gesetz zur Errichtung eines Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten und zur Anpassung betroffener Gesetze

Dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 2. März 2016 Drucksache 17/2756

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/2620

Dritte Lesung

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Wir setzen die dritte Lesung der Gesetzesvorlage gemäß § 34 unserer Geschäftsordnung fort mit der allge

meinen Beratung über die Grundsätze der Gesetzesvorlage, der Einzelberatung und der Schlussabstimmung. Es liegen aber keine Wortmeldungen vor.

Zu der Gesetzesvorlage Drucksache 17/2620 empfiehlt der Hauptausschuss mehrheitlich – gegen die Oppositionsfraktionen – die Annahme mit Änderung. Wer der Gesetzesvorlage Drucksache 17/2620 mit der Änderung der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 27. Januar 2016 – Drucksache 17/2689 –, der das Haus, wie ich schon sagte, in der 75. Sitzung am 28. Januar 2016 zugestimmt hat, und der Änderung in der nunmehr vorliegenden dringlichen Beschlussempfehlung Drucksache 17/2756 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen, wer überhaupt noch zusammenbekommt, worüber wir hier abstimmen. Also bitte: Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Ich würde mal sagen: Einige wenige stimmen zu. – Das kann ja wohl nicht wahr sein!

[Unruhe]

Meine Herrschaften! Wenn Sie wollen, lese ich Ihnen das alles noch mal vor.

[Zurufe: Nein, nein!]

Gut! – Also: Wer stimmt zu? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich? – Niemand. Wer lehnt ab? – Das sind Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und alle Piraten. Ersteres war die Mehrheit. Damit ist das Gesetz so beschlossen.

Ich rufe auf – und darf weiterhin um Ihre Aufmerksamkeit bitten –

lfd. Nr. 4:

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Zugang zu digitalen Geodaten im Land Berlin (Geodatenzugangsgesetz Berlin – GeoZG Bln)

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 10. Februar 2016 Drucksache 17/2723

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/2394

Zweite Lesung

Ich eröffne die zweite Lesung zur Gesetzesvorlage und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel 1 und 2 – Drucksache 17/2394. Auch hier ist eine Beratung nicht vorgesehen.

Zu dieser Gesetzesvorlage Drucksache 17/2394 empfiehlt der Fachausschuss einstimmig – mit allen Fraktionen – die Annahme. Wer der Gesetzesvorlage zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das sieht – würde ich mal sagen – bislang gut aus. Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Eine Gegenstimme, oder ist

(Susanne Graf)

das eine Enthaltung? – Eine Enthaltung! Dann ist das Gesetz somit beschlossen, und zwar einstimmig.

[Steffen Zillich (LINKE): Sie können ja mal fragen, wer sich nicht beteiligt!]

Nein! Wir machen hier ja ordentliche Politik.

Ich komme zur

lfd. Nr. 5:

Gesetz zur Änderung abstimmungsrechtlicher Vorschriften

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 15. Februar 2016 Drucksache 17/2724

zum Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/2476

Zweite Lesung

Ich eröffne die zweite Lesung zum Gesetzesantrag und schlage vor, die Einzelberatung der vier Artikel miteinander zu verbinden. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel 1 bis 4. In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke. Ich möchte nicht verabsäumen, vorab zu sagen, dass für diesen Tagesordnungspunkt die namentliche Abstimmung beantragt worden ist. Zu den Regularien komme ich nachher.

Es beginnt also in der Beratung die Fraktion Die Linke, und der Kollege Dr. Lederer hat das Wort. – Fröhlich gestimmt kommt er her. – Bitte schön!

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Sie sind auch gut gelaunt heute!]

Ich bin immer gut gelaunt – meistens jedenfalls.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beginne mal mit dem Positiven. Ganz offensichtlich hat die Debatte um die vermeintliche Missbrauchsanfälligkeit der freien Sammlung dazu geführt, dass die Koalition ihre ursprünglichen Pläne ad acta gelegt hat. Sie haben nun eine Gesetzesformulierung gefunden, die in der Tat zu mehr Klarheit und Rechtssicherheit führt, ohne an die Gültigkeit der Unterschriftsleistung absurd hohe Anforderungen zu stellen. Das ist grundsätzlich erst mal zu begrüßen.

Bedauerlicherweise haben Sie diese Fähigkeit zur Selbstkorrektur nicht bei der Regelung aufgebracht, die es Senat und Abgeordnetenhaus künftig erlauben soll, mit Steuergeldern Gegenkampagnen gegen Volksbegehren zu organisieren. Ja, wir erinnern uns an die Initiative zur Offenhaltung des Flughafens Tempelhof oder an „Pro Reli“, wo ganz offensichtlich hohe Summen – vermutlich

im sechs- bis siebenstelligen Bereich – mobilisiert worden sind. Aber geholfen hat es beiden nicht. Sowohl Tempelhof I als auch „Pro Reli“ sind gescheitert. Selbstverständlich hatten die Gegner dieser Volksbegehren auch Raum in den Medien und konnten ihre Position darstellen.