Protocol of the Session on February 18, 2016

Ja, gerne!

Bitte!

Sind Sie meiner Meinung, dass, wenn jemand aus der Beermannstraße ausziehen und in eine neue Wohnung einziehen musste, die neue Miete bei der heutigen Marktlage entschieden höher sein dürfte als die vorherige? Diese Differenz zahlt Ihnen niemand. Darum geht es. Das werden Sie doch wohl nicht bestreiten.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Deshalb haben wir im Ausschuss darüber diskutiert, dass das Gesetz – das haben Sie selbst auch gesagt – novelliert werden muss. Aber der Gesetzentwurf hätte den Mietern aus der Beermannstraße – das hat Herr Gaebler sehr deutlich gesagt – nichts genutzt, denn die Mieter haben ihre Wohnungen nicht aufgrund einer Enteignung, sondern wegen einer vorzeitigen Besitzeinweisung verloren. Das ist der große Unterschied. Dieses ist aber für die vorliegenden Fälle in § 18 bereits bundesgesetzlich – und darauf kommt es an – abschließend geregelt. Das Land Berlin hat hierzu deshalb keine Gesetzgebungsverfügung für ergänzende Regelungen. Das ist das Problem, vor dem wir stehen. Die Entschädigungsansprüche der in der Beermannstraße vom Autobahnbau betroffenen Mieter sind eine unmittelbare Folge des dem Vorhabensträger des Autobahnbaus durch die Besitzeinweisungsbeschlüsse – leider muss man das rechtlich so sagen – zugesprochenen Besitzzugangs an den Wohnungen. Sie sichern den verdrängten Mietern die Anmietung von Ersatzwohnraum. In diesem Fall ist die Entschädigungsverpflichtung bei der Bundesrepublik und nicht beim Land Berlin. Das

(Harald Moritz)

ist der Unterschied. Deshalb haben wir gesagt, wir müssen uns das Gesetz anschauen, wir müssen novellieren, weil auch wir nicht wollen, dass den Mieterinnen und Mietern Schaden entsteht. Aber bei der A 100 ist der Entschädigungsverpflichtete die Bundesrepublik Deutschland.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Ja, gerne!

Bitte!

Frau Spranger! Sie haben ja scheinbar in den Ausschussberatungen die Intention unseres Antrags verstanden. Und Sie erklären jetzt hier, dass das falsche Instrument gewählt wurde. Als sozialdemokratische Partei frage ich Sie: Wären Sie denn mit einem geänderten Antrag, der das richtige Instrument nimmt, einverstanden? Sie lehnen ja nicht die Intention ab. Sie sagen nur, wir hätten das falsche Instrument. Wären Sie für ein geändertes Instrument aufgeschlossen?

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Manuel Heide (CDU): Das ist doch völliger Schwachsinn!]

Für die Beermannstraße wird das rechtlich leider nicht mehr gehen, denn wir können nicht rückwirkend in ein Verfahren eingreifen, bei dem wir gar nicht die Verfahrensnehmer sind. Im Ausschuss hat der Staatssekretär zugesagt, dass das Enteignungsgesetz selbstverständlich novelliert wird; das hat Herr Moritz schon völlig richtig von hier vorne gesagt. Das werden wir tun. Für die Beermannstraße geht es rechtlich nicht. Da ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig.

[Heidi Kosche (GRÜNE): Für die Zukunft!]

Für die Zukunft – selbstverständlich. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Frau Spranger! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Lompscher. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Grünen, eine Härtefallregelung in das Berliner Enteignungsrecht aufzunehmen, verfolgt ein nachvollziehbares Anliegen. Die Beratung im Ausschuss hat die schwierige Materie nur bedingt erhellen können: Nicht das Berliner Enteignungsgesetz sei einschlägig, sondern das Bundesfernstraßengesetz; danach bestünde ein Entschädigungsanspruch. Es gebe dort aber keine Härtefallregelung. Das Berliner Enteignungsgesetz sei zwar alt und erneuerungsbedürftig, die Novelle sei allerdings erst in der nächsten Legislaturperiode geplant. Eine Härtefallregelung gehöre dann selbstverständlich zum Prüfkatalog. – So weit, so richtig. Frau Spranger hat das aus dem Ausschuss bereits zitiert. Die Härtefallregelung würde im konkreten Fall aber nicht greifen. Was also tun?

Anlass für den Antrag ist der Bau der A 100 in Treptow und der notwendige Abriss von Wohnhäusern in der Beermannstraße. Diese sind inzwischen abgerissen, was angesichts der wohnungspolitischen Misere in dieser Stadt an sich schon ein Unding ist.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Dass sich Mieterinnen und Mieter gerichtlich gegen den Verlust ihrer preiswerten Wohnungen gewehrt haben, ist mehr als verständlich. Dass sie vor Gericht verloren haben, ist bitter.

[Harald Moritz (GRÜNE): Die haben ja nicht verloren!]

Dass für die wesentlich teureren Ersatzwohnungen keine Härtefallunterstützung gewährt wurde, ist inakzeptabel.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Dennoch ist fraglich, ob dieser Antrag tatsächlich denjenigen hilft, die die Sicherheit der Wohnraumversorgung gebraucht hätten. Der Weiterbau der A 100 – und auch darum geht es ja hier – ist Verkehrs- und Stadtplanung von vorgestern. Das Planen einer menschenfeindlichen Zone – und nichts anderes ist eine Autobahn mitten durch die Stadt –, noch dazu ohne Einbezug der davon betroffenen Menschen, ist absurd und konterkariert alle Bemühungen im Kampf gegen eine autogerechte Stadt. Die Linke hat den Weiterbau der A 100 immer abgelehnt, und wir bleiben dabei.

[Beifall bei der LINKEN – Lars Oberg (SPD): Das stimmt nicht!]

Aber zurück zum Antrag. Aus unserer Sicht darf eine Autobahn erst gar nicht durch bewohntes Stadtgebiet gebaut werden und zum Abriss von Wohnhäusern führen. Aber muss dann nicht eher das Bundesfernstraßengesetz als das Enteignungsrecht geändert werden?

Unklar blieb bis zuletzt, was eine Härtefallregelung im Enteignungsgesetz bringen soll. Es geht im Übrigen ja

(Iris Spranger)

auch noch um eine ganz andere Frage: Wofür darf enteignet werden, wofür nicht? Ist eine Autobahn mehr wert als die dringend notwendige Versorgung der Menschen mit Wohnraum? Eine Verschlechterung der Wohnungsversorgung durch den Autobahnbau – und dazu gehört auch teurer Ersatzwohnraum – muss rechtlich und faktisch ausgeschlossen werden. Das ist die politische Aufgabe. Der geplante Weiterbau der Autobahn nach Lichtenberg wird im Übrigen noch zu größeren Konflikten mit angrenzender Wohnbebauung führen. Also empfehle ich dringend, davon die Finger zu lassen.

Wir sind – wenn schon, denn schon – für Enteignungsgerechtigkeit.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Ja und?]

Wenn Häuser für den Bau von Straßen enteignet werden können, warum dann nicht auch eine Enteignung für sozialpolitische Belange wie die Wohnraumversorgung?

Es bleibt festzuhalten, dass das Anliegen des Antrags Anlass zu politischen Reformen auf vielfältigen Ebenen gibt. Der Fall Beermannstraße steht exemplarisch für eine falsche Politik.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Ich darf daran erinnern, dass die monatelang leer stehenden Häuser nicht einmal für eine kurzfristige Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung gestellt worden sind, obwohl die Träger seinerzeit versichert haben, bei Bedarf kurzfristig wieder ausziehen zu können. Schnelle Hilfe, unbürokratische Lösungen und soziale Politik sind mit dieser Koalition eben nicht zu machen. Das ist das Problem und nicht in erster Linie das Enteignungsrecht. Deshalb haben wir uns im Ausschuss zu dem Antrag enthalten und werden das auch heute tun. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Alexander Spies (PIRATEN)]

Vielen Dank, Frau Lompscher! – Für die CDU hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Dr. Heide. – Bitte!

Die Kollegin Spranger hat eigentlich schon ausführlich alles erläutert, was zu erläutern war. Wir haben am 26.1. – also erst im Januar – eine ausführliche Debatte im Ausschuss geführt, in der Herr Gaebler als zuständiger Staatssekretär die relativ komplizierte Rechtsmaterie relativ einfach erläutert hat. Insofern wundert es mich, dass wir uns jetzt wieder über dieses Thema unterhalten und, Herr Moritz, ich muss das einfach so sagen, wieder von falschen Voraussetzungen ausgehen.

[Harald Moritz (GRÜNE): Sie gehen von falschen Voraussetzungen aus!]

In bestimmten Situationen sind wir nun mal nicht in Bullerbü, nach dem Motto: Wünsch dir was! – Es gibt vielmehr eine Rechtsordnung, und diese Rechtsordnung hat eine konkurrierende Gesetzgebung. Wenn der Anspruch in § 18 Bundesfernstraßengesetz geregelt ist, dann ist es einfach so, dass damit eine bundesgesetzliche Regelung vorhanden ist. Diese hat – der Kollege Fraktionsgeschäftsführer neben Ihnen verzieht das Gesicht, das kann ich verstehen; öffentliches Recht fand ich auch immer ganz ätzend – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, machen wir nicht!

[Christopher Lauer (PIRATEN): Wer ist denn „wir“?]

Das ist wirklich ausdiskutiert, dieses Thema. – Damit ist es einer Gesetzgebung des Landes Berlin nicht zugänglich.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Doch!]

Selbst wenn ich es wollte, hätte ich überhaupt keine Möglichkeit, mit dem Entschädigungsgesetz des Landes Berlin in ein Bundesgesetz wie das Bundesfernstraßengesetz einzugreifen.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Es ist alles ganz einfach: Am besten ist es, Sie wenden sich an Ihre Kollegen von der Bundestagsfraktion: diese können einen Änderungsantrag zum Bundesfernstraßengesetz einbringen. In diesem Änderungsantrag können Sie das fordern, was Sie hier vorliegen haben. Der Weg aber, den Sie hier gewählt haben, ist leider Gottes der völlig falsche, und der wird nicht dadurch richtiger, dass wir noch drei Stunden darüber debattieren.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Christopher Lauer (PIRATEN): Nein, das können wir nicht! Das lässt die Geschäftsordnung nicht zu!]

Vielen Dank, Herr Dr. Heide! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Prieß. – Bitte!