In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat Frau Dr. Kahlefeld. – Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrten Damen und Herren! Die Koalition aus SPD und CDU hat im Ausschuss die Ablehnung der nachhaltigen Sicherung des
Karnevals der Kulturen beschlossen. Wirklich schäbig dabei ist, dass es nur im Wahljahr noch einmal eine Finanzierung gibt. Seit dem Desaster der Beinahe-Absage 2015 sind zumindest die tatsächlichen Kosten jetzt einmal bekannt geworden, nämlich 830 000 Euro. Die wird die zuständige Senatorin ausgeben, um sich dann noch einmal als Karnevalsprinzessin im Wahlkampf feiern zu lassen. Für 2017 war dann ursprünglich nur noch eine kleine Summe als Platzhalter vorgesehen. Enorm schlechte Presse und der Druck aus der Zivilgesellschaft konnten die Koalition zwar zu einer Erhöhung der Zuwendung im Jahr 2017 auf 500 000 Euro bewegen. Damit sind aber die Basiskosten wieder nicht gedeckt. Berlin blamiert sich mit dieser wirren Karnevalsdiskussion als Kulturstandort wie auch politisch.
Alles, was wir auf der Straße zu sehen bekommen – von den fantastischen Samba-Formationen über die Kulturpräsentationen bis hin zu den bunten Aktionen der Jugendeinrichtungen – ist sowieso ein Geschenk an die Stadt. Dazu kommen die Einnahmen aus dem Tourismus. Für die Jahre 2001 bis 2011 errechnete die Investitionsbank Berlin ein zusätzliches Bruttoinlandsprodukt von 53 Millionen Euro und schätzte die erhaltenen bzw. geschaffenen Arbeitsplätze auf 220. Die öffentlichen Einnahmen wurden für diesen Zeitraum mit 4,2 Millionen Euro beziffert.
Was infrage steht, ist der organisatorische Rahmen der Veranstaltung, für den der Senat die finanzielle Verantwortung ablehnt. Organisation, Öffentlichkeitsarbeit und die Sicherheit will die Koalition nicht finanzieren. Entsprechend hat die Integrationsverwaltung die Gruppen aufgefordert, selbst Vorschläge zu erarbeiten, wie sie über ihren bisherigen finanziellen Beitrag hinaus auch noch Mittel für diese Overheadkosten aufbringen könnten. Sie wissen, ich schätze die Power des freiwilligen Engagements. Diese Aufforderung enthält aber die politische Botschaft: Wenn ihr unbedingt für Vielfalt und gegen Rassismus auf die Straße wollt, dann finanziert das doch bitte selbst! – Das ist die falsche Botschaft.
Eine so weitgehende Finanzierung der Veranstaltung über Sponsoren bedeutet außerdem den Verkauf des Karnevals der Kulturen. Verantwortlich für diese politische Linie ist die Senatorin für Integration. Sie, Frau Kolat, sind mit dieser Haltung fehl am Platz.
Der Karneval der Kulturen ist nach den Morden in Solingen und Mölln entstanden. Damals gab es täglich Übergriffe, die so schlimm waren, wie wir es uns vorher nie hatten vorstellen können. Künstlerinnen und Künstler haben sich damals zusammengetan und nach interna
tionalen Vorbildern wie Notting Hill ein lautes und kreatives Bekenntnis zu einem offenen und vielfältigen Berlin auf die Straße gebracht. Die zuständige Senatorin hat, zu meiner Freude, mehrfach einen politischeren Karneval eingefordert. Aber dann waren dafür im Haushalt ab 2017 eben doch nur die schon genannten 270 000 Euro eingestellt. Die politische Abwertung von antirassistischer Arbeit und kultureller Vielfalt könnte nicht eindeutiger sein.
Zum Schluss noch eine Bemerkung zum Sicherheitskonzept. Ein neues Konzept haben vor allen Dingen die großen Samba-Formationen und die Gruppen eingefordert, bei denen Frauen mitlaufen, die aufgrund ihres Kostüms Belästigungen ausgesetzt sind. Mit der Zunahme der Touristen beim Karneval hat das Betatschen und Bedrängen nach Angabe der Gruppen enorm zugenommen. Die Gruppen organisieren deswegen den Schutz der Tänzerinnen schon seit einigen Jahren selbst. Ich erwarte, dass dieses Problem zukünftig ernst genommen und nicht mit schmierigen Kommentaren abgetan wird.
Ich hoffe immer noch, dass Berlin den Karneval der Kulturen nach 20 Jahren endlich so finanziert, wie es seiner politischen und kulturellen Bedeutung entspricht: in jeder Hinsicht auskömmlich.
Vielen Dank, Frau Dr. Kahlefeld! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Lehmann. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Am 29. Januar vor einem Jahr habe ich bereits eine Rede zum Karneval der Kulturen, zu dessen besonderen Bedeutung in der Berliner Kulturlandschaft und zum Stellenwert des Karnevals für die Berlinerinnen und Berliner als ein Stück bunte, gelebte Vielfalt und Internationalität gehalten.
Alle Fraktionen waren sich in dem Bestreben einig, diesen festen Bestandteil der Berliner Kulturlandschaft zu erhalten. Damals standen wir vor der Schwierigkeit, dass die Werkstatt der Kulturen, der Ausrichter dieses Festes in der Vergangenheit, einiges versäumt hatte. Durch den Umstand, dass die Anzahl der Besucherinnen und Besucher mit jedem Karneval weiter angestiegen ist, stiegen zeitgleich auch die Anforderungen an die Sicherheit und die Durchführung dieser besonderen Kulturveranstaltung.
Die Senatsverwaltung bemühte sich von Anfang an um Lösungen. Im Anschluss an unsere damalige parlamentarische Debatte führte die Senatsverwaltung viele weitere Gespräche mit den Gruppen, die beim Karneval der Kulturen beteiligt sind. Der Ausgang dieser Gespräche war damals offen. Auch aktuell führt die Senatsverwaltung und die zuständige Staatssekretärin regelmäßig weitere Gespräche mit den Gruppen des Karnevals der Kulturen, was im Zuge der Partizipation ja auch wichtig ist, um offene Punkte wie z. B. einzelne Markenrechte oder auch das Unterstellen und die Lagerung der Umzugswagen oder anderer Materialien zu klären. Hier wurden Angebote gemacht. Die Gruppen des Karnevals sind an dem Prozess der Neuaufstellung des Umzugs zu jedem Zeitpunkt beteiligt worden. Man wird versuchen, auch weiterhin zu gemeinsamen Lösungen zu gelangen.
Der Karneval ist für die Jahre 2016 und 2017 gesichert, gerettet und neu aufgestellt und wird, wie gewohnt, Berlin auch ein weiteres Mal vielfältig und bunter machen. Die gestellten Anträge der beiden Oppositionsfraktionen sind daher veraltet und sollten zurückgezogen werden. Sowohl wir im Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen als auch die Kolleginnen und Kollegen im Hauptausschuss haben im November und Dezember 2015 die Empfehlung: Ablehnung ausgesprochen. Dem sollten wir uns hier im Plenum anschließen. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Lehmann! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Taş. – Bitte!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Karneval der Kulturen zeigt die kulturelle Vielfalt und Lebendigkeit unserer Stadt, fördert durchaus das Zusammenleben und zieht über 700 000 Menschen aus ganz Europa an. Senatsmitglieder treten gerne vor die Kameras und verkünden: Der Karneval der Kulturen ist zweifellos ein Aushängeschild für unsere Stadt! – Senatorin Kolat lässt sich gerne beim Karneval der Kulturen fotografieren.
Wenn es aber darum geht, eine stetige und angemessene Finanzierung für den Karneval der Kulturen zu gewährleisten und die zahlreichen Initiativen zu unterstützen, haben alle gerade etwas anderes zu tun. Nur intensive Bemühungen und Druck aus der Gesellschaft konnten dazu führen, dass die Koalition die Finanzierung für das Jahr 2016 gesichert hat.
Der Karneval der Kulturen hat nicht nur einen kulturellen Wert für die Bundeshauptstadt. Die Investitionsbank Berlin hat bereits 2011 auf die wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Dimensionen des Karnevals hingewiesen, die ich kurz zusammenfassen möchte. 2006 bis 2011 haben die Ausgaben der Veranstalter, die Investitionen der Künstlergruppen und der Konsum der karnevalsbegeisterten Touristen ein zusätzliches Bruttoinlandsprodukt von insgesamt 53,2 Millionen Euro angestoßen. Die öffentlichen Einnahmen Berlins wurden durch die zusätzlichen Wertschöpfungseffekte um insgesamt 4,2 Millionen Euro erhöht. Allein 2011 brachte jeder in den Karneval der Kulturen öffentlich investierte Euro das Fünffache an öffentlichen Einnahmen zurück. In diesem Zeitraum wurden durch den Karneval der Kulturen rund 220 Arbeitsplätze in der Hauptstadt gesichert bzw. neu geschaffen. Diese Tatsachen müssten für den Berliner Senat Anstoß sein, entsprechend zu handeln. Es existiert offensichtlich eine Finanzierungslücke; diese lässt sich nicht allein durch Sponsoren schließen. Berlin steht durch den Zuzug von Flüchtenden vor neuen Herausforderungen an Partizipation und Integration. Das gilt auch für die organisatorische Aufstellung und inhaltliche Ausrichtung des Karnevals jenseits des Kommerzes. Wir verlangen, dass der Senat nicht kurzzeitige Lösungen präsentiert, und dies nur, weil er unter zivilgesellschaftlichen Druck gerät, sondern eine langfristige Strategie in der Stadt entwickelt.
Nun wissen wir ja, dass der Berliner Senat auf dem Feld langfristiger Strategien nicht sehr innovativ ist, nicht beim LAGeSo und offensichtlich nicht beim Karneval der Kulturen. Der Karneval der Kulturen lebt in hohem Maß vom Engagement der Aktiven und Ehrenamtlichen. Diese werden aber kaum gewürdigt. Es sind mir keine Aktivitäten von Senatorin Kolat bekannt, dass sie die Zeit nach dem Karneval der Kulturen 2015 dafür genutzt hätte, die Erfahrungen der letzten Jahre auszuwerten und unter Einbeziehung der Akteure ein zukunftsfähiges Konzept zu erarbeiten. Die Senatsverwaltung hat zwar für die Selbstverständigung der Karnevalsgruppen 30 000 Euro bereitgestellt, sich aber darüber hinaus nicht eingeschaltet.
Richtig ist, dass der Karneval eine Berlinmarke geworden ist, von der zuständigen Senatsverwaltung aber bisher nichts Handfestes zu hören ist, wie dies weiterentwickelt und verstetigt werden kann. Ich bin, wir alle sind gespannt, was die zuständige Senatsverwaltung dem Auflagenbeschluss des Abgeordnetenhauses folgend dem Hauptausschuss zum 31. Januar vorlegen wird. Es reicht nicht, sich beim Karneval der Kulturen fotografieren zu lassen, liebe Frau Kolat. Der Karneval der Kulturen ist zweifellos ein Aushängeschild für unsere Stadt. Sorgen
Vielen Dank, Herr Taş! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Wansner das Wort. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenige Veranstaltungen in Berlin – und insbesondere in Friedrichshain-Kreuzberg – begeistern die Menschen in unserem Bezirk, in dieser Stadt und deutschlandweit mehr als der Karneval der Kulturen. Ich habe in den letzten Jahren bei der für unsere Stadt, so glaube ich, doch sehr wichtigen Veranstaltung fast immer nur begeisterte Menschen gesehen, die von dieser Veranstaltung etwas mit nach Hause genommen haben. Der Karneval der Kulturen wurde vor fast 20 Jahren gegründet und wird seitdem von vielen Akteuren und Gruppen mit viel Begeisterung vorgetragen. Dieser Einsatz überträgt sich sehr oft auf die Zuschauer, die sich dann als einen Teil der Veranstaltung sehen. Wer zu dieser Veranstaltung kommt, weiß, dass das für uns alle wichtig ist.
Wir glauben daher, lieber Herr Taş, dass es an Wertschätzung, wie Sie es vorgetragen haben, sicher nicht fehlt. Deshalb ist der letzte Absatz in der Begründung des Antrags der Grünen richtig. Ich zitiere einmal einen Antrag der Grünen:
Der einmalige Charakter des Karnevals der Kulturen war und ist ein wichtiger und unverzichtbarer Impuls für das Zusammenleben in unserer Stadt, der auch die Berliner Kulturszene und Kreativwirtschaft stärkt.
Ich glaube, dem ist nichts hinzuzufügen. Das ist endlich einmal, lieber Herr Lux, etwas Konkretes. Daher war es richtig, dass sich die Abgeordneten der CDU-Fraktion, insbesondere Herr Freiberg und Herr Goiny, im Hauptausschuss, aber auch im Integrationsausschuss vehement für den Erhalt des Karnevals der Kulturen ausgesprochen haben
und dass die SPD dieser Sichtweise dann folgte. Ich empfehle Ihnen hierzu, wenn es Fragen gibt, sich mit dem Wortprotokoll des Integrationsausschusses vom 5. November 2015 zu beschäftigen.
Da der Senat die Mittel für den Karneval der Kulturen bedarfsgerecht für das Jahr 2016 zur Verfügung stellt und seine Bereitschaft erklärt hat, den Prozess des Dialogs für die folgenden Jahre mit den Akteuren und Gruppen des
Vielen Dank, Herr Wansner! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Reinhardt. – Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu Recht ist schon darauf hingewiesen worden, dass der Karneval in Berlin eine hohe Symbolkraft besitzt. Das ist gerade in diesen Zeiten wichtig, da wir immer wieder darauf angewiesen sind zu zeigen, wie die Vielfältigkeit und die Diversität Berlins aussieht und dass das auch international präsentiert wird. Insofern ist es auch gut, dass wir über den Karneval seit einiger Zeit auch wieder in der Form sprechen, dass es um die Frage der Nachhaltigkeit und um die langfristige Finanzierung geht.
Über die langfristige Finanzierung – und da gibt es durchaus verschiedene Konzepte, gerade eben auch, was die Möglichkeiten der Bezuschussung durch Sponsoren angeht – kann man durchaus diskutieren, aber es ist trotzdem eben sehr problematisch, dass wir hier die Finanzierung gerade im letzten Jahr 2015 noch einmal so intensiv diskutieren mussten. Ich denke, dass es an der Stelle klar ist, dass wir hier langfristig sicherlich stärker in Richtung neuer Sponsoren gehen können, kurzfristig allerdings auch weiterhin auf eine nachhaltige und intensive landesseitige Finanzierung angewiesen sind.