Protocol of the Session on January 26, 2012

[Zuruf von der SPD: Die schenken wir Ihnen!]

Die schenken Sie uns auch. Die Linke mit einer Minute, 26 Sekunden? – Auch geschenkt. Die CDU mit zwei Minuten und 23 Sekunden.

[Zuruf von der CDU: Um Gottes willen!]

Auch nicht! – Gut, dann ist die Rederunde beendet. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Große Anfrage ist damit begründet, beantwortet und besprochen worden.

Die Tagesordnungspunkte 14 bis 17 stehen auf der Konsensliste.

Ich komme zur

lfd. Nr. 18:

Wohnungsmarkt sozial gestalten – Mietentwicklung dämpfen

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 14. Dezember 2011 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses

vom 11. Januar 2012 Drucksache 17/0095

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen Drucksache 17/0029

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit Frau Kollegin Schmidberger.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mieterinnen und Mieter! Kaum etwas bewegt die Leute da draußen mehr als das Thema Wohnen. Wer hat ein Recht auf Stadt? Das ist die Schlüsselfrage. Allein in den letzten sechs Monaten gab es dazu über hundert Veranstaltungen in ganz Berlin. Es haben sich schon über 80 Vereine, Mieterinitiativen und Mietergemeinschaften gegründet.

Aber wie angespannt der Wohnungsmarkt inzwischen ist, zeigt sich auch dramatisch an den Umzügen von Transferleistungsbeziehern und an den Zahlen der Hilfen zur Erziehung. Demnach mussten im letzten Jahr viele betroffene Haushalte von Kreuzberg oder Nordneukölln nach Marzahn-Hellersdorf und Spandau ziehen. Die Verdrängung nimmt also stetig zu. Ein Wohnort in der Innenstadt wird zum Luxusprodukt. Für die Stadt und vor allem für den Berliner Senat ist das ein Armutszeugnis.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Auch die Investitionsbank Berlin und der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen bestätigen diese Entwicklung und sagen, dass es gerade an Wohnungen im unteren Preissegment in den nächsten drei Jahren fehlen wird – also für Menschen mit wenig und keinem eigenen Einkommen. Davon gibt es leider verdammt viele hier in Berlin. Dieser Trend kann und muss von Ihnen endlich gestoppt werden.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Herr Müller! Es geht gerade um Ihr Thema. Es wäre schön, wenn Sie mir vielleicht kurz zuhören könnten. – Ich bin sehr froh darüber, das Frau Junge-Reyer nicht mehr im Amt ist. Noch im Sommer hat Sie wie ein Mantra ausreichend freien Wohnraum vor sich hinbeschworen. Da sind wir mit Senator Müller schon weiter. Wobei: Er sagte kürzlich in einem „taz“-Interview, dass die Mieten weiter steigen würden und wir nach wie vor keine dramatische Situation hätten. Da frage ich mich doch: Warum machen Sie Politik? Wohin soll sich Berlin denn entwickeln? München? London oder Paris? Wie dramatisch soll es denn noch werden, bevor Sie aufwachen?

[Beifall bei den GRÜNEN]

Weil wir diese Entwicklung stoppen wollen, haben wir als Grünen-Fraktion viele Vorschläge für eine sozial gerechte und eine ökologisch nachhaltige Wohnungspolitik gemacht. Es ist ein umfassendes Angebot für die Berlinerinnen und Berliner. Einige Beispiele will ich hier kurz benennen.

An dem Urteil des Verwaltungsgerichts von dieser Woche hinsichtlich der Begrenzung von Ferienwohnungen in Mitte merken wir, dass es der Senat versäumt hat, eine rechtssichere Grundlage zu schaffen, um den Bezirken die notwendigen Handlungsspielräume zu geben. Und es gibt noch immer keine Analyse der Leerstandsgründe. Immerhin hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mittlerweile zugegeben, dass von den im Jahr 2009 gezählten 103 000 Wohnungen, die längerfristig leer standen, ein Großteil gar nicht zur Verfügung steht. Da hilft nur eines: Das Verbot der Zweckentfremdung muss endlich her,

[Beifall bei den GRÜNEN]

und zwar nicht nur wegen der Ferienwohnungen, sondern vor allem, um Abriss zu verhindern, und wegen des spekulativen Leerstands, den Sie seit Jahren unterschätzen.

Ein weiteres Werkzeug gegen steigende Mieten sind die Milieuschutzgebiete. Sie sollen dem Erhalt der Struktur der Wohnbevölkerung dienen. Denn wir sagen: Die bunt gemischte Bevölkerung in den Kiezen ist die richtige. Dazu muss die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen endlich eingeschränkt werden. Auch schlagen wir vor, in den Gebieten, in denen der Umwandlungsdruck von Miet- in Eigentumswohnungen groß ist und Menschen mit geringerem und mittlerem Einkommen verdrängt werden, das kommunale Vorkaufsrecht endlich zu nutzen, um preiswerten Wohnraum zu erhalten.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Ich gebe zu, es gibt einen Vorteil, mit der CDU zu koalieren: Bis 2013 haben Sie damit noch Einfluss auf die Bundesebene. Also nutzen Sie ihn! Starten Sie eine Bundesratsinitiative, und zwar jetzt! Denn es braucht endlich eine Obergrenze für Wiedervermietungsmieten. Das ist das wichtigste Instrument, um die soziale Spaltung Berlins zu verhindern.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Aber auch die sogenannte Modernisierungsumlage muss endlich gesenkt und auf energetische Sanierung gelenkt werden. Herr Wowereit! Herr Müller! Dazu haben Sie sich in Ihrem Koalitionsvertrag bekannt. Deshalb ist es noch unverständlicher, dass Sie unseren Antrag jetzt ablehnen. Das alles können Sie jetzt angehen und damit beweisen, dass sich die SPD auch nach der Wahl noch an ihre Zusagen hält. Von wegen: „Mieter und Schutz“ und „Berlin verstehen“. Oder haben Sie das schon alles wieder vergessen? Es versteht wirklich niemand da draußen, dass Sie jetzt alle unsere Vorschläge ablehnen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Sie glauben doch selbst nicht daran, dass der Neubau von Wohnungen das Problem lösen kann. Vor allem werden diese Wohnungen nicht primär an einkommensarme Haushalte gegeben werden. Sie bieten damit eine Scheinlösung an. Glauben Sie mir, die Menschen dort draußen werden das merken.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Georg Simmel hat gesagt: Die Stadt ist in erster Linie keine räumliche Tatsache, die sich sozial formt, sondern eine soziale Tatsache, die sich räumlich abbildet. In diesem Sinne, wenn Sie es wirklich ernst meinen mit der Berliner Mischung in den Kiezen, dann regieren Sie nicht an den Mieterinnen und Mietern vorbei, sondern handeln Sie endlich und stimmen Sie unserem Antrag zu. Sie sind in der Pflicht, jetzt liefern Sie auch!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Susanne Graf (PIRATEN)]

Vielen Dank, Frau Kollegin Schmidberger! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt die Kollegin Spranger das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!

Herzlichen Dank, verehrter Herr Präsident! – Meine Damen! Meine Herren! Frau Schmidberger! Sie haben völlig recht. Sicherlich wird der Senator bei seiner baupolitischen Sprecherin zuhören. – Das macht er leider auch nicht. Gut.

Das Thema ist richtig, es ist eines der zentralsten Themen überhaupt. Frau Schmidberger, da bin ich an Ihrer Seite. Es ist hoch emotional, weil sich sehr viele Berlinerinnen und Berliner Sorgen darüber machen, wie es mit ihrer Miete weitergeht. Grundsätzlich muss man feststellen: Die Mieten in Berlin sind gestiegen. Das ist einerseits ein positives Signal für die Entwicklung der Stadt, denn offenbar ist Berlin attraktiv für Menschen, die hier herziehen, andererseits bedeutet es, dass der Druck auf den Wohnungsmarkt steigt – mit allen daraus resultierenden Konsequenzen. Hier setzt unsere Verantwortung ein. Das heißt, es muss mit allen Akteuren in der Stadt gesprochen und gehandelt werden, zum Beispiel mit den Wohnungsbaugesellschaften, die ein Viertel der Wohnungen anbieten. Sie sind als Instrument für das Gemeinwohl einzusetzen, sie sollen nicht profitorientiert arbeiten. Wir erwarten von unseren Wohnungsbaugesellschaften, so, wie wir das in der letzten Wahlperiode bereits beschlossen haben, dass sie Modernisierungen durchführen und sich sozial engagieren.

Die Liegenschaftspolitik – auch das ist in der letzten Wahlperiode entsprechend begleitet worden: Die Filetgrundstücke sind größtenteils veräußert, die Gewinne

daraus sind im Haushalt eingestellt. Diejenigen, die schon länger dabei sind, kennen das. Sie wissen, dass im Jahr 2010 190 Millionen Euro dadurch erwirtschaftet worden sind, wovon 158 Millionen Euro konkret in den Landeshaushalt geflossen sind. Künftig muss der Liegenschaftsfond als Steuerungsinstrument der Wohnungspolitik betrachtet werden.

Über den Wohnungsbau muss ich hier nicht reden, das ist in allen Lettern bereits bekannt.

Wir müssen die Berlinerinnen und Berliner, die sich Sorgen machen, ernst nehmen. Das bedeutet: keine pauschalen Mieterhöhungen. Wir haben als SPD-Fraktion den Anspruch, auf individuellere Verfahren umzustellen. Bei Neuvermietungen liegt die Durchschnittsmiete bei 5,48 Euro pro Quadratmeter. Im Mietspiegel liegt der Durchschnitt bei 5,21 Euro. Das bedeutet, wir erwarten vom Senat neue Leitlinien, denn wenn Mietsteigerungen notwendig sind, dann zielgerichtet und mit Vernunft. Das oberste Ziel muss immer sein: Teilhabe aller Berlinerinnen und Berliner am gesellschaftlichen Leben. – Ich danke!

[Beifall bei der SPD, der CDU und den GRÜNEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Kollegin Lompscher das Wort. – Bitte, Frau Kollegin!

[Benedikt Lux (GRÜNE): Nur Senator Müller hat nicht zugehört!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Müller kann sicherlich gleichzeitig lesen und zuhören, so ist es ja bei Senatoren. Daran kann ich mich erinnern.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Alte Solidarität, was?]

Liebe Kolleginnen! Wir haben dem Antrag der Grünen im Ausschuss zugestimmt und werden es auch heute tun, weil wir es für eine der zentralen Aufgaben in der 17. Legislaturperiode halten, gegen steigende Mieten und zunehmende Segregation in Berlin vorzugehen.

Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen geht in die richtige Richtung, um aus der Opposition heraus Regierungshandeln anzuregen. Es stehen landespolitisch verschiedene Instrumente zur Verfügung, mit unterschiedlicher Tragweite und unterschiedlichem Effekt. Deshalb halten wir es für nötig, Prioritäten zu setzen und den Senat damit konkret herauszufordern. Das Angebot an preiswerten Mietwohnungen in vielen Teilen Berlins ist rapide zurückgegangen, zugleich steigt die Zahl der Einwohner und Haushalte. Bei der zunehmenden Konkurrenz um

bezahlbare Wohnungen verlieren die sozial Benachteiligten, Geringverdienenden, Studentinnen und Studenten und Transferleistungsbeziehende. Unter anderem deshalb wollen wir den Verlust von Mietwohnungen durch Zweckentfremdung stoppen, deshalb halten wir eine neue rechtssichere Zweckentfremdungsverbotsverordnung für dringlich. Deshalb haben wir genau dazu heute einen Antrag eingebracht.

Das allgemeine Mietniveau steigt durch Neuvermietungszuschläge noch schneller. Die Verknappung des Wohnungsangebotes nutzen viele Vermieter fast schamlos aus. Um gegenzusteuern, muss das Land offiziell eine angespannte Wohnungsmarktlage erklären. Auch dies werden wir vom Senat verlangen. Der Antrag dazu wird in die nächste Sitzung des Abgeordnetenhauses eingebracht werden. Ein weiterer mieterhöhender Faktor ist mit zunehmender Dynamik – nach unserer Beobachtung – die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Der Senat hat seinerzeit – und zwar nur auf Druck der Linken – den Kündigungsschutz in sechs Bezirken auf sieben Jahre erweitert. Immerhin. Unsere Forderung lautet jedoch: zehn Jahre in der ganzen Stadt. Das schützt alle Mieterinnen und Mieter gleichermaßen, ist bundesrechtlich zulässig und kühlt den überhitzten Markt ab, was wir derzeit in Berlin dringend gebrauchen können.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]