Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales vom 22. Juni 2015 Drucksache 17/2363
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales vom 22. Juni 2015 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 24. Juni 2015 Drucksache 17/2368
Die Piratenfraktion beantragt die Vertagung ihres Antrags. – Hierzu gibt es wohl keinen Widerspruch. Also reden wir jetzt über 15a, und damit ist die Kollegin Bayram, die schon auf dem Weg zum Podium ist, an der Reihe, und ich erteile ihr das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!
Ich unterbreche noch einmal ganz kurz. – Meine Herrschaften! Was ist denn los? Bitte setzen Sie sich jetzt hin oder sprechen Sie draußen und geben Sie die Aufmerksamkeit der Rednerin! Es wird jetzt langsam unschön. – Bitte schön, Frau Kollegin!
Danke, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema der geflüchteten Menschen beschäftigt uns nicht erst, seitdem es die Bilder, die Schlagzeilen gibt, die dieser Tage die Medien bestimmen. Das Thema hatten wir hier häufiger, und daraus wird eigentlich auch klar, dass im Lande Berlin bei der Unterbringung und bei der Versorgung geflüchteter Menschen schon länger etwas nicht stimmt. Dennoch ist für uns, Bündnis 90/Die Grünen, klar: Refugees are welcome. Wir finden alle gut, die hierherkommen und hier bei uns Schutz finden. Deswegen ist es uns auch wichtig, dass sie hier nicht nur Schutz finden, sondern menschenwürdig untergebracht und versorgt werden.
Dass das ein Thema ist, das uns länger beschäftigen wird, ist mittlerweile auf allen Ebenen verstanden worden, nicht nur im Land Berlin, sondern auch auf der Bundes- und – ja – auf der europäischen Ebene. Aber was heißt diese Veränderung eigentlich? Diese Veränderung heißt: Auch wir im Land Berlin müssen jetzt dringend nicht nur die Notunterkünfte und Zelte aufbauen, nein, wir müssen uns auch auf eine Stadt vorbereiten, die sich verändert, die internationaler wird, in der mehr Migration kommen wird und auf die wir gut vorbereitet sein wollen.
Die kurzfristigen Lösungen, so wichtig sie in der Not sind, werden nicht helfen. Wir wollen nicht in einem Jahr immer noch Menschen in Zelten unterbringen müssen, und wir wollen auch nicht, dass sich die langen Schlangen vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales oder vor der Ausländerbehörde bilden. Das heißt, wir müssen das machen, was bisher versäumt wurde. Wir müssen schauen: Wo gibt es Synergien? Wo kann man zum Beispiel das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in einem Gebäude mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales und auch der Ausländerbehörde zusammenlegen? Warum sollen wir die Menschen in der Stadt von A nach B schicken? Das muss jetzt schon mitgedacht werden.
Vor der Parlamentspause haben wir uns mit dem Wirtschaftsprüferbericht beschäftigt; auf diesen Bericht geht auch unser Antrag zurück. Da war zu lesen, dass die privaten Betreiber noch Millionenbeträge haben, die dem Land Berlin gehören. Dieses Geld müssen wir uns zurückholen, denn jetzt aktuell brauchen wir es dringend, um neue Unterkünfte für geflüchtete Menschen einrichten zu können.
Sodann müssen wir aufpassen, dass nicht wieder das passiert, was die ganzen Jahre über passiert ist, dass sich nämlich dubiose Betreiber von Flüchtlingsunterkünften – neuerdings kommen wahrscheinlich auch Zelt- und Bettenverkäufer dazu – an der Not der geflüchteten Menschen bereichern, wir uns durch die Verwaltung oder wen auch immer wieder betrügen lassen und Geld an Menschen weitergegeben wird, das uns auf der anderen Seite fehlt, um die Menschen tatsächlich menschenwürdig unterzubringen.
Bei den aktuellen Zahlen, die es schon gibt und die wir noch erwarten, brauchen wir neben den kurzfristigen Antworten auch langfristige Antworten. Daher sollten wir in Ruhe darüber nachdenken – Kollege Saleh hat es in
seiner Rede schon gesagt –, im Parlament einen Sonderausschuss einzurichten. Das finde ich gut, und das haben wir schon vor einem halben Jahr angeregt. Wir müssen aber auch an den Strukturen der Verwaltung etwas verändern. Warum sollen wir nicht ein Landesamt für Migration und Flucht einrichten? Der Bezirksbürgermeister von Mitte, Christian Hanke, hat gesagt: Diese Behörde ist so am Boden! – Er redet vom Landesamt für Gesundheit und Soziales. Wer dafür verantwortlich ist, wissen die meisten hier auch – das ist der zuständige Senator. Das Verhältnis zwischen ihm und der Behörde ist zerrüttet. Eine Umstrukturierung würde die Chance mit sich bringen, dass die alten Wunden und Verletzungen, die da bestehen, bereinigt würden und die Behörde neu aufgestellt werden könnte. Ein Landesamt für Migration und Flüchtlinge würde ich gerne in dem neu zu gründenden Ausschuss diskutieren. Die Menschen, egal, wie viele kommen, haben ein Recht darauf, in Berlin anständig behandelt zu werden.
Vielen Dank, Frau Kollegin Bayram! – Für die Fraktion der SPD redet jetzt der Kollege Lehmann. – Lieber Kollege! Ich erteile Ihnen auch das Wort. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Der hier vorliegende Antrag wurde im Ausschuss für Gesundheit und Soziales beraten. Unsere Empfehlung vom 22. Juni 2015 lautete: Ablehnung. – Letzten Endes wurde das Ganze durch die Vorwürfe gegen den Präsidenten des Landesamtes für Gesundheit und Soziales initiiert und ins Rollen gebracht. Darüber werden wir aber das nächste Mal reden. Ich könnte jetzt sarkastisch sagen, ich bin sehr froh, dass wir jedes Mal darüber reden – vielleicht hätte man das heute aber auch mal zusammenfassen können, denn ich glaube, wir haben ernstere Themen in der Stadt, die es zu besprechen gilt.
Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales beauftragte die Innenrevision, in einem ersten Bericht die Vergabe von Verträgen und die Vertragsabschlüsse mit privaten Betreibern auf eine mögliche Bevorzugung hin zu untersuchen. Sodann wurde noch eine externe Wirtschaftsprüfung beauftragt, und auch der Rechnungshof ist anschließend in die Prüfung eingestiegen – das will ich an dieser Stelle nur noch mal erwähnen.
Wir haben dieses Thema mehrfach besprochen und ausgewertet und sind zu der Erkenntnis gekommen, dass trotz des engeren Prüfgegenstands sowohl im Revisionsbericht als auch in dem Wirtschaftsprüfungsbericht aufgeführt wurde, dass es keine Indizien und Anhaltspunkte
für den Vorwurf der Vetternwirtschaft, Korruption oder der direkten rechtswidrigen Vergabe gegeben hat.
Die Prüfungen der Innenrevision und die der Wirtschaftsprüfer sind zu dem Schluss gekommen, dass anhand der Aktenlage weder unsachgemäße Einflussnahme noch rechtswidrige Entscheidungen oder gar korruptes Verhalten seitens des Präsidenten oder anderer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter festgestellt werden konnte.
Ja, sehr wohl! Natürlich! – Die Wirtschaftsprüfer kamen zu dem Ergebnis, dass trotz der intensiven Prüfung der 63 Ordner der privaten Betreiber keine Hinweise zu erlangen waren, die die Annahme einer persönlichen Bereicherung von Mitarbeitern des LAGeSo nahelegen. Was hingegen die Vergaben an Betreiber angeht, so wirken die Fachaufsicht und der Senat hier kontrollierend.
Viele Dinge – ich habe nur noch 60 Sekunden – sind mittlerweile auch schon angeschoben worden. Das Wichtigste ist hier, die Standards und die Qualität der Unterbringungen auch in Zeiten einer solchen Mammutaufgabe zu gewährleisten und die Arbeit der Einrichtungen möglichst transparent zu gestalten. Hierzu gehört natürlich auch eine transparente Vergabepraxis – das ist schon richtig – und die Darstellung bestehender Verträge.
Die Bedarfsermittlung, die Objektsuche und -auswahl, die Mietvertragskonditionen und die Betreiberauswahl und -kontrolle müssen dem Vergabewesen einer öffentlichen Verwaltung entsprechen. Mit der Standardisierung von Prozessen wurde im Bereich der Vergabeverfahren und Aktenführung – was natürlich auch sehr wichtig ist – bereits begonnen, ebenso im Bereich der Kalkulation, der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sowie mit dem Aufbau des Controllings. Letzten Endes sieht man: Wir sind auf einem guten Weg. Viele Dinge, die verändert werden mussten, werden verändert. Dementsprechend bleiben wir bei unserer Ablehnung dieses Antrags. – Herzlichen Dank!
Danke schön, Kollege Lehmann! – Kollegin Breitenbach für die Linksfraktion, Sie haben das Wort. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Empfehlung lautet Ablehnung. Die Koalition hat sich noch mal damit beschäftigt, und Herr Lehmann und vermutlich die
Koalition auch finden: Wir haben ernstere Themen in dieser Stadt. – Das überrascht jetzt doch etwas!
Kollege Wolf hat es vorhin schon einmal angesprochen: Im Oktober 2012 hatten wir die erste Aktuelle Stunde, nachdem Notaufnahmen geschaffen wurden. Was ist seitdem passiert, liebe Koalition?
Es wurde eine Notaufnahme nach der anderen geschaffen. Wäre jemand von Ihnen heute in der Lage, mal zu sagen, wie viele vernünftige Erstaufnahme- und Gemeinschaftsunterkünfte in den letzten drei Jahren geschaffen wurden? Könnten Sie das machen? – Nein, können Sie nicht! Nur Notunterkünfte!
Dann kam der berühmte Paradigmenwechsel. Was ist da passiert? – Da wurden sechs Container in dieser Stadt aufgebaut, weil das angeblich so schnell geht. Es hat über ein Jahr gedauert und sollte 40 Millionen Euro kosten, diese Blechbüchsen aufzustellen, in denen Menschen unter erbärmlichen Bedingungen untergebracht sind. Damit hätte man ganz was anderes machen können!
Sie haben drei Jahre gebraucht, und dieser Senat und diese Koalition haben hart daran gearbeitet, dass wir heute da stehen, wo wir stehen: Es gibt keine Standards mehr. Sie haben das alles in Grund und Boden gewirtschaftet. Es gibt kein transparentes Verfahren mehr. – Herr Lehmann! Es geht hier nicht mehr darum, ob irgendein Schaden für das Land Berlin entstanden ist. Das ist völlig klar. Die Frage ist, wie hoch dieser Schaden ist.
Jeder „Nappel“, der ankam und gesagt hat: Ich habe ein Haus, ich habe eine Unterkunft –, hat Geld gekriegt, und zwar ungeprüft. Das steht alles in den Berichten, von denen Sie gerade erzählt haben.
Was wir seit drei Jahren als Oppositionsparteien mantramäßig vortragen und übrigens auch mit ganz vielen Anträgen unterlegt haben – die Sie alle abgelehnt haben, so wie auch heute –, das ist: Wir brauchen menschenwürdige Unterbringungsplätze für geflüchtete Menschen. Wir brauchen dafür – das ist eine Voraussetzung! – formulierte Mindeststandards, die vertraglich vereinbart sind. Die haben wir nicht – wie auch? Es gibt ja nicht einmal Verträge, und wenn doch, dann sind sie nicht gültig. Wir brauchen Maßnahmen, liebe Koalition, lieber Senat, die aufzeigen, wann wir dahinkommen, dass wir in dieser Stadt den Weg hin zu einer humanen Flüchtlingspolitik beschreiten. Das mag Sie jetzt alles nicht interessieren, und Sie können auch weiterhin alle Anträge ablehnen,