Sie, lieber Herr Czaja, hatten in den letzten Jahren sehr viele Hinweise darauf, dass etwas schiefläuft. Sie haben jeden Hinweis abgebügelt, und Sie haben nicht gehandelt. Die politische Bewertung des Berichts und vor allem der Anlagen ist die Voraussetzung, wenn man irgendetwas ändern möchte. Dafür steht unser Antrag. Stimmen Sie dem Antrag zu, liebe Kolleginnen und Kollegen, und handeln Sie endlich! Sie tragen die Verantwortung für diese Misere. Legen Sie Lösungen vor! Bisher haben Sie es nicht gemacht. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit einer Woche liegt der Bericht der Wirtschaftsprüfer über das Verwaltungshandeln in der Flüchtlingsunterbringung vor. In der Tat sind die Ergebnisse erschreckend. Der Bericht nennt vielfältige Missstände in der für die Flüchtlingsunterbringung zuständigen Abteilung des Landesamts für Gesundheit und Soziales wie beispielsweise nicht ordnungsgemäßes Verwaltungshandeln, intransparente Aktenführung, nicht ordnungsgemäße Vergabe von Leistungen, Zweifel an der Einhaltung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit.
Es gibt im Wirtschaftsprüfbericht ein wichtiges positives Ergebnis: Die Wirtschaftsprüfer teilen mit, dass es keine Hinweise auf persönliche Bereicherung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im LAGeSo gibt. Auch diese Feststellung ist aus meiner Sicht in dem Kontext wichtig.
Die Wirtschaftsprüfer können nicht ausschließen, dass dem Land Berlin ein finanzieller Schaden entstanden ist. Sie schreiben in dem vorliegenden Bericht:
Die Schadenshöhe ist sehr spekulativ, weil ermittelt werden müsste, dass im Fall einer Ausschreibung in der konkreten Situation ein günstigerer Preis erzielbar gewesen wäre. Dazu müssten retrospektiv Alternativangebote simuliert werden. Eine Schadensschätzung bedürfte zusätzlicher Prüfung.
Der vorliegende Antrag der Opposition zielt genau auf diesen Aspekt, den finanziellen Schaden. Das ist für uns ein wichtiges Thema. Wir als SPD-Fraktion haben in der ersten Sondersitzung die Frage gestellt, ob dem Land Berlin ein Schaden entstanden ist. Diese Frage ist berechtigt, denn es ist unsere Aufgabe als Parlament zu kontrollieren.
Herr Czaja hat bisher einen Schaden für das Land Berlin ausgeschlossen. Das hat er auch in der Sondersitzung formuliert.
Aber aus unserer Sicht ist ein möglicher finanzieller Schaden ein Teil des Problems, und daher gilt es, diesen auch aufzuarbeiten, genau zu prüfen, noch mal genau darzustellen. Die Kernfrage lautet: Wie stellen wir eine ordnungsgemäße, qualitativ hochwertige und qualitativ ausreichende Unterbringung von Flüchtlingen in unserer Stadt sicher? Denn uns allen ist es wichtig, dass die Unterbringung von Asylsuchenden nicht zu einem lukrativen Geschäftsmodell für wenige in dieser Stadt werden darf, dass hier nicht verschiedene Personen versuchen, ein Geschäftsmodell zu etablieren. Das verurteilen wir, das ist mit uns nicht zu machen. Deshalb muss hier noch mal genauer geprüft werden.
Die Wirtschaftsprüfer haben Handlungsempfehlungen vorgelegt – das ist genau die Antwort auf Ihre Frage, Herr Taş und Frau Breitenbach! Viele dieser Handlungsempfehlungen sind uns nicht neu. Der Handlungsbedarf ist eigentlich klar und liegt auf der Hand.
In der Hinsicht hat auch Herr Czaja schon damit begonnen zu sagen: Trennen von Objekt- und Betreiberakquise, das ist wichtig, das muss umgesetzt werden; Definition von Sollprozessen und Strukturen; personelle Verstärkung des LAGeSo; Unterbringungsmanagement. – Dieser Prozess der Neuorganisation durch Herrn Czaja als Senator für Soziales im Bereich des Flüchtlingsmanagements hat nun begonnen, und die Fachaufsicht wurde intensiviert. Deshalb werden wir über die Sommerwochen genau schauen, wie die Umsetzung erfolgt.
Ich plädiere nun dafür, diesen Antrag in den zuständigen Fachausschuss zu überweisen, denn wir wollen unserer Kontrollfunktion gerecht werden. Wir werden genau nachfragen, wie weit dieser Umsetzungsprozess gediehen
ist. Deshalb ist der Ausschuss der richtige Ort, den Antrag zu behandeln, damit wir gemeinsam sicherstellen können, dass nicht wenige auf Kosten von Asylsuchenden im Bereich der Unterbringung lukrative Geschäftsmodelle etablieren und in ihre eigene Tasche wirtschaften. Es muss sichergestellt werden, dass dem Land Berlin hier kein Schaden entstanden ist und entstehen wird. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Frau Kollegin Radziwill! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich jetzt der Kollegin Bayram das Wort. – Bitte schön!
Vielen Dank! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Radziwill! In dem Wirtschaftsprüferbericht – ich halte ihn noch mal hier rein, damit jeder weiß, worum es geht – steht auf der Seite 27: Ein dem Land Berlin entstandener Schaden ist bezifferbar in den Fällen, in denen Rückforderungs- und Minderungsansprüche nicht verfolgt, Überzahlungen nicht zurückgefordert werden. –
Deswegen kann gar nicht die Rede davon sein, dass der Schaden nicht entstanden sei. Vielmehr ist es so, wie die Kollegin Breitenbach gesagt hat, dass der Schaden bereits entstanden ist und dass es jetzt darum geht, deutlich zu machen, wie hoch der entstandene Schaden tatsächlich ist. Auf der Seite 44 ist aufgelistet, dass für Herrichtungskosten 45 Millionen Euro ausgegeben wurden. Und da wurden keine Kontrollen vorgenommen, ob die festgelegten Bauleistungen auch tatsächlich erbracht wurden. Das muss man sich mal vorstellen: Da wurde Geld ausgegeben, und kein Mensch hat nachgeprüft, ob denn überhaupt gebaut wurde. Und dann hier zu sagen, dadurch sei kein Schaden entstanden – das ist nicht nachvollziehbar.
Deswegen hoffe ich, dass die SPD sich noch mal besinnt. – Frau Kollegin Radziwill! Sie sind immer sehr versöhnlich mit dem Senator, aber ich glaube, da sind Sie eine der wenigen in der SPD. Deswegen würde ich das gern weiter in den Ausschusssitzungen thematisieren. Man kann doch seine Augen nicht verschließen, auch nicht vor der Frage, ob PeWoBe und GIERSO bevorzugt wurden. Da steht eindeutig im Wirtschaftsprüferbericht auf Seite 32: Teilweise bereits in einem frühen Stadium angebotene Objekte werden ohne erkennbare Gründe zunächst abgelehnt und dann zu einem späteren Zeitpunkt mit der PeWoBe oder der GIERSO realisiert. Da fragt man sich: Was ist denn das für ein Zufall? Was ist denn das für eine
Art und Weise dieser privaten Unternehmen, von denen wir mittlerweile wissen, dass sie ihre Verträge größtenteils nicht erfüllt haben, indem sie getrickst und indem sie Personal abgerechnet haben, das nicht vorhanden war, oder sonst auf eine Art und Weise mit den Steuergeldern der Berlinerinnen und Berliner umgegangen sind, wie ich es nicht verantworten will und kann und wie es auch ein Senat nicht tun sollte?
Besonders erwähnen will ich noch mal die GIERSO, die sogar eine Starthilfe bekommen hat, weil sie kein Geld hatte und auch kein Geld bekommen hat für die 500 000 Euro Investition, die sie brauchte, um einen Betreibervertrag zu bekommen. Da hat der Präsident des Landesamts für Gesundheit und Soziales, Herr Allert, der Patenonkel, dann geholfen und gesagt: Doch, die kriegen die 290 000 Euro, das kann das Land Berlin sich leisten. – Das sehe ich anders. Das kann und sollte sich das Land Berlin nicht leisten!
Dann will ich noch mal zu den einzelnen Schäden kommen, die wir in der letzten Sitzung, auch mit unserem Antrag, deutlich gemacht haben, und zwar zu dem Schaden durch das Ausfallrisiko wegen möglicher Insolvenz der Betreiber. Sie haben Liquiditätshilfe bekommen. Das LAGeSo hat sich wie eine Bank geriert und ihnen Liquiditätshilfe gegeben. Wenn die Betreiber pleitegehen, dann ist dieses Geld weg, und Flüchtlinge haben wir damit auch nicht untergebracht. Das ist verantwortungslos!
Ich habe den Senator auch gefragt, warum z. B. die Wilmersdorfer Straße gar nicht geprüft wurde. Ich habe eine Vermutung. Es ist klar, dass in der Wilmersdorfer Straße Schadensersatzansprüche, die zweifellos bestehen, überhaupt nicht in Ansatz gebracht wurden, dass sie gegenüber der PeWoBe nicht geltend gemacht wurden. Da wurde mir gesagt: Wir haben irgendwie eine Auswahl getroffen, was wir untersuchen und was wir nicht untersuchen. – Auf meine Frage, ob hier Verjährungsfristen, Controlling oder sonst irgendwas stattfindet, konnte ich auch keine Antwort erhalten. Die Schäden durch sogenannte Insichgeschäfte: Die GIERSO betreibt das Heim, ein Unternehmen, an dem sie eine Beteiligung hat, macht die Security, ein weiteres Unternehmen mit Beteiligung durch die GIERSO macht die Reinigung. Da schreibt einer sich die Rechnung – ob die Arbeiten durchgeführt werden, weiß kein Mensch. Es wundert nicht, dass man
mit so schlechter Vertragsgestaltung und so unzuverlässigen Betreibern keine menschenwürdige Unterbringung für Geflüchtete im Land Berlin gewährleisten kann.
Über das Thema Flüchtlingspolitik hinaus geht es hier darum, dass ermittelt und jeder Cent zurückgefordert werden muss, den die Berlinerinnen und Berliner in Taschen von dubiosen Unternehmern verloren haben.
Vielen Dank! – Nur noch mal, Frau Kollegin: Nach § 63 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung dürfen Schriftstücke nur mit Einwilligung des Präsidenten verlesen werden.
[Canan Bayram (GRÜNE): Wenn die noch gültig ist, Herr Präsident! – Torsten Schneider (SPD): Den Präsidenten zu kritisieren, ist unstatthaft!]
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorbemerkung: Auch 2011 gab es schon seit mehr als zehn Jahren das LAGeSo mit der BUL, damals allerdings mit sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es gab in diesem Jahr 2 316 Asylbewerber, aber auch zu diesem Zeitpunkt und in den Jahren davor gab es keine ordentliche Aktenführung und Vergabepraxis, obwohl der Aufnahmedruck damals gering war.