Protocol of the Session on June 25, 2015

Die Tierversuchsforschung ist ethisch fragwürdig, sie ist teuer, sie ist ungenau, und sie liefert allenfalls Zufallsergebnisse. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Es gab das sogenannte TGN-Desaster. Es wurde ein Wirkstoff gegen multiple Sklerose und Rheuma entwickelt, am Tier erfolgreich getestet. Als dieser Wirkstoff in einer Konzentration, die nur ein Fünfhundertstel dessen betrug, die man in Tierversuchen gegeben hat, den Probanden verabreicht wurde, sind diese ins Koma gefallen. Diese Menschen haben lebenslange Schäden von einem Medikament, das bei Tieren offensichtlich kaum Nebenwirkungen hatte und erfolgversprechend schien.

Wir brauchen andere Methoden. Wir brauchen keine Zufallsergebnisse. Wir brauchen vor allem nicht noch weitere Forschung an der Maus, über die Maus wissen wir ziemlich genau Bescheid. Wir brauchen Forschung am Menschen und Erkenntnisse über den menschlichen Organismus, und da ist die Maus ungeeignet, und die anderen Tierversuche sind es auch. Also lassen Sie uns in die anderen, in die erfolgversprechenden Methoden investieren. Ich bitte Sie deshalb: Stimmen Sie unseren beiden Anträgen heute zu!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

Vielen Dank, Frau Hämmerling! – Für die SPD-Fraktion hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Karge. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Hämmerling! Ich habe Ihnen, glaube ich, schon vor einem knappen Jahr bestätigt, dass ich Ihre Argumente als ehrenwert betrachte. Allerdings sind viele Ihrer Argumente, die Sie auch heute wieder vorgetragen haben, nicht der Wahrheit letzter Schluss. Sie sehen das aus einer sehr subjektiven Sichtweise. Das kann ich auch verstehen, das ist ein emotional aufgeladenes Thema. Aber wir diskutieren darüber, was das Beste für die Forschung und auch das Beste für die Wissenschaft und den Standort in Berlin ist! Ich denke, Anlass der heutigen Diskussion ist vor allem noch mal die Frage des neuen Gebäudes, das für die Charité zum Thema Tierexperimente errichtet wird.

Ich glaube, wir haben in den letzten Jahren schon alle wichtigen Dinge zu dem Für und Wider von Tierversuchen erörtert. Aber wenn es sein muss, werden wir es heute noch ein weiteres Mal machen. Ich befürchte, es wird auch nicht das letzte Mal sein, nur der Gehalt an neuen Informationen, das muss man ehrlicherweise sagen, die wir uns gegenseitig zuwerfen, dürfte überschaubar sein.

[Philipp Magalski (PIRATEN): Weil die Forschung nicht gestärkt wird!]

Ganz locker bleiben! – Richtig ist, dass es durch den Neubau zu einer Ausweitung der Gesamtkapazität an möglichen Tierversuchen kommt. Jedoch daraus platt zu schließen, dass es durch den Neubau zu einer Ausweitung von Tierversuchen kommt, greift zu kurz.

[Zuruf von Heidi Kosche (GRÜNE)]

Die Ursache und Wirkung müssen wir im Auge behalten. Vielleicht liegt es auch ganz einfach daran, dass der Bereich der Biotechnologie und die dazugehörige Forschung in Berlin wachsen. Da sind wir uns, hoffentlich, alle einig. Das ist auch gut so.

[Zuruf von Claudia Hämmerling (GRÜNE)]

Jedoch kommt die Forschung bezogen auf die Gesamtforschung im Verhältnis zu Tierversuchen mit immer weniger Tierexperimenten aus.

[Philipp Magalski (PIRATEN): Reicht aber noch nicht!]

Mit immer weniger Tieren können mehr Experimente durchgeführt werden, und zum Teil kann auch auf Tierexperimente verzichtet werden.

Eine wichtige Aussage ist außerdem: Pro Forscher nimmt die Anzahl der Tierexperimente ab. Auch dies ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass in der Forschung sehr

seriös mit dem Thema Tierversuche umgegangen wird. Wer sich intensiver mit dem Neubau beschäftigt hat, der weiß auch: Es werden dort Methoden angewandt, die es erlauben, mit weniger Tieren mehr Experimente durchzuführen.

Es handelt sich also genau um das Gegenteil der befürchteten Ausweitung von Tierexperimenten. Es handelt sich im Kern um das, was auch Tierschützer anmahnen: eine Verbesserung der Bedingungen für Tierexperimente im Sinne von Tierschützern bis hin zu der bemängelten Praxis. Übrigens steigen, absolut gesehen, auch die Zahlen für Alternativmethoden.

Zu Ihrem Antrag bezüglich der Studiengänge: Natürlich kann man über alles reden. Wir werden jedoch nicht von dem Zuweisungsmodell abweichen. Das bedeutet also, wenn die Nachfrage nach derartigen Studiengängen nicht oder nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist, dann werden wir dies auch nicht machen. Und in die Curricula bestehender Studiengänge werden wir auch nicht eingreifen. Wenn vor einigen Wochen vier Nobelpreisträger und über 150 Patienten und Forschungsorganisationen davor gewarnt haben, auf Tierversuche zu verzichten, dann ist das wohl auch ein deutlicher Hinweis darauf, dass wir mit Alternativmethoden allein zurzeit noch keine Lösung für die Fragestellung der Forschung haben. Es bleibt auch weiterhin in der Sache so, dass Tierversuche zurzeit nicht komplett ersetzbar sind, aber keine Forschungseinrichtung führt Tierversuche durch, um Tiere zu quälen und zu töten.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte das hier zu Ende bringen. – Die Kosten für Tierversuche sind hoch, und der bürokratische Aufwand ist nicht zu vernachlässigen. Ansonsten sind wir, glaube ich, alle der Überzeugung: Tierversuche müssen auf ein notwendiges Mindestmaß begrenzt werden. Dies ist auch der Beschluss aus dem letzten Jahr, den wir gemeinsam gefasst haben. – Insofern ist alles gesagt worden.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Torsten Schneider (SPD): Bravo!]

Das Wort zu einer Zwischenbemerkung hat die Frau Abgeordnete Hämmerling.

Schönen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Karge! Sie sagten, wir können heute noch nicht auf Tierversuche

verzichten. Das mag stimmen. Aber wann, glauben Sie, kann man denn auf Tierversuche verzichten, wenn man nicht die Ersatzmethoden entwickelt?

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Genau da tun Sie nichts. 60 Millionen Euro in die Infrastruktur von zwei neuen Tierversuchslaboren! In den Koalitionsvertrag haben Sie geschrieben: Wir wollen aus den Tierversuchen ausstiegen, wir wollen die Ersatzmethoden fördern. – Aber Sie geben dort nicht einen einzigen Cent für Forschungsmittel aus. Wie wollen Sie dazu kommen, dass wir in Zukunft auf Tierversuche verzichten können?

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Philipp Magalski (PIRATEN): Wahlbetrug war das!]

Vielen Dank, Frau Hämmerling! – Möchten Sie replizieren, Herr Karge? – Sie verzichten. Dann hat jetzt das Wort für Die Linke Frau Abgeordnete Platta. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Karge hat es ja schon angeschnitten: Als das Abgeordnetenhaus am 16. Oktober letzten Jahres den Senat aufgefordert hat, Berlin zur Forschungshauptstadt für Alternativmethoden zu Tierversuchen zu machen, sollte es endlich mit dem verstärkten Einsatz aus den Senatsverwaltungen und der Förderung für Alternativmethoden losgehen. Am 31. Mai 2015 kam zwar nach Auftrag die Mitteilung – zur Kenntnisnahme – Drucksache 17/2204 pünktlich, aber mit 17 Zeilen gehörte sie zu den inhaltlich dünnsten in diesem Hause. In den 17 Zeilen befindet sich auch noch der übliche Schlusssatz – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin –: „Ich bitte, den Beschluss damit als erledigt anzusehen.“ Gezeichnet vom Senator für Justiz und Verbraucherschutz.

[Philipp Magalski (PIRATEN): Wo ist er eigentlich?]

Und ich frage mal, warum eigentlich nicht von dem Haus, in dem Wissenschaft angesiedelt ist.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Hervorgehoben werden in der Mitteilung die Bedeutung der Forschung, die Beteiligung alle zwei Jahre an der Auszeichnung für den Tierschutzforschungspreis und die Einrichtung einer Professorenstelle für experimentelle Toxikologie und Alternativen zu Tierversuchen. Damit soll die Forschungshauptstadt schon erreicht sein? Erledigter Beschluss, das kann nach den Debatten hier im Haus, auch heute wieder und nach den Beteuerungen zur Notwendigkeit der Ersatzmethodenforschung in den Ausschüssen nur als ein absolutes Armutszeichen gelten.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Ich bin nicht sicher, ob Sie, sehr geehrte Kollegen der Koalition, sich mit einer solchen Mitteilung ernst und angenommen fühlen. Die Erwartungen in der Stadt zur Entwicklung einer Forschungshauptstadt sind jedenfalls größer, als die Definition des 3R-Prinzips aus dem vorigen Jahrhundert in die Öffentlichkeit zu tragen.

Es geht vielmehr darum, diesen wichtigen Punkten für den Tierschutz und für die Humanmedizin auch mit Leben zu erfüllen und rechtlich vorgesehene Umsetzungen von Gesetz und Richtlinien mit Maßnahmen zu begleiten. Die vorliegenden Vorschläge vom November, also die Beschlüsse, die wir heute wieder auf dem Tisch haben, sollten die Forschungshauptstadt voranbringen, vielleicht nicht in jedem Punkt konkret, aber doch ging es darum, in der Forschung neue Studiengänge mit dem Fokus auf Ersatzmethoden und mit einer Bundesratsinitiative zur Aufwertung der Ersatzmethoden voranzukommen.

Leider kommt es heute nicht zu der ersehnten Mehrheit, um da mehr zu tun. Einen mehrheitsfähigen Änderungsantrag hat es auch nicht gegeben.

[Philipp Magalski (PIRATEN): Ja, warum nur?]

Also Schritte zurück zu der Zeit Oktober 2014! Den Beschluss vom Oktober 2014 sehen wir unter diesen Umständen und mit der fortgesetzten Debatte auch heute nicht als erledigt an. Sie sollten das auch nicht tun, werte Kollegen aus der Koalition. Wir fordern also daher gemeinsam den verstärkten Einsatz des Senats für dieses Thema, und zwar des ganzen Senats.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Platta! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Dr. Hausmann. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Tierschutz hat in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Er hat als Staatsziel Eingang in unsere Verfassung und in unsere Gesetze gefunden. Meiner Meinung nach besteht Einigkeit darin, Tiere zu schützen, Tierversuche auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Uns allen ist klar, Tierversuche müssen die Ausnahme sein.

Bei dem Ansinnen, Tierversuche weitestgehend zu vermeiden, ist es richtig, alternative Forschungsmethoden weiterzuentwickeln. Es ist aber auch notwendig, mit Vernunft und mit Augenmaß die Tierschutzstandards im

(Claudia Hämmerling)

Land Berlin fortwährend zu überprüfen. So schränkt das Tierschutzgesetz in rechtlicher Hinsicht die Zulässigkeit von Tierversuchen deutlich ein. In der Praxis prüft mitunter das LAGeSo, ob der Tierschutz in Berlin gewährleistet wird.

Der hier gegenständliche Antrag zielt teilweise darauf ab, sich im Rahmen der Hochschulverträge gegen Tierversuche einzusetzen. Nach meinem Dafürhalten allerdings ist das Instrument eines Hochschulvertrags der falsche Weg, um Hochschulen zu entsprechenden Alternativmethoden zu verpflichten. Die Hochschulverträge sind zum einen befristet, konkret ist das hier bis 2017 der Fall, danach müsste man die Hochschulverträge, die dann ab 2018 in einer neuen Form gelten, wieder zusammen mit diesem Thema neu aufrollen. Das kann nicht der richtige Weg sein.

[Ajibola Olalowo (GRÜNE): Kein Argument!]

Zum anderen wird es verfassungsrechtlich bedenklich sein, in die Wissenschaftsfreiheit einerseits und in die Hochschulfreiheit andererseits in diesem Maße zumindest mit Hochschulverträgen einzugreifen. Tierschutz als eine vertragliche Pflicht, so wie es hier in dem Antrag formuliert ist, passt nicht wirklich. Wenn man den Tierschutz in den Hochschulen auf den Prüfstand bringt, sollten wir nicht der Versuchung unterliegen, den Hochschulen zu unterstellen, dass sie den Tierschutz ablehnen würden. Nein, mitnichten, das ist nicht zutreffend. Genau das Gegenteil ist der Fall!

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

In der Sache selbst gibt es bereits erhebliche Maßnahmen zur Förderung und Stärkung alternativer Ersatzmethoden zu Tierversuchen wie z. B. die Auslobung eines Berliner Tierschutzforschungspreises. Es gab auch die Berufung des Landestierschutzbeauftragten. Zudem wurde an der Charité eine W3-Professur für experimentelle Toxikologie und Alternativen zum Tierversuch eingerichtet. Im Klartext: Maßnahmen zur Verbesserung des Tierschutzstandards werden in Berlin bereits zunehmend umgesetzt.