Protocol of the Session on May 28, 2015

Noch nicht darin enthalten sind die Maßnahmen für den Radverkehr aus den Unterhaltungsmitteln der Bezirke, aus den Investitionsmitteln des allgemeinen Straßenbaus, aus dem Straßeninstandsetzungsprogramm, aus unserem Städtebauförderprogramm aktive Zentren und anderen. Wir sind auf einem guten Weg, die angestrebte Zielmarke von 5 Euro pro Einwohner und Jahr tatsächlich zu erreichen.

Hier sind vorhin Paris und London als Beispiele genannt wurden. Boris Johnson, der Bürgermeister von London, investiert 200 Millionen Pfund in den Fahrradausbau. Wenn wir uns einmal anschauen, auf welcher Basis London arbeitet, ist es auch bitter nötig. Wer einmal in dem

Stau in der Londoner Innenstadt gestanden hat, weiß, was da abgeht.

[Beifall bei der SPD]

Und wer die öffentlichen Verkehrsmittel in London benutzt hat, der weiß, was da abgeht, und er weiß auch, dass man dort nur mit solch riesigen Summen tatsächlich etwas verändern und bewegen kann. Der Unterschied zu Berlin ist nur, dass wir kontinuierlich investieren.

Herr Senator! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lauer?

Gern!

Herr Senator Geisel! Ich weiß nicht, was da abgeht. Können Sie vielleicht erläutern, was da abgeht?

Sie meinen den Stau in der Londoner Innenstadt? Autoverkehr ist in der Londoner Innenstadt praktisch nicht mehr möglich. Dafür ist eine City-Maut in der Londoner Innenstadt eingeführt worden, die aber auch nicht zu einer Verringerung des Autoverkehrs geführt hat. Deshalb setzt London nun darauf, die Radwege auszubauen. Es ist richtig, was in London passiert. Berlin hat es aber schon Jahrzehnte vorher getan. Deswegen gehen wir von ganz anderen Grundlagen aus.

Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs sind in Berlin vergleichsweise preiswert und kosteneffektiv, zumal der vorhandene Verkehrsraum genutzt werden kann. Es ist richtig, die Umsetzung der Radverkehrsstrategie erfordert eine Reihe von Maßnahmen, deren Finanzierung gesichert sein muss. Personal gehört unstrittig dazu. Es ist übrigens nicht nur beim Radverkehr der Fall, dass Personal dazu gehört, sondern auch in allen anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes, die das Wachstum der Stadt bewältigen müssen. Auch da gehört Personal in Zukunft dazu.

Wir haben eine große Herausforderung, die Verbesserung der Verkehrssicherheit. Die Zahlen sind hier genannt worden. In der Tat ist die Zahl der verunglückten Radfahrer leider angestiegen, proportional zur Steigerung des Verkehrs, nicht überproportional, aber jeder Verkehrstote – wir hatten zehn getötete Radfahrer 2014 – ist einer zu viel. Dafür muss man die Infrastruktur verbessern. Wir brauchen planerische Lösungen zur Entschärfung von Unfallschwerpunkten. Wir brauchen Präventions

(Senator Andreas Geisel)

maßnahmen, Mobilitätserziehung, Verkehrsüberwachung. Ich will das alles nicht wiederholen. Es ist hier richtig gesagt worden. Daran müssen hart arbeiten.

Ich war gestern in der Enquete-Kommission Neue Energie. Einer der Anzuhörenden hat ein Zitat vorgetragen – ich weiß nicht, von wem es stammt, aber ich fand es richtig –: Die Menschheit überschätzt, was in zwei Jahren zu verändern ist, aber die Menschen unterschätzen, was in zehn Jahren bewegt werden kann.

[Daniel Buchholz (SPD): Bill Gates! – Zurufe]

Aha, Bill Gates. Danke! – Deshalb kann ich es Ihnen nicht ersparen, die Erfolgsliste der vergangenen zehn Jahre einmal vorzutragen und darzustellen, was in Berlin passiert ist.

Darf ich Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gelbhaar zulassen?

Vielleicht, nachdem ich die Erfolgsliste vorgetragen habe.

[Beifall bei der SPD – Heiterkeit]

Wir haben in den vergangenen zehn Jahren über 200 km neue Radfahr- und Schutzstreifen an Hauptverkehrsstraßen angelegt.

[Beifall bei der SPD]

Wir haben in den vergangenen zehn Jahren 100 km bestehender Radverkehrsanlagen saniert.

[Beifall bei der SPD]

Es wurden 27 000 Fahrradabstellanlagen an Stationen des öffentlichen Personennahverkehrs hergestellt. Es sind zehn Fahrradhauptrouten ausgewiesen worden, weitere kommen in den nächsten Jahren hinzu. Der Radverkehr ist in vielen Einbahnstraßen im Gegenverkehr freigegeben worden. Ein System öffentlicher Leihfahrräder mit über 150 Stationen in der Innenstadt ist aufgebaut worden. Das Verständnis für Radverkehr in der Stadt ist dramatisch gestiegen. Es sind GPS-Tracks für Radrouten eingerichtet wurden. Wir haben die Kampagne Rücksicht im Straßenverkehr gestartet. Das ist übrigens ein Thema, dass heute hier noch nicht angesprochen wurde. Rücksicht im Straßenverkehr ist eben nicht nur ein Thema für die Autofahrerinnen und Autofahrer.

[Beifall bei der SPD]

Wenn ich mich mit Verbänden der Sehbehinderten unterhalte, ist die Thematik der Rücksichtslosigkeit von Fahrradfahrern durchaus auch ein Thema in der Stadt. Deswe

gen ist diese Kampagne im Radverkehr im Zusammenhang mit dem Radverkehr auch von enormer Bedeutung.

[Beifall bei der SPD]

Wir haben einen Fahr-Rat eingerichtet, ein Beratungsgremium, das sich aus 28 Vertreterinnen und Vertretern der verschiedensten Themenbereiche des Radverkehrs zusammensetzt. Es gibt regelmäßige Runden mit den Bezirken. Die müssen wir nicht neu erfinden.

Was ist kurzfristig in 2015 geplant? – Ich nenne eine kurze Auswahl dessen, was wir noch in diesem Jahr machen: Es werden 20 km neue Radverkehrsanlagen angelegt, weitere 10 km alte Radverkehrsanlagen werden saniert, Beispiele Schutzstreifen in der Kaiserstraße, Schutzstreifen Danziger Straße, Gartenfelder Straße, Sanierung des Radwegs Falkenseer Chaussee. Es werden weitere Fahrradrouten ausgewiesen, vor allem die Route Westspange Steglitz, Märkisches Viertel, Dahmeradweg. Es kommen weitere 1 000 Abstellanlagen an Bahnhöfen dazu, die wir aufbauen. Wir bauen gerade den Unfallschwerpunkt Moritzplatz um. Wir entwickeln die Strategie Fahrradparkplätze mit Fahrradparkhäusern. In der Warschauer Straße entsteht eine Gesamtlösung zur Bewältigung des Verkehrs, auch des Fahrradverkehrs. Das ist die Erfolgsliste. – Herr Gelbhaar wollte eine Frage stellen. Jetzt wäre die Gelegenheit, bevor ich zum Fazit komme.

Besteht noch der Bedarf, Kollege Gelbhaar?

Der Bedarf ist angesichts der Erfolgsgeschichte angewachsen. Ich finde den Begriff im Berliner Kontext immer etwas schwierig. Ich habe anderthalb Fragen. Die erste Frage lautet: Sie haben so schön dargestellt, was man alles machen könnte und was irgendwann passiert. Können Sie auch das Verhältnis der Investitionen in den Fahrradverkehr zu den Investitionen im Straßenverkehr darstellen? Die zweite Frage, quasi eine Zusatzfrage, ist: Kollege Friederici hat gerade eine Kennzeichenpflicht für Fahrräder gefordert. Ist das eine Forderung des Kollegen Friederici, oder eine koalitionäre, oder gar eine des Senats?

Um mit Letzterem zu beginnen: Darüber müssen sich Herr Friederici und ich sicherlich noch einmal unterhalten,

[Heiterkeit – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

was aber noch nichts zum Ergebnis der Unterhaltung sagt, um auch das klarzustellen.

(Senator Andreas Geisel)

Und das Verhältnis Fahrradverkehr zu Kosten im Autoverkehr – die Frage können Sie selbst beantworten. Das ist ja gerade das Gute am Fahrradverkehr, dass es sich im vorhandenen Straßenraum um Investitionen handelt und dass Investitionen im Fahrradverkehr mit relativ wenig Geld relativ viel bewirken können.

[Beifall von Ole Kreins (SPD)]

Ja, Straßenbau ist teurer, aber es ist klug, in den Fahrradverkehr zu investieren. Ich habe dargestellt, dass da in den vergangenen Jahren eine ganze Menge geschehen ist, mehr, als Sie hier am Mikrofon zugegeben haben.

[Lachen bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Meine Einschätzung: Die Radverkehrsstrategien Berlin laufen durchaus positiv. Wo wir uns auf dem Weg zur Fahrradstadt sehen – das hängt ganz von den eigenen Maßstäben ab.

[Martin Delius (PIRATEN): Genau!]

Macht ein Vergleich, der hier geführt worden ist, mit kleineren, traditionellen Fahrradstädten, mit Münster oder Kopenhagen oder mit anderen Millionenstädten wie München oder Hamburg oder mit europäischen Metropolen wie London oder Paris Sinn?

[Zurufe von den PIRATEN]

Zu London habe ich vorhin schon etwas gesagt. Vielleicht noch mal ein Vergleich mit Kopenhagen! Kopenhagen hat 580 000 Einwohnerinnen und Einwohner, ist also so groß wie zwei Berliner Bezirke. Flächenmäßig ist Kopenhagen so groß wie Berlin innerhalb des S-Bahnrings. Nehmen wir diese Fläche für Berlin an, dann sehen die Zahlen bei uns deutlich besser aus. Weil Berlin größer ist, sind die Zahlen anders, und in den Außenbezirken haben wir durchaus Probleme. Hinzu kommt: In Berlin haben wir einen wesentlich besseren und wesentlich robusteren öffentlichen Personennahverkehr als in Kopenhagen.

[Beifall von Ülker Radziwill (SPD) und Ole Kreins (SPD)]

Aber volle Radwege gibt es in Kopenhagen ganz genauso. Wenn viele Radfahrer unterwegs sind, dann sind die Radwege voll.

Eine solche Debatte könnte man jetzt auch zu Münster führen. Münster ist eine Stadt ungefähr so groß wie ein Berliner Bezirk,

[Martin Delius (PIRATEN): Das hat Herr Kreins schon gesagt!]

hat aber auch einen deutlich schwächeren öffentlichen Personennahverkehr. Die Dimensionen sind nicht vergleichbar. Die Erreichbarkeit innerhalb von Münster ist eine ganz andere für die Entfernungen als in Berlin, deshalb sind die beiden Städte nicht vergleichbar. Ich gratuliere Münster ganz ausdrücklich zum guten Abschneiden

beim ADFC-Test, aber eine Vergleichbarkeit mit Berlin ist nicht wirklich gegeben.