Protocol of the Session on May 28, 2015

[Dr. Manuel Heide (CDU): Na, na!]

Sie meinen, es würde die Rolle der Frauenvertreterinnen schwächen. Ich sage Ihnen, das stimmt nicht. Es würde eher die Frauenvertreterinnen in ihrer Arbeit stärken. Das Verbandsklagerecht ist auch eine Forderung – das ist auch kein Geheimnis – der Frauenvertreterinnen. Frau Czyborra! Was Sie hier erzählen, ist völlig absurd, dass

sie das schwächen würde. Also die Frauenvertreterinnen fordern das selber. Insofern müssten Sie sich ein anderes Argument suchen. Das stimmt so nicht.

Das Landesgleichstellungsgesetz fordert, dass in Unternehmen mit Landesbeteiligung Frauenvertreterinnen gewählt werden. Frauenvertreterinnen können gegen LGG-Verstöße klagen. Dazu muss es aber auch Frauenvertreterinnen in Unternehmen geben. Weniger als die Hälfte der Beteiligungsunternehmen, also fast 41 Prozent, haben überhaupt keine Frauenvertreterin im Amt.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Ist ja unglaublich!]

Das muss man sich noch mal vergegenwärtigen. 41 Prozent! Das geht, Frau Czyborra, aus der Antwort auf Ihre Kleine Anfrage von 2013 hervor. Ich glaube, an dieser Situation hat sich auch jetzt, im Jahr 2015, kaum etwas verändert. Insofern muss man sich auch noch einmal dieses Argument zu Gemüte führen.

Nehmen wir etwa die Messe: Angekündigt ist, im ersten Quartal 2015 endlich eine Frau zu wählen. Nun wissen wir nicht, ob das erfolgt ist oder nicht. Bisher liegen uns keinerlei Informationen vor. Das wäre aber, wenn es erfolgt ist, nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die 50-Prozent-Marke bei der Wahl von Frauenvertreterinnen in Beteiligungsunternehmen ist damit noch nicht geknackt. Und es zeigt sich auch deutlich, dass externe Instrumentarien wie ein Verbandsklagerecht hermüssen. Denn wenn intern kein Wille da ist, muss die Abhilfe eben von außen kommen.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Es ist auch ein Trauerspiel, dass das Landesgleichstellungsgesetz permanent missachtet oder unterwandert wird. Für die Berliner Regierung ist das Wort Gleichstellung auch in anderen Bereichen – Gleichstellungsprogramm, Rahmenprogramm – in dieser Legislaturperiode ein Fremdwort, liebe Frau Czyborra.

[Torsten Schneider (SPD): Das ist doch Quatsch, was Sie hier erzählen!]

Das führen Sie uns jedes Mal im Ausschuss vor, und das muss ich hier ganz deutlich sagen. Ein Gesetz wie das Landesgleichstellungsgesetz muss den jeweiligen Gegebenheiten angepasst werden. Das haben wir in unserer Regierungszeit gemacht. Was haben Sie gemacht? – Nichts haben Sie gemacht!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Und die Schließung dieser eklatanten Lücke ist überfällig.

Meine Fraktion Die Linke unterstützt diesen Antrag, und ich habe Ihnen die Argumente hier dargelegt. Stimmern Sie dem Antrag zu! – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Kollegin Sommer! – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt die Kollegin Vogel, und sie hat das Wort. – Bitte sehr!

[Canan Bayram (GRÜNE): Überraschen Sie uns mal! – Torsten Schneider (SPD): Jetzt kommt mal eine kenntnisreiche Rede!]

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den vorliegenden Antrag haben wir inzwischen mehrfach und ausführlich besprochen, in der Plenarsitzung am 7. März 2013, im Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen am 19. März 2015. Ich mache es deshalb heute kurz. Es geht in dem Antrag um die Einführung eines Verbandsklagerechts im Berliner Landesgleichstellungsgesetz. In der gesamten Debatte sind für mein Empfinden keine neuen Tatsachen genannt worden, die eine nochmalige Besprechung heute notwendig machen. Aber wenn Ihnen keine anderen Themen einfallen – bitte!

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Das ist das parlamentarische Verfahren!]

Unsere Meinung dazu ist klar: Ein Verbandsklagerecht verbessert in diesem Fall nicht den Rechtsschutz. Es bietet auch kein wirkliches Mehr an Rechtssicherheit für Frauen. Auch der von Ihnen, Frau Kofbinger, geschilderte Einzelfall wäre durch die Einführung eines Verbandsklagerechts mit Sicherheit nicht zu verhindern gewesen.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Doch!]

Die Rechtsschutzmöglichkeiten des Landesgleichstellungsgesetzes sind für mein Empfinden durchaus hinreichend. Die erste Möglichkeit ist § 18, welcher vorsieht, dass Frauenvertreterinnen Verstöße gegen das Landesgleichstellungsgesetz geltend machen können, zunächst bei ihrer eigenen Dienststelle und, wenn das nicht zum Erfolg führt, bei dem für Frauenpolitik zuständigen Mitglied des Senats. Eine weitere Möglichkeit bietet § 20, welcher es der Frauenvertreterin ermöglicht, das Verwaltungsgericht anzurufen, um ihre Rechte geltend zu machen. Weiter haben persönlich betroffene Frauen ohnehin die Möglichkeit, selbst gegen die Verletzung ihrer Rechte zu klagen, auch auf der Grundlage des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

Aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten, gegen eventuelle Verstöße des Landesgleichstellungsgesetzes vorzugehen, stellt sich daher die Frage, warum nun auch noch Verbänden ein zusätzliches Klagerecht im Interesse einzelner Betroffener eingeräumt werden soll. Tatsache ist,

dass es in der Praxis bisher nur sehr wenige Klagen zum Landesgleichstellungsgesetz gibt. Schon allein deshalb sehe ich hier keinerlei Handlungsbedarf.

Frau Sommer! Ehrlich gesagt lässt sich für mich nicht nachvollziehen, warum Sie Ihre Meinung inzwischen grundlegend geändert haben.

[Evrim Sommer (LINKE): Das habe ich Ihnen doch erklärt!]

Noch im November 2010 haben Sie keinerlei Notwendigkeit für ein Verbandsklagerecht ausmachen können. Sie sagten: Frauen sind keine Tiere. Tiere und Bäume können sich nicht selbst vertreten, Frauen schon. – Frau Sommer! Was hat sich denn inzwischen an Ihrem Frauenbild geändert, dass Sie jetzt ein Verbandsklagerecht unterstützen?

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, danke! – Stellen Sie die Frauen jetzt auf eine Stufe mit Tieren und Bäumen?

Meine Fraktion wird diesem Antrag nicht zustimmen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Kollegin Vogel! – Jetzt hat für die Piratenfraktion der Kollege Kowalewski das Wort. – Bitte sehr!

[Canan Bayram (GRÜNE): Jetzt kommt ein Frauenversteher!]

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen! Aus Gründen der einfacheren Zuhörbarkeit ist diese Rede im generischen Femininum gehalten – männliche Personen sind natürlich mit gemeint.

Wir reden heute wieder einmal – das hat Kollegin Czyborra völlig richtig festgestellt – über ein Verbandsklagerecht. Verbandsklagerechte sind immer dann wichtig, wenn der Individualrechtsschutz nicht möglich ist – die Natur zum Beispiel, das haben wir gehört, kann selber nicht klagen – oder – das ist auch ein gutes Argument dafür – wenn der Individualrechtsschutz augenscheinlich nicht funktioniert. Und das zeigt unsere Erfahrung mit dem LGG, dass das da so ist.

Wir haben Unternehmen mit Landesbeteiligung, in denen es auch heute noch keine Frauenvertreterin gibt, zu

mindest ist das unser Kenntnisstand. Vielleicht haben Sie kleinlaut heimlich eine gewählt, aber das glaube ich nicht. Allein damit ist schon gegen das LGG verstoßen. Aber richtig schlimm wird es dann, wenn zum Beispiel Besetzungsverfahren klar entgegen der LGG-Vorgaben durchgeführt werden, was in diesem Fall auch schon automatisch der Fall ist, weil eben keine Frauenvertreterin eingebunden werden kann, und dann kann auch keine Frauenvertreterin dagegen vorgehen. Wer soll denn dann bitte intervenieren? Vonseiten der Verwaltung bestimmt niemand, denn das hat schon einmal eine Senatorin den Job gekostet.

Aber was passiert denn viel häufiger? – Unternehmen oder Behörden haben zwar eine Frauenvertreterin oder Gleichstellungsbeauftragte, aber werden sie nicht entsprechend des LGG in Auswahlverfahren, Einstellungen, Besetzungen von Ausbildungsplätzen, Beförderungen, Weiterbildungsmaßnahmen usw. einbinden oder ihre Einwände nicht berücksichtigen. Klar, die Frauenvertreterinnen können sich dann beschweren – bei genau den Leuten, die gerade gegen das Gleichstellungsgesetz verstoßen haben. In manchen Unternehmen hat das ungefähr den gleichen Effekt, als würden sie mit der Wand reden.

Natürlich sind die Frauenvertreterinnen auch prinzipiell vor Diskriminierungen aufgrund dieser Tätigkeit geschützt, aber in einer Organisation, in der das Landesgleichstellungsgesetz ohnehin für eine Art unverbindlicher Vorschlagskatalog gehalten wird, wissen die Frauenvertreterinnen wohl auch am allerbesten, dass sie sich keine große Karriere in dem Unternehmen mehr zu erhoffen brauchen, wenn sie dieser Tätigkeit allzu engagiert nachgehen.

Natürlich sind sie auch nicht von der Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber entbunden. Deswegen wird es auch schwierig, diese Verstöße in irgendeiner Form öffentlich zu machen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage Ihres Kollegen Magalski?

Aber gerne!

Bitte sehr!

Herr Kollege Kowalewski! Sind Sie mit mir der Meinung, dass trotz des viel gerühmten Landesgleichstellungsgesetzes an vielen Stellen immer noch ein Scheißpatriarchat herrscht?

Das rüge ich als unparlamentarisch – ersetzen wir durch: unwürdiges Patriarchat. – Bitte schön!

[Canan Bayram (GRÜNE): Gibt es auch ein würdiges Patriarchat?]

Ja, ich bin der Meinung, dass wir eigentlich überall in der Gesellschaft immer noch ein Patriarchat haben, das stark nach Exkrementen riecht, weil: Ansonsten brauchten wir gar nicht dieses Landesgleichstellungsgesetz. Aber die Fälle, die wir hier gehört haben, zeigen, dass wir es brauchen. Der optimale Zustand wäre natürlich, wenn wir es heute abschaffen könnten, weil wir sagen würden: Wir brauchen es nicht mehr. Das ist leider nicht der Fall. Wir müssen es sogar noch verstärken, damit es noch durchsetzungsfähiger wird, weil es ansonsten immer wieder zu Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts kommen wird.

Ich war gerade bei der Treuepflicht stehengeblieben – deswegen kann ich jetzt auch keine Namen nennen. Ich treffe mich regelmäßig mit Frauenvertreterinnen. Ich kann sagen, dass in Berlin immer wieder gegen das Landesgleichstellungsgesetz verstoßen wird, in ganz großen Beispielen, wie wir das gerade eben im Vortrag von Kollegin Kofbinger gehört haben, aber auch in ganz vielen kleinen Fällen. Es sind also keine bedauerlichen Einzelfälle.

Und wer soll dagegen klagen? Die nicht eingestellte Bewerberin? – Die wird große Probleme haben nachzuweisen, dass sie aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert wurde. Und die Stelle ist dann ohnehin weg. Die Frauenvertreterin, wie wir gerade gehört haben, nach § 20 Landesgleichstellungsgesetz, und zwar gegen das Unternehmen oder gegen die Behörde, die sie vertritt? – Das ist eigentlich auch eher ein In-sich-Geschäft, das vor allem Folgen für eben diese Frauenvertreterin hat. Die Mitarbeiterin, die keine Fortbildung bewilligt bekommt? – Da können wir uns auch vorstellen, dass das nicht viel hilft. Klagen muss eine Stelle, die selbst nicht in dem Unternehmen sitzt, die auch nicht nur eine konkrete Entscheidung anfechten, sondern strukturelle Diskriminierung grundsätzlich angehen kann.

Der Antrag macht hier einen sehr sinnvollen Vorschlag: nach engmaschigen Vorgaben anerkannte Vereine, die sich für die Gleichstellung der Geschlechter engagieren. So ist einerseits sichergestellt, dass dieses Klagerecht nicht aus anderen Motivationen heraus missbraucht wird, andererseits aber auch – eben weil die klagebefugten Vereine nur über begrenzte Mittel verfügen –, dass sie eben auch nur dann klagen, wenn die Erfolgsaussichten entsprechend hoch sind. Eine substanzlose Klagewelle,

die wahrscheinlich manche befürchten, ist nicht zu erwarten.