Dann kommen wir zum Antrag selbst und zur Frage, ob man die Stromnetzvergabe neu ausschreiben soll. Der Antrag der Linken stellt vor, dass sich alle Probleme von alleine lösen, wenn man auf null zurücksetzt. Das sehe ich nicht so, und für mich ist der Zeitverzug, der möglicherweise dadurch entstehen würde, uninteressant. Sicherlich würde es dann sechs, sieben Monate länger dauern, aber das ist nicht der entscheidende Punkt. Die Frage, wenn man auf null stellt und eine Neuausschreibung macht, ist, ob sich dann ein Bewerber – zum Beispiel der von Ihnen genannte – benachteiligt fühlen könnte und deshalb zum Klageverfahren greifen würde oder ob das Auswirkungen auf den späteren Kaufpreis hat. Das sind
alles Dinge, die man seriös berücksichtigen muss. Man kann nicht einfach sagen: Das ist die Lösung, und anders machen wir das nicht!
Wir haben uns das Urteil zum Gasnetz angesehen. Ich sage ganz offen für unsere Fraktion: Wir finden das Urteil erstaunlich, weil es sehr einseitig ist. Wir haben auch den Eindruck, dass das Gericht schon vorher wusste, was es aufschreiben soll. Wenn man sich dann die Urteilsbegründung genauer ansieht, gibt es da sehr viele Gründe, weshalb man in Berufung gehen muss. Das hat der Finanzsenator getan, und das musste auch sein, schon aus wirtschaftlichen Gründen. Man stelle sich vor, wir würden nicht in die Berufung gehen! Was hätte das denn für Konsequenzen? – Unsere Position im laufenden Verfahren wäre deutlich schwächer.
Es ist auch richtig, dass Berlin-Energie als Betroffener Berufung eingelegt hat. Wir halten es übrigens für grundsätzlich falsch, dass das Landgericht so getan hat, als ob Berlin-Energie gar nicht beteiligt wäre. Das ist eine relativ absurde Entscheidung. Das Landgericht hat übrigens nicht der GASAG den Zuschlag gegeben, sondern einfach gesagt, es sehe das Verfahren nicht als korrekt an, und hat seine Kriterien genannt. Deshalb scheint es uns im Augenblick sinnvoller, das Verfahren möglicherweise nachzubessern und eben nicht auf null zu setzen.
Ich will drei Punkte nennen, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen: Der erste Punkt ist die Frage der Unterkriterien. Das ist eine Debatte, die wir schon mit dem alten Finanzsenator hatten. Der neue Finanzsenator sieht das, glaube ich, wie ich – da muss man etwas machen. Man hätte vielleicht, wenn man die Einzelentscheidungen anderer Gerichte sieht, früher schon das eine oder andere tun können. Das Zweite ist die sogenannte change of control. Da gibt es eine Debatte im Bundeskartellamt. Wir halten diese Klausel für zwingend. Aber sie muss natürlich rechtssicher angewandt werden.
Der dritte Punkt ist die finanzielle Ausstattung von Berlin-Energie. Da ist klar: Die Eignung als Netzbetreiber darf nicht in Frage gestellt werden. Was das Gericht allerdings dazu aufgeschrieben hat, halten wir für absurd, und schon deshalb ist es richtig, vor dem Kammergericht in Berufung zu gehen. Ich würde dabei dem Senat ganz offen empfehlen, nicht nur mit der bisherigen Rechtsvertretung anzutreten. Ich glaube, es wäre ganz gut, wenn andere da mithelfen. Alle, die bei der Urteilsverkündung dabei waren, haben mir gesagt: So ganz perfekt war der Aufschlag derjenigen, die das rechtlich vertreten haben, nicht. Da ist Nachbesserungsbedarf. Auch die Debatte um die Rechtsform von Berlin-Energie zeigt, dass es da Veränderungsbedarf gibt.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass der neue Finanzsenator alles dafür tut, die Verfahren rechtssicher zu Ende zu führen. Das betrifft sowohl Gas als auch Strom. Das laufende Verfahren zeigt für mich eins eindeutig – das haben wir schon in den Ausschüssen diskutiert –: Wir brauchen dringend eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes, wir brauchen eine In-House-Vergabe: Nur dann ist sicher, dass dieser ungeklärte Markt, wie er im Augenblick ist, vernünftig geregelt wird, und für diese Position werbe ich.
Insofern eine klare Antwort an den Kollegen Schäfer und alle im Hause: Die Position der SPD-Fraktion ist unverändert. Wir wollen bei Gas und bei Strom eine Rekommunalisierung zu 100 Prozent. Wir sind davon überzeugt, dass die Berlinerinnen und Berliner das wollen. Die erfolgreiche Rekommunalisierung beim Wasser hat das gezeigt: Wir haben die Preise gesenkt. Die Bürgerinnen und Bürger profitieren davon, und wir würden uns freuen, wenn wir das kleinliche Gezänk, das wir hier immer erleben, ob man dieses oder jenes anderes machen könnte, zurückstellen und gemeinsam versuchen – ich sage das auch in Richtung des Koalitionspartners –, bei Gas und Strom auf 100 Prozent zu kommen. Ich glaube, die Berlinerinnen und Berliner wollen das. Lassen Sie uns das gemeinsam tun! – Danke sehr!
Vielen Dank, Herr Stroedter! – Das Wort zu einer Zwischenbemerkung hat der Herr Abgeordnete Schäfer. – Bitte!
Herr Kollege Stroedter! Es ist bezeichnend, dass Sie jetzt, 15 Jahre, nachdem Sie Ihren Rekommunalisierungskurs eingeleitet haben, den Koalitionspartner ansprechen, ob man nicht mal eine gemeinsame Strategie entwickeln könne. Das wäre in der Tat sinnvoll!
Denn das Gegeneinander der einzelnen Senatsmitglieder in den verschiedenen Rekommunalisierungs- und energiepolitischen Fragen ist die Hauptursache für Ihr Scheitern. Wenn Sie es nicht schaffen, einen Betrieb BerlinEnergie zu gründen – wie es Herr Müller eigentlich wollte –, weil es die CDU nicht will, wenn Sie es nicht schaffen, sich darüber zu einigen, welches Netz Sinn oder keinen Sinn macht, sondern jeder Senator unabhängig eine eigene Agenda verfolgt – was glauben Sie denn, wie das Erfolg haben kann? – Natürlich nicht, und das haben Sie ja gesehen!
Sie sagen einerseits, Sie müssten in Revision gehen, weil das sonst unsere Verhandlungsposition schwäche. Damit sagen Sie doch andererseits, dass Sie in Verhandlungen sind und die hundertprozentige landeseigene Gasnetzgesellschaft vom Tisch ist! Streuen Sie uns doch keinen Sand in die Augen! Ich schätze Sie ja als Kollegen, der die großen Linien sieht und sie beeinflussen kann und will. Aber Sie wissen doch genauso gut wie wir alle hier, dass dieser Hundert-Prozent-Rekommunalisierungskurs beim Gasnetz gescheitert ist und Sie auch beim Stromnetz scheitern werden, wenn wir es nicht so machen, wie es hier beantragt ist! Wenn wir nicht zurück auf null gehen, wird auch da das Land durchfallen, dann werden Sie auch da dieselbe Niederlage erleiden.
Ich bitte Sie noch einmal ganz nachdrücklich: Es ist klar, dass wir, wenn wir Energiepolitik machen wollen, Gesellschaften brauchen, die wir nicht gemeinsam mit den großen Konzernen machen. Wir müssen vielmehr eine Effizienzgesellschaft, eine Erneuerbare-Energien-Gesellschaft, ein richtiges Stadtwerk gründen, das den Namen verdient und mit den Aufgaben das Geld verdient, die die großen Konzerne nicht erfüllen. Das ist doch das Problem: Die Energiewende kommt nicht voran, weil E.ON und Vattenfall das Sagen haben. Das ist doch das Problem!
Frau Präsidentin! Lieber Kollege Schäfer! Vielen Dank für die warmen Worte, die ich von Ihnen bekommen habe! Aber in der Sache haben Sie sich wenig bewegt. Ich würde gern einmal von Ihnen hören, wie Ihre Position zum Gasnetz ist, wie die aktuelle Mehrheitsposition der Grünen ist.
Frau Pop! Das Gericht entscheidet nicht über die Position der Grünen. Die Grünen müssen schon noch selber über ihre Position entscheiden und sie hier im Parlament vorbringen.
Außer dem üblichen Geschrei des Kollegen Esser habe ich jetzt nicht gehört, wie Ihre Position in der Sache ist – auch nicht von Herrn Schäfer. Herr Schäfer! Sie haben an anderer Stelle sehr deutlich gesagt – –
Sie sind immer aufgeregt, wenn ich rede. Offensichtlich geht es ins Mark – sozusagen. Halten Sie sich doch einfach mal zurück und hören Sie zu! – Herr Schäfer! Sie haben an anderer Stelle gesagt, man solle sich beim Gasnetz gar nicht bewerben, das lohne sich nicht mehr. Sagen Sie das doch noch mal heute an der Stelle! Wir sehen das anders. Wir wollen 100 Prozent Gas in öffentlicher Hand. Deshalb ist die Bewerbung richtig, und deshalb – –
Meine Damen und Herren! Ich sehe auch, dass das ein emotionaler Punkt ist, aber vielleicht können Sie etwas geordneter damit umgehen, bitte!
[Zuruf von den Grünen: Ein wunder Punkt! – Joachim Esser (GRÜNE): Wie kann man denn so vernagelt sein! – Weitere Zurufe]
Also ich mache es noch mal: Deshalb sind wir in die Berufung vor dem Kammergericht gegangen, und, lieber Herr Kollege Schäfer und lieber Herr Kollege Esser, das Urteil des Landgerichts ist nun nicht in Stein gemeißelt. Sie haben doch selbst auch Zweifel, haben sich das Urteil angeguckt und wundern sich über viele Dinge. Die Urteilsbegründung gibt vieles her, und der Finanzsenator ist gut beraten, dass er in die Berufung geht.
Beim Stromverfahren habe ich auch relativ deutlich argumentiert, dass es Gründe geben könnte, auf null zurückzusetzen – Kollege Wolf wird wahrscheinlich noch darauf antworten –, oder dass man das Verfahren nachbessert. Wir tendieren im Augenblick in Anbetracht der aktuellen Informationen eher zu einer Nachbesserung des Verfahrens, weil wir die Zurücksetzung für schwieriger halten als das Nachbessern. Das kann man entsprechend auch anders betrachten, es wird aber selbstverständlich ordnungsgemäß geprüft, und es wird dann eine Entscheidung geben.
Letzte Bemerkung zum Stadtwerk: Ja, da teile ich Ihre Meinung. Auch das ist die Position der SPD-Fraktion. Wir wollen ein Stadtwerk, das Stromhandel betreiben kann, und ich hoffe, dass sich alle bei dem Thema bewegen. Das wollen übrigens alle. Auch die Berliner Wasserbetriebe, auch diejenigen, die sozusagen die wirtschaftliche Verantwortung haben, wollen das. Irgendwann wird dieses Stadtwerk Stromhandel betreiben, und dann können alle – auch der hochgeschätzte Kollege Buchholz wartet darauf – endlich Kunde beim Stadtwerk werden. Helfen Sie mit!
Vielen Dank, Herr Stroedter! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Harald Wolf. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will jetzt nicht über die gesamte energiepolitische Palette diskutieren. Ich will nicht über das Stadtwerk diskutieren, ich will nicht über das Gasnetz diskutieren, sondern ich will darüber diskutieren, wie nach der Gemeinsamkeit, die zumindest proklamiert wird – die SPD will eine vollständige Rekommunalisierung des Stromnetzes, die Grünen wollen das, wie sie heute noch mal erklärt haben, und wir wollen das –, die besten Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass dieses Ziel erreicht wird. Diese Diskussion will ich heute führen.
Wir haben das Urteil zum Gasnetz, zu dem man viele Anmerkungen machen kann, wie man zu jedem Gerichtsurteil Anmerkungen machen kann und gute Gründe haben kann, in Berufung zu gehen. Aber es bleibt die Rechtsunsicherheit, die man immer vor Gericht hat. Ich kann mich gut an die Diskussion erinnern, die wir in den letzten drei Jahren zu dem Thema geführt haben. Da wurde von der Finanzverwaltung, vom ehemaligen Kollegen Nußbaum und von seiner Staatssekretärin, immer proklamiert und erklärt: Wir wollen ein absolut sauberes und rechtssicheres Verfahren. – Offensichtlich wurde da nicht penibel und genau genug gearbeitet.
Vor allem kann ich mich gut daran erinnern, wie oft ich sowohl hier im Plenum, im Hauptausschuss wie auch bei anderer Gelegenheit die Frage gestellt habe: Wollt ihr euch mit einem LHO-Betrieb ernsthaft mit dem erfahrenen Betreiber Bewag bzw. Vattenfall in den Wettbewerb begeben, ohne vernünftige Personalausstattung, ohne eigene Rechtsform, ohne Kapitalausstattung? – Dazu wurde immer gesagt: Kein Problem, wir machen ein rechtssicheres Verfahren. – Das Gerichtsurteil greift genau diese Punkte an und sagt: Berlin-Energie war nicht bieterfähig. – Darüber kann man sich streiten. Ich finde es auch richtig, dass im Gasverfahren Berufung eingelegt worden ist – schon allein deshalb, um die Position in möglichen Verhandlungen zu stärken.
Das finde ich richtig, aber wir reden jetzt über das Stromnetzverfahren, nämlich darüber, ob wir im Stromnetzverfahren wieder in das gleich Debakel laufen, nämlich das Risiko eingehen, das man immer vor Gericht hat, dass genau diese Punkte, nämlich die Frage der Bieterfähigkeit von Berlin-Energie angegriffen wird. Wenn die Bieter
fähigkeit von Berlin-Energie angegriffen und bezweifelt wird, und zwar nicht nur in der ersten, sondern möglicherweise auch in der zweiten Instanz – und das Gegenteil kann weder die SPD-Fraktion noch der Finanzsenator garantieren, weil man bekanntlich vor Gericht und auf hoher See in Gottes Hand ist – – Davon halte ich normalerweise nicht so viel, aber das ist die Lebenserfahrung.
Es ist so, ja! Da bekomme ich die Bestätigung von der CDU, die sich da besser auskennt als ich. – Sie haben diese Unsicherheit, und wir gehen bei diesem Antrag davon aus, dass wir diese Unsicherheit beseitigen wollen, um die Chance auf 100-Prozent-Rekommunalisierung zu behalten. Denn wenn die Bieterfähigkeit von BerlinEnergie bestritten wird, ist man in einer Situation, wo Vattenfall letztendlich der einzige Bieter für die 100 Prozent ist, und für das Kooperationslos bietet nur noch die Bürgergenossenschaft. Das ist eine fatale Situation. Das kann am Ende bedeuten, dass Vattenfall in diesem Verfahren 100 Prozent bekommt, und genau das wollen wir nicht, und ich hoffe, die Sozialdemokraten wollen das auch nicht und wollen die entsprechenden Maßnahmen ergreifen.
[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Dr. Simon Weiß (PIRATEN) – Nikolaus Karsten (SPD): meldet sich zu einer Zwischenfrage.]