Protocol of the Session on March 26, 2015

(Clara Herrmann)

sicher sein können, dass V-Leute und ihre Erkenntnisse bei der Begründung des Verbots keine Rolle spielen. Aufgabe des Senats ist es jetzt, den Beschluss umzusetzen und die Fragen des Bundesverfassungsgerichts vollständig zu beantworten, soweit sie das Land Berlin betreffen – das ist ja eine Aufforderung, die an alle Bundesländer und die Bundesebene ergangen ist.

Aus meiner Sicht bestehen überhaupt keine Zweifel daran, dass die Innenverwaltung diese Aufgabe gut erfüllen wird. Dennoch ist es natürlich unsere Aufgabe als Parlament, darüber zu wachen, dass das Land Berlin seine Pflichten erfüllt. Das ist überhaupt keine Frage, und ich glaube, insoweit sind wir uns alle einig. Wir werden uns als Parlament natürlich auch zum gegebenen Zeitpunkt im zuständigen Ausschuss – voraussichtlich dem für Verfassungsschutz – hierzu berichten lassen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Taş?

Herr Lenz! Sind Sie genau wie ich der Auffassung, dass der Senator Henkel jetzt handeln muss, um die notwendigen Nachweise zu liefern? Haben Sie mit Herrn Henkel darüber gesprochen, dass er das auch tun wird?

Ich habe überhaupt keine Sorge, dass der Innensenator das nicht tun wird. Er ist ja auch dem Verfassungsgericht gegenüber verpflichtet, das zu tun. Das Verfassungsgericht hat eine auskömmliche Frist gesetzt, die ausgeschöpft werden kann, aber nicht muss. Ich habe überhaupt keine Zweifel. Insofern verstehe ich auch den Alarmismus überhaupt nicht, der hier zu verbreiten versucht wird. In der Sache enthält der Antrag der Linken im Antragstext – nicht in der Begründung – nur Selbstverständliches. Das ist ja auch aus dem Auflagenbeschluss des Bundesverfassungsgerichts abgeschrieben, den ich mir vorhin angesehen habe.

[Zurufe von der LINKEN]

Es gibt also überhaupt keinen Grund für Alarmismus und überhaupt keinen Grund für Skepsis in Bezug auf die Aufgabenerfüllung durch den Senat. Es gibt auch überhaupt keinen Anlass, dass Die Linke hier ihr Lieblingsthema V-Leute im Allgemeinen bespielen will und mit den üblichen Mustern ihre Ausführungen macht. Aber Alarmismus und Polemik brauchen wir nicht, denn es besteht ja im Fall des NPD-Verbotsverfahrens in allen Fragen die Einigkeit aller hier im Haus vertretenen Fraktionen. Das ist ja nicht immer so, und deshalb sollten wir

darauf achten, dass das so bleibt und wir in dieser Frage gemeinsam Erfolg haben werden.

Zur Vermeidung einer Verletzung des Gebots der Staatsferne sind in den Parteistrukturen der NPD keine V-Leute mehr im Einsatz – das hat der Innensenator uns gegenüber mehrfach versichert, und das ist auch so. Noch einmal: Es geht hier nicht um V-Leute im Allgemeinen. – Gestatten Sie mir da eine kurze Anmerkung, weil ich das wieder ganz spannend fand: Die Grünen – Herr Behrendt, Sie haben sich dazu geäußert – lehnen ja den Einsatz von V-Leuten ab. Noch am Montag im Innenausschuss hat uns Ihr Kollege Lux – vielleicht klären Sie das einmal intern – erneut versichert, er lehne den Einsatz von V-Leuten im Allgemeinen nicht ab, das betreffe nur die V-Leute im Bereich des Verfassungsschutzes. V-Leute im Bereich des Landeskriminalamtes könne er sich sehr wohl vorstellen. Das als Schlussfolgerung aus den NSUZusammenhängen zu ziehen, ist einigermaßen grotesk. Fast alle Verfehlungen, die wir hatten, betrafen die Landeskriminalämter, wenn ich das einmal festhalten darf. Bevor Sie uns hier immer wieder Diskussionen aufzwingen, sorgen Sie doch bitte intern für eine stringentere Position, damit wir uns damit auseinandersetzen können! Das wollen wir dann gerne tun.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Ich komme zum Schluss.

[Hakan Taş (LINKE): Stimmen Sie unserem Antrag zu!]

Betreiben wir keinen falschen Alarmismus, begleiten wir alle gemeinsam das Verbotsverfahren konstruktiv, so wie es der Senat auch tut! Gefährden wir das gemeinsame Ziel nicht durch unnötige Unterstellungen, Berlin wirke an dem Verfahren nicht in der gebotenen Form mit! Das ist nicht der Fall. Das schadet unserem gemeinsamen Anliegen eines gemeinsamen Verbotsverfahrens. Lassen Sie das bitte, damit Sie am Ende nicht Schaden anrichten! Für eine Kritik gibt es hier überhaupt keinen Anlass. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Lenz! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Höfinghoff. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lenz! Ihr grenzenloses Vertrauen erinnert fast schon an den Kollegen Juhnke, der auch schon vor – wie lange ist es jetzt her? – fast drei Jahren hier an diesem Platz und genau diesem Ort versicherte, dass im Landesverfassungsschutz Berlin garantiert keine Akten geschreddert worden sind. Soweit dazu.

(Stephan Lenz)

Wir haben mittlerweile 2015 und stehen zum zweiten Mal vor dem möglichen Scheitern eines NPD-Verbotsverfahrens. Noch gibt das Bundesverfassungsgericht dem Bund und den Ländern die Chance, V-Personen aus den NPD-Führungsriegen abzuschalten.

Ich habe eine Frage an Herrn Zimmermann und Herrn Lenz: Können Sie denn tatsächlich verantworten, dass der Schlendrian in der Innensenatsverwaltung dieses Verfahren ebenfalls versaut, was im Zweifelsfall unter Umständen das letzte sein könnte, dass geführt werden kann?

[Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

Danke! – Vielleicht schafft aber dieses NPD-Verbotsverfahren, was mindestens zehn NSU-Morde nicht vermocht haben, nämlich das Ende des V-PersonenUnwesen einzuläuten. In mehreren Untersuchungsausschüssen wie auch dem Prozess gegen Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben ist immer wieder deutlich gemacht worden, dass die Verfassungsschutzbehörden aus Bund und Ländern mehr Wert auf Geheimschutz ihrer Quellen legen als auf tatsächliche Aufklärung und Strafverfolgung geplanter sowie durchgeführter Verbrechen von Nazis.

Die Forderung des Bundesverfassungsgerichts sagt das zwar nicht unmittelbar, macht nur einmal mehr deutlich, dass das gesamte V-Personen-Unwesen abgeschafft und eben nicht mehr auf den Prüfstand gehört. Das System und die Behörden haben besonders in der Kombination bewiesen, dass sich ihre Aktivitäten ausschließlich selbst rechtfertigen sollen, ohne auch nur den Hauch von Erkenntnissen im Kampf gegen Nazi-Terror NaziStrukturen zu liefern.

V-Personen liefern den Behörden gegen Geldzahlungen die, und zwar nur die, Informationen, die sie liefern wollen. Wir können nicht einmal im Ansatz nachvollziehen, wie oft V-Personen-Führerinnen und -Führer hinters Licht geführt und dafür auch noch bezahlt wurden. Es werden und wurden nicht nur relevante Informationen verschwiegen, sondern eben auch falsche Informationen gestreut. V-Personen im Phänomenbereich Rechts sind Nazis, die sich für dieses doppelte Spiel bezahlen lassen. In den meisten Fällen ist ihr Hauptinteresse glasklar, nämlich ihre Kameraden abzuschirmen und damit auch noch etwas dazu zu verdienen.

Nachdem das erste Verbotsverfahren wegen V-Leuten in allen Führungsebenen der NPD gescheitert war, hätte längst ein Umdenken bei allen Innenministern stattfinden müssen. Leider war das nicht der Fall, und es wurden nur marginale Änderungen in der Führungsarbeit veranlasst, deren Wirksamkeit bezweifelt werden darf.

Ich muss jetzt nicht noch einmal alle Namen von Nazis aufzählen, die von Kriminalämtern und Verfassungsschützern bezahlt wurden, um Nazi-Dinge zu tun. Statt das nun endlich zu unterbinden, wollen die Innenminister auch noch Straftaten von V-Leuten legalisieren. Sie sol

len Straftaten planen und durchführen können, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen werden zu können. Propagandadelikte wie den Hitlergruß für V-Leute zu legalisieren, reicht den Innenministern dabei nicht. Auch Körperverletzung oder Beleidigung werden, wenn auch in Einzelfällen, legalisiert. Das ist der Gipfel der Unverschämtheit und eine Missachtung aller Opfer rechter Straftaten.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Der Schutz von Nazis wiegt für den sogenannten Rechtsstaat offensichtlich schwerer als der Schutz vor rechter Gewalt. Wenn jemand auf einem Zebrastreifen überfahren wurde, entfernen Sie doch auch nicht als erstes den Fußgängerüberweg, um so etwas künftig zu verhindern, statt eine Geschwindigkeitsbegrenzung einzurichten. Ich gehe davon aus, dass Frank Henkel die Absurdität des gesamten Unwesens nicht erkennen will. Auch bei manchem Genossen der SPD bin ich mir da nicht so sicher. Das V-Personenwesen ist das Gegenteil von Rechtsstaatlichkeit. Diese Leute haben mit Vertrauenswürdigkeit in etwa so viel zu tun, wie der Innensenator mit Fachkompetenz. Schaffen Sie das endlich ab! Es ist höchste Eisenbahn.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Höfinghoff! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag hat die antragstellende Fraktion die sofortige Abstimmung beantragt. Die Koalitionsfraktionen beantragen dagegen die Überweisung an den Ausschuss für Verfassungsschutz. Hierüber lasse ich zuerst abstimmen. Wer der Überweisung an den Ausschuss für Verfassungsschutz zustimmen möchte, den bitte ich um jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der SPD und die Fraktion der CDU sowie der fraktionslose Abgeordnete. Gibt es Gegenstimmen? – Das sind die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion und die Piratenfraktion. Gibt es Enthaltungen? – Ich sehe keine Enthaltung. Damit ist dieser Antrag überwiesen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.5:

Priorität der Piratenfraktion

ICC abreißen – Wirtschaft in Berlin stärken

Dringlicher Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/2175

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. In der Beratung beginnt die Piratenfraktion. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mayer. – Bitte! – Die Kollegen und Kolleginnen, die sich gerade zu Ge

(Oliver Höfinghoff)

sprächsgruppen versammeln, bitte ich, die Gespräche nach draußen zu verlagern.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Werte Gäste! Wir haben einmal wieder unser Lieblingsthema ICC. Warum ist das jetzt dringlich, werde ich jetzt bestimmt gleich in den Nachrederunden wieder zu hören bekommen. Ich kann Ihnen jetzt schon einmal darauf antworten, warum es so dringlich ist. In einer Zeit, in der keine Termine bei Bürgerämtern –

Herr Abgeordneter! Darf ich Sie ganz kurz unterbrechen? – Sehr verehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Bitte stellen Sie die Gespräche ein, oder führen Sie sie draußen. Das Wort hat der Abgeordnete Mayer. – Bitte!

mehr frei sind und wir jede Menge andere Missstände haben, ist jeder weitere Tag, der ohne Entscheidung verstreicht, ein Skandal. Wenn man aus dem Westen über die Autobahn anreist, sieht man als erstes dieses Gebäude, das seit 20 Jahren von außen nicht mehr geputzt worden ist und bei dem wir es uns nicht einmal leisten können, die Fassade zu reinigen. Es ist einfach ein Schandfleck, der so nicht bleiben darf.

[Beifall bei den PIRATEN]

Außerdem wird die Sanierung mit jedem Tag teurer. Ab 2018 werden dringend weitere Kongressflächen benötigt. Dieses Gebäude ist, wie wir jetzt wissen, keine Lösung dafür. Wie lange wollen Sie eigentlich noch warten? Das Ding steht leer. Es müsste längst irgendetwas passieren. Es ist auch nicht überraschend passiert, sondern es ist eigentlich schon viel zu spät. Wir haben wieder Monate verschwendet. Es ist nichts passiert. Seit drei Jahren haben wir im Wesentlichen denselben Sachstand. Es muss jetzt endlich Schluss sein mit dem Wahnsinn.

Was wir jetzt auch wissen ist, dass, egal wie viel Geld wir in dieses Gebäude stecken werden, es auf Dauer ein Zuschussgeschäft bleiben wird. Das ICC ist wie ein 18 Meter langer Lkw, an dem die vorderen 16 Meter mit Fahrerkabine, Motor, Klimaanlage und allem anderen voll ist und die letzten 2 Meter als Ladefläche zur Verfügung stehen. Es ist kein Wunder, dass man mit diesem Gerät nichts wirtschaftlich befördern kann.

[Beifall bei den PIRATEN]

Die Koalition versucht die Quadratur des Kreises. Es soll weiter als Kongresszentrum betrieben werden, soll sich selbst tragen und maximal 200 Millionen Euro kosten. Das passt aber überhaupt nicht zu den Fakten, weil wir wissen, dass die Sanierung mindestens 500 Million Euro

kosten wird. Der Betrieb als Kongresszentrum wird auf Dauer 15 Millionen Euro Zuschuss im Jahr benötigen. Dabei ist eventueller Denkmalschutz preislich überhaupt noch gar nicht berücksichtigt. Ich würde mir wirklich wünschen, wenn die Koalition endlich Fakten zur Kenntnis nähme und sich entsprechend daran orientierte. So, wie die Haltung im Moment ist, verdient sie wahrscheinlich den Erich-Mielke-Preis für maximalen Realitätsabstand.

[Beifall bei den PIRATEN]

Und noch zum Thema Denkmalschutz: Denkmalschutz wird im Übrigen gar nichts bringen, denn ein unter Denkmalschutz stehendes sanierungsbedürftiges Gebäude darf trotzdem abgerissen werden, wenn die Kosten der Sanierung nicht durch seine Nutzung erwirtschaftet werden können. Insofern, stellen Sie es ruhig unter Denkmalschutz, das wird die Sanierung noch weiter verteuern und bringt uns dem Abriss eigentlich nur näher!