Protocol of the Session on March 12, 2015

Wir kommen zur einfachen und verbundenen Wahl durch Handaufheben. Hinsichtlich der Wahlvorschläge liegt Ihnen eine Liste auf rosa Papier vor. Wer die aufgeführten Personen zu Mitgliedern des Beirats der Berliner Stadtwerke GmbH wählen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der SPD, der CDU, von Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion und die Piratenfraktion und der fraktionslose Abgeordnete. Gegenstimmen? – Ich sehe keine Gegenstimmen. Enthaltungen? – Ich sehe eine Enthaltung aus dem Kreis der Piratenfraktion. Damit sind die vorgeschlagenen Personen gewählt – Herzlichen Glückwunsch!

[Vereinzelter Beifall]

Ich komme zu

lfd. Nr. 6:

Vorbereitung auf die E-Akte: Einführung eines einheitlichen, vollständigen Aktenplans

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Digitale Verwaltung, Datenschutz und Informationsfreiheit vom 26. Januar 2015 Drucksache 17/2102

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/1954

Von nun an stehen den Fraktionen für alle weiteren Beratungen die Kontingente der Gesamtredezeit gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 unserer Geschäftsordnung zu. In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Birk. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Berlin brüstet sich gern damit, ein europäisches Silicon Valley zu sein, und im Wettbewerb, wer die smarteste City sein will, möchte Berlin auch ganz vorne mitspielen. Aber wer in diesem Wettbewerb vorne mitspielen will, kann sich nicht nur auf das Engagement der Privatwirtschaft oder der unermüdlichen Freiwilligen der OpenSource- oder Open-Data-Szene verlassen. Der Senat muss schon auch mit gutem Beispiel vorangehen.

Was hatte sich die rot-schwarze Koalition dazu nicht alles vorgenommen! – Eine E-Government- und eine ITStrategie aus einem Guss standen im Koalitionsvertrag. Was daraus geworden ist, davon bekamen wir am Montag im Ausschuss eine traurige Kostprobe: Nach einem zwei Jahre währenden Mitzeichnungsverfahren wurde uns eine E-Government-Strategie vorgelegt, die schon heute total veraltet ist. Sie enthält vor allem keine strategischen Ziele und Vorschläge. Sie ist vielmehr eine verbrämende Beschreibung des Status quo, weil der Senat tatsächlich seit dem Koalitionsantritt in Sachen E-Government und IT auf der Stelle verharrt: Teure Großprojekte wie „E-Government@school“ und ISBJ sind gescheitert, und noch immer sind 75 IT-Fachverfahren ohne Windows XP nicht lauffähig. Zur Transparenz nach Hamburger Vorbild fehlt Ihnen der Mut, und die E-Akte wurde vom Phantom zum Zwerg. Das ist wirklich bedauernswert, denn wir stehen hier im Wettbewerb mit Wien, München, Hamburg und neuerdings auch Rheinland-Pfalz.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

IT und E-Government sind dieser Koalition völlig egal und stehen auf ihrer Prioritätenliste ganz hinten. Da nutzen auch die schönsten CDU-Fraktionsbeschlüsse vom letzten Sommer nichts, Herr Dregger. Sie formulieren alte Vor-sätze im Wahlkampfmodus neu, wo Sie in Ress

(Fabio Reinhardt)

ortverantwortung von Innensenator Henkel Ergebnisse als Zwischenbilanz hätten liefern müssen –

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

wobei ich hier deutlich von einem Gruppenversagen des gesamten Senats sprechen will. Wer Personal abbaut und Technik als Kompensation verspricht und dann nicht liefert, schafft Frust in Potenz bei Mitarbeitern und Kundschaft gleichermaßen. Wir Grüne dagegen haben Ihnen immer wieder strategische und gleichzeitig praxistaugliche Vorschläge unterbreitet, ob zur Umstellung auf Open-Source-Software, zu IT-Recycling, zur IT-Sicherheit, zur IT-Steuerung oder ausführlich zur elektronischen Akte. Diese wurden von Ihnen allesamt und alternativlos abgelehnt, so auch dieser Antrag zur Einführung eines einheitlichen Aktenplans als Vorbereitung auf die E-Akte.

Die Geschichte der E-Akte in Berlin ist ohnehin ein Trauerspiel. Eigentlich sollte laut Koalitionsvertrag nächstes Jahr die Hälfte aller IT-Arbeitsplätze, also 34 000, auf die elektronische Aktenführung umgestellt sein. Nach vielfacher Kritik an Ihrem Konzept und Verweigerung der Finanzierung durch Nußbaum haben Sie das Ziel auf bescheidene 2 000 Arbeitsplätze in vier Verwaltungen heruntergeschraubt. Aber ob die Finanzierung kommt und die Ausschreibung dazu erfolgen kann, steht noch in den Sternen.

Wir wollten hier zwei Versäumnisse als Chance nutzen, die Verzögerung der E-Akte und das Fehlen der gesetzlich vorgeschriebenen Aktenpläne in vielen Verwaltungen. Statt des Rundschreibens der Innenverwaltung an alle Behörden, sie sollten nun doch bitte, bitte, ihrer gesetzlichen Pflicht nachkommen und Aktenpläne erstellen, schlagen wir vor, ein Konzept für einen einheitlichen Aktenplan zu erstellen, der dann tauglich ist als verbindlichen Grundlage für die elektronische Aktenführung. Dabei soll auf bundeseinheitliche und fachspezifische Systematiken zurückgegriffen werden.

Denn alle Expertinnen und Experten sagen – das zeigte auch die Anhörung im Januar –, wer die E-Akte einführen will, muss Prozesse standardisieren. Das gilt nicht nur für die Bearbeitung, sondern ganz besonders für die Ablage und die Archivierung. Ich denke, es ist auch für jeden Laien nachvollziehbar: Wenn eine Akte nicht mehr in Regalen, sondern in einer Cloud hinterlegt wird, dann brauchen wir ein nachvollziehbares einheitliches System, um die Akte wiederzufinden, insbesondere wenn es um Langzeitarchivierung geht. Das ist wie mit den Kabeln im BER – einfach ohne Plan irgendwo hineinstopfen, das funktioniert nicht.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Nun werden Sie gleich wieder darauf verweisen, dass im Moment noch die Instrumente fehlen, solche Standards verbindlich zu machen, und dass wir dafür das Landes-E

Government-Gesetz brauchten. Das mag sein, wir warten auch auf das ominöse Gesetz, dass sich jetzt seit sage und schreibe fünf Jahren in der Vorbereitung befindet. Aber wenn tatsächlich das Wunder geschehen sollte, dass Sie das E-Government-Gesetz nach der Sommerpause vorlegen, dann spricht doch gar nichts dagegen, unseren Antrag heute anzunehmen, den einheitlichen Aktenplan bis zum Herbst zu erarbeiten und dann mit Hilfe der Gremien und der Instrumente des E-Government-Gesetzes auch durchzusetzen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Wenn Ihr Gesetz das nicht leistet, können Sie es ohnehin vergessen und die E-Akte gleich obendrein! – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Birk! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Kohlmeier. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne! Das Interessante an dieser Diskussion ist, dass die Grünen uns bisher immer vorgeworfen haben, dass wir in der Regierung nichts machen. Nun werfen sie uns auf der anderen Seite vor, dass wir das, was wir machen, falsch machen.

[Thomas Birk (GRÜNE): Machen Sie auch!]

Egal, was wir machen – wir machen es auf jeden Fall nie so, wie die Opposition es begrüßen würde.

[Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN]

Die Koalitionsfraktionen reden in diesem Hause und in der Öffentlichkeit über Olympia in Berlin, die Koalitionsfraktionen entscheiden über Wohnungsneubau und bezahlbare Mieten in Berlin, die Koalitionsfraktionen entscheiden über einen Nachtragshaushalt und über Investitionen in Schule und Bildung.

[Uwe Doering (LINKE): Und zum Thema sagen Sie nichts?]

Und die Grünen, lieber Kollege Birk, reden über „Einführung eines einheitlichen, vollständigen Aktenplans“. Wenn Sie sich jetzt die Ohren reiben, der Kollege Dregger lacht gerade zu Recht – das ist ungefähr so spannend wie die Frage, wie hoch der Möhrenanteil in einer Buchstabensuppe ist.

[Thomas Birk (GRÜNE): Das ist eben Ihr Problem, Sie haben noch nichts verstanden!]

Trotzdem möchte ich versuchen, mich einigermaßen seriös mit Ihrem Antrag auseinanderzusetzen.

(Thomas Birk)

Was sind Aktenpläne? – Aktenpläne sind eine Übersicht über die systematische Ordnung des Schriftgutes in der Berliner Verwaltung. Es gibt dafür eine gesetzliche Grundlage, § 17 Abs. 5 Informationsfreiheitsgesetz, in der steht, dass die Behörden des Landes Berlin verpflichtet sind, Aktenpläne anzulegen und diese allgemein zugänglich zu machen. Da, lieber Kollege Birk, sind wir gar nicht so weit auseinander. Auch wir fordern, dass der Senat endlich dieser gesetzlichen Verpflichtung nachkommt.

[Zurufe von der LINKEN und den PIRATEN]

Da gab es entsprechende Beschlussfassungen im Berliner Abgeordnetenhaus, die der Senat bis heute – bis auf zwei Verwaltungen – leider nicht erfüllt hat. Da wären wir durchaus an Ihrer Seite, das umzusetzen. Nur, lieber Kollege Birk: Sie greifen dieses berechtigte Anliegen nicht auf, sondern Sie wollen einen einheitlichen Aktenplan als Voraussetzung für die Einführung der elektronischen Akte. Wieder so ein Spezialthema!

Der Senat hat im Ausschuss für Digitale Verwaltung, Datenschutz und Informationsfreiheit mehrfach dargestellt, dass mit dem E-Government-Gesetz die Voraussetzungen für die Einführung der elektronischen Akte geschaffen werden. Leider, lieber Kollege Birk – und Sie nehmen regelmäßig am Ausschuss teil –, wollen Sie diese Realität nicht zur Kenntnis nehmen. Das E-GovernmentGesetz soll, wie Sie gesagt haben, nach der Sommerpause vom Senat vorgelegt werden. Da macht es unseres Erachtens überhaupt keinen Sinn, solch einen Krümel aus dem E-Government-Gesetz herauszugreifen und hier zu beantragen. Da müssen Sie möglicherweise – das haben Sie in den vergangenen Jahren vielleicht schon gelernt – in der Politik etwas Geduld haben. Wir haben den Antrag im Ausschuss zu Recht abgelehnt, und wir werden ihn auch hier im Plenum ablehnen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Kohlmeier! – Für die Linksfraktion hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Doering. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt kommen wir zum Konkreten, Kollege Kohlmeier!

[Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

In der aktuellen Koalitionsvereinbarung haben sich SPD und CDU auf das Ziel verständigt, dass bis 2016 50 Prozent der Berliner Verwaltung auf die elektronische Akte umgestellt werden sollen. Von diesem Ziel sind der Senat und die Koalition weit entfernt – sehr weit entfernt! Einheitliche Aktenpläne sind – das hat eben Herr Kohl

meier auch noch mal bestätigt – eine Voraussetzung für die Einführung der E-Akte.

Ich möchte an dieser Stelle auch noch einen anderen Aspekt benennen: Nach § 17 Abs. 5 Informationsfreiheitsgesetz hat jede öffentliche Stelle Verzeichnisse zu führen, die geeignet sind, die Aktenordnung und den Aktenbestand sowie den Zweck der geführten Akten erkennen zu lassen. Und: Aktenpläne sind allgemein zugänglich zu machen. Der Datenschutzbeauftragte macht uns und vor allem den Senat darauf aufmerksam, dass die Führung und Veröffentlichung von Aktenplänen eine zentrale Voraussetzung dafür sind, dass jeder Berliner und jede Berlinerin vom Informationsfreiheitsrecht und Aktenzugangsrecht Gebrauch machen kann.

Das Informationsfreiheitsgesetz wurde im Oktober 1999 vom Abgeordnetenhaus beschlossen. Doch wie ist der aktuelle Stand der Umsetzung der Vorgaben durch das Informationsfreiheitsgesetz? Wie ist es im Jahre 2015 um die Einführung der E-Akte und der einheitlichen Aktenpläne bestellt? – Hierzu Herr Staatssekretär Statzkowski im Ausschuss für Digitale Verwaltung, Datenschutz und Informationsfreiheit am 25. Januar 2015: In den nächsten zwei Jahren sollen 2 000 Arbeitsplätze an die E-Akte angeschlossen werden. – Von ursprünglich angestrebten 50 Prozent in der Berliner Verwaltung auf 2 000 Arbeitsplätze in den nächsten zwei Jahren, das ist Stillstand. Oder soll man besser sagen, Arbeitsverweigerung?

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Aus der Beantwortung von Kleinen und Schriftlichen Anfragen sowie aus der Mitteilung – zur Kenntnisnahme – des Senats über die Veröffentlichung von Aktenplänen geht hervor, dass die Berliner Verwaltung auch von der Umsetzung einheitlicher Aktenpläne und deren Veröffentlichung weit entfernt ist. Auch die Umsetzung des Rechts auf Einblick in Akten und Aktenpläne wird von den Ämtern höchst unterschiedlich interpretiert. Der Datenschutzbeauftragte, Herr Dr. Dix, ist der Auffassung, dass Verwaltungs- und Informationsbestände nicht sinnvoll digitalisiert werden können, wenn kein Überblick über die Aktenbestände vorhanden ist. Auch deshalb sind Aktenpläne notwendig. Hierzu stellte Herr Staatssekretär Krömer im Ausschuss für Digitale Verwaltung, Datenschutz und Informationsfreiheit am 27. Mai 2013 fest, dass die Verpflichtung nach § 17 Abs. 5 Informationsfreiheitsgesetz flächendeckend nicht umgesetzt sei – flächendeckend nicht umgesetzt! Auch der Senat habe durch Kleine Anfragen zwischenzeitlich das Vollzugsdefizit erkannt. – Donnerwetter! Immerhin!

[Heiterkeit bei der LINKEN]