sondern in den Schulen der Stadt gelebte Realität. Wir konnten das kürzlich allesamt hier in diesem Haus sehen.
Desto unverständlicher und jungen Leuten gegenüber kaum zu erklären – ich habe das übrigens versucht – ist die seit Jahren beharrliche Weigerung von SPD und CDU, den vergleichsweise unaufwendigen Schritt zu gehen, den Menschen von der Ehrenbürgerliste zu streichen, der im Januar 1933 Adolf Hitler in den Sattel setzte und dessen Zerstörungswerk die höchsten staatlichen Weihen verlieh.
Und damit wir alle wissen, worüber wir heute abstimmen, zitiere ich – mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin – aus dem Antrag der NSDAP und der Deutschnationalen Volkspartei in der Berliner Stadtverordnetenversammlung vom 1. April 1933:
In Würdigung der Verdienste, die sich der Herr Reichspräsident von Hindenburg und der Herr Reichskanzler Adolf Hitler um die nationale Wiedergeburt der Stadt Berlin erworben haben, beantragen wir: Die Stadtverordnetenversammlung ersucht den Magistrat, dem Herrn Reichspräsident von Hindenburg und dem Herrn Reichskanzler Adolf Hitler das Ehrenbürgeramt zu verleihen.
Der Magistrat hatte das übrigens schon am Tag vorher beschlossen. Er wusste, was die Stadtverordnetenversammlung tut. Der NSDAP-Fraktionsvorsitzende und künftige Kriegsverbrecher Dr. Julius Lippert erklärte dann in seiner Rede – auch hier möchte ich aus dem amtlichen Protokoll der Versammlung zitieren –:
Nachdem in den letzten Jahren mehrfach das Berliner Ehrenbürgeramt an wenig Würdige, um nicht zu sagen an Unwürdige verschwendet worden ist,
ist es unser Wunsch, nunmehr auf diesem Gebiet unter Beweis zu stellen, dass in der Reichshauptstadt ein neuer Geist Einzug gehalten hat. Hindenburg und Hitler sollen Ehrenbürger von Berlin werden.
Vorbei ist die Zeit, da Berlin ein Begriff war für undeutsches Wesen, für Internationalismus, für kommunalen Größenwahn. Sparsamkeit, Sauberkeit und Sachlichkeit in einer Selbstverwaltung auf christlich-nationaler Grundlage haben jetzt ihren Einzug in Berlin gehalten. Das Reinigungswerk ist schwer. Mit starker Faust muss eingegriffen werden. Störende Übergangserscheinungen lassen sich schwer vermeiden.
beruht in höchstem Maße auf dem tatkräftigen Willen des Herrn Reichspräsidenten von Hindenburg und des Herrn Reichskanzlers Adolf Hitler. Berlin ehrt sich durch diese Verleihung selbst.
Festzuhalten ist: Die Ehrenbürgerwürde wurde Paul von Hindenburg nicht verliehen, weil er – wie auch immer – Held des Ersten Weltkriegs, der weise Schlachtenlenker oder gar der Held von Tannenberg war. Sie wurde ihm auch nicht für seine Verdienste als Reichspräsident verliehen. Sie wurde ihm verliehen
Gemeint ist die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, gemeint ist die Unterzeichnung der Notverordnungen – der „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ zum Beispiel – und der Sterbeurkunde der ersten deutschen Demokratie, des Ermächtigungsgesetzes, wenige Tage zuvor.
Am 27. März 2003 schmetterten leider Gottes die Fraktionen der jetzigen Koalition einen Antrag der Grünen ab, die dasselbe forderten, was wir jetzt beantragt haben, nämlich Hindenburg aus der Ehrenbürgerliste zu streichen. Frau Kollegin Fugmann-Heesing sagte seinerzeit:
Streichungen sollten wir deshalb nur vornehmen, wenn die Aufrechterhaltung der Ehrenbürgerschaft schlicht unerträglich ist.
Frau Fugmann-Heesing hat recht: Wenn die Aufrechterhaltung der Ehrenbürgerschaft unerträglich ist! Und die Ehrenbürgerschaft Paul von Hindenburgs ist schlicht unerträglich.
Hindenburg wurde geehrt für die Abschaffung der Demokratie und sein aktives Mittun bei der Errichtung der NS-Diktatur, über deren Bewertung wir uns hier im Saal, denke ich, sicher alle einig sind. Die Ehrenbürgerschaft Hindenburgs ist schon lange nicht mehr hinnehmbar und eine Schande für unsere Stadt. Mit einer Beibehaltung würde Berlin die Ehrenbürgerliste entwerten und das Amt nachhaltig beschädigen. Man kann nicht wie Herr Bürgermeister Henkel – ich nehme ihm das ab – offenen und ehrlichen Herzens weltoffene Olympische Spiele wollen und mit dem Argument der Völkerverständigung kommen, während man sich gleichzeitig – seine eigene Fraktion – schützend vor diesen Hitlerinstallateur stellt. Das ist ein Widerspruch, und den sollten wir heute auflösen.
Es geht hier übrigens nicht um den Hindenburgdamm. Der ist Bezirkssache. Entschlösse man sich aber, diesen z. B. in Richard-von-Weizsäcker-Damm umzubenennen, dann wäre Die Linke die letzte Fraktion, die sich dagegenstellen würde.
Aber sorgen wir jetzt erst einmal dafür, dass dieser nicht vorzeigbare Fleck auf unserer Ehrenbürgerliste verschwindet. – Vielen herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Paul von Hindenburg war nie ein Demokrat, und nach dem Motto „Ehre, wem Ehre gebührt“ gehört er bestimmt auch nicht zu denen, die geehrt werden sollten, und es gäbe mit Sicherheit auch noch andere, die nichts auf dieser Ehrenbürgerliste zu suchen haben. Aber es macht keinen Sinn, einzelne Personen aus dieser Liste herauszupicken. Wir finden es richtig, die Liste insgesamt nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu überprüfen. Diese Haltung hat sich aber koalitionsintern noch nicht durchgesetzt.
Herr Brauer! Von 2006 bis 2011 haben wir mit der Linken regiert. Da wäre eine gute Gelegenheit gewesen, das Thema noch einmal aufzurufen, aber das hat Die Linke verschlafen. Da war die Überprüfung der Liste nicht so wichtig.
[Wolfgang Brauer (LINKE): Ich fasse es nicht! – Weitere Zurufe von der LINKEN – Wolfgang Brauer (LINKE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]
Nein! – Besonders die Rede von Herrn Brauer im letzten Plenum zu diesem Thema hat gezeigt, dass es gar nicht um Hindenburg geht. Es geht darum, Unfrieden und Unruhe im Parlament zu stiften.
[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU – Christopher Lauer (PIRATEN): Was bitte? – Zuruf von Carsten Schatz (LINKE)]
Herr Brauer! Es ist billig, Rot-Schwarz in die Ecke des braunen Ungeistes zu stellen, wie Sie das getan haben,
und sich selbst als Gutmensch zu etablieren. Das Vokabular, das Sie benutzt haben, ist unterste Schublade und war in der Sache nicht hilfreich.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Frau Kollegin Lange! Ich glaube, es ging in der heutigen Debatte um die Frage der Ehrenbürgerschaft Paul von Hindenburgs und nicht so sehr um die Frage, ob Ihnen meine letzte Rede gefallen oder nicht gefallen hat. Im Übrigen würde ich Ihnen empfehlen, dass Sie noch mal in das Protokoll schauen und genau hingucken, was ich gesagt habe. Schauen Sie genau hin! Wenn Sie schon nicht mehr in Lage sind, zwischen SPD und CDU zu unterscheiden: Dass die Christdemokraten zum Teil verärgert waren, kann ich nachvollziehen, aber dass Sie sich jetzt diese Jacke anziehen – ja bitte, Ihre Sache!
Ansonsten möchte ich nur noch einmal daran erinnern – ich hatte es ja zitiert, hören Sie bitte wenigstens hin, wenn der Vorredner spricht! –,
dass Frau Fugmann-Heesing in ihrer Rede am 27. März 2003 von diesem Pult aus – Sie können das im Protokoll dieses Hauses nachlesen, wenn Sie mir nicht über den Weg trauen; da drüben ist die Bibliothek – die Ablehnung des Antrags der Grünen durch die Fraktion der SPD begründete. Die CDU verhielt sich damals ähnlich, also stringent so wie heute. Wir redeten für die Annahme dieses Antrags, und wir haben uns auch entsprechend verhalten. Das war zur Zeit von Rot-Rot. Wir waren gemeinsam in einer Koalition, und das ist, glaube ich, auch der einzige Punkte, wo wir uns anders verhalten hatten, als es die normalen, auch heute gültigen Absprachen in einem Koalitionsvertrag vorsahen. Wir haben für die Abschaffung der Ehrenbürgerwürde Paul von Hindenburgs auch schon zu rot-roten Zeiten gestritten. Gekniffen haben Sie. Das ist die Wahrheit, und der Wahrheit muss Gerechtigkeit verschafft werden.