Protocol of the Session on January 12, 2012

Das Wohnungsangebot in Berlin soll durch Wohnungsneubau um mindestens 30 000 Wohnungen erhöht werden.

Das geht nur durch die Zusammenarbeit aller Beteiligten. Der Senat kann den Bau neuer Wohnungen nicht anordnen, aber er wird alle Beteiligten an einen Tisch holen, Mieterverbände, Wohnungswirtschaft, Wohnungsbaugenossenschaften und, ganz wichtig, die städtischen Wohnungsunternehmen.

[Zurufe von der LINKEN]

Im Koalitionsvertrag ist dazu ein Stadtentwicklungsplan vorgesehen. Wir begrüßen das, und wir werden das im Parlament unterstützen. Das Land soll bei der Vergabe von Grundstücken mitwirken, damit neue Wohnungen gebaut werden. Unsere Aufgabe wird sein zu kontrollieren, ob damit auch wirklich preiswerter Wohnraum geschaffen wird. Hier muss das Parlament mitwirken.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Die Zahl der städtischen Wohnungen wollen wir auf 300 000 erhöhen. Klar ist, die städtischen Wohnungsbaugesellschaften können nicht alle Probleme des Wohnungsmarktes lösen, aber jetzt zeigt sich: Wir brauchen landeseigene Wohnungen, damit die Politik handlungsfähig bleibt.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Nicht nur der Senat nimmt seine Arbeit auf, auch das Parlament hat sich verändert.

[Uwe Doering (LINKE): Wir haben längst gearbeitet! Ich arbeite schon seit Oktober hier!]

Sie müssen doch nicht immer rückwärtsgewandt die gute Arbeit der letzten Jahre betonen! Ich meine, dafür waren Sie auch an der Regierung. – Nicht nur der neue Senat nimmt seine Arbeit auf, auch das Parlament hat sich verändert. In den letzten fünf Jahren kannte man viele Reden schon, bevor man sie hörte. Oft war es das gleiche Muster: Die Opposition schimpft auf die Koalition, die Koalition schimpft auf die Opposition. Fast immer wurden die Anträge gegenseitig abgelehnt. Oftmals hatten die Bürgerinnen und Bürger den Eindruck, dass das Dagegensein zur Routine geworden ist. Wir können doch auch auf gemeinsame Fortschritte verweisen. Tatsache ist, es wurden über 100 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Der Tourismus hat sich besser entwickelt, als irgendjemand ahnen konnte. Egal, mit wem man spricht, ob in Deutschland oder im Ausland, unsere Stadt gilt für viele Menschen als attraktiv und lebenswert, und zwar vollkommen zu Recht. Berlin ist auf dem Weg, zu einer Vorbildmetropole im Bereich der Integration zu werden. Wir im Parlament sollten doch diese Erfolge auch herausstellen.

[Heiko Thomas (GRÜNE): Wir reichen vorher unsere spontanen Fragen auch ein!]

Dennoch müssen wir tagtäglich daran arbeiten, dass sich die Lebensverhältnisse in Berlin noch mehr verbessern. In der Verfassung von Berlin steht ein schöner und klarer Satz – vielleicht hören Sie einfach einmal zu, für eine Sekunde wenigstens –:

Die Abgeordneten sind Vertreter aller Berliner.

Da steht: Vertreter aller Berliner, nicht Vertreter von Einzelgruppen. Da steht auch nicht: Vertreter von Parteien.

[Beifall bei der SPD, der CDU und den PIRATEN]

Die Berliner erwarten von uns zu Recht, dass wir zusammenarbeiten. Also sollten wir manche der alten Spielregeln und Rituale überdenken.

Die Opposition sollte konstruktive Kritik und Anregungen liefern. Wir sind offen für Ihre Vorschläge, wenn sie dem Wohl der ganzen Stadt dienen.

[Beifall bei der SPD, der CDU und den PIRATEN – Martin Delius (PIRATEN): Da nehme ich Sie beim Wort!]

Es gibt viele Themen, bei denen wir gemeinsam etwas schaffen können – z. B. beim Haushalt. Lassen Sie uns doch so ehrlich sein, bei Mehrforderungen immer zu sagen, wo das Geld herkommen soll.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Zweckentfremdung von Wohnungen!]

Das wäre eine gute Spielregel, denn wer den Bürgerinnen und Bürgern etwas verspricht, der muss immer auch ein Preisschild drankleben.

Für eine Stadt wie Berlin sollte auch Konsens sein, dass gleiche Löhne in Ost und West gezahlt werden, dass gleiche Renten gezahlt werden. Wer, wenn nicht Berlin, sollte dafür kämpfen?

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Wir sollten die Interessen der Stadt auch gemeinsam im Bund vertreten. Es ist doch absurd, dass die Bundesregierung nach 13 Jahren noch immer nicht vollständig nach Berlin gezogen ist – das kann man niemandem erklären.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Das waren Themenbeispiele, die wir auch gemeinsam angehen können und angehen sollten. Liebe Frau Pop!

[Torsten Schneider (SPD): Die ist nicht da! Peinlich!]

Lieber Herr Baum! Lieber Herr Wolf! Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Ihnen!

[Heidi Kosche (GRÜNE): Das verstehe ich jetzt nicht!]

Bei einem Thema werden alle Demokratinnen und Demokraten nacharbeiten müssen. Die rechtsextreme Mordserie hat uns alle erschüttert. Wir müssen uns fragen, warum es keinen Verdacht gegeben hat. Welche Kontakte hatten Behörden zu den Tätern? Wir müssen auch unseren Blick für die Wirklichkeit schärfen. Nach den Recherchen der „Zeit“ und des „Tagesspiegels“ wurden seit 1990 insgesamt 148 Menschen in ganz Deutschland zu Todesopfern rechter Gewalt. Ein Drittel dieser Fälle wurde offiziell erfasst. Es gilt also umzudenken. Gesellschaft und Staat müssen sich der Tatsache stellen, dass rechter Terror weder neu noch die Ausnahme ist. Deshalb müssen Politik und Polizei sich kontinuierlich mit dem Rechtsterror befassen.

[Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Es wird auch zu klären sein, welche Kontakte die NPD zu diesen Verbrechern, aber auch zu anderen Tätern hatte. In Berlin haben wir die größte jüdische Gemeinde Deutschlands, wir haben viele Menschen mit Migrationshintergrund, und wir sind Heimat von Menschen unterschiedlicher Kulturen und Lebensentwürfe. Das gibt uns allen eine große Verantwortung; wir alle sind in der Pflicht, diese Gruppen und die Demokratie zu unterstützen und zu schützen. Ich möchte, dass alle Berlinerinnen und Berliner hier leben können, ohne Angst zu haben.

[Allgemeiner Beifall]

Das hat nicht nur etwas mit dem braunen Terror zu tun. Hier muss der Rechtsstaat handeln und durchgreifen. Angst hat etwas mit dem Klima zu tun, das verbreitet wird. Wenn ein Mitglied der BVV, Fraktion TreptowKöpenick, auf seine Plakate „Gas geben!“ schreibt, dann ist das nicht nur geschmacklos, es macht Menschen Angst. Bei solchen Plakaten muss man sich nicht mehr lange fragen, ob diese Partei verfassungsfeindlich ist – sie ist es.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Mein Wunsch ist es, dass die NPD nicht mehr existiert, wenn das nächste Mal gewählt wird. Das wird nicht alle Probleme lösen, aber es ist eine Frage der Selbstachtung der Demokratie, dass wir die NPD verbieten.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Martin Delius (PIRATEN): Wie den Verfassungsschutz!]

Die Richtlinien und der Koalitionsvertrag machen deutlich: Berlin ist die Stadt der Veränderung und des sozialen Miteinanders. Berlin ist die Stadt, in der Jung und Alt, Arm und Reich, Männer und Frauen und viele Kulturen zusammenleben.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Diese Vielfalt gibt uns allen die Chance, voneinander zu lernen. Unsere Stadt ist deshalb so attraktiv, weil es uns gelungen ist, ein Klima der Offenheit und der neuen Möglichkeiten zu schaffen. Menschen aus der ganzen Republik und darüber hinaus engagieren sich hier,

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

denn hier finden sie Chancen für unterschiedliche Lebensentwürfe und Ideen. An diesen Erfolgen der letzten zehn Jahre wollen und werden wir anknüpfen. Es gibt kein nur cooles Berlin, es gibt kein nur altes Berlin, es gibt kein grünes, kein schwarzes, auch kein rotes Berlin – Berlin ist eins. Deshalb werden wir Sozialdemokraten in der Koalition Politik für die ganze Stadt machen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat der Abgeordnete Udo Wolf das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Saleh! Ja, zehn Jahre haben wir gemeinsam mit der SPD diese Stadt regiert, und wir können guten Gewissens sagen, wir haben gemeinsam einiges geleistet. Trotzdem hatten wir kein gutes Wahlergebnis; vermutlich vor allem, weil es uns nicht gelungen ist, wirklich transparent zu machen, was an Innovation und Fortschritt ganz wesentlich auf unsere Initiative hin zustande gekommen ist und an welchen Punkten – insbesondere beim Thema Mieten und Wohnungspolitik – wir uns als kleinerer Partner nicht haben durchsetzen können. Jetzt sind wir Opposition, und ich gebe Ihnen recht, dass das für eine kleinere Regierungsfraktion nach zehn Jahren auch etwas Befreiendes hat. Unter anderem muss man nicht mehr die ganzen schwierigen Kompromisse erklären.

Auf der anderen Seite nervt es einen dann doch ganz schön, wenn man sieht, dass die neue Regierung so gar keine eigene, neue Idee für die Zukunft dieser Stadt hat.

[Beifall bei der LINKEN]

Es ist doch ganz offensichtlich so, dass die CDU überhaupt keine politische Ambition hat. Es reicht Ihnen, irgendwie an der Regierung zu sein. Sie klatschen sogar, wenn der Regierende Sie mit Bundesratsinitiativen von Rot-Rot, mit der Tobin-Steuer, mit dem Mindestlohn, mit Mieten quält und durch den Kakao zieht – da klatschen Sie auch noch mit! Offensichtlich reicht es Ihnen, einfach nur in der Regierung zu sein.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Sie haben sicher Verständnis dafür, Herr Regierender Bürgermeister, dass uns Ihre Richtlinien zur Regierungspolitik nicht besonders vom Hocker hauen.

[Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Na?]