Wir werden professionell zusammenarbeiten, um Berlin stabil zu regieren und eine sozial gerechte Politik zu machen. Denn wir machen Politik nicht für uns selbst, sondern zum Wohl der Stadt.
Der Senat macht mit seiner heutigen Vorlage – zur Beschlussfassung – deutlich: Die Wirtschaft steht im Mittelpunkt der Arbeit der Koalition.
Die SPD-Fraktion unterstützt diesen Schwerpunkt ausdrücklich. In den letzten Jahren hat sich Berlin auf seine Stärken konzentriert: Der Tourismus boomt. Unsere Hochschulen sind ein positiver Wirtschaftsfaktor. Wir sind die Stadt der Kreativindustrie und Kultur. Als Standort für Messen und Konferenzen kann sich Berlin international sehen lassen. Viele Unternehmen kamen hierher, um eine Adresse in der Hauptstadt zu haben; mittlerweile merken sie, dass Berlin auch Magnet für gute Arbeitskräfte und gute Ideen ist.
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Uwe Doering (LINKE): Das ist auch ganz plötzlich gekommen!]
Heute und morgen wird uns das Thema urbane Industrien immer mehr beschäftigen. Mit dem Steuerungskreis Industriepolitik hat der Regierende Bürgermeister deutlich
gemacht: Die Koalition wird die Rahmenbedingungen im Dialog mit der Wirtschaft vorantreiben. Im Übrigen meinen wir, meine ich, wenn wir von der Wirtschaft reden, immer auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch deren Vertreter, die Gewerkschaften.
Wir haben in unserer Stadt starke Zukunftsorte, z. B. das WISTA in Adlershof, den Campus Buch, den Clean Tech Business Park in Marzahn. Damit zeigt Berlin, dass es funktionieren kann. Starke Zentren schaffen Synergien und tragfähige Strukturen. Auch mit dem Charlottenburger Gründungs- und Innovationszentrum schaffen wir neue Chancen. An unseren Hochschulen werden jedes Jahr gute Ideen für Unternehmen geboren. Künftig wird der Weg von der Idee zur Unternehmung leichter werden. Dafür wird der Standort Charlottenburg stehen.
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU Mit dem Technologiezentrum Südwest in Dahlem, mit den Standorten Oberschöneweide und Tempelhof verbin- den sich ebensolche Potenziale. Auch die Nachnutzung des Flughafens Tegel bietet gute Möglichkeiten. Wir werden Raum für einen Forschungs- und Industriepark schaffen. Ziel wird sein, dort Branchen der Zukunft, wie z. B. erneuerbare Energien, anzusiedeln. Aber etwas dürfen wir bei alledem nicht aus den Augen verlieren. Die ökonomische Basis wird nicht in Banken oder Konzernen geschaffen. Sie beginnt ganz woanders: in der Kita, in der Schule, in der Hochschule und in der Ausbildung. Denn es sind die Köpfe, die Berlin reicher werden lassen. [Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Michael Schäfer (GRÜNE): Kommen Sie mal zur Sache! – Lars Oberg (SPD): Ist er schon lange!]
Deshalb ist es wichtig, dass Berlin die richtigen Weichen beim Thema Fachkräfte stellt. Wir haben Potenziale für gute Fachkräfte in der Stadt, denken wir nur an die alleinerziehenden Frauen oder an die Betreuung von Kindern in den Randzeiten abends und morgens, denken wir nur an jene, die nach der Familienpause den Einstieg nicht schaffen, oder an Ältere, denen man zu wenig zutraut. Es ist ein Jammer, dass noch immer 14 000 Jugendliche in Berlin keine abgeschlossene Ausbildung haben. Auch diese Jugendlichen sind ein Potenzial für Berlin. Wir alle brauchen sie.
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Zurufe von Michael Schäfer (GRÜNE) und Özcan Mutlu (GRÜNE)]
Dafür müssen wir den Übergang von Schule in Ausbildung flüssiger gestalten. Dafür müssen wir die Warte
schleifen, so gut es geht, vermeiden. Denn junge Leute brauchen Perspektive, sonst geht Motivation verloren.
Für das Jahr 2012 hat die Berliner Industrie bereits 1 400 Ausbildungsplätze zugesagt. Die Koalition peilt in den Folgejahren 2 000 Ausbildungsplätze an. Für Jugendliche ohne betriebliche Ausbildung wird das Berliner Ausbildungsprogramm weiter da sein. Das ist die eine Seite der Medaille. Aber es gibt auch andere Aufgaben. Wir werden weiter mithelfen, dass junge Leute auch wirklich ausbildungsreif sind. Wir wollen, dass sie ihre Ausbildung nicht abbrechen, sondern beenden. Kurzum: Die Koalition wird sich der Ausbildung guter Fachkräfte widmen. Dazu haben wir im Koalitionsvertrag ein richtiges Ziel definiert. Da steht geschrieben: Kein Jugendlicher bleibt ohne Ausbildung. Das ist ein ehrgeiziges Ziel, aber ein richtiges Ziel allemal.
Ein weiteres zentrales Thema für den wirtschaftlichen Aufbruch wird die Infrastruktur sein. Mit der Eröffnung des Großflughafens und den Verkehrsprojekten ist der Weg beschlossen. Dazu wurde heute auch schon Einiges gesagt. Aber mir geht es beim Thema Infrastruktur jetzt gerade nicht um die klassischen Entwicklungen. Der Datenverkehr im Internet legt jedes Jahr um 50 Prozent zu. In diesem Jahr wird allein schon der Markt für mobiles Internet um 50 Prozent wachsen. So gut wie alle Produkte haben heute einen Bezug zum Netz. Bisher steht Berlin beim Breitbandinternet im Vergleich gut da.
Wenn der Datenverkehr weiter so zunimmt, dann werden auch wir uns bald enormen Herausforderungen stellen müssen. Es ist absehbar: Diese Infrastruktur wird uns bald genauso beschäftigen wie Straßen oder Schienen. Es wird für die Kreativindustrie wichtig sein, dass ein einfaches und klares Urheberrecht geschaffen wird. Es muss den Mittelstand nicht nur vor dem Raub geistigen Eigentums schützen, es muss auch dafür sorgen, dass die Patent- und die Abmahnindustrie den Mittelstand in diesem Bereich nicht abwürgen. Das gehört zu den ureigensten Landesinteressen der Kreativmetropole Berlin, und dafür werden wir uns im Bund einsetzen.
Deshalb begrüßen wir ausdrücklich, dass der Senat die Netzpolitik zu einem eigenen Politikfeld gemacht hat. Übrigens steht Netzpolitik in den Richtlinien der Regierungspolitik zu Recht im Kapitel Wirtschaft. Da gehört sie auch hin, denn – und ich hoffe auf Ihre Zustimmung, liebe Piraten – Netzpolitik gehört zu den harten Politikfeldern und ist kein Nischenthema.
Genau! – Berlins Wirtschaft kann vorankommen. Schon heute gibt es erste Beispiele wie unsere Zukunftsorte, den Tourismus, die Kreativbranche. Der Senat wird die Jobs am Ende nicht selber schaffen können, aber wir machen deutlich: Die Rahmenbedingungen werden wir nach und nach weiter verbessern. Dabei geht es der Koalition nicht um irgendwelche Jobs, sondern um gute Arbeit. Gerade in der Dienstleistung gab und gibt es in Berlin unhaltbare Zustände bei den Löhnen. Mindestens dort, wo das Land Einfluss hat, muss das aufhören. Deshalb will die Koalition absichern, dass bei Zuwendungen im Sozialbereich Tarifbindung und ordentliche Arbeitsbedingungen gelten. Ich begrüße auch, dass bei der Charité Tochterfirma CFM endlich ein Mindestlohn von 8,50 Euro erkämpft wurde.
Wir werden als Land künftig genau darauf achten müssen, dass wir nicht selbst unsere eigenen Ansprüche untergraben.
Wir machen bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze keine unseriösen Versprechungen. Wir haben mit der Eurokrise im Übrigen Risiken, die das Land Berlin nicht beeinflussen kann. Das ist allen hier im Raum klar. Aber genauso klar ist: Diese Koalition wird beharrlich gemeinsam an den ökonomischen Themen arbeiten. Der Mut und die Chancen sind dabei auf unserer Seite.
Die Finanzlage der Stadt bleibt angespannt. Wir haben seit zehn Jahren eine Politik der Konsolidierung betrieben, und trotzdem wissen wir, der Solidarpakt II wird auslaufen. Das wird Folgen haben. In diesem Jahr erhielten wir aus diesen Mitteln noch knapp 1,4 Milliarden Euro. Am Ende der Legislaturperiode werden es nur noch 817 Millionen Euro sein. Ab 2016 wird die Schuldenbremse gelten. Sie steht in der Verfassung. Wir werden sie einhalten. Der Weg zur Abschaffung der Neuverschuldung wird steinig, aber wir werden ihn gehen.
Der finanzielle Druck zwingt uns, klare Prioritäten zu setzen. Eine wichtige Priorität wird bei der Bildung liegen. Deshalb werden wir trotz sinkender Schülerzahlen die Finanzierung der Schulen stabil halten. Das wird die Ausstattung verbessern. Und wir bleiben dabei, wir wollen weder Studiengebühren noch Kitabeiträge.
Eine weitere wichtige Priorität ist die Stabilität in den Bezirken. Wir werden bis Mitte des Jahres einen Doppelhaushalt aufstellen. Ein Ziel haben die Fraktionen von SPD und CDU bereits formuliert: Wir werden die Sachausgaben der Bezirke um 50 Millionen Euro pro Jahr aufstocken.
Noch etwas ist mir wichtig: Die Risiken der Bezirke im Bereich Energie und bei den Sozialausgaben werden wir besser abfedern. Das ist kein Blankoscheck für die Bezirke, aber es muss doch klar sein, die Bezirke sollen nur die Risiken tragen, die sie auch steuern können. Wenn eine Familie, die Hilfe vom Jugendamt braucht, von einem Bezirk in einen anderen zieht, dann ist das gerade nicht steuerbar.
Die Bezirke haben viel Personal eingespart. Das war auch notwendig, und das war ein Erfolg aller Parteien. Jetzt ist an vielen Stellen das Ende der Belastbarkeit erreicht. Deshalb ist absehbar, die Konsolidierung im Personalbereich wird sich stärker auf die Senatsverwaltungen konzentrieren und weniger auf die Bezirke.
Die Sparpolitik hat die Bezirke ganz besonders getroffen. Dabei spüren Bürgerinnen und Bürger die Arbeit der Bezirke ganz direkt, sei es bei der Musikschule, sei es bei der Bibliothek, sei es im Nachbarschaftstreff oder im Bürgeramt. Unsere Entscheidung, den Bezirken 50 Millionen Euro mehr zu geben, hat eine lange und aufreibende Diskussion vermieden. Sie hätte im Übrigen am Ende zum gleichen Ergebnis geführt.
Jetzt haben wir mehr Sicherheit für die Planungen der Bezirke, denn für uns gilt der Grundsatz: Die Landesebene muss die Bezirke fair behandeln.
Ich habe es bereits angesprochen: Die Mieten in Berlin steigen. Das hat ganz reale Auswirkungen. Viele Bürgerinnen und Bürger sorgen sich, ob sie auch morgen und übermorgen noch in ihrem Kiez leben können. Selbst in der Mittelschicht fällt es heute zum Teil schwer, Wohnungen zu bezahlbaren Mieten zu bekommen.
Wir erleben auch, dass ärmere Leute in preiswerte Kieze abwandern. Wenn wir das nicht bremsen, bekommen wir irgendwann große und auch teure Probleme.
Ich habe dabei keine Illusionen. Auch im alten Westberlin war es teurer, in Wilmersdorf zu wohnen als in Neukölln. Das kann man nie ganz vermeiden, aber umgekehrt gilt auch: Der entspannte Wohnungsmarkt war ein Vorteil Berlins. So mancher Künstler, viele Kreative wären ohne ihn nie gekommen. Berlin kann sich Münchener und Londoner Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt einfach nicht leisten.
Deshalb begrüßen wir ausdrücklich die Pläne des Senats für mehr Wohnraum. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass die Richtlinien gut formuliert sind. Ich zitiere:
Das Wohnungsangebot in Berlin soll durch Wohnungsneubau um mindestens 30 000 Wohnungen erhöht werden.