Protocol of the Session on January 12, 2012

Vielleicht waren Sie aber auch einfach in den letzten Wochen nur zu beschäftigt, die ständig volllaufenden Keller auszupumpen, so auch in der Innenpolitik. Außer markigen Sprüchen, die etwas an Sie, Herr Henkel, als innenpolitischen Sprecher der CDU erinnert haben, haben Sie wenig hinbekommen. Wir erleben seit Wochen eine Hängepartie bei der Neubesetzung des Polizeipräsidenten. Da haben Sie wahrlich ein schweres Erbe von Ehrhart Körting angetreten. Nachdem das Verfahren um Udo Hansen gescheitert ist, wollten Sie ganz schnell die Hängepartie beenden und haben mit dem Vorschlag, den nächsten Polizeipräsidenten einfach zu ernennen, einen Schnellschuss produziert, den Sie jetzt wieder geradebiegen müssen. Sie beschädigen damit dieses Amt zusätzlich. Ein Polizeipräsident ist doch kein Polizeipräsident von Innensenators Gnaden, Herr Henkel!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Berlin braucht eine unabhängige Person, die die Erfahrung und Kompetenz hat, die größte Polizeibehörde Deutschlands zu leiten, und nicht bloß einen weiteren Staatssekretär, der von Ihnen nach Parteiproporz ernannt wird.

Sie schreiben sich 250 neue Polizisten als Erfolg auf die Fahnen, dabei wurden bereits 200 von Rot-Rot beschlossen und von Herrn Körting in den Haushalt hineingeschrieben. Bleiben eigentlich nur 50 Polizisten als Erfolg für Sie, Herr Henkel, aber immerhin ein kleiner, kann man Ihnen ja gönnen. Was die aber alles machen sollen – von mehr Sicherheit im ÖPNV über Kontaktbereichsbeamte in den Kiezen bis zur Stärkung von Einsatzhundertschaften –, das sollen die alles leisten! Da müssen Sie schon konkret werden. Sprüche und Ankündigungen werden da nicht mehr ausreichen, Herr Henkel!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Genauso verhält es sich mit der Ankündigung, den Polizeigewahrsam auf bis zu vier Tage auszuweiten. Angeblich seien so potenzielle Gewalttäter besser von Versammlungen abzuhalten. Dabei sagen Sie aber selber, dass Ihnen tatsächlich keine Erkenntnisse vorliegen, weshalb diese vorbeugende Freiheitsentziehung länger möglich sein soll. Wie soll das gehen? Und es gibt auch keinen einzigen bekannten Fall in Berlin, in dem das etwas genützt hätte. Auch an dieser Stelle Symbolpolitik und markige Sprüche, Einschränkung der Grundrechte – der Sinn ist nicht klar geworden, Herr Henkel!

Vor einem großen Problem werden Sie sich in den nächsten Jahren nicht mehr wegducken können: Sie stehen vor einem gewaltigen Schuldenberg von 63 Milliarden Euro. Die Schuldenbremse kommt näher, Herr Wowereit! Und das ist eben nicht alles. Es kommen noch verdeckte und verschobene Schulden hinzu wie die Pensionsverpflichtungen des Landes, die Schulden der Landesunternehmen, aber auch die Sanierungsrückstände an energiefressenden landeseigenen Gebäuden und die Belastungen aus der BIH, die Sie uns ganz freiwillig aufgehalst haben, lieber Herr Saleh! Das ist der Nachlass der großen Koalition, die Schrottimmobilien der Bankgesellschaft, die wir jetzt auch noch an der Backe haben und uns in den kommenden Jahren sicher noch teuer Geld kosten werden. Da nicken Sie wissentlich. Wie wollen Sie eigentlich das Ziel erreichen, 2016 ohne neue Schulden auszukommen? Sollen dafür die seit zehn Jahren stagnierenden Gehälter der Berliner Beamten und der Beschäftigten bei den freien Trägern weiter eingefroren werden? Dass das nicht geht, liegt ja wohl auf der Hand.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Doch stattdessen wimmelt es bei Ihnen vor lauter Großprojekten – die Klaus-Wowereit-Gedenkbibliothek, die alleine schon Ihre 0,3 Prozent Ausgabenlinie in den nächsten Jahren sprengen würde. Dafür wollen Sie dreistellige Millionenbeträge mobilisieren, während die bezirklichen Bibliotheken ausbluten. Sieht so vernünftige Politik aus? – Ja wohl kaum!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Pavel Mayer (PIRATEN)]

Und wir wissen alle, wie das enden wird. Ihr hehres Ziel ist, 2016 ohne neue Schulden auszukommen: Vor der nächsten Wahl werden Sie sich dann hinstellen und sagen: Wir hätten es als Koalition natürlich geschafft, aber leider hat der Bund die Rahmenbedingungen dermaßen verschlechtert, dass wir überhaupt nicht in der Lage gewesen sind, das zu erfüllen. Und leider muss uns jetzt der Bund wieder helfen, aus der Patsche zu kommen. – Das kennen wir alles schon zur Genüge. Ehrgeizige Ziele, und dann landen Sie als Bettvorleger.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Für meine Fraktion möchte ich zum Schluss festhalten,

[Zuruf von der SPD: Für welchen Teil?]

dass Opposition sich für uns nicht nur im trotzigen Neinsagen beschränkt. Wir sind bereit, mit unseren Initiativen und Anträgen konstruktiv mitzuarbeiten. Wir nehmen aber auch unsere Verantwortung an, andere Wege und Konzepte aufzuzeigen. Ich fürchte aber – und das deutet sich ja auch schon wieder an –, dass wir in die alten Reflexe von Regierung hier und Opposition dort verfallen. Wo alles, was von der Opposition kommt, allein schon deswegen und per se abzulehnen ist, wo man sich dann gar nicht mehr damit auseinandersetzt, ob darin vielleicht doch ein guter Gedanke stecken könnte. Das hat sich bereits in Ihrer Ablehnung gezeigt, den Sonderausschuss Wasserverträge vernünftig auszustatten. Lieber Herr Graf! Wo bleiben eigentlich die Erfahrung und die Lehren der CDU aus den Jahren in der Opposition? Haben Sie nicht jahrelang mit uns gemeinsam für mehr parlamentarische Rechte in Sonder- und Untersuchungsausschüssen gekämpft? Davon wollen Sie heute nichts mehr wissen, kaum dass Sie auf die Regierungsbank gewechselt sind. Sehr schade!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Fabio Reinhardt (PIRATEN) – Zurufe von der CDU]

Ist ja vielleicht ein kleiner Denkanstoß. – Wenn Sie sich ernsthaft den Herausforderungen, die vor uns allen liegen, stellen und in den nächsten Jahren nicht nur lustlos vor sich hinwerkeln, dann werden Sie sich sicher sein können, dass wir als eine konstruktive Opposition mitgestalten werden. Wir werden aber auch nicht müde werden, wenn es bei diesen Unklarheiten, Unverbindlichkeiten und Prüfaufträgen bleibt, klare Konzepte anzumahnen und auch vorzulegen, damit es in der Stadt Alternativen zur Beliebigkeit gibt. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Das waren auf die Sekunde genau 30 Minuten. Als Nächster für die SPD-Fraktion der Herr Fraktionsvorsitzende Saleh. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Berlin ist die Stadt, die einen immer wieder überrascht. Wer hätte gedacht, dass heute SPD und CDU gemeinsam in einer Koalition zusammenarbeiten?

[Zurufe von der LINKEN und den PIRATEN]

Ich hätte es nicht gedacht.

[Beifall bei der SPD]

Natürlich müssen die beiden Volksparteien immer in der Lage sein, miteinander zu arbeiten. Vor einigen Monaten schien eine große Koalition auch für mich in weiter Ferne.

[Zuruf: Für Wowereit nicht!]

Viele von uns in der Fraktion haben gestaunt, dass es nicht zu einer rot-grünen Koalition gekommen ist. Manche waren auch enttäuscht.

[Zurufe von der LINKEN]

Ich will auch nicht verhehlen, dass ich selbst skeptisch gegenüber Rot-Schwarz war. Aber dann haben wir die letzten Wochen der Koalitionsbildung miterlebt. Da war spürbar, dass beide Seiten nicht in ihren alten Mustern verharrt sind.

[Zurufe von der LINKEN]

Wir haben Lösungen für die Probleme in der Stadt gesucht, bodenständig und pragmatisch. Damit haben wir so manche überrascht. Denn wer konnte ahnen, dass SPD und CDU sich auf einen fairen Mindestlohn im Vergabegesetz von 8,50 Euro einigen?

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf von den PIRATEN: Fair?]

Wir werden als Land Berlin deutlich machen, dass jede Arbeit ihren Wert hat. Das hat etwas mit der Würde zu tun und ist fair gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Wer hätte gedacht, dass SPD und CDU eine gemeinsame Flughafenpolitik machen?

[Uwe Doering (LINKE): Ist ja doll!]

Wir haben schließlich damit jahrelange Kampagnen gegeneinander geführt. Jetzt ist klar: Der Willy-BrandtFlughafen wird kommen – als Großflughafen und nicht als Provinzflughafen. Die Metropole Berlin bekommt zu Recht einen angemessenen Flughafen und nicht zwei oder drei.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wer hätte darauf gewettet, dass SPD und CDU einen Schulfrieden schaffen? Wir haben mit diesem Schulfrieden jahrzehntelange Grabenkämpfe beendet. Jetzt schaffen wir eine stabile Perspektive in der Bildungspolitik.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Natürlich wird die Umsetzung der Reformen Zeit brauchen. Aber klar ist: Im Schulsystem der Zukunft werden Kinder nicht aussortiert, sondern gefördert. Diese Weiche ist gestellt. Das ist wichtig.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Alexander Spies (PIRATEN): Wenn das Geld reicht!]

Wer hätte gedacht, dass SPD und CDU eine offensive Mietenpolitik vereinbaren können? Schließlich müssen wir zur Kenntnis nehmen – Herr Wowereit hat es gesagt –, dass die Attraktivität Berlins ihre Kehrseite hat: Die Mieten steigen.

[Uwe Doering (LINKE): Schon seit Jahren!]

Die Berlinerinnen und Berliner verlangen von der Politik zu Recht, dass wir uns für bezahlbare Mieten einsetzen,

[Uwe Doering (LINKE): Das hättet ihr schon längst machen können!]

egal ob in Kreuzberg oder in Marzahn-Hellersdorf.

Wer hätte geglaubt, dass SPD und CDU mehr Einfluss auf die öffentliche Daseinsvorsorge nehmen – sei es beim Strom- oder beim Gasnetz, sei es bei der S-Bahn oder im Bereich der Wasserpolitik?

Nicht alles wird von heute auf morgen gehen, aber die Richtung stimmt. Wir haben gemeinsam neoliberalen Dogmen eine ganz klare Absage erteilt.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Haben Sie sich dafür Fachleute in den Senat geholt?]

Ich bin zufrieden, dass wir es mit den Konservativen geschafft haben, eine linke Politik zu verabreden,

[Lachen bei der LINKEN und den PIRATEN]