Protocol of the Session on December 11, 2014

(Wolfram Prieß)

werden. Flüchtlingskinder und Jugendliche, besonders die Mädchen, haben vielfach bisher keine guten Bildungschancen gehabt. Zum Teil sind sie traumatisiert. Ihnen nun auch noch den Kontakt zu Gleichaltrigen zu erschweren und sie zu separieren, ist nicht mehr hinnehmbar,

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

nicht in Buch, nicht in Köpenick, nicht in Marzahn, nirgendwo in unserer Stadt. Die Beschulung von zugewanderten Kindern und Jugendlichen ist kein temporäres Problem, sondern eine dauerhaft im Bildungssystem und in der Schulentwicklungsplanung zu lösende Aufgabe.

Damit dürfen die Berliner Bezirke nicht allein gelassen werden, und dafür muss das Land auch die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen. Dafür müssen auch wir Abgeordneten Verantwortung übernehmen, und deshalb fordern wir, die Einsetzung einer Steuerungsgruppe in der Senatsbildungsverwaltung für die Integration von Flüchtlingen in den Berliner Schulen, die mit dem LAGeSo zusammenarbeitet. Wir fordern die Bereitstellung von qualifiziertem Personal durch die Senatsbildungsverwaltung für die sogenannten Willkommensklassen und für den Sprachunterricht in den Berliner Schulen für diese Kinder und Jugendlichen. Das Land muss den Bezirken die erforderlichen finanziellen Mittel für die Schaffung der räumlichen Bedingungen zur Verfügung stellen. Um die Beschulung von Flüchtlingskindern und anderen neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen dauerhaft sicherstellen zu können, müssen wir auch endlich den Schritt gehen, diese in die Schulentwicklungsplanung aufzunehmen. Wenn eine Gemeinschaftsunterkunft eingerichtet wird, muss die Möglichkeit der Regelbeschulung im Umfeld ein Entscheidungsfaktor sein.

Wir haben hier im Haus in der letzten Plenarsitzung gemeinsam eine Resolution mit dem Titel „Flüchtlinge sind willkommen!“ verabschiedet. Ich hoffe, dass wir in diesem Sinn auch eine gemeinsame Position zu dieser Frage finden werden.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die SPD-Fraktion jetzt der Kollege Özışık. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Der vorliegende Antrag beschäftigt sich mit der Situation von Kindern unter ganz besonderer Belastung, und wir als Gesellschaft haben eine ganz besondere Verantwortung, bestmögliche Strukturen zu

schaffen, um kein Kind abzuschreiben und zurückzulassen. Dazu brauchen wir schulische Bildung. Dafür brauchen wir aber vor allem Kurse, die diese Kinder nach individuellem Bedürfnis darauf vorbereiten. Es darf keine Minute ohne Bildung geben. Dafür müssen selbstverständlich Lehrkräfte und Räume zur Verfügung gestellt werden. Die zentrale Frage ist, welche Bedürfnisse Kinder haben, die ohne Sprachkenntnisse in die Regelschule integriert werden sollen. Welche Voraussetzungen müssen sie haben, um erfolgreich in der Schule mitzukommen? Welche individuellen Hilfestellungen benötigen sie?

Ich denke, dass ein dreimonatiger Sprachkurs für einen Großteil der Schülerinnen und Schüler keine ausreichende Grundlage darstellt. Natürlich ist es wichtig, dass alle Kinder schnellstmöglich am Regelunterricht teilnehmen können. Doch wenn sie dem Unterricht nicht halbwegs folgen können, ist ihnen damit nicht geholfen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Willkommensklassen wurden eröffnet, um direkt und individuell die nötigen sprachlichen Voraussetzungen zu schaffen. Das oft gelobte Sprachbad im Regelunterricht kann fehlende Deutschkenntnisse nicht ohne Weiteres aufholen. Für einen guten Start haben wir die Willkommensklassen. Die Verweildauer in diesen Lerngruppen ist unterschiedlich, da sie von den individuellen Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler abhängt. Die Einschätzung ausreichender Sprachkenntnisse muss bei unseren Lehrkräften bleiben.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kittler?

Nein! – Insgesamt soll der Aufenthalt in den Lerngruppen zwölf Monate nicht überschreiten, jedoch wird ergänzend zum Unterricht in Lerngruppen die Teilnahme am Unterricht in den Regelklassen angeboten. Aus diesem Grund werden auch bis auf eine Ausnahme alle Lerngruppen direkt an die Schulen angegliedert. Ich denke, dass dies der richtige Weg ist, um die gezielte und individuelle Förderung zu realisieren.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Eine schnelle Aufnahme in die Berliner Schule, ein zügiger Erwerb der deutschen Sprache, ein schneller Übergang in eine Regelklasse und gegebenenfalls zusätzliche Betreuung bei Bedarf sind unsere Ziele. Willkommensklassen sind das richtige Instrument. Für gute Vorschläge Ihrerseits sind wir selbstverständlich immer offen. Deshalb freuen wir uns auf die Diskussion im Bildungsausschuss. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

(Regina Kittler)

Vielen Dank! – Für die Grünen jetzt Frau Remlinger. – Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir über das Thema sprechen. Ich freue mich auch über den Antrag der Linken. In der Tat ist es auch schon geplant, dass wir im Bildungsausschuss über das Thema sprechen. Ich möchte Sie sehr, sehr herzlich darum bitten, dass wir hier aus einem parteiorientierten Geplänkel heraustreten. Ich möchte auch meinem Vorredner nichts vorwerfen oder unterstellen. Ich möchte nur infrage stellen, dass wir so tun sollten, als sei arg viel auf wirklich gutem Weg, wie es Herr Özışık hier gerade gesagt hat.

Ich schicke voraus, dass ich für mich nicht in Anspruch nehme, einen repräsentativen Überblick über alle Willkommensklassen in Berlin und darüber zu haben, wie sie laufen. Es gibt aber Symptome, die mich sehr beunruhigen: Ich höre mehrfach, dass Kinder nach einem Jahr Willkommensklasse oftmals noch nicht in der Lage sind, auch nur zu sagen und zu schreiben: Mein Name ist Stefanie.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Wir können uns bei der Ernsthaftigkeit des Themas solche blöden Bemerkungen, wie Sie sie gerade gemacht haben, dass sie vielleicht nicht Stefanie heißen, einfach mal klemmen!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Ich würde Sie bitten, sich das einfach einmal zu klemmen! Ich habe bewusst gesagt, dass sie nicht den Satz sagen könnten, „ich heiße Stefanie“, weil ich darauf hinauswollte, dass das Kinder und Jugendliche wie du und ich und wie unsere Kinder und Jugendliche sind und nicht irgendwie fremdartige Wesen – und vielleicht heißt ja sogar eins Stefanie.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Ich will auch darauf hinaus, dass es uns ernsthaft besorgen muss, wenn die Sprachkenntnisse nach einem Jahr noch nicht so gut sind, wie sie es sein sollten. Ich habe wiederum auch nicht den Antrag der Linken so verstanden, dass sie glauben, dass nach drei Monaten alles paletti sei. Was aber nicht sein kann, ist das, was wir im Moment hören, dass man sagt: Na, dann lassen wir sie vielleicht anderthalb Jahre da drin! – Nein, deshalb müssen wir uns jetzt damit beschäftigen, was hier schiefläuft.

Wir müssen uns auch – und da ist die Linke sicherlich nicht böse, wenn wir ihrem Antrag weitere Vorschläge hinzufügt, was man tun müsste – stark damit beschäftigen, wie wir die Lehrkräfte besser unterstützen können.

Wir dürfen nicht dauernd fordern, dass unsere Lehrkräfte eierlegende Wollmilchsäue seien, die alles mit einer kurzen Fortbildung können müssten. Sie brauchen da noch andere Kollegen an der Seite. Sie brauchen Unterstützung. Wir haben zum Beispiel keine ausreichenden Unterrichtsmaterialien.

Also, lassen Sie uns da auch auf der Seite der Schulen gucken! Denn ein weiteres Symptom, dass ich anführen will und das uns wirklich besorgen muss, ist, dass nicht nur eine Schule die Kinder in andere Gebäudeteile tut und abschließt, weil sie nicht will, dass Begegnungen stattfinden. Das ist das Schlimmste, was passieren kann! Da müssen wir einschreiten und unser Wissen zusammenschmeißen. Wer weiß zum Beispiel, an welcher Schule das so läuft, damit die Schulaufsicht einschreiten kann? Ich bin überzeugt davon, dass sie das will und das ganze Haus die Überzeugung eint, dass das nicht sein darf. Wir müssen Wege suchen, wie mehr Begegnung und Interaktion stattfinden kann. Deshalb sage ich: Bei den vielen Dingen, die ich für unbedingt notwendig halte, ist, dass wir auch die Schülerinnen und Schüler unseres Landes Berlin einbeziehen, dass wir Peer-Coaching machen und dass wir Sprachbotschafter einsetzen.

Das werden wir umso mehr bei den Containerdörfern brauchen, und ich hätte dazu gern die Stellungnahme der Bildungsverwaltung. Denn wenn in den Containerdörfern beschult werden soll, haben wir noch einmal eine ganz andere Krisenlage, was die Beschulung angeht. Deshalb lassen Sie uns diese Sache mit Ernst als eines der wichtigsten Probleme, die wir haben, angehen und optimieren, welche Integrationsleistungen unser Bildungssystem haben kann, wenn wir es dabei unterstützen und uns nicht mit Platitüden beruhigen, dass doch alles in Ordnung wäre. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Danke schön! – Herr Kollege Oberg! Ich bin darauf aufmerksam gemacht worden, dass Sie zum wiederholten Mal den Vogel gezeigt haben. Wir sind uns einig, dass das nicht parlamentarisch ist. Das wäre jetzt der zweite Ordnungsruf für heute. Ich muss Sie auf die Konsequenzen hinweisen und bitten, das zu unterlassen!

[Hakan Taş (LINKE): Das dritte Mal! – Dirk Behrendt (GRÜNE): Schmeißen Sie ihn raus!]

Herr Kollege Behrendt! Das war jetzt auch kein hilfreicher Hinweis, um es einmal so deutlich zu sagen. – Frau Bentele hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum vorliegenden Antrag der Linken zur Beschulung von Flüchtlingskindern kann ich mich kurz fassen, denn das meiste, was hier gefordert wird, ist genau das Ziel des Senats: schnelle Unterbringung, ein Dach über dem Kopf, Essen, Wärme, Sicherheit und anschließend die weitere Eingliederung in die deutsche Gesellschaft und den Arbeitsmarkt – und für die Kinder natürlich Beschulung. Der Senat, allen voran Sozialsenator Czaja, tut sein Menschenmögliches, um mit dieser Herkulesaufgabe, von der wir ja auch nicht wissen, wie sie sich weiterentwickeln wird, fertigzuwerden. Allerdings kann der Senat nicht – wie die Linken – die Augen vor der Realität in der Stadt verschließen,

[Lachen bei der LINKEN]

die darin besteht, dass wir nur in sehr begrenztem Umfang freie Räumlichkeiten haben, die sich zur Flüchtlingsunterbringung eignen, und dass unsere Schulen schon jetzt aus allen Nähten platzen.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Wo ist Herr Czaja?]

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Breitenbach?

Nein! – Das Wichtigste ist, dass Flüchtlingskinder im Schulalter so schnell wie möglich ein Lernangebot erhalten. Das gelingt bisher auch sehr gut und geschieht in 99 Prozent aller Fälle in Regelschulen. Insofern gibt es eher Anlass, für die weitestgehend reibungslose Aufnahme von mittlerweile fast 3 000 Kindern und die Einstellung von 280 Lehrkräften, die Flüchtlingskinder unterrichten, ein großes Lob auszusprechen, als alarmistische Töne anzuschlagen.

[Beifall bei der CDU – Oliver Friederici (CDU): Bravo!]

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kittler?

Nein! – Geradezu abwegig bzw. kinder- und integrationsfeindlich ist aus unserer Sicht jedoch die Forderung, den Aufenthalt der Flüchtlingskinder in den Willkommensklassen auf nur drei Monate zu beschränken und sie dann in normale Schulklassen zu pressen, egal ob sie deutsch sprechen und damit dem Unterricht folgen und an der Schulgemeinschaft teilnehmen können oder nicht. Dieser

Vorschlag zeigt aus meiner Sicht leider, wie wenig die Linke Flüchtlingskinder und auch unsere Schulen ernst nimmt. Flüchtlingskinder müssen individuell so viel Unterstützung bekommen, bis sie auf einer guten sprachlichen Basis und seelisch gefestigt am Unterricht der Berliner Schulen teilnehmen können. Dafür stehen wir.

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Höfinghoff?

Ich gestatte keine Zwischenfragen.

Das gilt grundsätzlich bis zum Ende des Redebeitrages?

Die Bereitstellung einer solchen guten Vorbereitung der Flüchtlinge, bevor sie in den Regelunterricht wechseln, sind wir auch den Berliner Lehrkräften schuldig, die schon jetzt mit vielen Zusatzaufgaben belastet sind.