Protocol of the Session on December 11, 2014

Hohe Qualitätsstandards bei der Flüchtlingsunterbringung sicherstellen – Heim-TÜV einführen

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales vom 1. Dezember 2014 Drucksache 17/2004

zum Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/1405

in Verbindung mit

lfd. Nr. 17:

Mindeststandards auf hohem Niveau in allen Berliner Flüchtlingsunterkünften gewährleisten

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales vom 1. Dezember 2014 Drucksache 17/2005

zum Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/1413

In der Beratung beginnt die Piratenfraktion. – Herr Kollege Reinhardt, bitte schön, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es gut und richtig, dass wir heute insgesamt drei Mal in verschiedenen Variationen über das Thema Flüchtlinge sprechen. Es gibt dazu allerlei Anlass, sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Gerade die aktuellen Vorgänge rund um die Containerlager und die Probleme im Landesamt für Gesundheit und Soziales machen es notwendig, dass wir uns intensiv damit beschäftigen.

Wir reden jetzt über die Unterbringung von Flüchtlingen und die Standards in Unterkünften. Die Unterbringung von Flüchtlingen ist eine staatliche Pflichtaufgabe. Die Flüchtlinge kommen hierher, sie kommen in ein fremdes Land, sind direkt mit hochkomplizierten bürokratischen Asylverfahren konfrontiert. Umso wichtiger ist es, dass sie in einem angemessenen Wohnraum unterkommen, am besten – das sage ich gern und immer wieder – in einer eigenen Wohnung. Aber auch wenn sie in Sammel- oder Massenunterkünften unterkommen, muss sichergestellt sein, dass die Flüchtlinge dort angemessene Standards vorfinden. Für die Sammelunterkünfte gilt, dass es dort ausreichendes und ausreichend qualifiziertes Personal gibt, das z. B. auch im Asylverfahren beratend zur Seite stehen kann, das den Flüchtlingen hilft, Wohnungen zu finden, so sie es möchten, das ihren Kindern hilft, in der Nähe liegende angemessene Schul- und Kitaplätze zu finden. Daran mangelt es leider noch immer.

Wir sind eines der Bundesländer, in denen es Mindeststandards gibt. Das ist gut, das ist nicht in allen der Fall. Aber die wichtige Frage ist: Wie werden diese Standards umgesetzt und kontrolliert – und im Zweifel eben auch sanktioniert, wenn sie nicht eingehalten werden? Wenn es keine Kontrollen gibt, dann können gewissenlose Privatfirmen hemmungslos Profit mit dem Elend der Menschen in dieser Stadt machen.

Erst seit einigen Monaten finden überhaupt wieder Kontrollen in den Unterkünften statt. Lange konnten unseriöse private Heimbetreiber tun und lassen, was sie wollten. Ich und auch einige andere Kolleginnen und Kollegen in diesen Reihen haben viele Unterkünfte persönlich besucht, weil es dort immer wieder Beschwerden von Heimbewohnerinnen und -bewohnern und Institutionen gab und keinen vernünftigen Prozess, wie diese Beschwerden an die richtigen Stellen kommen konnten. Wir haben uns dann selbst eingeschaltet.

Es gibt in Berlin richtig gute Unterkünfte. Ich habe gerade diese Woche Dienstag eine besucht, in Pankow. Aber es gibt auch richtig miese Unterkünfte, dreckige, schimmelige Bruchbuden mit zu wenig Personal – das auch noch schlecht bezahlt wird, das kann man dazusagen; es

geht auch darum, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angemessene Arbeitsbedingungen haben –, in denen Flüchtlinge ohne ausreichend warmes Wasser und ohne jegliche Privatsphäre wohnen müssen. Teilweise kritisieren das die Betreiber sogar selbst. Es gibt Unterkünfte wie etwa in Spandau, wo die Betreiber selbst sagen, sie seien ungern in diesem Gebäude, sie würden diese Unterkunft eigentlich gern schließen. Aber es ist zum Teil schon über Jahre nicht möglich.

Die Heimbewohner und -bewohnerinnen selbst haben keine Möglichkeit, diese Missstände in den Unterkünften abstellen zu lassen. Sie sind auf Goodwill des Betreibers oder mögliche Ansprechpartner in den Behörden angewiesen. Das Beschwerdemanagement funktioniert im Endeffekt gar nicht.

Einige unseriöse Heimbetreiber, wie etwa die PeWoBe und die GIERSO, über die wir schon an mehreren Stellen gesprochen haben, machen hier auf Kosten des Landes Berlin ein gutes Geschäft. Ihnen ist offenkundig nicht am Wohl der Bewohner und Bewohnerinnen gelegen, sondern in erster Linie an ihrem eigenen Profit. Verstöße gegen die Mindeststandards wurden bis vor Kurzem gar nicht vom Landesamt für Gesundheit und Soziales geahndet. Erst seit Kurzem und seit es auch ein bisschen größeren öffentlichen Druck gibt, kommt dort Bewegung hinein, und es gibt auch Sanktionen, wenn Standards nicht eingehalten werden. Doch nach wie vor dürfen diese beiden Privatfirmen neue Massenunterkünfte eröffnen, und der Senat macht auch weiterhin Geschäfte mit ihnen. Dabei sind die Geschäftsleute, die sich auf Kosten der Flüchtlinge eine goldene Nase verdienen, schon seit 25 Jahren für ihre Geschäftspraktiken in der Berliner Flüchtlings- und Wohnungslosenarbeit berüchtigt.

Mit unserem Antrag wollen wir dieses Geschäftsmodell auf Kosten der Flüchtlinge und der Berlinerinnen und Berliner, auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verhindern. Wir wollen hohe bundes-, aber eben auch landesweite Standards, ein effektives Beschwerdemanagement für Flüchtlinge, strikte Kontrollen und auch Sanktionen der Heimbetreiber sicherstellen. Das alles wollte die Koalition leider nicht und hat das auch in der Ausschussberatung deutlich gemacht.

Der Änderungsantrag der Koalition zum Antrag der Linken ist weichgespült und wird an den derzeitigen Missständen leider nichts ändern. Deswegen bitten wir weiterhin um Zustimmung zu unserem Antrag. Wir halten ihn für richtig und wichtig. – Danke schön!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Radziwill! – Bitte schön!

(Präsident Ralf Wieland)

Herr Präsident! Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! Herr Reinhardt! Wir sind der Auffassung, dass unser Änderungsantrag sehr wohl vieles verändern wird, auch zum Positiven. Deswegen bitten wir um Unterstützung für unseren Änderungsantrag.

Was wollen wir? – Wir wollen die Qualitätsstandards in den Unterkünften für Flüchtlinge in Berlin verbessern. Wir wollen verbindliche, transparente, nachvollziehbare und umsetzbare Standards haben – im Interesse der Bewohner und Bewohnerinnen, aber eben auch aus Gründen des sorgsamen Umgangs mit öffentlichen Mitteln.

[Zuruf von Elke Breitenbach (LINKE)]

Wir haben in den letzten Wochen viel über das Thema debattiert. Einige aus der Koalition – ich auch – haben sich auch Einrichtungen angeschaut. Es ist nicht so, dass das nur die Oppositionsmitglieder machen. Die Koalition schaut auch genauer hin. Wir haben ganz konkrete Forderungen an den Senat formuliert. Sie sind in unserem Änderungsantrag wie folgt zusammengefasst – ich möchte ganz kurz die wichtigsten Punkte aufzählen:

Erstens: Wir wollen ein standardisiertes Verfahren entwickeln, damit in allen Einrichtungen regelmäßige anlassbedingte, aber auch anlassfreie Kontrollen möglich sind und diese auch konsequent umgesetzt werden.

Zweitens wollen wir ein normiertes Verfahren der Mängelprotokollierung. Es ist wichtig, die Mängel nicht nur festzuhalten, sondern auch – und das ist der dritte Punkt – verbindlich zu regeln, wie die Mängel zu beseitigen sind. Das muss aus unserer Sicht festgelegt werden.

Der vierte Punkt ist, dass wir auch rechtliche Konsequenzen einfordern, damit bei wiederholten schwerwiegenden Vertragsverletzungen bzw. auch nicht fristgerechten Mängelbeseitigungen diese geahndet werden können.

Der fünfte Punkt ist aus unserer Sicht auch ein sehr wichtiger, nämlich dass die Kommunikations- und Informationsstrategien mit den Bezirken, mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales, aber auch mit den beteiligten Akteuren vor der Eröffnung von Einrichtungen vor Ort noch viel besser abgestimmt und umgesetzt werden. Ich denke, daran können wir alle gemeinsam arbeiten.

[Fabio Reinhardt (PIRATEN): Ist doch total schwammig!]

Der sechste Punkt ist für die SPD-Fraktion auch sehr wichtig, dass wir eben ein umsetzbares Verfahren zur Entgegennahme von Beschwerde haben möchten. Das ist auch das, was Sie bisher gefordert haben. Somit müssten Sie sich eigentlich dort wiederfinden. Das kann eine Art Ombudsstelle sein, damit Bewohnerinnen und Bewohner, aber auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie ehrenamtliche Helfer und Helferinnen ihre Beschwerden hin

bringen und sicher sein können, dass ihnen nachgegangen wird.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Breitenbach?

Mich würde interessieren, warum Sie finden, dass Ihre Forderungen so toll konkret sind. Da steht unter anderem, dass der Senat bei der Erarbeitung von diesem oder jenem unterstützt werden soll. Finden Sie, dass das konkrete Forderungen an den Senat sind?

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN) und Fabio Reinhardt (PIRATEN)]

Bitte schön, Frau Kollegin!

Diese Forderungen sind auch deshalb konkret, weil der Senat bis jetzt handelt. Es ist ja nicht so, dass der Senat gar nichts tut. Unter diesem Aspekt finden wir, dass wir die richtige Tonart gefunden und die richtige Ansage gemacht haben.

[Lachen von Fabio Reinhardt (PIRATEN)]

Und hier arbeitet die Koalition so den Senat unterstützend an diesen Themen weiter, dass auch Sie, glaube ich, am Ende zufrieden sein werden.

[Beifall von Iris Spranger (SPD)]

Wir möchten eine menschenwürdige Unterbringung sichern. Das heißt für uns eben auch, soziale Hilfestellung in den Einrichtungen zu ermöglichen. Das ist sinnvoll, das ist notwendig. Ich kann ergänzen zum Hinweis von Herrn Reinhardt, dass wir auch bei der Umsetzung und der Einhaltung von Personalschlüsseln genauer hinschauen, genauer kontrollieren müssen. Diesen Aspekt werden wir auch in unserem Antrag berücksichtigen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Reinhardt?

Bitte, Herr Reinhardt!

Vielen Dank! – Ich will voranstellen, dass ich es tatsächlich sehr gut finde, dass wir heute einen Antrag zu diesem Thema aller Voraussicht nach verabschieden werden. Das freut mich schon einmal, dass wir diese Gemeinsamkeit haben. Dennoch würde mich interessieren, weil uns das in den Ausschussberatungen ein bisschen vorenthalten wurde, was die Kritikpunkte an den beiden zugrundeliegenden Anträgen der Linken und der Piratenfraktion sind. Bis heute ist mir das nicht klargeworden.

Bitte schön, Frau Kollegin!

Das finde ich jetzt eine sehr interessante Frage, zumal wir das im Ausschuss ausführlich debattiert haben und uns auch in unterschiedlichen Runden durchaus austauschen konnten. Ich glaube, in dem gegebenen zeitlichen Rahmen ist es jetzt schwierig, sie alle im Detail aufzuzählen. Aber unser Antrag macht aus meiner Sicht genau die wichtigen Punkte hier konkret. Ich bitte Sie, das zu berücksichtigen. Ich will auch festhalten, dass Sie diesem Antrag im Ausschuss auch zugestimmt haben.

[Elke Breitenbach (LINKE): Nein! Wir haben uns enthalten! Das war ein Fehler, wer auch immer das behauptet! – Martin Delius (PIRATEN): Was die Frau sagt, stimmt! – Fabio Reinhardt (PIRATEN): Wir haben uns enthalten!]

Eine Enthaltung muss im parlamentarischen Kontext nicht immer eine Ablehnung sein.

[Elke Breitenbach (LINKE): Ist keine Zustimmung!]