denn nach langer Debatte nicht nur in unserem Hause werden wir heute endlich dazu kommen, das BID-Gesetz, das Gesetz über Business-Improvement-Districts, mit voraussichtlich breiter Mehrheit zu verabschieden. Hiermit wird ein weiteres wichtiges Vorhaben aus der Koalitionsvereinbarung von Rot-Schwarz umgesetzt, das die SPD-Fraktion dort eingebracht hat. Über die grundsätzliche Richtigkeit und Wichtigkeit der BIDs besteht wohl fraktionsübergreifend in diesem Haus und auch im Einzelhandel weitgehender Konsens. Nicht zuletzt möchte ich auch noch einmal die Industrie- und Handelskammer hervorheben, die nicht etwa, wie man vielleicht hätte denken können, befürchtet, dass es zu Einschränkungen der Freiheit der Gewerbetreibenden kommen könnte.
Es gab verständlicherweise konträre Positionen bei den Verbänden der Grundeigentümer, da die Finanzierungsfrage der Immobilien- und Standortgemeinschaften dort ansetzt, aber ich denke, wir haben Zweifel ausräumen und das Bewusstsein schärfen können, dass mit der Aufwertung einer Geschäftsstraße auch der Wert der dort gelegenen Immobilien steigt. Das Gesetzgebungsverfahren wurde nämlich sowohl koalitionsintern als auch in den Ausschüssen transparent gestaltet. Anregungen aus den Anhörungen wurden eingearbeitet, und wir verabschieden heute ein Gesetz, das die Möglichkeit schafft, davon Gebrauch zu machen – eine Möglichkeit, die vonseiten verschiedener Standortgemeinschaften in unserer Stadt schon länger eingefordert wurde, weil dies ihre Tätigkeit erleichtern und gerechter machen wird. Bisher war es doch oft so, dass sich einzelne Händler für ihre
Geschäftsstraße engagieren, andere sich aus Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung herausnehmen, wodurch viele gute Initiativen schon versandet sind.
Die BIDs, wie wir sie konzipiert haben, wollen den Gewerbetreibenden und Eigentümern Raum geben, ihre Ideen zu verwirklichen und an der Gestaltung ihrer Geschäftsstraße so mitzuwirken, wie sie es für vorteilhaft halten. Sie krempeln die Ärmel hoch, renovieren Fassaden, gestalten die Straßen und Grünanlagen mit, laden zu Veranstaltungen ein und vieles mehr. Das ist nicht nur Marketing für die Einzelhändler, sondern aktives Quartiersmanagement. Dabei geht es nicht darum – wie von einigen befürchtet –, dass der Staat sich aus seinen Kernaufgaben wie dem Unterhalt der Infrastruktur zurückzieht. Diese Ausgaben werden selbstverständlich nach wie vor gewährleistet. Aber wenn sich die Anlieger einer Straße zu einer Immobilien- und Standortgemeinschaft zusammenschließen wollen, um ihre Straße mit zusätzlichen Maßnahmen zu profilieren, dann sorgen wir gern dafür, dass dieses Spielfeld eröffnet wird und alle nach denselben Spielregeln spielen.
Uns war es auch wichtig, die BIDs nicht noch mit allerlei anderen Dingen allgemeinpolitisch zu überfrachten und zwingende Vorgaben über die Verwendung der Mittel zu machen, wie es im Antrag der Grünen anklang, unabhängig davon, wie die Prioritäten in der Geschäftsstraße liegen mögen. Solche Art der Bevormundung, aus der, meine ich, auch ein gewisses Misstrauen gegenüber Eigentümern und Einzelhändlern spricht, liegt uns fern. Die Entscheidung, für welche Zwecke die im Rahmen eines BIDs akquirierten Mittel verwendet werden, kann nicht politisch diktiert werden. Dies würde die Grundidee des BIDs unterlaufen. Ich freue mich daher, dass auch die Grünen in der Diskussion im Wirtschaftsausschuss zu einer Unterstützung des von uns eingebrachten Gesetzes gefunden haben. Die grüne Handschrift – geschenkt!
Die Erfahrungen aus anderen Städten im In- und Ausland bestätigen im Übrigen, was dieses Gesetz bewirken kann. Beispielsweise in Hamburg möchte ich an den BID „Neuer Wall“ erinnern, wo in den Jahren 2005 bis 2010 immerhin 6 Millionen Euro ohne öffentliche Mittel von Eigentümern und Gewerbetreibenden investiert wurden. So wurde die gesamte Straße umgestaltet, ein neuer Platz angelegt, Mieter- und Kundenservice und Besucherservice angelegt, umfangreiche Marketingmaßnahmen wurden ergriffen. Aufgrund seines Erfolges ist der BID im Jahre 2010 bereits in die zweite Runde gestartet und soll bis 2015 die Service- und Marketingleistungen fortsetzen.
Aber nicht nur in andern Bundesländern, sondern weltweit sind die BIDs mittlerweile ein Erfolgsmodell, von dem viele profitieren, in angelsächsischen Staaten ohnehin, aber längst auch anderswo. Gerade heute flatterte mir ein Brief des Deutschen Industrie- und Handelskammertages auf den Tisch, der zu einem Kongress zum Thema
BID einlädt, auf dem selbst Erfahrungen aus Albanien und Südafrika vorgestellt werden sollen. Sie sehen also, wir liegen hier in einem Trend, der neue Möglichkeiten für die Gewerbetreibenden und Eigentümer in Berlin schafft, und ich bin sicher, dass sie von vielen mit Elan und Freude genutzt werden. In diesem Sinne bitte ich Sie um Ihre Zustimmung. – Herzlichen Dank!
Danke schön, Kollege Jahnke! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Kollegin Lompscher das Wort. – Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt zumindest etwas Gutes an dem BID-Gesetzentwürfen von Grünen und Koalition: Die zunehmend schwierige Lage der Geschäftsstraßen angesichts von Onlinehandel, Shoppingmalls und Einkaufsbahnhöfen wird zur Kenntnis genommen. Die schlechte Nachricht: Ihr Mittel der Wahl ändert daran nichts.
Es ist nur der Versuch, eine Einkaufswelt über Aufhübschung zu konservieren, die sich in dieser Form möglicherweise überlebt hat.
Die Linke hat bekanntlich ausdrücklich nichts gegen sinnvolle Eingriffe in problembehaftete Entwicklungen des Marktes. Ihren Weg halten wir allerdings für fatal. Worum es eigentlich gehen müsste, den Erhalt wohnortnaher Versorgung und lebendiger öffentlicher Räume
und dazu gehört auch das geschäftliche Miteinander –, das wird mit diesem Gesetz nicht ansatzweise verfolgt. Stattdessen befördern Sie die Gestaltung öffentlicher Räume nach kommerziellen Interessen. Nicht zuletzt fördern Sie ein Handeln, das auf Ausgrenzung konsumschwacher Bevölkerungsgruppen zielt.
Mit diesem Gesetz machen Sie Standortgemeinschaften zu Trägern öffentlicher Belange. Die im Stadtquartier agierenden Grundeigentümer werden für dessen Entwicklung verantwortlich. Darin sehen Sie womöglich einen Beitrag zur Demokratisierung und insgesamt zur breiteren Teilhabe lokaler Gemeinschaften. Die Beteiligung der Anwohnerschaft, die Ihnen so wichtig war, stellen Sie
Und Grundeigentümer, Nutzer, Besucher, Bewohner und Händler sind ja bekanntlich ohnehin nicht identisch.
Hinzu kommt: Sie schließen den Einsatz von Sicherheitspersonal als Maßnahme eines BID nicht ausdrücklich aus, obwohl das den Grünen sehr am Herzen lag – das hat Frau Ludwig eben noch mal gesagt. § 2 Absatz 4 reicht nicht aus, wie das Hamburger Beispiel „Neuer Wall“, das wir offensichtlich alle gut studiert haben, zeigt. Dort ist in der entsprechenden Rechtsverordnung unter den Zielen ausdrücklich vermerkt – Zitat –:
Im Kern ist dieses Gesetz der untaugliche Versuch einer Kompensation des staatlichen Rückzugs. Es ist ein Gesetz, dass einer klassischen neoliberalen Stadtentwicklungsideologie durch Privatisierung von öffentlichen Aufgaben folgt, gekrönt durch das Prinzip: Wer zahlt, bestimmt die Stadtgestaltung. – Der Vorstoß der AG City jüngst für das Hochhaus am Bahnhof Zoo ist ein beredtes Beispiel für diese Logik.
Die erhobenen Abgaben dienen nicht mehr der Erfüllung gemeinschaftlicher Aufgaben, sondern ausschließlich den Interessen jener, die von der Aufwertung profitieren. Die langfristigen Folgen dieser Aufwertung – steigende Mieten – nehmen Sie billigend in Kauf.
Das umreißt auch das eigentliche Problem: Dass die Grünen sich zum Vorreiter einer Privatisierung von Stadtentwicklungspolitik machen, überrascht inzwischen nicht mehr.
Bedauerlich ist es dennoch. Und die SPD wird ihren Meinungsumschwung – das haben Sie ja getan, Herr Jahnke – den angeblich so tollen Hamburger Erfahrungen und den weltweiten Erfahrungen zuschreiben. Dennoch hat die Einschätzung des Kollegen Jahnke vom Januar 2006 zum BID-Gesetzentwurf der CDU nichts an Aktualität verloren. Er hatte den damaligen CDU-Vorschlag als ein bürokratisches Zwangsinstrument bezeichnet.
Auch die Stellungnahme des Senats vom 8. Oktober 2013 lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Darin heißt es:
gleichwohl wenig genutzt. Dass eine gesetzliche Regelung zu höherer Akzeptanz führt, erscheint fraglich. Daher ist es aus fachlicher Sicht geboten, den Fokus auf die bereits bestehenden Instrumente zu richten und diese weiterhin konsequent zugunsten der Stärkung der Berliner Zentren und Geschäftsstraßen einzusetzen.
Ich wollte nur nachfragen: Wenn Sie schon so ein genaues Aktenstudium betreiben, haben Sie sich dann auch das Gesetz angeschaut, das ich damals ein bürokratisches Monster nannte?
Ich gebe zu, dass ich das nicht getan habe, aber ich finde die Parlamentsdokumentation als Quelle für Reden ganz schön.
Offensichtlich halten Sie aber nichts mehr von Freiwilligkeit und zumindest demokratischen Prinzipien. In den USA, woher das BID-Konzept stammt, braucht es zwischen 50 und 70 Prozent Zustimmung zu einer Standortgemeinschaft, um solche Maßnahmen zu ergreifen. Sie aber wollen die Bürokratie bei 15 Prozent Zustimmung in Gang setzen.
Fazit: Wirtschaftlich wird das Gesetz wenig bringen und stadtentwicklungspolitisch nichts Gutes. Machen Sie lieber eine anständige Industriepolitik! Entwickeln Sie Konzepte zur Armutsbekämpfung! Helfen Sie mit, ordentliche Mindestlöhne zu zahlen! Das alles stärkt die Kaufkraft. Bauen Sie die reichlich vorhandenen Instrumente für freiwillige Zusammenschlüsse und Initiativen aus, und unterstützen Sie diese! Und bringen Sie den BER endlich an den Start!
Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die Piratenfraktion hat Herr Kollege Pavel Mayer jetzt das Wort. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kollegen, werte Gäste! Ich versuche, es kurz zu machen. Grundsätzlich ist es okay, so etwas zu machen. Das Gesetz ist auch nicht so besonders schlimm ausgefallen – jedenfalls nicht so schlimm, wie es das der Grünen gewesen ist. Allerdings kann ich nicht die Behauptung teilen, die jetzt aus den Reihen der Koalition kam, wonach das Gesetz so ausgefallen sei, wie es sich die Anzuhörenden in den Ausschüssen gewünscht haben. Gerade in Bezug auf die Frage der Finanzierung von Sicherheitskräften möchte ich darauf hinweisen, dass alle Anzuhörenden einhellig der Meinung waren, dass das nicht kategorisch ausgeschlossen sein sollte, weil es unter Umständen besondere Sonderfälle gibt, in denen das halt sinnvoll sein kann, auch wenn wir es wohl grundsätzlich nicht gut finden, wenn das passiert. Also, wie gesagt, es ist nicht das, was die Anzuhörenden eigentlich wollten.
Der Grund, warum wir uns bei der Abstimmung über den Koalitionsantrag enthalten werden, obwohl wir grundsätzlich nichts gegen diesen Antrag haben, ist, dass die Änderungen, die in letzter Minute erfolgt sind, eigentlich im Ausschuss kaum mehr debattiert werden konnten, weil sie eben in letzter Sekunde eingebracht wurden. Das ist im Wesentlichen der Grund, warum ich meiner Fraktion die Enthaltung empfohlen habe. – Vielen Dank!