Erlauben Sie mir noch ein paar Sätze zu dem Thema, das vorhin angesprochen wurde, nämlich der Situation in Nordrhein-Westfalen. Ich glaube, wir sind uns einig darin, dass wir alle über diese Bilder von Gewalt in Flüchtlingsheimen schockiert waren. Für mich ist es wirklich unfassbar, dass Menschen vor Gewalt und Repression in ihren Heimatländern fliehen, hier nach Deutschland kommen, wo sie sich in Sicherheit wähnen, und dann gerade in einem Flüchtlingsheim eine solche Situation wieder erleben müssen. Dies ist schockierend, dies ist widerwärtig, und dagegen muss in jeder Form und an jedem Ort vorgegangen werden.
Wir haben in Berlin sofort gehandelt. Wir haben sofort nach diesen abscheulichen Vorfällen mit all unseren Trägern Kontakt aufgenommen und sie nach der in Rede stehenden Sicherheitsfirma gefragt. Wir haben sie gefragt, ob es ähnliche Vorwürfe gegen Sicherheitsfirmen gibt, ob diese gemeldet wurden, und wir haben deutlich gemacht, dass die Wachdienste all den Standards entsprechen müssen, die wir vorhin besprochen haben. Wir haben in Berlin weitergehende Anforderungen an diese Unternehmen, als sie in Nordrhein-Westfalen bislang gestellt wurden, denn die Mitarbeiter müssen ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen, das nicht älter als drei Monate sein darf. Wir haben dabei im Übrigen von der Erfahrung der AWO gelernt, die dies immer schon als eingespielte Praxis in ihrer Unterkunft hatte. Und es gilt nicht nur für die Mitarbeiter der Wachschutzunternehmen, sondern es gilt nach den neuen Qualitätsvorgaben für die Gemeinschaftsunterkünfte für alle Mitarbeiter, die in einer Flüchtlingsunterkunft arbeiten, von der Reinigungskraft über den Sozialarbeiter bis zum Sicherheitsmitarbeiter.
Diese Aufgabe ist eine nicht vorhersehbare Aufgabe gewesen. Wir haben vor zwei Jahren 60 000 Flüchtlinge in Deutschland gehabt. Die Prognose Anfang des Jahres lautete 140 000, und seit ein paar Tagen lautet die Prognose 240 000 Flüchtlinge für Deutschland. Deswegen brauchen wir auch die zügige Hilfe vom Bund: Die Flüchtlinge warten eben nicht, sondern sie kommen jeden Tag. Der vor knapp zwei Wochen beschlossene Antrag im Bundesrat zur Einstufung von Serbien, BosnienHerzegowina und Mazedonien als sicheres Herkunftsland sorgt für Klarheit, ist auch ein richtiger Schritt. Ich danke ausdrücklich dem grünen Ministerpräsidenten Kre
Er hat die Interessen des Landes vor die Interessen der Partei gestellt, und dafür kann man nur aufrichtig Dank sagen. Aber wir brauchen auch trotzdem weiterhin die Unterstützung des Bundes. Nur so ist es möglich, dass wir in Berlin diese große Aufgabe bewältigen. Dies ist im Interesse der Menschen, die bei uns Schutz vor Krieg und Elend suchen, und auch im Interesse der Berlinerinnen und Berliner, bei denen wir weiter dafür werben müssen, dass wir diese Aufgabe in Berlin erfüllen. Ich denke, dies sollte auch dieses Parlament in Gänze tun. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Herr Senator Czaja! – Wir treten nun nach § 64 Abs. 7 unserer Geschäftsordnung in eine weitere Rederunde ein. Den Fraktionen steht jeweils noch einmal bis zu fünf Minuten Redezeit zur Verfügung. Es beginnt die Linke. Das Wort hat Frau Abgeordnete Breitenbach. – Bitte sehr!
Lieber Herr Czaja! Sie haben von 1 000 Flüchtlingen pro Tag gesprochen, da haben Sie sich jetzt allerdings – –
die vorsprechen, okay. Also, wir haben etwa 1 000 Flüchtlinge im Monat, wenn ich Ihren Zahlen glauben darf. Sie haben jetzt genauso argumentiert, wie ich es vorhin beschrieben habe. Sie sagen, es kommen immer mehr Menschen in Not und suchen Zuflucht, und deshalb ist eine Notsituation entstanden. Ich, Super-Mario, muss jetzt handeln. Ich packe an, ich greife zu. Andere haben Zeltstädte, haben Gemeinschaftsunterkünfte. Wir machen tolle Container. – Herr Czaja! Sie selbst und nicht wir haben im Ausschuss davon gesprochen, dass Ihre Taskforce sich überlegt hat, welche Wege gibt es, um weitere Kapazitäten zu schaffen. Sie haben gesagt, die Ertüchtigung von landeseigenen Immobilien benötige eine Vorlaufzeit von sechs bis acht Monaten. Jetzt haben Sie die Zeit noch mal auf zwölf Monate verlängert. Sie müssen doch mal die Frage beantworten, warum Sie im August eine Taskforce gründen, die diese Frage untersucht, und warum Sie nicht schon innerhalb der letzten beiden Jahre diese Immobilien umgebaut haben. Warum geben Sie uns darauf keine Antwort?
Der tolle Herr Staatssekretär Büge, den Herr Krüger angesprochen hat, hat schon zu seiner Amtszeit gesagt: Wir sehen keinerlei Veranlassung, weitere Wohnungsun
ternehmen anzusprechen, ob sie dem Vertrag Wohnungen für Flüchtlinge beitreten wollen, weil wir nämlich glauben, dass da nichts bei rumkommt. – Herr Czaja! Warum haben Sie es nicht wenigstens versucht? Warum geben Sie uns denn darauf keine Antworten, wenn Sie alles so toll versuchen?
Und als Letztes: LAGeSo. Ja, die Beschäftigten im LAGeSo erbringen seit Jahren eine Super-Arbeit. Sie haben vor anderthalb Jahren den ersten Brief geschrieben: Hilfe! Wir können nicht mehr, wir sind am Ende! – Da gab es 15 neue Beschäftigte, alle befristet, alle mussten erst mal angelernt werden. Jetzt gibt es noch mal weitere, nachdem das LAGeSo geschlossen werden musste. Und wir wissen, warum das LAGeSo geschlossen werden musste: Die Beschäftigten waren am Ende. Und jetzt sagen Sie, Sie hätten da alles gemacht. Sie haben die letzten Jahre getrödelt. Sie haben sich auf die Notaufnahmeeinrichtungen konzentriert, und das war fatal. Es war der Weg der Ausgrenzung und der Stigmatisierung. Hören Sie auf, den schönzureden! Gehen Sie einen anderen Weg! Sie können es machen.
Vielen Dank, Frau Breitenbach! – Nun besteht die Gelegenheit für einen Vertreter der Fraktion der SPD. Ist das Wort gewünscht? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann hat jetzt für die Grünen die Abgeordnete Bayram das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Senator Czaja! Ich fand das jetzt gut, dass Sie dazu geredet haben und dass Sie auch einige Dinge vorgetragen haben, sodass wir tatsächlich mal in eine Diskussion kommen. Ob wir die nun immer hier im Plenum so führen müssen oder ob das nicht auch in einer anderen Runde ginge, wo man sich mal austaucht: Was geht eigentlich, warum haben Sie den einen Weg eingeschlagen, welche anderen Wege wären möglich? Das würde ich mir wünschen. Ich würde mir auch wünschen, dass wir uns nicht nur die Situation der Flüchtlinge anschauen, wo wir noch mal eine andere gesetzliche Verpflichtung haben, die unterzubringen. Aber Herr Czaja! Die wachsende Stadt Berlin, ein Begriff, der jetzt in aller Munde ist,
bringt auch mit sich, dass andere Menschen wohnungslos werden. Damit meine ich nicht nur die freizügigkeitsberechtigten Europäerinnen und Europäer, sondern auch Menschen, die aufgrund von Mieterhöhungen, Gentrifizierung und Sonstigem ihre Wohnungen verlieren. Sie sind der Fachmann. Sie wissen, wo die dann landen: in der Notübernachtung Franklinstraße, bei der Stadtmis
sion. Das heißt, aus dieser Situation, wo ich jeden Tag überlegen muss, in welcher Notübernachtungsunterkunft ich schlafe, ist es ganz schwer, wieder ein neues Leben aufzubauen, Teil der Gesellschaft zu werden.
Und ich würde mir wünschen, dass wir diese Dinge zusammendenken. Ich bin Ihnen auch dankbar, dass Sie die Wohnsituation der Studenten angesprochen haben. Damit haben Sie ganz klar zugegeben, es gibt den Bedarf, selbst wenn es weniger Flüchtlinge weltweit und auch in Berlin geben wird, was wir uns alle wünschen. Die nächsten Jahre wird der Bedarf nach kurzfristiger Unterbringung von Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind oder kurzfristige Unterbringung brauchen, in Berlin nicht zurückgehen, Herr Senator Czaja. Auch dafür brauchen wir Antworten, auch dafür sind Sie als Sozialsenator zuständig.
Und liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie können sich alle in Ihren Bezirken nach dem geschützten Marktsegment erkundigen, das dazu dient, die drohende Obdachlosigkeit abzuwenden. Das ist in den meisten Bezirken kaum mehr vorhanden. Das heißt, wir brauchen temporäre Unterbringung von Menschen in der ganzen Stadt. Ich wiederhole mich: Das sollte möglichst kiez- und sozialraumorientiert sein. Dafür sollten wir wirklich einmal Geld in die Hand nehmen.
Einen weiteren Punkt möchte ich noch ansprechen. Herr Senator Czaja! Sie haben diese Wohncontainerdörfer oder Wohncontainersiedlungen heute als Lösung präsentiert, aber als Ihr Staatssekretär uns das letzten Montag vorgestellt hatte, konnten weder Sie noch er und auch der Präsident des Landesamts für Gesundheit und Soziales nicht einmal beantworten, ob genügend erschlossene Grundstücke zur Verfügung stehen. Das heißt, mit Ihrer bloßen Containeridee laufen Sie Gefahr, dass Sie, wenn Sie zu dem Zeitpunkt, an dem die Container geliefert werden, die bereits erschlossenen Grundstücke nicht haben, auch mit dieser Containerkonzeption scheitern werden. Herr Czaja! Das ist eine Not – und da muss ich klar dem Kollegen Krüger widersprechen –, die man nicht nur früher hätte abwenden können, sondern abwenden müssen.
Da sollte jetzt tatsächlich der Punkt sein, an dem es bei Ihnen und bei allen im Senat angekommen sein muss. Damit meine ich wiederum nicht nur Sie. Klar ist es schön, dass der Finanzsenator jetzt Mittel zur Verfügung gestellt hat, aber auch gemeinsam mit dem Finanzsenator müssten Sie mal schauen, ob das reicht oder ob man nicht jetzt anfängt zu schauen, wie man diese Mittel ausgibt und wie sich das kurz-, mittel- und langfristig auswirkt und was wir für temporäre Unterbringung für Menschen in der ganzen Stadt brauchen und wie Berlin dann das Geld jetzt einmal in die Hand nehmen und ausgeben und
Da habe ich von Ihnen bisher noch nichts gehört. Vom Finanzsenator habe ich dazu auch noch nichts gehört. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Heute kann ich mir das einmal wünschen, dass Sie sich da zusammensetzen und uns ein bisschen mehr präsentieren als diese Containerdörfer. – Der Finanzsenator nickt, ich freue mich.
Vielen Dank, Frau Bayram! – Nun besteht für ein Mitglied der CDU-Fraktion die Möglichkeit zu reden. –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Czaja! Vielen Dank, dass Sie auf meinen Vorschlag eingegangen sind. Ich finde es wirklich gut, wenn wir hier ein bisschen mehr in die Debatte eintreten. Ich finde es gut, dass Sie sich hier hinstellen und Ihre Vorschläge auch hier präsentieren und sich am Plenum beteiligen. Ich würde mir wünschen, dass das Senatoren häufiger machten. Allerdings ist die Anzahl dieser Senatoren tatsächlich ein bisschen gestiegen. Da ist doch in den letzten Monaten ein bisschen mehr Lebhaftigkeit reingekommen.
Das Problem ist, dass Sie auf viele Sachen eingegangen sind, aber Sie versuchen es immer so darzustellen, als wäre das alles unausweichlich. Alles, was die letzten Jahre passiert ist, war genau das Maximum, was man machen konnte, jeder einzelne Schritt war richtig, jede Entscheidung war passend – und das, obwohl jeder Antrag von uns abgelehnt wurde. Sie verstehen schon, dass das wahrscheinlich sogar ungeübten Beobachtern auffällt, dass das vielleicht nicht ganz so glatt oder nicht ganz so unaufhaltsam ist, wie Sie es hier dargestellt haben.
Ein paar Punkte, fangen wir mal mit den Zahlen an. Sie haben hier gesagt, die Zahlen des BAMF – da gebe es keine Verlässlichkeit – seien höher gewesen als erwartet. Ja, nicht jede Krise auf diesem Planeten ist im Detail vorhersehbar. Da sind wir uns alle einig. Aber dass die Zahlen vom BAMF, dass die Prognosen nicht hinhauen, das ist doch nichts Neues. Ich habe lustigerweise ein Zitat
Für das Jahr 2012 habe man 48 000 Flüchtlinge in Deutschland erwartet. In Berlin hätten 2 330 Plätze zur Verfügung gestanden; dies hätte eine Auslastung von 97 Prozent bedeutet.
Herr Allert werde demnächst mit dem Präsidenten des BAMF klären, ob die Prognose häufiger im Jahr angepasst werden könne bzw. wie man klarere Angaben erhalten könne.
usw. usf. Also genau die Situation, die Sie beschrieben haben, gab es schon vor einem Jahr. Die gab es auch schon vor zwei Jahren. Sich jetzt hinzustellen und zu sagen, ja, Entschuldigung, die BAMF-Prognose hat nicht hingehauen, ist eine Verschleierung der Tatsache, dass sie nie hinhaut und das die letzten Jahre nie der Fall gewesen ist, wie wir es auch schon letztes Jahr besprochen haben.
Dann haben Sie gesagt: Wir haben zusätzlich zu den regulären Flüchtlingen noch die Leute vom Oranienplatz untergebracht. – Na ja, was soll ich dazu noch groß sagen? Wir haben es schon lang und breit hier diskutiert. Aber Sie schmeißen die Leute doch eh gerade wieder raus. Sich jetzt hinzustellen und zu sagen, wir haben doch denen die ganzen Plätze gegeben, wo Sie gerade dabei sind, Hunderte von Leuten in die Obdachlosigkeit zu schicken, ohne denen eine Lösung anzubieten, obwohl Sie denen mit viel Trara und Regierungserklärung eigentlich Zusagen gemacht haben, das ist wohl wirklich der Gipfel der Unverschämtheit,