Protocol of the Session on September 18, 2014

Bitte!

Lieber Herr Kollege! Da wir gerade bei Verfassungsrecht und bei Belehrungen sind: Können Sie mir erklären, wie Sie ohne eine Verfassungsänderung eine verbindliche Bürgerbefragung zu Olympia machen werden? Das ist wirklich einmal interessant.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Ich habe heute in der Zeitung gelesen, dass Sie das machen wollen. Bisher gab es eine gänzlich andere Rede. Können Sie mir das einmal erklären?

Herr Lederer! Sie werden mir zugestehen, dass ich jetzt erst einmal bei der Sache bleibe und meinen Gedanken zu Ende führe.

[Unruhe bei den GRÜNEN und bei der LINKEN – Steffen Zillich (LINKE): Ach so!]

Artikel 54 Abs. 2 unserer Landesverfassung sieht vor, dass das Abgeordnetenhaus mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder beschließen kann, die Wahlperiode vorzeitig zu beenden. Ich stelle fest, dass Sie hier einen Jahrmarkt veranstalten. Sie machen Klamauk. Sie verschwenden unsere Zeit, statt über wirklich wichtige Themen zu sprechen, weil Sie nämlich im Kern Neuwahlen fürchten. Sie wollen die gar nicht, sonst würden Sie einen richtigen Antrag stellen. Warum stellen Sie keinen Antrag im Sinne von Artikel 54 Abs. 2 unserer Lan

desverfassung, sondern solch einen Entschließungsjahrmarktsquatsch, der überhaupt gar nicht vorgesehen ist?

Vielleicht liegt es auch daran, dass die Einsicht bei den Grünen doch vorhanden ist, von der in Artikel 54 Abs. 2 genannten qualifizierten Zweidrittelmehrheit so weit entfernt zu sein, wie die Kreuzberger Grünen von Regierungsfähigkeit.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass selbst die Piraten, die sonst für alles zu haben sind, bei diesem Klamauk nicht mitmachen.

[Zurufe von den PIRATEN]

Jetzt könnte ich sagen: Die Regierungskoalition dankt Ihnen, meine Damen und Herren von den Piraten, für Ihr ausgesprochenes Vertrauen in unsere Arbeit. Vielleicht denken Sie aber auch darüber nach, was mit Ihnen passieren würde, wenn Neuwahlen einträten.

[Beifall bei der CDU – Heiterkeit]

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Berliner, der Souverän, gar keine Neuwahlen wollen. Es gäbe einen weiteren Weg über die Landesverfassung, nämlich Artikel 54 Abs. 3, den Volksentscheid. Es soll so einen geben. Der ist kraftlos, dass nicht einmal mehr die Medien darüber berichten. Die Berliner wollen, dass wir alle – im Übrigen auch Sie, meine Damen und Herren der Opposition – unsere Pflicht tun, unsere Aufgabe erledigen und unsere Themen abarbeiten. Ganz materiell betrachtet gibt es für Neuwahlen nur immer dann einen Grund, wenn eine Regierungskoalition oder eine Regierung nicht mehr handlungsfähig ist. Wir sind handlungsfähig. Wir haben in diesem Haus eine stabile Mehrheit, die wir jedes Mal unter Beweis stellen. Sie machen es uns auch leicht, eine stabile Mehrheit zu haben, weil bei dem Quatsch, den Sie anbieten, die Mehrheit auch nicht gefährdet ist.

[Zurufe]

Der Senat arbeitet mit einer klaren Mehrheit und ist handlungsfähig. Deshalb gibt es bei materieller Betrachtung keinen Grund, über Ihr Neuwahlgeplärre ernsthaft weiter nachzudenken, auch deshalb, weil Sie es ehrlicherweise gar nicht wollen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Rissmann! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Delius.

Ich stelle fest, die Senatsbank hat die „BZ“ gelesen.

[Heiterkeit]

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich wollte inhaltlich eigentlich auf den Antrag eingehen. Nach dieser Rederunde fällt es mir schwer. Es tut mir leid. Über eines können wir uns einig sein. Der Rücktritt von Klaus Wowereit ist eine – das hat Herr Wolf schon gesagt – eine Zäsur für diese Stadt, nicht etwa, weil mit dem Regierenden die halbe Stadtgesellschaft von ihren Ämtern und Positionen und aus dem Engagement zurücktreten würde, sondern weil sich die Stadt geändert hat. Es ist nicht mehr die Stadt der Ära Klaus Wowereit. Das war sie ehrlicherweise auch schon länger nicht mehr, auch vor dem Rücktritt nicht.

Wir sind nicht mehr das Berlin, das arm aber anzüglich ist – ich benutze ein anderes Wort. Wir sind nicht mehr das Berlin der Abriss- und Aufbaupartys. Wir wollen – das hört man allerorten – jetzt mehr sein. Berlin soll endlich auch einmal erwachsen sein. Was ich hier sehe, bestätigt diesen Eindruck nicht. Wenn ich mir anhören muss, dass allein die Tatsache, dass eine Regierungsfraktion oder eine Regierungspartei in diesem Land nach einem neuen Kandidierenden für das Amt des Regierenden Bürgermeisters sucht, ausreichen soll, Neuwahlen zu fordern, ist das eine sehr schwache – tut mir leid, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition – und nicht nachvollziehbare Argumentation.

Ich wollte gern auf die inhaltlichen Punkte eingehen, muss das aber kurz sagen. Ich habe in der Sommerpause nicht schlecht gestaunt, als Sie der Meinung waren und wirklich wortwörtlich behauptet haben, Klaus Wowereit wäre von den Berlinerinnen und Berlinern gewählt worden.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Was?]

Klaus Wowereit ist nicht von den Berlinerinnen und Berlinern gewählt worden. Er hat kein Mandat in diesem Parlament. Er ist von diesem Parlament gewählt worden.

[Beifall bei der SPD – Lars Oberg (SPD): Genau! – Zurufe]

Zu Ihnen komme ich gleich noch, liebe Koalition. Wir können auch über Neuwahlen reden. Aber dann muss doch erst einmal die Koalition soweit sein. Man sieht an Ihrem Antrag, dass Sie selbst schon gemerkt haben, dass es nicht der richtige Zeitpunkt ist, darüber zu reden. Ich habe damit gerechnet, dass Sie in der ersten Plenarsitzung einen Antrag auf Auflösung des Parlaments stellen. Das haben Sie aber nicht gemacht. Herr Kollege Rissmann hat völlig recht. Was Sie gemacht haben, ist, einen Antrag zu stellen, bei dem sich das Parlament mit einfacher Mehrheit dazu entschließen soll, sich irgendwann einmal selbst aufzulösen. Dann kann man auch gleich einen ordentlichen Antrag stellen. So aber geht es nicht.

Der Ball ist – das ist völlig klar – auf der Seite der Koalition. Die SPD ringt mit sich. Es ist völlig richtig, dass in der Zeit bis zum Ende des Ringens nichts passieren wird.

(Sven Rissmann)

Das ist unhaltbar. Es geht auch so nicht. Warum greifen Sie nicht genau an dem Punkt die SPD und die Koalition an, wie es der Kollege Herberg in seiner Rede zur Aktuellen Stunde getan hat? Stattdessen stellen Sie einen solchen Antrag. Der Ball liegt also bei der Koalition. Die Koalition muss sich entscheiden. Die CDU muss sich entscheiden, ob sie mit demjenigen, der sich – wie auch immer – aus dem Mitgliederentscheid ergibt, koalieren möchte. Dann werden wir sehen, ob wir hier eine Zweidrittelmehrheit bekommen. Vorher positionieren wir uns gar nicht, weil die Frage gar nicht besteht.

Zum Inhalt: Sie wollen zum Thema Wirtschaft den Stillstand und die Querelen der Koalition, die wir alle im Bereich Liegenschaftspolitik kennen, was die Ansiedlungsfähigkeit angeht, überwinden. Da sind wir sofort dabei. Das haben wir auch ganz klar gemacht. Ein Beispiel wäre, was das Thema Wirtschaft angeht, endlich einmal die Schaffung einer vernünftigen Internetanbindung für die Leute, die hier ihre Geschäfte eröffnen wollen. Dazu haben wir gern etwas beizutragen. Da sind wir bei Ihnen.

Soziale Spaltung verhindern – das verstehe ich, ehrlich gesagt, nicht. Das haben wir hier auch schon thematisiert. Die soziale Spaltung ist längst da, da hat der Kollege Wolf auf die richtigen Instrumente hingewiesen, und zwar, wie man die Wohnungsbaupolitik endlich ohne die lästigen Banken machen kann, wie man das Wirtschaftlichkeitsgebot abschaffen kann, was die landeseigenen Tätigkeiten angeht usw.

Ganz grundsätzlich – und ich gehe jetzt nicht auf die Energiewende, die Stadtwerke, ein, die viel zu niedrigen Bildungsausgaben, die Unter-aller-Sau-Einwanderungs-, Integrations- und Asylpolitik – auch das hat Herr Wolf richtig gesagt –, ganz grundsätzlich ist doch der Neuanfang möglich. Der Neuanfang ist mit linken Mehrheiten in diesem Parlament längst machbar. Das Wahlalter ab 16 – da ist die SPD eingeknickt. Das ist jetzt möglich mit einem neuen Regierenden Bürgermeister – möglicherweise, das werden wir dann sehen. Die Abkehr von der Austeritätspolitik, die wir in dieser Stadt haben, die inzwischen nicht mehr dem Sparzwang unterworfen ist, sondern einfach dem politischen Willen dieser großen Koalition – all das könnten wir machen. Lassen Sie uns doch erst mal darüber diskutieren, bevor Sie mit Neuwahl kommen! – Danke schön!

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Delius! – Jetzt hat der Regierende Bürgermeister um das Wort gebeten.

[Heiterkeit bei der LINKEN und den GRÜNEN – Udo Wolf (LINKE): Hast du es dir anders überlegt?]

Der Brief ist noch nicht abgeschickt. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man wird ja, wenn man dann nicht mehr dabei ist, wirklich etwas vermissen. – Erst mal möchte ich mich brav für das Lob bedanken. Das habe ich ja schriftlich.

[Ramona Pop (GRÜNE): Das liest sich im Protokoll gerne nach!]

Es ergeben sich sicherlich auch noch andere Gelegenheiten, wo man das noch vertiefen kann. Dafür bin ich dankbar. Aber natürlich ist bei so einem Anlass die Auseinandersetzung über die Politik der Regierung und natürlich die Rolle der Opposition völlig legitim und in einer demokratisch verfassten Gesellschaft eigentlich die Hochzeit der Opposition. Aber die muss man dann auch nutzen.

[Zuruf von Stefan Gelbhaar (GRÜNE)]

Es wurde eben schon darauf hingewiesen: Die Halbherzigkeit bei der Frage: Neuwahlen, ja oder nein? – das kann man natürlich fordern als Opposition. Aber dann muss man auch mal einen Antrag einbringen, und dann muss man die Mehrheiten dafür haben.

[Heiterkeit bei der SPD]

Die sind aber erkennbar nicht da. Dementsprechend ist es legitim, dass die Mehrheit, die dieses Haus hat, die Dinge regelt, und den Nachfolger für Klaus Wowereit bestimmt. Und das ist im Gange.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Und das ist nicht undemokratisch, das ist höchst demokratisch. Dass gerade Parteien wie die Grünen einen Meinungsbildungsprozess mit einer Mitgliederbefragung – der natürlich auch Zeit kostet – kritisieren, ist ein Stück aus dem Tollhaus.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf von Michael Schäfer (GRÜNE)]

Die Grünen haben es einfacher, die haben so wenig Mitglieder, die kriegen sie bei ihren Mitgliederversammlungen alle so zusammen.

[Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den PIRATEN]

Das ist bei der SPD etwas schwieriger, und deshalb müssen da andere Prozesse organisiert werden.