Protocol of the Session on September 18, 2014

S-Bahn: Kollegin Pop hat es schon angesprochen, auch wenn wir hier eine kleine Differenz haben. Seit über drei Jahren erklären wir: Das Land muss die Wagen selbst beschaffen. Der Senat betreibt lieber eine Teilausschreibung, die scheitert. Das Land Berlin stolpert sehenden Auges in die nächste schwere S-Bahnkrise ab spätestens 2017.

Stadtwerk: Finanzsenator, Regierender und CDU finden ein Stadtwerk blöd, intrigieren gegen Senator Müller, der eins machen möchte, nehmen ihm die Verantwortlichkeit weg, schenken sie Frau Yzer, der Wirtschaftssenatorin, die das Bonsaistadtwerk zu den Akten legt. – So viel zum Thema Prüfaufträge im Koalitionsvertrag.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Netze: Wie schon gesagt, schickt man sich die Anwälte auf den Hals. Papa Wowereit sagt, das gehört sich nicht. In der Sache wird aber nichts geklärt. Das ist doch irre.

Wirklich widerlich ist aber, was Sie mit den Flüchtlingen veranstalten. Im Frühjahr gab es hier in diesem Haus eine Regierungserklärung zur Verhandlungslösung des Senats mit den O-Platz-Flüchtlingen. Ich habe damals hier gesagt, ich hätte den Eindruck, dass es in der Debatte noch

ein bisschen verlogener zugeht als sonst üblich. Das war aus heutiger Sicht stark untertrieben. Henkel betreibt offene Obstruktion gegen den schon mehr als löchrigen Kompromiss. Man belöffelt sich mit Gutachten und Gegengutachten. Henkel macht Kolat zur Lügnerin gegenüber den Flüchtlingen. Die Flüchtlinge bleiben auf der Strecke. Wie positionieren sich eigentlich die drei Kronprinzen bei dieser Geschichte? Warum nimmt Herr Wowereit die Richtlinienkompetenz in dieser Sache in seinen letzten drei Monaten nicht selbst in die Hand? Das ist ein ziemlicher Skandal.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Solange Sie solche Schweinereien machen, reden Sie gefälligst nicht mehr von Humanismus, christlichen Werten oder Weltoffenheit!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Das ist nur eine kleine Auswahl von schlechten Leistungen dieser Koalition. Sie haben schon lange kein gemeinsames Regierungsprogramm mehr.

Und weil Sie sonst nichts auf die Reihe kriegen, wollen Sie mit Ihrer Olympiabewerbung und Ihrem verfassungsmäßig absonderlichen Vorschlag einer Bürgerbefragung machen. Wie wollen Sie das eigentlich machen, als Telefonumfrage, oder wird künftig Forsa beauftragt, und hinterher erklären wir die Umfragen von Forsa für verbindlich? Sie sind mittlerweile Possenreißer. Es ist unglaublich – –

[Lars Oberg (SPD): Reden Sie gerade über sich selbst?]

Mit dieser abenteuerlichen Olympiabewerbung wollen Sie die Regierungsgeschäfte an das IOC verschenken und alle anfallenden Kosten dafür auch noch übernehmen. Berlin braucht dringend Investitionen in die soziale und bauliche Infrastruktur, Personal in den Bezirken und Hauptverwaltungen und bezahlbare Wohnungen. Sie können doch nicht in einem Atemzug sagen, dafür hat Berlin kein Geld, und im nächsten Atemzug sind Sie bereit, für temporäre Sportstätten Milliarden auszugeben. Bei Olympia scheuen Sie vor Haushaltsrisiken in zweistelliger Milliardenhöhe nicht zurück, aber alles andere fahren Sie mit Verweis auf die Altschulden auf Verschleiß. Das ist doch verrückt.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Die Stadt wartet seit über zwei Jahren auf ein Bäderkonzept. Da gibt es großen Sanierungsbedarf. Die Besucherzahlen gehen zurück. Ihnen ist nicht mehr eingefallen, als die Preise zu erhöhen. Das ist auch sportpolitisch Unsinn.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Was passiert eigentlich, wenn der DOSB im Dezember Ihre Olympiaträume platzen lässt? Auf welcher Basis wollen Sie diese Koalition mit der CDU dann fortsetzen?

Die SPD glaubt ja inzwischen, die Stadt befände sich in ihrem Privatbesitz. Sie ruft dazu auf, Mitglied der SPD zu werden, damit man den Regierenden mitwählen kann. Das sagt einiges über Ihr Demokratieverständnis aus.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Sie haben den Gong nach dem Volksentscheid zu Tempelhof offensichtlich immer noch nicht gehört.

Aber das alles sagt auch ziemlich viel über die Berliner CDU aus. Die macht diese seltsame Castingshow der SPD mit. Warum eigentlich, Herr Graf? Es kann nach Lage der Dinge und Umfragen nur eine Antwort geben: weil ihre Senatorinnen und Senatoren noch nicht lange genug im Amt sind, um Pensionsansprüche erworben zu haben. Das ist ganz schön jämmerlich.

[Beifall bei der LINKEN]

Das alles zeigt, wie sehr diese Stadt einen Neuanfang braucht. Der ehrlichste Weg dafür wären Neuwahlen. Diese Koalition hat mit der Kündigung von Klaus Wowereit den letzten Rest an Legitimation verloren. Haben Sie jetzt den Anstand, einen Schnitt zu machen! Beenden Sie dieses Trauerspiel! Machen Sie sich ehrlich! Stimmen Sie für unseren Antrag, und lassen die Berlinerinnen und Berliner über einen politischen Neuanfang in der Stadt entscheiden!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Wolf! – Für die CDU-Fraktion hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Rissmann. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Kollegen der Grünen! Meine Damen und Herren der Linksfraktion! Das, was Sie hier offenbar nach der Sommerpause als kraftvollen Aufschlag Ihrer Oppositionsarbeit verstanden haben wollten, richtet sich ziemlich eindeutig gegen Sie selbst – nicht nur diese drittklassigen Reden, die wir hier ertragen müssen.

[Beifall bei der CDU]

Alle diejenigen, die sich das erspart haben – und das hat die Stadtöffentlichkeit getan –, können Ihren ganz hervorragenden Antrag nachlesen. Ich habe in der Begründung eines Antrags selten so viele Allgemeinplätze gelesen wie in Ihrer Fassung.

[Dr. Manuela Schmidt (LINKE): Warum lesen Sie Ihre eigenen Anträge nicht?]

(Udo Wolf)

„Alle Berliner sollen von der wirtschaftlichen Entwicklung profitieren.“ Das ist pure Revolution, meine Damen und Herren von der Linkspartei. Ganz großartig! „Die soziale Spaltung der Stadt ist zu verhindern.“ Das ist auch etwas ganz Neues. Wer will das nicht? „Die städtische Infrastruktur ist nicht auf Verschleiß zu fahren.“ Das ist etwas ganz Neues von den Grünen und auch schön. Es fehlt mir eigentlich nur noch, dass Sie etwas davon geschrieben hätten, was Sie immer wollen: dass die Sonne scheint und der Weltfrieden kommt und so weiter.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Diese oberflächliche Begründung Ihres Antrags

[Katrin Lompscher (LINKE): Welche Begründung haben Sie gelesen? Hier gibt es gar keine Begründung!]

spricht schon gegen Ihren Antrag und entlarvt Ihr Vorgehen als das, was es ist, nämlich hilfloses Oppositionsgezucke. Sie reagieren hilf- und planlos, anstatt hier den Versuch zu unternehmen, einmal zu agieren. Sie sind nur ein Hauch von Opposition. Das ist staatspolitisch bedenklich. Das wäre vielleicht ein Grund für Neuwahlen, weil die Stadt, demokratietheoretisch betrachtet, auch eine gute Opposition braucht. Das sind Sie keinesfalls.

[Beifall bei der CDU]

Sie sind vollkommen unvorbereitet auf diese Situation.

[Zurufe von den Grünen]

Sie haben jetzt einmal alles niedergeschrieben. Herr Wolf hat – ich habe einen Zwischenruf gehört, mittelbegabt populistisch – einmal all das gesagt, was Sie immer sagen wollten, aber ganz wichtig, möglichst allgemein. Konkret kann es nicht sein, weil Ihre Parteien selbst so zerstritten sind, dass Sie gar nicht in der Lage sind, konkrete Forderungen zu formulieren. Ihr Grünen müsst erst einmal eine Mediationsrunde machen, um die 58 Strömungen in eurer Partei zusammenzubekommen, bis Ihr einmal in der Lage seid, eine konkrete Meinung zu formulieren.

Dass ein Regierungschef nach so langer Amtszeit wie der Regierende Bürgermeister im Lauf einer Wahlperiode zurücktritt, um einen geordneten Übergang zu ermöglichen,

[Ramona Pop (GRÜNE): Geordneter Übergang war das richtige Stichwort!]

ist Normalität in der bundesrepublikanischen Geschichte und ist überhaupt nichts Spektakuläres. Dass eine Partei wie die SPD dann einen Weg findet, die Nachfolge zu regeln, ist auch einfach normal.

Ihr Antrag dagegen ist pure Heuchelei.

[Zuruf von Joachim Esser (GRÜNE)]

Wenn Sie ernsthaft vorgezogene Neuwahlen wollten – der Kollege Schneider hat mich gebeten, Sie in Verfassungsrecht ein wenig zu unterrichten, das scheint mir leider auch nötig zu sein, obwohl Sie mit Herrn Lederer

und mit Herrn Behrendt durchaus Rechtsgelehrte bei sich haben –, bringt Ihr dringlicher Antrag auf Einreichung einer Entschließung gar nichts.

[Steffen Zillich (LINKE): Wie ist das denn verfassungsrechtlich mit der Mitgliederbefragung?]

Selbst wenn dieser Antrag hier eine Mehrheit bekäme, würde gar nichts passieren. Es würde nichts passieren, wenn Ihr Antrag heute eine Mehrheit bekäme. Es wäre vollkommen wirkungslos. Für vorgezogene Neuwahlen sieht unsere Verfassung eine Regelung in Artikel 54 Abs. 2 vor.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Dr. Lederer?

Bitte, Kollege Dr. Lederer!