Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu den verfassungsrechtlichen Bewertungen Ihres Antrags werden sicherlich der Kollege Rissmann und auch andere Stellung nehmen. Deswegen will ich mich ausschließlich auf das Politische beschränken. Ich finde Ihren Antrag nicht nur verfassungsrechtlich zweifelhaft und gegenstandslos, sondern ich finde ihn politisch geradezu grotesk. Zu dem, was Sie uns hier entgegengehalten haben – wir hätten Angst vor Neuwahlen –, sage ich: Nein! Das ist doch gar nicht die richtige Frage. Die richtige Frage ist: Warum fürchten sich denn eigentlich die Grünen davor, dass es eine politische Neustrukturierung gibt – mit einer neuen Regierenden Bürgermeisterin oder einem neuen Regierenden Bürgermeister?
Ich will Ihnen die Antwort auch gleich geben. Die Antwort ist doch relativ klar. Sie haben eine strategische Ausrichtung als Partei und Fraktion für einen kleinen taktischen Winkelzug geopfert und bieten dieser Stadt – und das sage ich heute nicht das erste Mal – schlichtweg keinerlei inhaltliche Alternative an.
Und davor, dass Sie jetzt zwei Jahre lang mit dieser Nummer: „Der böse Regierende Bürgermeister hat nicht für den Weltfrieden gesorgt am BER“, also mit dieser Personalisierung einer hochkomplexen Sachfrage nicht mehr verfangen können und sich hier im Plenum inhaltlich auseinandersetzen müssen, haben Sie in Wahrheit Angst, und nichts anderes steht hier in Rede.
Deshalb sage ich: Schauen wir uns doch mal an, was Sie hier geschrieben haben! – Sie hatten hier Gelegenheit, der Stadt zu zeigen, wo Sie bei echten inhaltlichen Schwerpunkten stehen. Zwei Mal Wasserrückkauf, zwei Mal ein Nein bei den Grünen! – Rekommunalisierung: Aber der Grundgedanke eines gewonnenen Volksentscheids wurde einfach unbeachtet gelassen – ja, verworfen!
Oranienplatz und Gerhart-Hauptmann-Schule: Das ist ein Brandmal für die Bundeshauptstadt Berlin, für das Sie verantwortlich zeichnen und niemand anderes.
[Beifall bei der SPD und der CDU – Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Sind Sie auch für Neuwahlen? – Thomas Birk (GRÜNE): Das wird ein Bumerang! – Weitere Zurufe bei den GRÜNEN und der LINKEN]
Unter grüner Führung haben wir einen Haushaltsnotstand im Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain. Ich bin extra gebeten worden, Kreuzberg hier zu erwähnen. Und Ihre Antwort auf die drängenden Probleme der Stadt lautet: Wir gründen einen Coffee-Shop. – Das erinnert mich an Veggie-Day.
Wenn man sich mit einem so dünnen inhaltlichen Profil zwei Jahre einer parlamentarischen und auch öffentlichen Auseinandersetzung stellen muss, dann würde ich auch die Flucht nach vorn wählen und auf die Mathematik achten.
Alles in allem gibt es weder eine gesellschaftliche noch eine parlamentarische Mehrheit für den eigentlich in Rede stehenden Antrag. Das hier ist ja nur Skandalisierung. Nach Artikel 54 der Verfassung bräuchten Sie 100 Ja-Stimmen – das wird Ihnen jeder gleich noch erzählen –
, die es hier weit und breit nicht gibt. Sie haben auch keine gesellschaftliche Mehrheit, hier an der Verfassung vorbei mit kruden Begründungen die inhaltliche Debatte zu scheuen. Sie werden allerdings die Gelegenheit haben – Sie haben es ja angesprochen, Frau Kollegin Pop –, sich einer Kernfrage zu stellen, und da sind wir doch alle wirklich richtig gespannt, nämlich der Kernfrage von mehr Bürgerbeteiligung bei den Olympischen Spielen.
Oder wir erleben wieder das Gleiche wie beim letzten Mal, wo wir uns doch alle einig sind und wo Sie dann weinerlich bei uns angerufen und erzählt haben: Das stimmt zwar, dass wir uns einig sind, aber als einzige Oppositionskraft gehen wir da nicht mit drauf. – Dieses Weinerliche und diese Zerrissenheit werden wir wieder erleben, und deshalb ist das nur Selbstschutz, was Sie hier mit Ihrem Antrag polemisieren. Das können wir keinesfalls unterstützen.
Vielen Dank, Herr Schneider! – Dann hat nun für die Linksfraktion das Wort der Herr Abgeordnete Udo Wolf. – Bitte!
Danke schön, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon bemerkenswert, dass einer, der gerne Regierender Bürgermeister werden möchte, in dieser Diskussion, wo es ja tatsächlich um eine Zäsur in der Berliner Landespolitik geht, seinen PGF vorschickt und allerlei dumme, sachfremde Sachen erzählen lässt.
Lieber Klaus Wowereit! Heute ist noch nicht der Tag für politische Nachrufe und die Würdigung von Lebensleistungen. Dazu ist nach dem 11. Dezember noch genügend Zeit, und da werden wir natürlich gern daran erinnern, dass es die zehn rot-roten Jahre waren, in denen Klaus Wowereit der beliebteste Politiker Berlins war,
und nicht nur das, sondern dass es auch strategische Linien in der Landespolitik gegeben hat, die unsere Koalition getragen haben, angefangen damit, den Haushalt Berlins wieder in Ordnung zu bringen, die Stadt von ihrem provinziellen Mief zu befreien und zu einer weltoffenen, toleranten, innovativen Metropole zu machen. Seit drei Jahren mussten Sie, Herr Wowereit, lernen, dass es ohne ein Minimum an strategischen Gemeinsamkeiten in einer Regierungskoalition nicht geht. Sie haben 2011 – gegen den Willen Ihrer eigenen Partei und Ihrer Wählerschaft – die Koalition mit der CDU durchgesetzt. Wer so etwas macht, ist zum Erfolg verdammt. Aber Pustekuchen! Das Krisenmanagement des BER wurde bekanntermaßen zum Desaster, und Koalition und Senat stolpern von einer Pleite in die nächste Panne und verbringen mehr Zeit mit versteckten Foulspielen untereinander, als seriös an einem der großen Probleme der Stadt zu arbeiten. Diese Koalition steckt nach gerade einmal drei Jahren in einer dicken, fetten Krise. Und Sie stecken dort, weil Sie, gemessen an den eigenen Zielen – und das waren schon nicht viele –, nichts auf die Reihe gekriegt haben.
Klaus Wowereit stürzt als Chef „von‘s Janze“ in den Umfragen ab. Aber um so viel Mist zu machen und Blockaden aufzubauen, braucht es mehr als einen Regierenden Bürgermeister. Da muss schon ein ganzer Senat ran.
Weil Klaus Wowereit – wie die ganze Stadt – gesehen hat, dass mit diesem Senat kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist, weil seine eigene Partei ihn aus dem Amt gemobbt hat – Herr Schneider – und weil der gesamte Senat interessiert und manchmal amüsiert zugesehen hat, wie er immer weiter demontiert wird, hat er für sich ganz persönlich diese Koalition beendet, denn das ist sie am 11. Dezember dieses Jahres. Der gesamte Senat tritt außer Dienst an diesem Tag.
Deswegen war es auch lustig, dass Sie heute über den Länderfinanzausgleich sprechen wollten, obwohl keiner des Berliner Senats an der Schlussverhandlung teilnehmen kann. Sie haben aus diesem wichtigen Thema heute eine Posse gemacht.
Herr Saleh und Herr Graf! Was, glauben Sie eigentlich, rechtfertigt den kühnen Schluss, weiterzumachen, als wäre nichts passiert, wenn der einzige Grund für diese Regierungskonstellation zurückgetreten ist? In Ihrem Koalitionsvertrag, von dem Sie jetzt sagen, er gelte zwi
Die Hälfte der Prüfaufträge ist schon kaputtgeprüft worden. Bei andern Sachen schicken sich die Senatoren die Anwälte auf den Hals. Übrig bleiben faule Kompromisse zwischen Senatoren, die eigentlich das Gegenteil wollen.
Zum Thema Inhalte: Die Koalition bringt in keiner Frage eine Initiative zur Zukunftsfähigkeit der Stadt zustande. Die Opposition, Herr Schneider, musste das Thema „Zukunft des öffentlichen Dienstes“ auf die Tagesordnung setzen. Was passiert? – SPD und CDU basteln an Formelkompromissen, und letztlich werden sie alle vom Finanzsenator blockiert. Das ist absurd.
Thema Wohnungs- und Mietenpolitik: Tempelhof wurde zur Abstimmung über die Wohnungs- und Mietenpolitik des Senats gemacht. Und dann hat man sich gewundert und war beleidigt, dass die Bürgerinnen und Bürger diese Sache ernst genommen haben.
Gleichzeitig weigert sich der gleiche Senat, den Wohnungsbaugesellschaften das Geld zur Verfügung zu stellen, mit dem man wohnungs- und mietpolitisch steuern könnte.
S-Bahn: Kollegin Pop hat es schon angesprochen, auch wenn wir hier eine kleine Differenz haben. Seit über drei Jahren erklären wir: Das Land muss die Wagen selbst beschaffen. Der Senat betreibt lieber eine Teilausschreibung, die scheitert. Das Land Berlin stolpert sehenden Auges in die nächste schwere S-Bahnkrise ab spätestens 2017.