Protocol of the Session on December 8, 2011

Wenn wir beginnen, in Bezug auf unsere S-Bahn wieder langfristig zu denken und zu planen, werden wir den Berlinern in Zukunft wieder ein leistungsfähiges Verkehrsmittel zur Verfügung stellen können. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Juhu! von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Herr Kollege Brunner, vielen Dank! – Für den Senat hat jetzt Herr Senator Müller das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Titel der heutigen Aktuellen Stunde lautet: „Zukunft der S-Bahn –

(Bürgermeister Michael Müller)

hochwertigen, sicheren und störungsfreien S-Bahnbetrieb gewährleisten“, und ich freue mich, dass Sie mir die Gelegenheit geben, gleich in meiner ersten Rede eines der zentralen Themen meines Ressorts aufzugreifen – garantiert nicht zum letzten Mal –, und dass ich grundsätzlich etwas zur S-Bahn als unverzichtbarem Bestandteil des öffentlichen Personennahverkehrs, aber auch grundsätzlich etwas zum ÖPNV sagen kann.

Wie Sie wissen, verfügt Berlin über einen ausgezeichneten ÖPNV,

[Dirk Behrendt (GRÜNE): Verfügte!]

und damit können die Berlinerinnen und Berliner jeden Ort in der Stadt schnell, bequem und kostengünstig erreichen. Insgesamt decken S-Bahn, U-Bahn, Straßenbahn und Bus eine Streckenlänge von fast 1 800 Kilometern ab, und es ist ein hervorragendes Angebot, das wir hier in Berlin haben. Wir erleben es immer wieder

[Martin Delius (PIRATEN): Frühmorgens! – Zuruf von Jutta Matuschek (LINKE)]

man muss nun auch nicht bei allen Problemen, die es gibt, immer alles in die Tonne treten –: Menschen, die in diese Stadt ziehen, schaffen oft als Erstes ihr Auto ab, weil sie sagen: Es ist so hervorragend, dass man sich zwischen verschiedenen Verkehrssystemen entscheiden kann – zwischen Bus, Straßenbahn, U-Bahn und auch der S-Bahn.

[Zurufe von den GRÜNEN und den PIRATEN]

Das ist ein hervorragendes ÖPNV-Angebot, das wir in dieser Stadt haben.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zurufe von den GRÜNEN]

Und es kommt noch etwas hinzu: Es kommt der Regionalverkehr hinzu, der den Einzugsbereich Berlins weiter abdeckt, aber in dieser großen Stadt auch die Nahverkehrsfunktion mit übernimmt. Dieses hervorragende ÖPNV-Angebot wollen wir erhalten und ausbauen.

[Joachim Esser (GRÜNE): Das möchten wir alle!]

Wir sehen auch an den Zahlen, dass die Berlinerinnen und Berliner das entsprechend bewerten. Im Moment fahren rund 32 Prozent der Berlinerinnen und Berlin mit dem Auto, aber 68 Prozent legen ihre Wege mit dem ÖPNV, mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurück.

[Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Deswegen bauen Sie eine Autobahn!]

Das heißt, der ÖPNV wird angenommen.

[Martin Delius (PIRATEN): Die Fahrradfahrer!]

Er wird von den Menschen genutzt, er wird auch geschätzt, und er ist eine tragende Säule der Berliner Verkehrspolitik.

[Beifall bei der SPD – Heidi Kosche (GRÜNE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Herr Senator! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kosche?

Nein! Das hilft ja nicht.

Danke schön!

Der Senat will mit dem ÖPNV-Angebot für alle Berlinerinnen und Berliner preiswerte und gute Mobilität sichern, denn Mobilität ist die Voraussetzung für Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger am öffentlichen Leben, aber auch für die Funktionsfähigkeit von Stadt und Region, für eine starke Wirtschaft und auch für Wachstum und Arbeitsplätze. Auch diese Infrastruktur gehört selbstverständlich dazu. Nur dann, wenn wir einen ordentlichen, abgasarmen und feinstaubarmen öffentlichen Verkehr haben, ist die Lebensqualität in Berlins Innenstadt so, dass man dort auch gern wohnt. Der ÖPNV trägt hierzu einen großen Teil bei.

Das heißt, der ÖPNV muss ordentlich funktionieren. Aber gerade, weil wir so viele unterschiedliche Verkehrssysteme in der Stadt haben, sind wir nicht allein von der S-Bahn abhängig. Die meisten Bürgerinnen und Bürger haben Alternativen, auf die sie ausweichen können. Ich möchte an dieser Stelle – vorhin hat Kollege Kreins das in Richtung S-Bahn-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter getan – noch mal ganz besonders auch die BVG würdigen. Seit Beginn des S-Bahn-Chaos und insbesondere im vergangenen Winter hat unser eigenes kommunales Berliner Verkehrsunternehmen, dieses leistungsfähige Verkehrsunternehmen – Herr Kollege Gelbhaar, wo Ihnen nur die Schulden eingefallen sind –, über viele Wochen zusätzlich noch die S-Bahnkunden mittransportiert – klaglos und bis an die Grenzen des technisch, aber auch des menschlich Verkraftbaren. Dafür will ich auch mal ein großes Dankeschön in Richtung BVG sagen.

[Beifall bei der SPD, der CDU und der LINKEN]

Ich will einen zukunftsfähigen, effizienten, ressourcenschonenden und möglichst breit angelegten Verkehrsmix für die Hauptstadt. Dabei gilt es, alle Verkehrsteilnehmer in einem angemessenen Maß zu berücksichtigen, aber auch die Entscheidung zugunsten des umwelt- und stadtverträglichen Verkehrsmittels durch das Angebot des

(Bürgermeister Michael Müller)

ÖPNV zu fördern. Es gilt, für alle Verkehrsträger funktionierende Infrastrukturen zu schaffen und dort, wo es machbar ist, die neuesten technischen Möglichkeiten zur Optimierung des Verkehrs einzusetzen.

[Claudia Hämmerling (GRÜNE): Wie?]

Der schienengebundene Nahverkehr insgesamt ist ein wichtiges Element in diesem Gesamtkonzept und seit mehr als hundert Jahren in Berlin auch von zentraler Bedeutung. Die S-Bahn als integraler Bestandteil des Berliner Verkehrssystems befördert unter normalen Bedingungen täglich ca. 1 Million Kunden – knapp ein Drittel des gesamten Berliner ÖPNV. Aber, wie gesagt, unter normalen Bedingungen! In den letzten drei Jahren war so gut wie nichts normal bei der S-Bahn. Darum gilt es, so schnell und so gut wie möglich die schweren Probleme bei der S-Bahn zu beseitigen, die uns ständig – egal, ob Sommer oder Winter – zu Recht wütend machen. Ich will nicht noch einmal Bilder von frierenden Menschen auf S-Bahnhöfen sehen, die verzweifelt auf einen Zug warten, der, wenn er denn überhaupt kommt, so überfüllt ist, dass man kaum ein- oder aussteigen kann.

Wir werden die in der letzten Legislaturperiode begonnenen Maßnahmen zur Stabilisierung des Verkehrs konsequent und beharrlich so lange fortführen, bis unser Ziel erreicht ist: Verlässlichkeit und Normalität bei der Berliner S-Bahn! – Die Grundlage dafür ist der von Brandenburg und Berlin in den Vertrag verhandelte Qualitätssicherungsplan, der der DB-Tochter auferlegt wurde und der vorsieht, dass es regelmäßig Berichte zu den Instandsetzungsfortschritten gibt.

Herr Kollege Gelbhaar! Ich glaube, es ist im letzten Jahr irgendwie an Ihnen vorübergegangen, was da alles verhandelt wurde und was es an neuen Vertragsbestandteilen gegeben hat.

[Zurufe von den GRÜNEN]

In diesem Qualitätssicherungsplan hat sich die S-Bahn u. a. verpflichtet, ihre Fahrmotoren aufzuarbeiten und die Bremssysteme wintertauglich zu machen.

[Claudia Hämmerling (GRÜNE): Das ist doch wohl selbstverständlich!]

Dort liegen zwei zentrale Probleme, die den sogenannten Notfahrplan mit 60 Stundenkilometern – Schleichtempo – im letzten Winter mit verursacht hatten. – Frau Hämmerling! Wenn es so selbstverständlich wäre, dann hätten wir es ja nicht noch einmal entsprechend formulieren müssen. Es ist eben in den letzten Jahren leider – das sage ich doch auch – einiges bei der Deutschen Bahn oder bei der S-Bahn nicht selbstverständlich gewesen.

[Claudia Hämmerling (GRÜNE): Dann kann man sich doch nicht daran binden!]

Deswegen war es gut, dass Frau Junge-Reyer darauf gedrungen hat, dass es hier Vertragsänderungen gibt, und ich werde das weiter entsprechend verfolgen.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Oliver Friederici (CDU)]

Der Senat hat darüber hinaus aber auch erreicht, dass die DB Netz mehr Geld und Personal bereitstellt, um die Probleme mit den Weichenheizungen vor dem Winter in den Griff zu bekommen. Ich sage dazu auch: Der Lackmustest dafür, ob es denn auch klappt, steht noch aus. – Aber seit Anfang 2011 tagt auch eine sogenannte Qualitätssicherungsrunde, eine Art Task Force, die bei auftretenden Problemen schnellstmöglich die richtigen Gegenmaßnahmen beschließen kann. Das war ebenfalls eine Forderung des Berliner Senats, die dann auch umgesetzt wurde. Das Gremium besteht aus den Unternehmensvertretern, Vertretern der beiden Länder und dem Verkehrsverbund.

Darüber hinaus haben Berlin und Brandenburg und die DB AG im Februar 2011 die Einrichtung von zwei Expertenarbeitskreisen beschlossen. Unter Teilnahme von unabhängigen, von den Ländern bestimmten Bahntechnikexperten ging es darum, Klarheit über die technische und wirtschaftliche Wirkung der von der S-Bahn ergriffenen und geplanten Maßnahmen zu bekommen. Immerhin: Die Bahn hat von uns bestimmte, unabhängige Experten in alle ihre Unterlagen blicken und unter alle Zügen kriechen lassen. Das ist, glaube ich, ziemlich einmalig. So etwas hat es bundesweit noch nicht gegeben, dass man einen solch detaillierten Einblick in das bekommt, was dort bei der S-Bahn los ist. Es ermöglicht uns eine entsprechende Expertise, und es ermöglicht uns, mit externen Experten zusätzliche Lösungswege aufzuzeigen.

Ich kann Ihnen versichern, dass der Senat sehr genau darauf achtet, dass die Bahntochter diesen Weg konsequent weitergeht. Trotzdem kann niemand guten Gewissens technische Probleme komplett ausschließen, die zu Einschränkungen führen könnten. Zwar stehen mittlerweile mehr Fahrzeuge zur Verfügung als letztes Jahr, aber ein normaler Verkehr, wie er vor 2008 für uns alle selbstverständlich war, ist leider immer noch nicht zu erwarten. Die Bahnexperten rechnen damit erst Ende des kommenden Jahres. Immerhin haben wir durch die Qualitätskontrolle und das Expertengremium jetzt eine viel genauere Detailkenntnis der Probleme der S-Bahn und – darauf möchte ich noch einmal deutlich hinweisen – als Besteller von Leistungen eines Verkehrsunternehmens wohl bundesweit den tiefsten Einblick in ein Verkehrssystem, den es jemals gegeben hat.

Noch einmal: Unsere erste Priorität ist ein dauerhaftes und stabiles Verkehrsangebot. Eine Garantie dafür gibt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht. Ich habe aber den Eindruck, dass die Deutsche Bahn und die S-Bahn ihre Aufgabe ernst nehmen und inzwischen verstanden haben, was sie ihren Kunden schuldig sind. Ich glaube, sie haben inzwischen auch verstanden, dass es ein Irrweg war, den sie vor einigen Jahren eingeschlagen haben, alles markt- und privatisierungstauglich zu machen. Ich hoffe, Herr

(Bürgermeister Michael Müller)

Kollege Gelbhaar, auch alle hier im Haus werden dazulernen – so, wie die Deutsche Bahn.

[Beifall bei der SPD]

Es ist ein Fehler, alles immer nur unter den Privatisierungsvorbehalt zu stellen. Es gibt öffentliche Aufgaben, die ein öffentliches Unternehmen allein erbringen muss. Dabei haben Private nichts zu suchen. Mobilität gehört zu diesem Bereich.