Protocol of the Session on December 8, 2011

[Uwe Doering (LINKE): Klar kann man das!]

um in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, man wolle etwas anderes als die Regierungskoalition. Nein, liebe Kollegen von der Opposition, uns ist nicht egal, wie es mit dem Datenschutz in den Schulen aussieht.

[Uwe Doering (LINKE): Dann machen wir eine Sofortabstimmung, und dann ist Schluss!]

Ich habe bereits in der Plenarsitzung am 10. November mitgeteilt, dass wir bereit sind, Fragen des Urheberschutzes in den einzusetzenden Ausschüssen zu vertiefen.

Zum Antrag Drucksache 17/0040, der heute hier vorliegt: Sie haben Bedenken bezüglich des Einsatzes von Überwachungssoftware an Schulen.

Herr Kollege Kohlmeier! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Mutlu?

Nein! – Ich habe mich beim letzten Mal zu dieser Software geäußert und gesagt, die Bedenken, die Sie haben, werden von mir im Ansatz geteilt. Aber es gibt diese Software bisher noch nicht einmal bitweise. Sie ist noch gar nicht vorhanden. Sie reden über ungelegte Eier oder – mit anderen Worten –: Die Henne weiß noch nicht einmal, ob sie überhaupt ein Ei legen soll. Für uns steht außer Frage: Wenn es eine solche Software gibt, muss ausgeschlossen werden, dass die Persönlichkeitsrechte von Schülerinnen und Schülern, von Lehrerinnen und Lehren verletzt werden.

Ich glaube, dass der von Ihnen eingebrachte Antrag seinen Zweck nicht erfüllt. Sie schreiben, Sie wollen eine rechtliche Prüfung des Vertrags. Der Vertrag existiert bereits. Er ist rechtlich umfassend geprüft worden, bevor er von der KMK beschlossen wurde. Ministerpräsidenten unterschiedlichster politischer Couleur – auch Ihr Ministerpräsident hat mitgemacht, Herr Lux – haben dem Vertragstext zugestimmt. Es ist völlig unstrittig, dass der Text vor der Verabschiedung rechtlich geprüft wurde. Man kann ihn noch einmal prüfen und das so lange tun, bis Sie die juristische Meinung bekommen, die Sie wollen. Das kostet viel Geld, aber Sie erreichen Ihr gewünschtes Ziel dennoch nicht.

Der Einsatz der Software ist eine rechtliche Absichtserklärung zwischen den Vertragspartnern. Eine konkrete Handlung ergibt sich dadurch nicht, und bis zum heutigen Tag liegt die Software nicht vor. Wie auch schon hier mitgeteilt, wird der Datenschutzbeauftragte selbstverständlich vor Einsatz einer entsprechenden Software zur Prüfung einbezogen.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Und was macht Frau Scheeres?]

Sie fordern weiterhin die Aussetzung des Vertrags. Sie stellen sich alles ein bisschen zu einfach vor. Nach meiner Auffassung ist die einseitige Aussetzung des Vertrags durch das Land rechtlich gar nicht möglich.

[Özcan Mutlu (GRÜNE): Warum wurde so ein Vertrag dann überhaupt gemacht?]

Lieber Kollege Mutlu! Hören Sie erst einmal zu, bevor Sie dazwischenschreien! – Eine Aussetzung hätte weitreichende Konsequenzen für den Berliner Schulbetrieb. An allen Schulen müsste mit sofortiger Wirkung die Nutzung von urheberrechtliche geschützten Werken untersagt werden.

[Zurufe von den PIRATEN]

Was das für den Unterrichtsbetrieb bedeuten würde, muss ich Ihnen wohl nicht erklären. Ich denke, das können wir gegenüber den Schulen und Schülern nicht verantworten.

Sie wollen laut Ihrem Antrag die Beteiligungsgremien – Lehrer, Eltern und Schülerschaft – zu dem Thema anhö

ren. Ich will mich nicht auf die rechtliche Ebene zurückziehen, ob hier ein Beteiligungstatbestand gegeben oder eine Beteiligung gesetzlich vorgeschrieben ist. Es kann aber nicht praktikabel sein, 324 606 Schüler an allgemeinbildenden Schulen zu diesem Vertrag zu befragen und anzuhören. Dazu sollen noch Personalvertretungen, Elternbeiräte und Schülervertretungen kommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition! Das wird so nicht funktionieren. Ich mache Ihnen einen anderen Vorschlag, der weder mit meiner Fraktion noch mit dem zukünftigen Ausschussvorsitzenden abgesprochen ist: Laden wir doch einfach Vertreter der von Ihnen benannten Gruppen zu den Ausschüssen ein, sodass sie sich dort äußern können.

Ein letzter Punkt: Ich würde im Ausschuss mit Ihnen gerne Alternativen, Ergänzungen und Qualifizierungen zu Ihrem Antrag besprechen. Lassen Sie uns beispielsweise über die Möglichkeit der freien Nutzung von Lehrmaterialien diskutieren. Das Prinzip open educational resources kann möglicherweise auch in der Berliner Schullandschaft angewandt werden.

[Zuruf von Özcan Mutlu (GRÜNE)]

Reden Sie doch nicht dazwischen! Sie kennen das doch gar nicht. – Bei dem Prinzip geht es um den Zugang zu freien Inhalten von Bildungsinstituten, das heißt, Lehrmaterialien, die von Lehrern hergestellt werden, können frei unter sogenannter creative commons license veröffentlicht und genutzt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition! Lassen Sie uns den Antrag in den Ausschüssen Digitale Verwaltung, Datenschutz und Informationsfreiheit beziehungsweise Bildung, Jugend und Familie diskutieren und über Alternativen nachdenken. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, lieber Kollege Kohlmeier! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Kollege Gelbhaar das Wort. – Bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Senatorin Scheeres! Über diesen Vertrag haben wir bereits einmal gesprochen. Datenschutzbedenken, Misstrauen gegenüber unseren Lehrerinnen und Lehrern, die Frage der bereits abgegoltenen Urheberrechte der Schulbuchverlage, offene Kosten – all das waren Kritikpunkte. Diese Punkte haben uns veranlasst, den vorliegenden Antrag zu formulieren. Wir wollen als Opposition mögliche Fehlinvestitionen und unnütze Rechtsstreitigkeiten zulasten des Landes Berlin und seiner Angestellten von vornherein vermeiden helfen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

In der letzten Plenardebatte zu diesem Thema habe ich den ehemaligen Senator Zöllner gefragt, ob der Lobbydruck der Schulbuchverlage so hoch gewesen sei. Er hat darauf klar und nur mit einem Wort geantwortet: Ja! Das können Sie gerne auf den Seiten 64 bzw. 65 des Plenarprotokolls vom 10. November nachlesen. Ich habe es auch erst beim Nachlesen geglaubt. Diese unumwundene Ehrlichkeit bezüglich des Nachgebens gegenüber dem Lobbydruck ehrt Herrn Zöllner, aber sie hinterlässt bei mir einen sehr schalen Beigeschmack. Die Handlungsnotwendigkeit bezüglich des Vertrags ist jedenfalls offensichtlich geworden.

Zurück zum Vertrag: Damit werden die Urheberrechte der Verlage über eine pauschale Vergütung abgegolten. Das heißt, dass eine Gesamtabfindung vereinbart wurde. Daraus ergibt sich die Frage: Wenn insgesamt abgefunden wurde, wozu ist dann noch die Überprüfung des Nutzungsumfangs nötig?

[Beifall bei den GRÜNEN – Sven Kohlmeier (SPD): Reden Sie doch mal zum Antrag selbst!]

Die Plagiatssoftware ist eigentlich vollkommen unnötig. Keiner braucht sie, und daher sollte man so etwas vertraglich nicht vereinbaren.

Diese Software wird Schaden anrichten. Wir stellen uns das mal vor: Sollen wirklich disziplinarrechtliche Vorgaben den schulischen Alltag bestimmen? Nach § 6 des Vertrages verpflichten sich die Länder, bei Bekanntwerden von Verstößen gegen die betreffenden Lehrkräfte disziplinarische Maßnahmen einzuleiten. Wir fragen uns: Wozu dient dieser Absatz? – Denn nach § 17 Disziplinargesetz besteht mit einigen Ausnahmen die Pflicht schon des Landes, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, wenn es zureichende tatsächliche Anhaltspunkte gibt, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen.

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Von wem?

Von Frau Dr. Kitschun!

Verzeihung! Der Abgeordnete Kohlmeier natürlich! Er sitzt einfach am falschen Platz.

[Heiterkeit bei der SPD]

Sie können noch zurückziehen, Herr Kollege Gelbhaar! Danke! – Weil Sie gerade über die Beschäftigten reden: Stimmen Sie mit mir überein, dass alle Beschäftigten des Landes Berlin selbstverständlich verpflichtet sind, sich an geltende rechtliche Bestimmungen zu halten? Und dazu zählt nun einmal auch das Urheberrecht.

Dann fahre ich einfach in meiner Rede fort, denn der Punkt kommt gleich.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Das Disziplinarrecht ist nämlich sehr differenziert und nicht so grob, wie Sie es gerade beschreiben. Nach Abschluss eines solchen Verfahrens ist nämlich hinsichtlich der zu treffenden Disziplinarmaßnahme eine Entscheidung im pflichtgemäßen Ermessen zu treffen. Das steht so im Gesetz. Gerade in solchen Fällen, in denen nach Abschluss der Ermittlungen aber z. B. nur eine sehr geringe Dienstverletzung im Raum steht, wird regelmäßig keine Disziplinarmaßnahme getroffen. Dieser Fall ist ausdrücklich gesetzlich so vorgesehen. Wenn Sie die Nummer haben wollen: § 32 Abs. 1 Nr. 2 Disziplinargesetz.

[Torsten Schneider (SPD): Proseminar!]

Das macht die Wortwahl des Vertrags dann in der Tat rechtlich äußerst bedenklich, denn danach ist das Ermessen bezüglich des Ergreifens oder Unterlassens einer Disziplinarmaßnahme schlicht aufgegeben worden, und zwar vertraglich aufgegeben worden.

Warum habe ich das so ausführlich dargestellt? – Es besteht – da kommen wir zum Antrag – ein erheblicher Prüfbedarf, ob gerade diese Passage des Vertrags rechtlich überhaupt haltbar ist, und diese Prüfung fordern wir mit dem Antrag ein. Die Vertragsparteien haben hier eine der Systematik des Disziplinarrechts zuwiderlaufende Verpflichtung vereinbart, und das berührt unmittelbar die Rechte der Lehrkräfte. Das geht so nicht, denn das stellt offenes Misstrauen dar.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Hinzu haben wir noch eine weitere Frage bestimmen können: Wer bezahlt eigentlich die Implementierung, den Support für die Plagiatssoftware? Das kostet schließlich Personal, und das ist bekanntermaßen nicht umsonst zu haben. Die Schulbuchverlage bezahlen das jedenfalls nicht.

[Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN)]

Die bezahlen nur die Erstellung der Software. Das steht auch ausdrücklich so im Vertrag. Die Kosten sind nirgendwo beziffert, geschweige denn im Haushalt abgebildet. Im Ergebnis ist also festzuhalten: Hier wurde wohl in Unkenntnis gehandelt, oder die Schulbuchverlage haben nicht mit offenen Karten gespielt.

Ich wende mich daher an Sie, Frau Senatorin! Sie können die Fehler Ihres Vorgängers korrigieren. Er hat sie offen eingeräumt, das heißt, Sie brauchen da auch gar keine Scheu zu haben. Stoppen Sie diesen Vertrag! Sie müssen diesen Lobbyisten, die da am Werk waren, nicht folgen. Vertrauen Sie unseren, vertrauen Sie Ihren Lehrerinnen und Lehrern! – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Sven Kohlmeier (SPD): Ja, euren!]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Dregger das Wort. – Bitte!