Protocol of the Session on June 5, 2014

auch für absurd. – Ich halte diese Aussage von Ihnen, Herr Delius, für absurd!

Welche Herausforderungen erwarten uns in den nächsten Jahren? – Das sind technische Innovationen, beispielsweise die Elektromobilität auch im Radverkehr. Wir müssen davon ausgehen, dass Radfahrerinnen und Radfahrer zunehmend in unterschiedlichen Geschwindigkeiten unterwegs sind. Dann muss man sich die Frage nach der grünen Welle für den Radverkehr stellen. Aber reden wir auch zukünftig über Kapazitätsengpässe. Das ist die Frage, wie wir Fahrradstellplätze organisieren und wie wir an manchen Stellen – in der Karl-Marx-Allee hat der Radverkehr schon beinahe Engpässe – den Radverkehr organisieren. Gleichzeitig müssen wir auch, weil der Verkehrsraum begrenzt ist, um Akzeptanz für Förderung im Radverkehr werben. Es geht nicht, eine Verkehrsart gegen die andere auszuspielen.

[Beifall von Ülker Radziwill (SPD)]

Nächster Punkt der zukünftigen Dinge, die einen andauernden Prozess darstellen, ist die Radverkehrssicherheit. Da habe ich schon zwei, drei Punkte genannt. Jetzt kommen wir zu dem Punkt der Finanzierung. In der Tat sind 5 Euro pro Einwohner und Jahr eine schöne Zielzahl. Und ja, es ist in diesem Haus immer gang und gäbe, sich mit den verschiedenen Prioritäten, die wir hier haben, auseinanderzusetzen. In der Stadt hat es die Koalition organisiert, dass wir die Radverkehrsinfrastruktur in den letzten zwei Haushaltsverhandlungen jedes Mal stärken konnten. Das ist eine gute Sache.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wir haben 1,5 Millionen Euro draufgelegt. Für das Fahrradleihsystem und für den Ausbau finanzieren wir 6,5 Millionen Euro im Jahr. Dazu kommen noch mal die Mittel, die im Schlaglochsanierungsprogramm früher nur für Straßen, jetzt auch für Straßen- und Gehwege verwendbar sind. Natürlich kommen wir auf die 5 Euro pro Kopf, vielleicht nicht in den nächsten zwei Jahren, aber ich denke, das ist ein Prozess, und vielleicht machen wir das in den nächsten Haushaltsverhandlungen gemeinsam.

Ich würde empfehlen, nicht danach zu fragen, was alles nicht so gut läuft – da gibt es sicher einzelne Punkte –, sondern die Frage zu stellen, wie ich mehr Menschen auf die Fahrräder bringen kann. Ich glaube, wenn Sie, Herr Baum, am Wochenende mal eine Testfahrt mit Ihrem Fahrrad machen: Holen Sie es aus dem Keller! Es soll schönes Wetter werden. Und wenn wir davon mehr Abgeordnete begeistern könnten, dann hätten wir in dieser Stadt etwas gewonnen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für eine Zwischenbemerkung hat jetzt der Kollege Baum das Wort.

[Zuruf von der LINKEN: Nein!]

Herr Kreins! Sie haben mich leider direkt herausgefordert, zuletzt mit Ihrem Vorschlag, ich soll mal mein Fahrrad aus dem Keller holen. Das steht sogar im Winter nicht im Keller, weil ich sogar im Winter Fahrrad fahre, und das jeden Tag.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Deswegen habe ich aber keine Zwischenbemerkung angemeldet, sondern als Erstes: Sie sagten, das sind einzelne Beispiele. Natürlich bleibt hier nicht die Zeit, jedes Beispiel, das es in Berlin gibt, oder jede schlechte Situation zu beschreiben. Beispiel bedeutete aber auch, dass es ein Beispiel für mehr ist. Ich sagen Ihnen: Sie kommen in Berlin keine 1 000 Meter weit, ohne dass Sie als Fahrradfahrer eine Situation vorfinden, wo Sie behindert werden, wo Sie ausgebremst werden, wo Sie in eine gefährliche Situation gebracht werden oder Ähnliches.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Es gibt deswegen nicht nur zwei Beispiele, sondern es gibt wesentlich mehr zu tun. Genau deswegen haben wir diese Aktuelle Stunde beantragt.

Zweitens: Die Sternfahrt als Erfolg der Radverkehrsstrategie zu bewerten, ist schizophren. Gerade weil der Radverkehr in Berlin von immer mehr Leuten produziert wird, und sie merken, dass es etwas zu tun gibt, gab es so eine erfolgreiche Sternfahrt. Das bedeutet, Ihre schlechte Radverkehrsstrategie sorgt im Prinzip dafür, dass so viele Leute zu solch einer Sternfahrt kommen.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Das Radverleihsystem, das Sie benannt haben und das jetzt aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, wurde früher privatwirtschaftlich organisiert und war besser aufgestellt. Inzwischen stehen Betonklötze überall herum, für die es in den Bezirken teilweise keine Nutzungsentschädigung oder Sonstiges gibt,

[Christopher Lauer (PIRATEN): Was?]

die Platz wegnehmen, wo man im Prinzip öffentliche Fahrradabstellanlagen aufstellen könnte, und es ist nicht mehr in der Fläche zu nutzen so wie früher. Früher konnten Sie innerhalb des kompletten S-Bahnrings mit dem Radverleihsystem fahren, von Kreuzung zu Kreuzung. Inzwischen geht es nur noch zu einer geringen Anzahl von Stationen, die zwar ausgebaut werden, aber wie zentral das ist, sehen Sie daran, dass gerade in den letzten Tagen groß geworben wurde: Jetzt auch am Hauptbahn

hof. Also, am zentralen Bahnhof mitten in der Stadt gibt es jetzt auch endlich eine Radverleihstation.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Christopher Lauer (PIRATEN): Bravo!]

Daran merken Sie, wie rückschrittlich dieses Radverleihsystem momentan ist. Wir müssen uns Gedanken machen, ob es weiterhin sinnvoll ist, das so zu finanzieren oder welche Alternativen es gibt. Früher, wie gesagt, war es an dieser Stelle einfach leistungsfähiger.

Letzten Endes kann man sagen, dass der Verkehrsraum natürlich begrenzt ist. Aber haben Sie einmal versucht, vom Alexanderplatz zum Potsdamer Platz möglichst entspannt zu fahren?

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Das funktioniert nicht, obwohl es eine der breitesten Straßen ist. Da haben sie auf der Busspur eine Situation, dass sie dort kaum mit dem Fahrrad fahren können, weil die Straße dort so stark beansprucht wird, lange nicht repariert wurde und gleichzeitig, wenn sie auf der normalen Fahrbahn fahren, dann werden sie angehupt, weil die Autofahrer nicht verstehen, weshalb sie nicht weiter rechts fahren. Insofern gibt es da natürlich eine Situation, in der man sich darüber Gedanken machen muss, wie man gerade solche großen Verkehrsräume besser auf die verschiedenen Verkehrsteilnehmer aufteilen kann.

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank! – Herr Kreins! Möchten Sie erwidern? – Nein. Dann hat jetzt der Kollege Gelbhaar das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kreins! Als Sie eben das Wort „Erfolgsgeschichte“ aussprachen, dachte ich: Okay, jetzt kommt das, was wir erwarten. Vielleicht irgendetwas zur Koalitionskrise, vielleicht eine Regierungserklärung, aber dafür wären Sie der falsche Mann gewesen, aber ich habe gehofft, jetzt äußern Sie sich zu dem Thema, das die Stadt gerade bewegt. Sie meinten Erfolgsgeschichte in Bezug auf Radverkehr und haben dabei von Einzelfällen mit Problemen gesprochen. Die 8 000 Meldungen, die der Senat zu Gefahrenstellen im Berliner Radverkehr gesammelt hat, lassen von allem anderen, aber nicht von einer Erfolgsgeschichte sprechen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Ich habe mich bis eben gefragt: Mit welcher Haltung gehst du hier heute ans Pult?

[Torsten Schneider (SPD): Das glaube ich gern!]

Da meldet eine Oppositionsfraktion Fahrradverkehr als ein sehr wichtiges Thema für Berlin zur Aktuellen Stunde an.

[Torsten Schneider (SPD): Haltung ist ein Problem für Sie!]

Alle hier im Haus wissen, dass uns Grünen dieses Thema besonders wichtig ist, alle wissen, dass Bündnis 90/Die Grünen mit Michael Cramer und Claudia Hämmerling seit vielen Jahrzehnten für besseren Radverkehr im Abgeordnetenhaus kämpfen,

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Dr. Gabriele Hiller (LINKE)]

um mehr Verkehrssicherheit, um eine bessere Radverkehrsinfrastruktur.

[Christopher Lauer (PIRATEN): „Erfolgsgeschichte“ der Grünen!]

Wissen Sie, ich habe mich sehr gefreut, als ich das Thema gesehen habe,

[Oliver Friederici (CDU): Das glauben wir Ihnen nicht!]

gerade nach dem super erfolgreichen letzten Sonntag mit der Fahrradsternfahr mit 200 000 Teilnehmern und Teilnehmerinnen, denn politisch haben wir es mit einem Senat zu tun, der immer nur die nächste Autobahn plant. Deshalb hat das Thema absolut seine Berechtigung, beispielsweise klimapolitisch. Hier haben wir nämlich den falschen Weg eingeschlagen. Der Verkehr ist immerhin für ein Viertel aller CO2-Emissionen zuständig. Seit 1990 sind diese Emissionen enorm gestiegen, während sie im Industriebereich gesenkt wurden. Für die SPD zum Mitlesen und für das Protokoll: 28 Prozent mehr beim Verkehr, 32 Prozent weniger in der Industrie. Das heißt, das, was wir in der Industrie klimapolitisch gewonnen haben, haben wir im Verkehr verspielt. Das wollen wir nicht hinnehmen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Simon Kowalewski (PIRATEN)]

Warum ist das so? Warum, Herr Regierenden Bürgermeister, fahren Sie eigentlich als Dienstwagen die fetteste CO2-Schleuder aller Ministerpräsidenten in Deutschland? Warum sieht man Sie nie auf einem Fahrrad?

[Heiterkeit]

Das wäre, mit Verlaub, wichtig!

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe von der SPD]

Herr Wowereit! Sie könnten ein Vorbild sein. Das ist gar nicht nur lustig, denn das Fahrrad ist in Berlin zwar in vielen Teilen der Bevölkerung anerkannt, aber es braucht weiter Unterstützung, denn in allen Bevölkerungsteilen ist das Fahrrad mitnichten anerkannt. Das Fahrrad ist das umweltfreundlichste Verkehrsmittel, das wissen wir, deswegen, Herr Wowereit, ist das eine Frage der Haltung.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Dr. Gabriele Hiller (LINKE) – Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Deshalb ist Ihr Wahlkampfleiter auch mit dem Auto geschnappt worden!]

Olle Kamellen, Herr Wowereit!

[Ah! von der SPD und der CDU]

Ich finde, ein Wahlkampfleiter ist das Eine, BER und andere Dinge sind das Andere. Dazu hätten Sie sich heute äußern können, das tun Sie aber nicht.