Protocol of the Session on June 5, 2014

Offensichtlich machen Sie alle nicht Ihren Job als Fahrradbeauftragte. Deswegen fordere ich: Setzen Sie wieder einen Fahrradbeauftragten ein; statten Sie ihn entsprechend aus und sorgen Sie dafür, dass die Fahrradpolitik in

Berlin wieder für und nicht gegen Fahrradfahrer gemacht wird!

[Beifall bei den PIRATEN]

Zur Finanzierung: Sie schreiben in Ihre Radverkehrsstrategie, Sie wollten 5 Euro pro Einwohner erreichen. – Wenn man sich anguckt, was im letzten Haushaltsentwurf stand, dann war es eine Absenkung der Mittel. Nur durch den Widerstand des Parlaments waren Sie überhaupt in der Lage, die grundsätzlichen Anforderungen an die Radfahrpolitik in Berlin zu meistern. Ansonsten stünden Sie jetzt da und wüssten nicht mehr weiter, weil Sie kein Geld hätten, um zumindest die grundlegenden Dinge zu reparieren. Insofern fordere ich Sie auf – gerade unter dem Titel „Radverkehr stärken“: Nehmen Sie in einem ersten Schritt das ernst, was Sie in den bunten Broschüren drucken, und tun Sie in der Realität nicht genau das Gegenteil!

[Beifall bei den PIRATEN]

Zweitens: Sorgen Sie dafür, dass sich Radfahrer in Berlin verkehrssicher bewegen können! Führen Sie sie sicher an Baustellen vorbei, und leiten Sie sie nicht in den Gegenverkehr!

[Beifall bei den PIRATEN]

Setzen Sie den Dialog mit den Radfahrern fort, am besten mit einem Fahrradbeauftragten! Ihr Konzept, wonach wir alle Fahrradbeauftragte sind, funktioniert offensichtlich nicht. Richten Sie einen dauerhaften Bürgerdialog ein! Ein zeitlicher begrenzter wie letztes Jahr reicht dafür nicht aus. Ich komme zum letzten Punkt, „Chancen ergreifen“: Wagen Sie – vielleicht zusammen mit den Radfahrern in Berlin – einen Blick in die Zukunft. Was wäre, wenn es in Berlin kreuzungsfreie Radhighways geben würde, also Schnellstraßen für Radfahrer, mit denen sie genau das erreichen, was Sie in Ihrer Radverkehrsstrategie schreiben?

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Was wäre, wenn in Berlin das Rad das bevorzugte Verkehrsmittel wäre? Bringen Sie die Vernetzung mit dem öffentlichen Personennahverkehr voran! Bauen Sie die Fahrradstraßen aus! Da kann Ihnen der Kollege Gelbhaar von den Grünen sicherlich viele Tipps geben. Er hat auf seiner Website dazu aufgerufen, Vorschläge zu machen, wo das sinnvoll wäre.

[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN]

Was wäre, wenn Berlin in Zukunft auf Platz 1 der Fahrradstädte in Deutschland stehen würde? Machen Sie in Zukunft bitte wieder für die Fahrradfahrer Politik, und sorgen Sie dafür, dass es eine gerechte Ausstattung auch im nächsten Haushalt gibt, so dass Sie Ihr Ziel in Zukunft auch umsetzen können! – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Dann kommen wir jetzt zum Kollegen Kreins von der SPD-Fraktion.

[Stefanie Remlinger (GRÜNE): Wann wird denn der BER fertig? – Weitere Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN]

Jetzt kehrt wieder Ruhe ein. – Herr Kollege Kreins hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Kollege Baum! Es ist so mit der Straßenverkehrsordnung: Da gibt es Beschilderungen. Sie haben zwei Einzelfälle benannt, die es möglicherweise in dieser Stadt gibt. Aber dafür ist unsere Straßenverkehrsbehörde zuständig, weil es sich in der Niederkirchnerstraße nicht um eine Hauptverkehrsstraße handelt. Am Springpfuhl könnte man sicherlich vor Ort einen Termin machen; das Problem ist zu lösen. – Das ist im Grundsatz die Kritik, die ich an Ihrem Vortrag habe. Ansonsten sehe ich das völlig anders als Sie.

Aber ich bedanke mich für die Mehrheit in diesem Haus! Sie gibt uns die Möglichkeit, die Möglichkeiten und auch den Erfolg der Radverkehrspolitik darzustellen. Denn Sie ist ein Stück Erfolgsgeschichte in dieser Stadt.

[Lachen bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Wir haben es ja am Wochenende gesehen: Da waren 200 000 Menschen auf der Straße. Vor 25 Jahren wären sie sicherlich nicht so mutig durch die Stadt gefahren; vor 25 Jahren wäre das nicht möglich gewesen. Die Stadtinfrastruktur, die es hier gibt, ist schon gut ausgebaut.

Es ist nicht nur gesund, sondern auch ökologisch und ökonomisch sinnvoll, aufs Rad umzusteigen.

[Zurufe von der LINKEN]

Was ist denn mit Ihnen los? Sind Sie heute auch mit dem Rad hierhergefahren, dass Sie sich so über den Straßenverkehr aufregen? Bleiben Sie doch mal ruhig und lassen Sie mich ausreden! – Es gibt zwei Dinge, die beim Radverkehr die Erfolgsgeschichte prägen: Das ist einerseits die zunehmende Anzahl von Radfahrerinnen und Radfahrern – da sind wir uns einig. Und das ist zum Zweiten, dass die Anzahl der tödlich Verunglückten rückläufig ist. Das ist eine gute Botschaft in dieser Stadt; das muss man einmal sagen.

Die Radverkehrsstrategie des Senats ist erlebbar. Wenn man sich einmal im Modal-Split anschaut, wie viele Wege mit dem Rad in den letzten Jahren zurückgelegt wurden, dann muss man zwei Tendenzen feststellen. Erstens: Der motorisierte Individualverkehr nimmt ab. Gleichzeitig nimmt der Fuß- und Radverkehr zu. Zweitens: In den

(Andreas Baum)

Innenstadtbezirken werden tendenziell mehr Wege mit dem Rad zurückgelegt als am Stadtrand. Während also in Spandau, Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg der Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen bei unter 10 Prozent liegt, sind in zentrumsnahen Bezirken wie Friedrichshain-Kreuzberg die Menschen mehr mit dem Rad als mit dem Auto unterwegs – um die 20 Prozent der Wege werden dort mit dem Rad zurückgelegt.

Mit 342 Pkw auf 1 000 Einwohner hat Berlin den geringsten Motorisierungsgrad aller deutschen Großstädte. Das ist bei manchen ökonomisch bedingt, bei manchen ist es aber auch eine bewusste Entscheidung, weil das Angebot an Mobilität für diese Stadt, mit ÖPNV, mit Radwegen, mit Fußwegen, gut ist.

Um die Menschen in den Stadtrandbezirken zu bewegen, auch auf das Rad umzusteigen, ist in den letzten Jahren ein umfangreiches, ein gut beschildertes – auch wenn Sie eine Ausnahme genannt haben – und hervorragend ausgebautes Fahrradhauptroutennetz entstanden.

[Zurufe von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Das sind die Fahrrad-Highways, von denen Sie gesprochen haben. Sie führen von Spandau in die Innenstadt, von Pankow in die Innenstadt, von Marzahn-Hellersdorf in die Innenstadt. Es gibt Spangen, die die Außenstadtbezirke verbinden. Wenn Sie es nicht glauben, fahren Sie mal eine Strecke. Ich benutze sie regelmäßig, und ich freue mich darüber. Das sind eben die Strecken, an denen man auch mal schneller mit dem Rad fahren kann.

Berlin verfügt über ein 1 000 Kilometer langes Netz an Radwegen, Radfahrstreifen, gemeinsamen Geh- und Radwegen sowie der gemeinsamen Nutzung von Busspuren. Sie haben vorhin mit Ihren beiden Beispielen gesagt: Es gibt auch immer wieder Fälle, wo es noch nicht so funktioniert. Aber der Großteil der über 1 000 Kilometer ist vernünftig. Wenn ich mir die Strecke vorstelle – ich habe das gestern mal nachgerechnet –, dann ist das ungefähr die Strecke von Berlin nach Rom. Ob auf diesem Weg alle Radwege so gut ausgebaut sind wie in Berlin, wage ich zu bezweifeln.

Die baulichen Radwege sind in den letzten Jahren um mehr als 10 Prozent gewachsen. Sie liegen jetzt bei über 600 Kilometern, und wir haben auch eine ganze Menge Radspuren eingerichtet, weil wir die Sicherheitsanforderungen der Radfahrerinnen und Radfahrer ernst nehmen. Auch da ist das Netz von 50 Kilometer auf knapp 200 Kilometer gewachsen. Das ist eine Erfolgsgeschichte. Diese Zahlen haben Sie nicht genannt, und diese Zahlen nennen Sie auch nicht, weil Sie hier die Radverkehrsstrategie und die Radverkehrspolitik im Land Berlin ein bisschen madig machen wollten.

[Christopher Lauer (PIRATEN): So sind wir! Ein bisschen verbittert!]

Herr Kollege! Lesen Sie doch Ihre Zeitung zu Ende!

[Christopher Lauer (PIRATEN): Ich kann überhaupt nicht lesen!]

Mit dem Mauerradweg und den überregionalen Radwegen Berlin-Usedom und Berlin-Kopenhagen spielt auch Radverkehr im Tourismus und in der Naherholung eine wesentliche Rolle.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zillich?

Bitte schön, Herr Kollege Zillich!

Herr Kollege Kreins! Könnten Sie vielleicht noch einmal sagen, wie dankbar Sie sind, dass dieses Thema genommen wird?

Ja! – Ich hätte sicher auch gern über Wohnungsbaupolitik gesprochen, über die Notwendigkeiten der Wohnungen, die wir in dieser Stadt haben, und die Chance, die wir mit dem Volksentscheid verpasst haben, aber auch, dass wir die Entscheidung akzeptieren. Sie waren ja auf der anderen Seite der Entscheidung, und Sie haben heute einen Antrag eingebracht, wie Sie nun doch wirklich Partizipation auf dem Tempelhofer Feld organisieren wollen. Partizipation: Ja, aber das Volk hat ein Gesetz beschlossen. Und dieses Gesetz gilt. Insofern ist da der Kommunikationsspielraum auch eingeschränkt.

Ich bin sehr der Meinung, dass wir auch über Radverkehr reden sollten. Das ist nicht nur eine Frage der Radwegelänge, sondern auch der intelligenten Verkehrssysteme. Jetzt fällt das Schlagwort Intermodalität, also die Frage, wie man seine Verkehrswege von A nach B mit verschiedenen Verkehrsmitteln kombinieren kann. Zugegebenermaßen, und das ist nicht angesprochen worden, ist es eine Herausforderung, ein Fahrrad in der S-Bahn mitzunehmen. Allerdings, muss man auch sagen, ist der Stand der Bike-and-ride-Parkplätze vor den Bahnhöfen enorm gewachsen, und wir haben mit dem letzten Haushaltsbeschluss auch in der Innenstadt noch einmal das Fahrradleihsystem gestärkt. Das heißt, man kann vom Wohnort zum Bahnhof mit dem Fahrrad fahren, dann die Stadt mit der S-Bahn durchqueren und die letzten Kilometer zur Arbeit auch gern noch mit der Fahrradleihstation kombinieren.

Mit den Sicherheitskampagnen „Berlin nimmt Rücksicht“ wird allen Verkehrsteilnehmern ein rücksichtsvolles Miteinander angeraten. Der Verkehrsraum ist beschränkt. Wir können die Häuser in dieser Stadt nicht auseinanderschieben, uns breitere Gehwegen wünschen, breitere Radwege, vielleicht ein paar Baumscheiben dazwischen, breitere Busspuren, vielleicht noch Taxispuren, breitere Straßen und dann noch eine Straßenbahn in der Mitte. Das geht in dieser Stadt nicht. Deswegen müssen eben die Verkehrsteilnehmer in diesem gegrenzten Verkehrsraum Rücksicht aufeinander nehmen. Da fällt mit die sehr erfolgreiche Kampagne „Berlin nimmt Rücksicht“ ein – der Titel ist etwas technokratisch: „Radfahren in Berlin: Abbiegen? Achtung! Sicher über die Kreuzung“ – mit 400 000 Aufrufen. Das ist ein Instrument, das partizipativ sehr erfolgreich gewesen ist. Da sind mehr als 5 000 Vorschläge eingegangen. Wie können Sie sagen, dass diese Vorschläge nicht relevant sind? Natürlich kann man das dauerhaft machen, aber man muss die Maßnahmen dann aber auch umsetzen, und das kostet eben seine Zeit. Insofern finde ich dieses Konzept gut – das ist übrigens auch prämiert worden als Online-Dialog-Konzept für partizipative Vorschläge.

[Beifall von Christopher Lauer (PIRATEN): Da klatscht noch nicht mal Ihre Fraktion! – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Nicht alle wissen das. Deswegen sage ich es auch hier. Das Verkehrssicherheitsprogramm bündelt weitere Maßnahmen, und die Unfallkommission spielt in der Fragestellung eine Rolle, wie nach Unfällen oder bei Planung und Umbauten Unfallschwerpunkte verhindert werden.

Wenn wir beim Thema Partizipation sind: Natürlich findet die Radverkehrsstrategie unter Beteiligung der Verbände statt. Es hat eine hohe Bedeutung, dass ADFC und BUND. und VCD dabei sind, und sie sind in eigener Sache Experten, und sie sprechen für eine große organisierte Fahrradmitgliedschaft. Es gibt auch noch den FahrRat zu benennen. Das sind, glaube ich, die Instrumente, die wir wählen sollten. Sie haben jetzt an einem Punkt ausgemacht, dass es keine Partizipation gäbe. Sie haben das an dem Fahrradbeauftragten des Senats ausgemacht. Aus bezirklicher Erfahrung kann ich Ihnen berichten, dass es in den Bezirken Fahrradbeauftragte gibt.

[Andreas Baum (PIRATEN): Gleichzeitig haben sie kein Geld!]

Es gibt sogar einzelne Bezirke, die eine Fahrradkonzeption entwickelt haben. Und dann haben wir noch 200 000 Radfahrerinnen und Radfahrer in dieser Stadt und haben noch die Organisierten in den Verbänden. Das sind doch Experten für sich.

[Martin Delius (PIRATEN): Es gibt keinen Dialog! Den haben Sie ja beendet!]

Da brauchen Sie doch jetzt keinen hinzusetzen und zu sagen: Es liegt daran, dass wir keinen Fahrradbeauftragten im Senat haben. Dass es keinen Dialog gibt, halte ich

auch für absurd. – Ich halte diese Aussage von Ihnen, Herr Delius, für absurd!