Zuerst erfolgen die Wortmeldungen zwei Runden nach Stärke der Fraktionen mit je einer Fragestellung an den Senat. Das Verfahren ist Ihnen bekannt.
Ich rufe für die erste Frage den Kollegen Kohlmeier von der SPD auf. – Bitte schön, Herr Kollege Kohlmeier!
[Christopher Lauer (PIRATEN): Aber nichts zu den Einbrechern fragen! – Zuruf von den PIRATEN: Ausbrecher!]
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich frage den Senat: Welche Erkenntnisse bzw. welche neuen Erkenntnisse hat der Senat zu der Flucht von zwei Strafgefangenen aus der Justizvollzugsanstalt Moabit diese Woche am Montag?
Herr Abgeordneter Kohlmeier! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem von mir am Dienstag bekannt gegebenen Sachstand gibt es keinen neuen Sachverhalt. Wir hatten eine Flucht von zwei Personen, die erhebliche Sicherheitsanlagen in erstaunlicher Weise überwinden konnten.
Ich habe am Montag gleich am Vormittag die Fraktionen unterrichtet und dann auch die Öffentlichkeit in einem Statement vor dem Gefängnis in Moabit. Ausdrücklich habe ich dort nicht ausgeschlossen, schon wenige Stunden danach, dass es Hilfe von außen gegeben hat.
Deswegen habe ich schon damals eine Untersuchungskommission vorgeschlagen. Morgen werde ich zum ersten Mal mit dem Vorsitzenden der Untersuchungskommission zusammensitzen. Es ist nach wie vor leider nicht auszuschließen, dass es erhebliche Hilfe von außen gegeben hat.
Was ich Ihnen Neues sagen kann, ist, dass die Polizei vor etwa einer halben Stunde eine öffentliche Fahndung nach den beiden Flüchtigen bekannt gegeben hat, sodass man jetzt die Namen und die Fotos veröffentlichen darf. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass die öffentliche Fahndung bundesgesetzlich in § 131 der Strafprozessordnung geregelt ist und dass ich als Justizsenator nicht einfach Namen nennen darf.
[Christopher Lauer (PIRATEN): Wieso nicht? Wieso dauert das so lange? Die sind doch schon in China!]
Gestern Abend hat das Landgericht der Fahndung zugestimmt. Und dann darf die Polizei, nachdem andere Mittel ausgeschöpft sind, eine öffentliche Fahndung aussprechen. Das kann ich nicht einfach unterlaufen, indem ich doch die Namen nenne oder bestätige.
Danke schön für das Wort, Herr Präsident! – Können Sie mir sagen, Herr Heilmann, ob Sie, sobald es möglich ist, schon erste Schlussfolgerungen aus dem Vorgang ziehen können?
Da gibt es eine ganze Reihe. Das Erste ist, dass wir sofortige Sicherungsmaßnahmen ergriffen haben, um eine unmittelbare Nachahmung, die in solchen Fällen immer droht, zu verhindern.
Zweitens werden wir unmittelbar untersuchen und dann kurz- mittel- und langfristig umsetzen – ich komme gleich dazu, warum –, wie wir die Sicherheitsstandards verbessern können, wie wir Systeme und Abläufe untersuchen, wie wir die Bedingungen für die Mitarbeiter und die Führungskultur – alles das könnte eine Rolle gespielt haben – untersuchen und gegebenenfalls verbessern. – Zu Ihrer Frage zum Personal komme ich gleich.
Wir haben in Moabit ohnehin 14 Bauvorhaben – Verbesserungen und Investitionen – im Haushalt vorgesehen, zum Teil begonnen, zum Teil können wir sie – wie die Mobilfunkunterdrückung – erst im nächsten Jahr ausführen, weil das Haushaltsrecht es so vorsieht.
Wir werden überlegen, was wir im Rahmen des geltenden Haushaltsrechts gegebenenfalls vorziehen können. Da denke ich insbesondere an die Verstärkung der Zellengitter mit Hartmetall.
Und weil Sie eben nach der Personalausstattung gerufen haben – das ist immer eine Grenzfrage. In den letzten 15 Jahren war das Verhältnis zwischen Mitarbeitenden und Gefangenen in Berlin nicht so gut wie in meiner Amtszeit. Wir sind bundesweit nach Niedersachsen, Brandenburg und Hamburg das am besten ausgestattete Land.
Es ist natürlich wie in jedem Kindergarten, in jeder Schule, wie überhaupt im öffentlichen Dienst immer eine Frage, wie viel Personal Sie investieren wollen. Das le
gen wir am Schluss der Haushaltsberatung gemeinsam fest. Die Frage ist immer berechtigt, aber zu sagen, wir hätten in Berlin eine schlechtere Lage als in den letzten Jahren, ist objektiv unrichtig.
[Christopher Lauer (PIRATEN): Hat doch keiner gesagt! Das steht nur auf Ihrem Zettel – ganz spontan!]
Ich will dazu noch zwei Kommentare abgeben, weil das, glaube ich, zum Verständnis sehr wichtig ist. Das Erste ist: Die Mitarbeitenden bzw. die Personalvertreter fragen natürlich nach mehr Personal, weil die Arbeitsbedingungen eher schwieriger geworden sind.
Das hat aber nichts mit der Personalquantität zu tun. Die Häftlinge sind schwieriger geworden. Wir haben ja zurückgehende Zahlen im Allgemeinen, aber im Besonderen eher gewaltbereite Häftlinge, Häftlinge, die psychische Störungen haben. Wir haben mehr Probleme mit Rauschgiftabhängigen. Und auch die gesetzlichen Bedingungen und die Rechtsprechung sind eher härter geworden, sodass es zusätzliche Belastungen für die Mitarbeiter gibt. Deswegen will ich an der Stelle auch gerne einmal ein Kompliment an die Mitarbeitenden in den Haftanstalten in Berlin machen,
die da unter schwierigen Bedingungen und – vorsichtig formuliert – übersichtlicher Bezahlung einen sehr guten Job machen. Das ist ja nicht umsonst so, dass das jetzt seit vielen Jahren der erste Ausbruch ist. Das liegt auch daran, dass sie bis dahin gute Arbeit geleistet haben.
Alles in allem scheint es mir in dem konkreten Fall eher daran gelegen haben, dass bestimmte technische Abläufe und Funktionsweisen nicht so funktioniert haben, wie sie sollten. Und das hat die Flucht ermöglicht.
Vielen Dank, Herr Senator! Ich begrüße es ja auch, wenn man erst einmal untersucht und aufklärt, bevor man über strukturelle oder organisatorische Mängel spricht, habe mich aber gefragt, wie Sie schon am Montag dazu gekommen sind, einen Zusammenhang mit der Personalsituation in Haftanstalten einerseits auszuschließen und andererseits zu der Schlussfolgerung zu kommen, die Täter seien „klug und sportlich“ gewesen und es handele es sich um „eine unglückliche Verkettung von Umständen“. Das Eine ist: Woher wissen Sie das alles, wenn noch gar nicht abschließend untersucht ist? Und zweitens: Sind die Sicherheitsstandards in Berlins Haftanstalten nur für faule Trottel?
[Vereinzelter Beifall und Heiterkeit bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Joachim Esser (GRÜNE): Wer weiß, wer da alles dabei war!]
Nein, für faule Trottel sind sie nicht, um mit Ihrer letzten Frage anzufangen. Sonst wäre es nicht gelungen, jeden Ausbruchsversuch in den letzten Jahren abzuwehren, auch vor meiner Amtszeit.
Zweitens, die generelle Strategie im Justizvollzug ist: Nicht Menschen verhindern – insbesondere in der Nacht – einen Ausbruch, sondern technische und bauliche Anlagen. Diese Umstellung hat dazu geführt, dass erfolgreiche Ausbrüche in den letzten zehn Jahren bundesweit dramatisch zurückgegangen sind. Das heißt, die Strategie ist auch erfolgreich.
Dann zu Ihrer Frage nach den, wie Sie sagen, Umständen. Ich war, vorsichtig formuliert, überrascht, als ich mir das in der Haftanstalt selbst angesehen habe, dass das möglich ist. Wenn Sie das selbst sehen würden, würden Sie auch sagen, das kann man sich gar nicht vorstellen, dass das jemand schafft. Ob ich mit der Formulierung, die ich da gewählt habe, ein Kompliment ausgesprochen habe – was falsch ist, das war natürlich mit krimineller Energie gemacht –, darüber kann man streiten. Es war eine spontane Äußerung von mir.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Letztes Wochenende hatten wir in der Sportmetropole Berlin sehr viele hochklassige Sportveranstaltungen. Deshalb frage ich den Senat: Wie bewertet der Senat die Sicherheitslage beim diesjährigen DFB-Pokalfinale im Olympia-Stadion? Welche Maßnahmen wurden diesbezüglich getroffen?
[Torsten Schneider (SPD): Schwere Frage! – Zuruf von Anja Kofbinger (GRÜNE) – Weitere Zurufe von den GRÜNEN]
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Trapp! Es ist in der Tat richtig, dass die Sportmetropole von großen Sportereignissen immer wieder betroffen ist, Gott sei Dank betroffen ist. Das DFB-Pokalfinale ist eine großartige Veranstaltung und fand dieses Mal wie seit über 30 Jahren im Berliner Olympia-Stadion statt zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund.
[Steffen Zillich (LINKE): Dass wir das in der spontanen Fragestunde erfahren dürfen! – Udo Wolf (LINKE): Ich fordere den Videobeweis und Torlinientechnik!]