Zu a: Es wird die Überweisung des Antrags Drucksache 17/1620 an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Den höre ich nicht, dann verfahren wir so.
Dann kommen wir zu b: Das ist der dringliche Antrag. Zu diesem hat die Fraktion der Grünen die sofortige Abstimmung beantragt. Die Koalitionsfraktionen beantragen hingegen die Überweisung an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten und an den Hauptausschuss. Hierüber müssen wir abstimmen. Ich bitte um das Handzeichen, wer für die Überweisungsanträge ist. – Das sind die Fraktionen der SPD und der CDU sowie der fraktionslose Abgeordnete. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und einige Mitglieder der Piratenfraktion. Enthaltungen? – Das sind die Fraktion Die Linke und die übrigen Mitglieder der Piratenfraktion. Damit ist dieser Antrag überwiesen.
Für die Beratung steht den Fraktionen eine Redezeit von grundsätzlich je fünf Minuten zur Verfügung. Soweit eine Fraktion die Redezeit von fünf Minuten überschreitet, erfolgt eine Anrechnung auf das Kontingent der Fraktion gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 GO. Es beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Lederer. – Bitte sehr!
Meine Damen und Herren! Es wäre zweckdienlich, wenn wieder etwas mehr Ruhe einkehren würde und sich die Gesprächsgruppen, bitte, nach draußen vertagen können!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag befasst sich in gewisser Weise auch mit dem Volksbegehren zum Tempelhofer Feld. Aber es geht nicht um die Frage, ob wir die Pläne des Senats für richtig halten oder anderes bevorzugen würden – das ist hier jetzt oft genug diskutiert worden, da sind die Positionen, glaube ich, auch klar –, sondern es geht um das Verhalten des Senats und seinem Respekt vor einer öffentlichen Meinungsbildung ohne manipulatives und rechtswidriges Verhalten. Wie wir wissen – das ist gerichtlich festgestellt –, ist die Landesregierung nicht zur Neutralität verpflichtet. Sie kann in die Auseinandersetzung mit Positionsbestimmungen eingreifen, der Regierende Bürgermeister, die Senatoren können sich äußern. Was die Landesregierung aber nicht darf, ist unter Zweckentfremdung von Haushaltsmitteln kampagnenhaft in die öffentliche Auseinandersetzung einzugreifen. Auch das ist verwaltungsgerichtlich festgestellt. Ich darf zitieren aus einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. April 2009, in dem es heißt:
Die Berliner Landesregierung ist im Vorfeld eines Volksentscheids nicht zur Neutralität verpflichtet. Die Gemeinnützigkeit von Haushaltsmitteln schließt es indes aus Gründen der Chancengleichheit aus, dass sich die Landesregierung dieser Mittel bedient, um ihre parteiische Auffassung zu dem Volksentscheid der breiten Öffentlichkeit bekanntzumachen.
Die finanziellen Mittel, mit denen der Staat (hier: das Land Berlin) erhalten wird, werden grundsätzlich von allen Staatsbürgern ohne Ansehung ihrer politischen Anschauung und Zugehörigkeit erbracht. …
Diese Mittel sind dem Staat zur Verwendung für das gemeine Wohl anvertraut. Dies schließt es aus, dass sich der Antragsgegner, – also das Land Berlin – auch wenn er im Meinungskampf im Vorfeld eines Volksbegehrens nicht zur Neutralität verpflichtet ist, dieser Mittel bedient, um seine partei
Nun hätten wir ja erwartet, dass der Senat den Anstand hat, sich an diese Rechtsprechung zu halten. Und was für die unmittelbare Staatsverwaltung gilt, gilt natürlich auch für die mittelbare Staatsverwaltung, zu der auch die vom Land beherrschten öffentlichen Unternehmen gehören. Aber zu unserer großen Überraschung sind die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften Teil einer, wie der Senat selbst sagt, vom Senat unabhängigen Initiative, die, was Wunder, die Senatspläne im Vorfeld des Volksentscheids unterstützt. Das ist aber unzulässig.
Die Mieterinnen und Mieter der Stadt und Land und der GEWOBAU bringen ihre Mietmittel nicht dafür auf, dass danach diese Gelder im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Wohnungsbaugesellschaften, lieber Herr Müller, in Fonds geworfen werden, um damit die Berlinerinnen und Berliner wiederum von Senatspositionen zu überzeugen und sie mit Ideologie zu bestrahlen. Dafür sind diese Mittel nicht vorgesehen, das ist eine Zweckentfremdung zweckgebundener Mittel, die dem öffentlichen Zweck dienen, nämlich dem, was sie auch nicht hinbekommen: preisgünstigen Wohnraum in der Stadt bereitzustellen, nicht Senatspropaganda zu machen.
Der Berliner Mieterverein hat auch gesagt, dass der Hausfrieden und das Maßhaltegebot durch den Eigentümer, also die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften, verletzt werden, wenn die Mieterinnen und Mieter dann in ihren Hauseingängen oder in ihren Briefkästen mit Informationsmaterialien öffentlicher Wohnungsbaugesellschaften zugeballert werden, in denen was passiert? – für die Senatsposition geworben wird. Das ist unzulässig.
Und der Senat hat eine Einwirkungspflicht auf die Wohnungsbaugesellschaften, dass sie es unterlassen, und er hat eine Auskunftspflicht gegenüber dem Parlament, wenn danach gefragt wird – Herr Müller, ich habe Sie danach gefragt –, welche Gelder dafür eingesetzt worden sind. Der Senat hat bislang nicht geantwortet. Sie kriegen noch eine Anfrage. Sie können es diesmal rechtskonform machen.
Und weil wir gerade über das Bibliothekskonzept geredet haben und über die ZLB: Da lächeln einen ja jetzt die ganzen Sozis an, Steinmeier, Momper und so, und finden, jetzt muss diese ZLB unbedingt an den Standort. Okay, das finde ich ja sogar auch. Aber die ZLB wird massiv mit Kinospots, Hochglanzbroschüren, Schautafeln im
Stadtraum beworben. Hier gilt ganz unmittelbar: Das darf der Senat nicht! Und da bin ich den Grünen dankbar, dass sie unseren Antrag durch einen weiteren Antrag ergänzen, den wir völlig richtig finden, weil der in genau demselben Duktus liegt wie unser Ursprungsantrag. Ich erwarte, dass der Senat das einstellt. Die Kosten der Kampagne, es sind unterschiedlichste Medien dafür gesucht worden, die fassen wahrscheinlich den dreijährigen Medienetat einer Bezirksbibliothek eines ganz normalen Bezirks. Und Herr Wowereit hat eben mit Verve davon geredet, was die Bezirke alles selbst entscheiden können. Von Kosten-und-Leistungs-Rechnung und von den Begrenzungen bezirklicher Ausgaben durch die Strangulationspolitik der Finanzverwaltung hat Herr Wowereit offenbar noch nichts gehört.
Nun mag man sich ja darüber streiten, ob es Sinn hat, die bezirklichen Bibliotheken einfach mal kaputtzusparen. Das mag der Senat ja politisch richtig finden. Aber entscheidend ist, dass der Einsatz öffentlicher Mittel für die ZLB-Kampagne nicht rechtskonform ist. Es gibt eine Offenlegungspflicht des Senats, uns, dem Abgeordnetenhaus, mitzuteilen, was das für Kohle ist. Jede Initiative, die ein Volksbegehren oder einen Volksentscheid macht, ist zur Offenlegung der Spenden, der Geldmittel verpflichtet. Nur der Senat von Berlin weigert sich hartnäckig, das zu tun. Ich fordere den Senat auf, die Auskunftspflicht gegenüber dem Abgeordnetenhaus vollständig zu erfüllen und den Einsatz zweckgebundener Haushaltsmittel für parteiische Werbezwecke sofort einzustellen! – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Dr. Lederer! – Für die SPD-Fraktion hat nun das Wort Frau Abgeordnete Spranger. – Bitte sehr!
Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Herr Lederer! Sie behaupten hier einfach, dass der Senat sich entzieht. Selbstverständlich hat das Verwaltungsgericht bereits festgestellt, dass sich der Senat, dass sich eine Landesregierung natürlich dazu äußern darf. Dann sollten Sie dazu etwas sagen, wenn Sie sich politisch einer Debatte entziehen, Sie haben nämlich kein Wort dazu gesagt, warum Sie im Abgeordnetenhaus gegen das Gesetz gestimmt haben,
Nein! Sie können ja nachher eine Kurzintervention machen! – Die Überschrift Ihres Antrags heißt „Faire Bedingungen für den Tempelhofer Volksentscheid“. Was verstehen Sie eigentlich unter fairen Bedingungen, Herr Lederer? Dass Sie den Wohnungsbaugesellschaften immer mehr an Bedingungen zum Mietenbündnis aufzwingen wollen wie letzten Mittwoch im Bauausschuss mit einem Antrag? Oder dass Sie die Wohnungsbaugesellschaften hier noch mal vom Pult beschimpfen, wenn sie sich für den Neubau von bezahlbaren Wohnungen in Berlin einsetzen? – Ich habe ja gedacht, ich lese nicht richtig, als ich Ihren Antrag mal – Frau Präsidentin, ich darf daraus zitieren, denn das haben Sie vorweislich nicht hier ins Mikrofon gesagt – gelesen habe:
Eine solche propagandistische Arbeit gehört nicht zu den Aufgaben kommunaler Wohnungsbaugesellschaften.
Na, sagen Sie mal, wie äußern Sie sich eigentlich diesen Wohnungsbaugesellschaften gegenüber, wo Sie selbst vor Kurzem noch zehn Jahre in dieser Regierung mit drin waren? – Die Grünen sind ja wenigstens noch freundlich und sagen „kampagnenartig werbend“, denn sie wollen sich natürlich so einem Wortlaut mit Sicherheit nicht anschließen. Ich kann ja verstehen, dass Sie in einer Zwickmühle sind, dass Sie eventuell neidisch oder sauer sind auf die Stadtgesellschaft, die natürlich darüber diskutiert und fordert, dass bezahlbarer Wohnraum durch den Neubau am Tempelhofer Feld zu schaffen ist, und dass sich ein Netzwerk gebildet hat aus aktiven Akteuren wie der IHK, wie den Genossenschaften, wie den Wohnungsbaugesellschaften, wie den Gewerkschaften, wie dem Landessportbund, den Kleingärtnern, den Wohlfahrtsverbänden, dem BBU, natürlich, weil die klar Position beziehen und klar und aktiv sagen: Ja zur Tempelhofer Freifläche, ja zu einem Park mit Bäumen und Bänken, Sanitätsanlagen; ja zu bezahlbarem Wohnraum, ja zu Kitas, Schulen und dringend benötigten Sportflächen für Vereine, ja zur Bewahrung der historischen Spuren, ja zum Dialog und zur Beteiligung der Stadtgesellschaft an den Planungen.
Und deshalb: Wer inhaltlich so wie Sie mit dem Antrag wahrscheinlich nicht durchdringt, kommt mit solchen Anträgen und Parolen. Ja, ich glaube, dass es Ihnen schwerfällt, denn Sie können den Mieterinnen und Mietern wirklich zukünftig nicht erklären, warum Sie 4 700 Wohnungen nicht an diesem Standort bauen wollen. Denn wenn am 25. Mai das Gesetz zwei, was das Abgeordnetenhaus beschlossen hat, nicht gewinnt und nicht die Mehrheit der Stimmen hat, dann heißt das, dass über Jahre nichts mehr dort passieren wird: kein Baum, keine
Parkbank, gar nichts. Es ist nicht mal ein kurzes Moratorium, es ist dann zum Gesetz erhoben, dass nichts passiert. Keine Partei, auch nicht in einem Jahr, nicht in zwei Jahren, nicht in drei Jahren wird dann mal lustig sagen: Na, dann bauen wir doch mal anders als damit vorgeschlagen. Nein, es ist ein Gesetz. Und Sie haben dann der Öffentlichkeit zu sagen, warum Sie genau dort nicht bauen wollten.