Protocol of the Session on May 8, 2014

[Zuruf von Dr. Klaus Lederer (LINKE)]

Sie stellen sich nicht der Herausforderung der wachsenden Stadt, sondern sind bei Formalien. Es tut mir leid.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Brauner! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herberg.

(Matthias Brauner)

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Ich komme am Anfang wieder zum Antrag zurück,

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

der relativ klar, relativ kompakt ist. Selbst mit dem Änderungsantrag der Grünen wird er nicht so groß, dass man das nicht schnell mal als dringlich verstehen könnte. Das geht eigentlich relativ schnell rein. Und die Rechtspositionen, die aufgebracht wurden, sind auch relativ klar.

Aber die Situation ist eine andere: Wir befinden uns gerade mitten in einem Kampf, und zwar in einem Kampf um das Tempelhofer Feld, weil am 25. Mai eine Entscheidung getroffen werden soll, wie es damit weitergehen soll. Und SPD, CDU und der Senat ziehen jeden schmutzigen Trick aus der Schublade, den sie irgendwo finden können.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Im linken Grundantrag fordern Sie auf, dass die landeseigenen Unternehmen, also die Unternehmen, die dafür zuständig sind, die Wohnungen zu betreiben, ihr Geld nicht dafür benutzen sollen, die SPD- und CDU-Meinung zu vertreten. Das Witzige dabei ist: Es steht nicht der Masterplan des Senats zur Abstimmung, es steht die SPD/CDU-Meinung des Abgeordnetenhauses zur Abstimmung. Das heißt, wenn der Senat sich einsetzt, vertritt er indirekt einzig und allein Parteimeinung, wenn er dieses Wohnungsbaubündnis in diese eine Richtung lenkt.

Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Diese implizite Kette kann man da auch erkennen.

Wenn man das weiterzieht, geht es nicht nur um Geld, sondern um alle anderen Sachen, zum Beispiel um Informationsschreiben, wenn Gebührenzahler, Fahrgäste oder Angehörige von öffentlichen Unternehmen oder anderen mit der politischen Meinung konfrontiert werden und in die eine Ecke geschoben werden sollen, was Herr Lederer schon aufgeführt hat. Die Grünen haben zusätzlich noch mit hineingepackt, dass die Stiftung Zentral- und Landesbibliothek, die ebenfalls und schon länger eine Kampagne fährt, um diese Problematik aufzuwerfen, in die gleiche Kategorie fällt.

Ein anderer Punkt – der Kollege Magalski hat ihn in der Fragestunde aufgebracht – ist, dass nicht nur die Wohnungsbaugesellschaften oder ähnliche missbraucht werden. Nein, der Senat macht auch mit kleinen Spielertricks das Tempelhofer Feld madig, indem er nicht sagt: Die Sommersaison fängt gerade an, es wäre super, wenn dort der Biergarten aufmachen und man sich dort hinsetzen

könnte. – Nein, das wird alles unter den Teppich gekehrt, am Anfang mit fadenscheinigen Argumenten, dass das aus hygienischen oder baurechtlichen Gründen nicht mehr möglich sei. Jetzt stellt sich heraus, dass das gar nicht so war, dass das andere Gründe hat, aber man kann das nicht alles revidieren, weil es Abstimmungen gibt. Ja klar, wenn der Senat mit Grün Berlin GmbH dort einen riesengroßen Biergarten und sonst was bauen will, dann kriegt man das bis zum 25. Mai nicht mehr hin. Aber die Situation vor Ort so zu gestalten, dass sie einigermaßen attraktiv ist, das kann man trotzdem machen.

Ein anderes Problem, das auch noch gar nicht aufgeworfen wurde – das spielt in die Abstimmung allgemein mit hinein –, ist dieser komische Wahlzettel.

Herr Kollege! Auch Sie müssten, bitte, zum Antrag reden!

Ich rede zum Antrag. – Das gesamte Ding geht darum, dass es keine Einflussnahme sei. Meiner Meinung nach ist es eine Rieseneinflussnahme, wenn ein Wahlzettel so kompliziert gestaltet ist, dass ich dauernd den Leuten erklären muss, wie sie wo abzustimmen haben, damit sie das rausbekommen, was sie haben wollen.

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Burgunde Grosse (SPD)]

Es kann nicht im Sinne des Abstimmungsgesetzes oder der Wahlleiterin sein, wenn wir den Leuten erklären müssen, wie sie ihre Meinung auf dem Stimmzettel zum Ausdruck bringen. Deshalb noch mal ganz einfach: Das ist das Muster – oben Ja ankreuzen und unten Nein ankreuzen, dann machen Sie alles richtig, das ist kein Problem.

Herr Kollege Herberg! Ich kann nicht erkennen, dass Sie noch zum vorliegenden Antrag reden. Bitte kommen Sie zum Antrag zurück!

Aber das ist doch zum vorliegenden Antrag! Das geht doch alles darum.

[Heiterkeit bei den PIRATEN und der LINKEN]

Ich habe den Antrag vor der Nase. Ich stelle fest, Sie reden nicht zum vorliegenden Antrag. Bitte kommen Sie zum Antragsgegenstand zurück!

[Christopher Lauer (PIRATEN): Das ist gar nicht der Antrag zu den Wahlzetteln!]

Gut! – Wenn man also mit der Politik vom Senat nicht einverstanden ist, dass er die Bürgerinnen und Bürger an der Nase herumführen will, das heißt, wenn man nicht damit einverstanden ist, dass Steuergelder dafür benutzt werden, die Meinung von SPD und CDU zu vertreten, dann muss man am 25. Mai oben Ja und unten Nein ankreuzen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Herberg! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Zum Antrag Drucksache 17/1618 hat der Antragsteller die sofortige Abstimmung beantragt. Die Koalitionsfraktionen beantragen jedoch die Überweisung des Antrags sowie des Änderungsantrags an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt und an den Hauptausschuss. Hierüber lasse ich zuerst abstimmen. Wer dem Antrag auf Überweisung zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der SPD und die Fraktion der CDU und der fraktionslose Abgeordnete. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktion Die Linke, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Piratenfraktion. Enthaltungen? – Einige Stimmen aus dem Kreis der Grünen-Fraktion. Damit ist dieser Antrag überwiesen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.5:

Priorität der Piratenfraktion

Tagesordnungspunkt 17

Keine institutionelle Diskriminierung von Flüchtlingskindern beim Kitabesuch – Beratung und Unterstützung sicherstellen!

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 3. April 2014 Drucksache 17/1592

zum Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/1258

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von grundsätzlich fünf Minuten zur Verfügung. Soweit eine Fraktion die Redezeit von fünf Minuten überschreitet, erfolgt eine Anrechnung auf das Redezeitkontingent. Es beginnt die Piratenfraktion. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Reinhardt. – Bitte sehr!

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Letztes Jahr kam durch parlamentarische Anfragen heraus, dass nur etwa 6 Prozent der knapp 900 Flüchtlingskinder aus Gemeinschaftsunterkünften in Berlin unter sechs Jahren eine Kita besuchen. 6 Prozent! Die Gründe dafür mögen vielfältig sein, aber wir sind uns sicherlich einig, dass das zu wenig ist.

Einer dieser Gründe ist meiner Ansicht nach – und mittlerweile auch nach der der anderen Fraktionen –, dass die Flüchtlingskinder bei der Vergabe von Kitaplätzen benachteiligt werden, weil es diffuse und nicht nachvollziehbare Zuständigkeitsregelungen bei den Berliner Jugendämtern gibt. Flüchtlingseltern stellt nämlich nicht das Jugendamt im Wohnbezirk den Kitagutschein aus, sondern es ist dasjenige bezirkliche Jugendamt zuständig, das sich aus dem Geburtsmonat des Familienoberhaupts ergibt, unabhängig vom jeweiligen Wohnbezirk. Diese Regelung könnte man als typischen Verwaltungsmurks bezeichnen. Viele Flüchtlingskinder werden deshalb zumindest auch ohne Deutschkenntnisse eingeschult und erleiden Nachteile durch den Nichtkitabesuch. Ich finde, das ist ein nichtakzeptabler Zustand. Das haben nicht nur die Piraten so gesehen und einen entsprechenden Antrag eingebracht, sondern auch die Regierungsfraktionen haben diesen Skandal erkannt. Es freut mich also sehr, dass unser Anliegen geteilt und angenommen wurde und wir hier gemeinsam dringend notwendige Verbesserungen herbeiführen können.

So ist nun der Weg frei, eine adäquate Betreuung von Flüchtlingskindern in Berliner Kitas zu gewährleisten, damit das Land Berlin Flüchtlingskindern nicht die Bildungskarriere behindert. Dank an dieser Stelle noch einmal an die Kollegen, die sich in den Prozess eingebracht haben, vor allem Kollege Saleh und Kollege Eggert, aber auch Herr Özışık und Rainer Lehmann. Danke schön!

Jetzt zur Frage, warum dieses Anliegen so wichtig ist, warum das, was uns heute vorliegt, gut ist. Zum einen haben wir eben den Punkt, dass wir eine unkomplizierte und unbürokratische Ausgabe von Kitagutscheinen brauchen. Daher ist die Ausgabe über den Wohnortbezirk richtig. Das Zweite ist: Mehrsprachige Elterninformationen über den Kitabesuch sind wichtig, daher müssen diese Informationen schnellstmöglich in alle relevanten Sprachen übersetzt werden. Das Dritte ist: Flüchtlingsfamilien müssen stärker über die Möglichkeiten und Chancen einer Betreuung ihrer Kinder in Kitas informiert werden. Daher ist es gut, dass dieser Antrag alle drei Punkte beinhaltet.

Ich sage es aber einmal direkt: Es gibt noch vieles zu tun. Darauf sollten wir uns nicht ausruhen. In den Sammelunterkünften für Flüchtlinge kommt es mal vor, dass phasenweise gar keine Kinderbetreuung durch den Betreiber angeboten wird oder nur für ein paar Stunden am Tag.

Das ist zum Teil so, dass der Betreiber dieses eben schon vorhat, aber es am Anfang noch eine gewisse Anlaufphase braucht, und es deswegen jetzt in den ersten Monaten nicht angeboten wird. Das variiert sehr stark, wie das dann konkret bei den Angebotsmöglichkeiten ist. Wir brauchen da mehr Kontinuität und eine Verstetigung der Angebote.

Zusätzlich haben wir noch das Problem, dass viele der Betreuungsangebote in den Unterkünften von den Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern abhängen. Und da ist es natürlich ein besonderes Problem, wenn es dann zu Konflikten zwischen den profitorientierten Heimbetreibern und den ehrenamtlichen Initiativen kommt. Das war z. B. in Moabit und Grünau so. Da ist es eben auch wichtig, dass diese Konflikte weniger zulasten der Initiativen ausgetragen werden. Möglich könnte man das auch machen, indem man sich stärker darauf konzentriert, mehr Koordination von Ehrenamtsengagement über die Unterkünfte zu organisieren.

Außerdem muss die Beratung und Unterstützung der Flüchtlingsfamilien bei der Kitaplatzsuche in den Unterkünften verbessert werden. Ich habe einige Unterkünfte mit Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses zusammen persönlich besucht. Wir haben auch selber gesehen, den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern in den Massenunterkünften fehlt schlicht die Zeit, gemeinsam mit Eltern und den jeweilig zu bezahlenden Dolmetschern dann dieses deutschsprachigen Kitabogen, diesen Fragebogen, auszufüllen. Neulich habe ich eine Unterkunft besichtigt, in der erst gar keine Kitagutscheine beantragt wurden, weil die Vermittlung nicht klappte. Dann hat man einige Kitagutscheine erhalten. Trotzdem ist es da sehr schwierig, die Kinder zu vermitteln, weil es wieder an Erzieherinnen und Erziehern vor Ort fehlt. Das ist dann wieder ein Punkt, den man über den Bildungsbereich bearbeiten müsste.

Auch gibt es Beschwerden über Kinder, die den Bezirk wechseln und dann z. B. ein zweites Mal in die sogenannte Willkommensklasse gehen. Das kann natürlich auch nicht der richtige bildungspolitische Weg sein, dass Kinder zwei Mal in Folge exkludiert werden. Flüchtlingskinder gehören in die Regelklasse. Insofern ist unser gemeinsames Anliegen ein guter und wichtiger Schritt, aber eben nur ein erster Schritt für junge geflüchtete Menschen in Berlin. Daher darf dieser Schritt nicht der letzte Schritt bleiben. – Danke schön!

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Hakan Taş (LINKE)]

Vielen Dank, Herr Reinhardt! – Für die SPD-Fraktion hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Eggert. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zuerst einmal feststellen, dass ich überaus glücklich und zufrieden bin, dass wir es geschafft haben, heute über alle Parteigrenzen hinweg in dieser Sache im Ausschuss für Jugend, Familie und Bildung einen einstimmigen Beschluss vorzulegen. Ich danke insbesondere dem Kollegen Fabio Reinhardt – und gebe den Dank damit zurück – und meinem Fraktionskollegen und -vorsitzenden Raed Saleh, deren politische Initiative dies überhaupt erst ermöglicht hat. Ein solch einstimmiger Beschluss ist leider in diesem Parlament keine Selbstverständlichkeit. Das Thema Flüchtlinge wurde in der Vergangenheit von den unterschiedlichen politischen Kräften dieser Stadt als Thema oftmals auch politisch instrumentalisiert. Dieser Beschluss jedoch zeigt, dass es vielen Abgeordneten hier in diesem Haus zuallererst um das Wohl der Menschen und vor allen Dingen der Kinder, die in unsere Stadt kommen, geht. Das finde ich sehr richtig.

In der Sache besteht sehr großer Handlungsbedarf. Die Zahl der Asylanträge in Berlin ist von 9 500 im Jahr 2012 auf 18 500 im Jahr 2013 angestiegen. Das bedeutet eine Verdoppelung der Fallzahlen. In den Berliner Flüchtlingsunterkünften haben sich fast auf den Tag genau, wenn man die Zahlen nimmt, vor einem Jahr 1 893 Kinder aufgehalten. Es ist davon auszugehen, dass es bis zum heutigen Tag auf keinen Fall weniger geworden sind. Von diesen Kindern waren damals allein 861 im Kitaalter, also unter sechs Jahren. Wir haben gesehen, dass von dieser Anzahl eine wirklich nur verschwindend kleine Zahl von 6 Prozent überhaupt eine Kita besucht. Wir sehen, dies ist dramatisch. Wir wollen auch, dass sich hieran etwas ändert.