Protocol of the Session on March 20, 2014

Es freut mich, dass Sie so einfühlsam sind, Herr Delius! – Etwas noch zu der Frage der Freien Schulen. Die Freien Schulen waren kurzfristig auf eine Art und Weise betroffen, in der ihnen, wie wir glauben, in ihrer tatsächlich erfolgreichen Tätigkeit nicht angemessen Rechnung getragen worden ist. Wir wollen, dass Freie Schulen eine qualifizierte Ergänzung zum staatlich hochqualifizierten System sind. Das ist unsere Auffassung, das verfolgen wir auch mit dieser Schulgesetznovelle. Wir werden sie heute hoffentlich verabschieden. – Danke!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Danke schön, Herr Kollege Schlede. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die Kollegin Remlinger das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werter Herr Schlede! Wacker gesprochen wie immer! Aber ich wollte jetzt eigentlich gern erst mal Herrn Saleh fragen – schade, dass er nicht da ist –,

[Martin Delius (PIRATEN): Wir zitieren ihn herbei!]

ob er jetzt endgültig beschlossen hat, dass er nicht Regierender Bürgermeister, sondern Bildungssenator werden will. Das überrascht mich dann zwar, aber Bildungssenator ist auch ein schöner Job. Es wäre nur schön, wenn er sich vorher mit Frau Scheeres darüber unterhielte. Es wäre schön, wenn die beiden sich mehr darüber unterhielten, wohin es in der Bildungspolitik im Land Berlin eigentlich geht. Sie verfolgen ganz offensichtlich völlig unterschiedliche Linien, und zwischen diesen Linien drohen die Kinder und Jugendlichen des Landes Berlin zerrieben zu werden.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Werter Herr Schlede! Worüber diskutieren wir eigentlich? – Wir reden doch nicht über Feinjustierungen des Übergangs von der Grundschule zur Oberschule! Das sind alles Dinge, wo Konsens herrscht. Das sind Nachbesserungen. Bitte, gerne! Das haben wir auch schon bei der ersten Lesung gesagt. Worüber wir diskutieren, ist Ihr Wahn, die immer jüngeren Kinder zu immer mehr zu zwingen. Es ist der reine Budenzauber, der reine Lawand-Order-Budenzauber, den Sie um das wichtige Thema Sprachförderung machen! Sie wollen Kinder – das haben Sie selbst gesagt –, die erst mal nicht an einem Sprachtest teilnehmen, mit einem Bußgeld bedrohen. Sie konnten uns nicht erklären, welches der produktive Unterschied zum Zwangsgeld ist, das Sie bis jetzt auch erheben konnten, außer dass Ihre Ungeduld da einmal mehr

(Stefan Schlede)

durchbricht, weil Sie denken, das Bußgeld geht schneller. Wir halten das für falsch.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Und wir fragen erneut, von welchen und von wie vielen Kindern wir hier überhaupt sprechen. Herr Schlede hat es gesagt. Im Hauptausschuss war wörtlich von einer niedrigen zweistelligen Zahl die Rede. Einigen wir uns auf maximal 50 Kinder! Für diese 50 Kinder verlassen Sie den Pfad des Konsenses mit den Liga-Verbänden, mit den Elterngremien. Und vor allem: Für diese 50 Kinder, sagen Sie, wäre es falsch, dass eine intensivere Betreuung durch die Jugendhilfe der bessere Weg wäre. Für diese Maßnahmen sei nicht das Geld da. Das ist ja wohl ein Trauerspiel!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Das lässt uns hinterfragen, ob die Kinder Sie wirklich interessieren. Denn es interessiert Sie nicht, ob genügend Erzieher und Erzieherinnen da sind. Es interessiert Sie nicht, ob sie genügend Zeit mit dem Kind haben, um etwa das sagenhafte Sprachlerntagebuch qualitativ gut führen zu können. Es interessiert Sie nicht, was dann in der Grundschule damit passiert und wie das bei den Grundschullernkräften ankommt, was sie damit machen können, sollen, wollen und ob sie dazu in der Lage sind. Das alles sind viel zu feine Fragen für Sie.

Umgekehrt ist Ihre Sprachförderung ein purer Popanz, eine Luftblase, eine Medienmonstranz, die Sie plakativ vor sich hertragen. Lieber Herr Schlede! Es gab die drei Stunden bis jetzt nicht, und aus einem Nichts kann man auch nicht auf fünf Stunden aufstocken. Ein Nichts, das man auf fünf Stunden aufstockt, bleibt immer noch ein Nichts. Deshalb kostet dieses Gesetz, wie es in der Vorlage steht, auch nichts.

Die Kinder tun das, was sie jetzt auch tun: Sie gehen in die Kita. Ihre 50 Kinder haben dann einen Anspruch auf einen Halbtagsplatz. Was sie nicht bekommen, das ist ein Mittagessen. Das ist der schlechteste Sprachförderungswitz, den ich je gehört habe.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Aber leider interessiert Sie hauptsächlich, was sich gut verkaufen lässt. Sie haben da jetzt einen neuen Bildungssenator in spe, der das ganz besonders gut kann. – Ich würde gern mal mit Ihnen Kaffee trinken, Herr Saleh, dann könnten wir über Bildungspolitik reden. Sie sagen, es soll alles umsonst sein,

[Zuruf von Burgunde Grosse (SPD)]

ich sage, uns geht es um Qualität. Wenn man das vereinbaren könnte, dann würde ein Schuh daraus. – Ich bedanke mich.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Remlinger! – Das Wort zu einer Intervention hat der Herr Abgeordnete Schlede. – Bitte!

Verehrte Frau Remlinger! Die Verleugnung von Tatsachen nicht nur bis zur Unkenntlichkeit, sondern ins Nichts hin, ist schon eine erstaunliche Fähigkeit, die Ihnen eigen ist. Sie wollen mir doch nicht im Ernst vormachen, dass es keinerlei Formen der Sprachförderung gibt, drei Stunden beispielsweise, in vielen Kitas sehr wohl praktiziert. Ich komme sofort wieder zu Ihnen, wenn ich sage: Selbst das reicht nicht aus. Deswegen erhöhen wir es auf fünf Stunden, denn wir haben bei der bisherigen Qualifizierung festgestellt, dass noch immer 55 Prozent der betreffenden Schülerinnen und Schüler, auch die geförderten, am Ende Sprachdefizite haben. Das kann uns aber doch nicht daran hindern, von Anfang an den Versuch zu machen, die Quote derer zu steigern, die Erfolg haben, die dem Schulunterricht folgen können, um letztlich die Abbrecherquote zu reduzieren. Bitte machen Sie da keinen Popanz auf bezüglich einer Rechnung, die gen null geht! Ganz im Gegenteil: Sie haben uns ja gerade alle vorgerechnet, wie viel das kosten würde, wenn man es erweitert. Ich gehe noch nicht mal davon aus, dass die Kosten so verifizierbar sind, wie es der Senat bisher womöglich mitgeteilt oder Frau Kittler in einer imaginären Rechnung von 13,4 Millionen Euro aufgezählt hat. Ist mir völlig unerfindlich, wie Sie darauf kommen! Aber wir wollen dort voranschreiten und sind da auf dem richtigen Weg, und dabei bleiben wir. Auch Druckmittel sind nicht auszuschließen, um zum Erfolg zu kommen. Dazu stehen wir.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Schlede! – Möchten Sie replizieren, Frau Remlinger? – Bitte sehr!

Werter Herr Schlede! Ich glaube nicht, dass Sie mir Faktenverdreherei vorwerfen können. Sie wissen hoffentlich, dass das mit den drei und den fünf Stunden insofern eine Fiktion ist, als die Sprachförderung in der Kita alltagsintegriert stattfindet. Dass es noch zusätzlich Sprachberater über § 55 des Schulgesetzes gibt, die aber keineswegs speziell auf eine dreistündige Sprachförderung für die Kinder angesetzt werden, die in Deutsch plus 4 als besonderer Sprachförderung bedürftig diagnostiziert worden sind, sondern dass sie die Kitas insgesamt für all die

Kinder, die in die Kita gehen, beraten, wie Sprachförderung stattfinden kann.

Wir können uns gern weiter über Sprachförderung in der Kita unterhalten, auch in der Grundschule. Das, was mir am Herzen liegt, ist, dass wir das nicht aus den Institutionen in Ordnungsinstanzen auslagern, zur Polizei oder sonst wohin schieben. Es ist sachlich vollkommen unrichtig, so zu tun, als gäbe es ein System von aus dem normalen Kitaalltag herausgenommenen Kindern, die dann zur Sprachförderung drei oder auch fünf Stunden beschult werden würden. Da hätten Sie uns dann erst recht sagen müssen, wie man vierjährige Kinder fünf Stunden irgendwie beschult ohne Mittagessen – was übrigens in dem Konzept der alltagsintegrierten Sprachförderung das zentrale Sprachbad, die zentrale sprachliche Kommunikationssituation am Tag ist.

Wenn Sie noch irgendwas vernünftig nachregeln wollten in Ihrem komischen Ansatz, dann würden Sie wenigstens in die Rahmenvereinbarungen mit den Kitaträgern schreiben, dass Sie für alle Kinder, bei denen über Deutsch plus 4 diagnostiziert worden ist, die also Sprachförderbedarf haben, dass Sie da sicherstellen, dass wir ihnen auch das Mittagessen zahlen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Remlinger! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Özışık. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir können in Berlin – und dort nehme ich meinen Wahlkreis nicht aus – nicht mehr die Augen davor verschließen, dass wir vor großen Herausforderungen in der Sprachförderung stehen. Als Bildungs- und Berufsberater sehe ich tagtäglich die Folgen des Zustands, den wir schlicht und ergreifend nicht wollen können. Wir haben bereits viel getan, doch wir müssen wir vor allem an der Grundförderung ansetzen, dort, wo die Grundlagen entstehen für ein erfolgreiches Berufsleben, und dafür, seine Fähigkeiten entwickeln und in die Gesellschaft einbringen zu können, ist die Grundlage Sprachförderung. Wenn ein Kind in Mathe die Aufgabe nicht versteht, kann auch ein mathematischer Kopf sie wirklich nicht lösen.

[Beifall von Kurt Wansner (CDU)]

Wir als Gesellschaft dürfen nicht die Kostenfrage stellen, wenn es um Stadtteilmütter, Kitas und Sprachförderung geht. Was geschieht denn, wenn wir diesen zentralen Teil des wichtigsten Lebensabschnitts vernachlässigen? Wir

können das Problem nicht vor uns herschieben. Dadurch wird es nicht einfacher, sondern viel schwieriger.

Wir haben bereits viel getan, doch wenn die Kinder ihre Sprache nicht beherrschen, beginnen sie die Schule aus einer stark benachteiligten Position heraus.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zillich? – Keine Zwischenfragen? – Okay! Danke!

Der Zug in der Schule rast an diesen Schülern mit einem hohen Tempo vorbei, und der Zug ist dann weg. Wir kämpfen für Chancengerechtigkeit, wissen aber, dass ein Kind, das am ersten Tag in der Schule nicht alles hundertprozentig versteht, nicht dieselben Chancen haben kann.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Genau aus diesem Grund sind eine frühe Sprachstandsfeststellung und eine Sprachförderung unerlässlich.

Mit dem neuen Schulgesetz wird der Sprachstand ein halbes Jahr früher als bisher festgestellt. Darüber hinaus werden Kinder mit entsprechendem Bedarf nun intensiver, 18 Monate lang fünf Stunden täglich, in der Kita gefördert. Damit soll sichergestellt werden, dass Kinder mit Förderbedarf bereits ab der 1. Klasse die gleichen Voraussetzungen mitbringen. Genau diese gleichen Startbedingungen wollen wir für alle Schülerinnen und Schüler garantieren.

Unser Ziel muss es sein, kein einziges Kind zurückzulassen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Mit den Veränderungen und Ergänzungen des Berliner Schulgesetzes entkoppeln wir den Bildungserfolg eines Kindes von seiner sozialen Herkunft und fördern insbesondere auch Kinder mit Sprachdefiziten.

[Martin Delius (PIRATEN): Das stimmt nicht!]

Wir reden über Kinder mit und ohne Migrationshintergrund, Flüchtlingskinder, Kinder, die zweisprachig aufwachsen. Wir machen Politik für alle hier in dieser Stadt.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Dennoch, wie wir alle wissen, gibt es Familien, die ihre Kinder nicht zur Sprachstandsfeststellung schicken. Das spricht direkt gegen die Zukunft dieser Kinder. Sie, nur sie tragen die Folgen. Deswegen erhöht das Gesetz auch die Verbindlichkeit des Verfahrens.

(Stefanie Remlinger)

Die Realität in der Stadt zeigt, dass die Sprachförderung nicht von allen Elternhäusern angenommen wird. Die Folgen trägt wirklich nur das Kind. Wer sein Kind nicht zur Sprachstandsfeststellung schickt und es im Zweifelsfall nicht an der Sprachförderung teilnehmen lässt, muss zukünftig als allerletztes Mittel mit einem Bußgeld rechnen.