Protocol of the Session on March 6, 2014

Gestatten Sie mir eine Zwischenbemerkung? – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wäre nett, wenn die Gespräche draußen geführt werden und hier ein bisschen mehr Ruhe einkehrt. Es ist schwierig hier – auch von der Akustik. Vielen Dank!

Vielen Dank! – Diese kleine Geschichtsstunde muss sein, denn es wird zu schnell und zu gerne vergessen, wie menschenverachtend und brutal die Berliner Neubaupolitik damals war. Man wollte ein größtmögliches Bauvolumen schaffen, und das ging am effektivsten auf der grünen Wiese.

Hinzu kamen die Berliner Bauskandale von denen SPD, CDU und die Baumafia profitierten – vielleicht erinnern wir uns noch. Das Ganze nannte sich zwar sozialer Wohnungsbau, war es aber nicht. Ein klassischer Etikettenschwindel, völlig am Bedarf vorbeisubventioniert.

[Beifall bei den PIRATEN – Dr. Manuel Heide (CDU): Hö, hö, hö! – Zuruf von der SPD]

Wo stehen wir nun heute? – Lassen Sie das doch mit dem Pöbeln!

[Zurufe von SPD und CDU]

Man kann natürlich sagen, dass dieser Senat und auch sein Vorgänger aus den Fehlern der Vergangenheit in Einzelfällen gelernt haben. Man hat in Großsiedlungen nachgebessert. Man hat versucht, die Probleme zumindest nicht zu verschärfen. Quartiersmanagement wurde eingesetzt, fehlende Infrastruktur zum Teil ergänzt. Aber wie der Bericht aus der Heerstraße exemplarisch zeigt und der Sozialstrukturatlas für viele solcher Siedlungen belegt, geht es trotz Nachbesserungen in diesen Siedlungen sozial steil abwärts. Die Probleme in vielen Großsiedlungen am Stadtrand sind keineswegs gelöst. Was bleibt sind nach wie vor schwierige soziale Verhältnisse und ein hoher Mietanteil am Haushaltseinkommen von Menschen, die dort eigentlich nicht wohnen wollen. Dieser Verdrängungsprozess wird begleitet von flotten Sprüchen unseres Regierenden Wowereit, der ihnen erzählt, ein Recht auf Innenstadt gebe es halt nicht.

[Dr. Manuel Heide (CDU): Wohnen Sie immer noch in Castrop-Rauxel?]

Herr Müller! Es ist sehr schön, dass Sie bei den Großsiedlungen am Stadtrand das leidige Leerstandsproblem

nur los sind, weil Verdrängung aus der Innenstadt und Zuzug von außen die Siedlungen mit mehr oder weniger freiwilligen Zuzüglern füllen. Aber um welchen Preis? Die soziale Frage, die Tatsache, dass immer mehr Bewohner der Stadtrandsiedlungen immer weniger Haushaltsnettoeinkommen nach Abzug der Miete übrig haben, scheint sich der Senat noch nicht ernsthaft gestellt zu haben. Im Gegenteil: Sie haben diese Menschen einfach vergessen.

Denn was unternimmt der Senat? Schauen wir einmal hin! Er freut sich, dass er mit einem Mietenkonzept, das der Methode „aufgeschoben ist nicht aufgehoben“ – durch Verschiebung von sozialen Problemen in die Zukunft – folgt, Zeit gewinnt. Er ist zufrieden, dass die GEWOS-Studie Entwarnung beim Leerstandproblem gibt und sagt sich: Hauptsache, da hat jemand ein Dach über dem Kopf. Ob der allerdings verarmt, ist offensichtlich sekundär.

Der Senat hat hier nicht auf der Zuschauerbank zu sitzen, sondern muss handeln. Hier geht es darum, Sozial- mit Wohnungspolitik zu verzahnen. Es ist dringend nötig, an gute Ansätze im Quartiersmanagement anzuknüpfen, auch und besonders am Stadtrand.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Ich will jetzt von Ihnen wissen: Was werden Sie tun? Wie sieht Ihr Handlungskonzept aus? Haben Sie überhaupt eines, Herr Müller? – Hat Herr Müller vor aller Vorfreude auf neue Bauprojekte

[Zuruf von der SPD]

überhaupt noch den Blick für bereits Gebautes am Stadtrand und die Problemlagen dort?

[Burgunde Grosse (SPD): Herr Müller war schon ein paar Mal da!]

Zu Besuch, ja.

[Zurufe von den PIRATEN, der SPD und der CDU]

Ist Frau Kolat im Bilde? Stimmen Sie sich beide konzeptionell ab?

[Zurufe von den PIRATEN, der SPD und der CDU]

Ha, ha, ha! – Okay. – Frau Kolat! Sie kennen die Probleme, davon gehe ich einmal aus. Aber wie stellen Sie sich in ihrer Verwaltung konzeptionell auf, um zum Beispiel Ansätze des Quartiersmanagements, die eher sozialen und weniger städtebaulichen Charakter haben, zu unterstützen? – Der Senat muss hier dringend und vor allem proaktiv handeln und nicht einfach abwarten nach dem Motto: Die melden sich schon. Wer verarmt, der sendet oft nur schwache Hilfesignale. Erst wenn es sozial brennt, dann wird es sichtbar. Zu warten, bis aus sicht

baren Problemen ein unüberschaubarer Flächenbrand wird, verbietet der Respekt vor den Betroffenen.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Herr Wowereit! Herr Müller! Frau Kolat! Herr Nußbaum! Herr Czaja! Handeln Sie endlich! Wohnungspolitisch wie sozialpolitisch mit einem nachvollziehbaren Konzept, nicht nur punktuell, sondern flächendeckend und berlinweit, insbesondere am Stadtrand in den Großsiedlungen. Ich erwarte die Erläuterung Ihres Konzepts hierzu und bin gespannt, wie die anderen Fraktionen sich nun positionieren. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Danke schön! – Für die SPD-Fraktion jetzt Frau Kollegin Spranger. – Bitte schön, Frau Kollegin!

Verehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich habe erst überlegt: Was will die Piratenfraktion mit dieser Großen Anfrage inhaltlich?

[Heiko Herberg (PIRATEN): Es gibt keine Große Anfrage mehr, die haben wir abgeschafft! – Weitere Zurufe von den PIRATEN]

Das haben Sie jetzt erklärt, und ich bin sehr froh darüber, dass wir heute darüber reden, und das wir dass, was wir gemacht haben und noch weiter machen werden, hier noch einmal an dieser prägnanten Stelle vonseiten der SPD und der Koalitionsfraktionen erläutern können.

Im Titel werden die Achtzigerjahre hervorgehoben. Sie haben keinen Ton dazu gesagt. Also ein Zeitraum, in dem die Stadt noch geteilt war und – mit Verlaub – Ihre Partei noch gar nicht existierte.

[Zurufe von den PIRATEN]

In den Achtzigerjahren konnte und musste man in Berlin wirklich von einer dramatischen Wohnungsmangellage sprechen, man kann auch sagen: von einer Wohnungsnot – das ist sicherlich das zutreffende Wort –, und zwar in Ost und West. In dieser Zeit bestand dringender politischer Handlungsbedarf für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, diverse neue Wohnsiedlungen – im Übrigen schon in den Siebzierjahren – wurden errichtet und entstanden. Für diesen Wohnungsneubau – in erster Linie angelegt für die Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung – wurden bis zum heutigen Tag milliardenschwere Förderungsprogramme initiiert. Dazu sage ich später dann mehr.

Ich kann nur mutmaßen, dass der Anlass für diesen Antrag der Piratenfraktion offensichtlich die Vorstellung des jüngsten Sozialstrukturatlasses 2013 ist, aus dem indirekt hervorgeht, dass in Berlin erkennbar eine Wanderungsbewegung einkommensschwächerer Haushalte aus der Innenstadt bzw. aus den Innenstadtrandbereichen hin in Siedlungen an die Stadtränder von Berlin eingesetzt hat. So u. a. in Spandau und auch in meinem Heimatbezirk Marzahn-Hellersdorf! Diese Tendenz wird durch den wohnungspolitischen Monitoringbericht bestätigt. Zu dieser Entwicklung trägt gewiss auch die Tatsache bei, dass es genau in diesen Stadtlagen zum Glück eine Wohnungsmiete gibt, die noch relativ günstig ist. Auch wir beobachten diese signifikante Entwicklung, aber wir wehren uns dagegen, so wie Sie jetzt gerade hier geschildert haben, von einer dramatischen Notsituation sprechen zu wollen.

[Beifall von Burgunde Grosse (SPD)]

Und auf keinen Fall – und das muss ich hier an dieser Stelle ganz deutlich sagen, wo uns ja mit Sicherheit auch viele Bewohnerinnen und Bewohner, die genau da wohnen, heute zugucken –

[Beifall von Burgunde Grosse (SPD)]

kann man von sämtlichen Siedlungen am Stadtrand sagen, dass sie in einer sozialen Schieflage bzw. die Armutsviertel sind. Und das weisen wir ganz klar zurück.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Und Sie wollen es ja hören, verehrter Herr Höfinghoff, dann sagen wir es Ihnen noch mal ganz deutlich von hier vorne: Die SPD setzt sich mit allen verfügbaren Instrumenten dafür ein, dass die soziale Mischung und der soziale Ausgleich in den Berliner Kiezen, in den Quartieren und in den Stadtteilen stabilisiert werden und stabilisiert sind.

[Martin Delius (PIRATEN): Das erklären Sie mal den Leuten!]

Die SPD steht für Gerechtigkeit – brüllen Sie nicht so rein, ich habe das Mikrofon –, auch gerade in diesen Wohnbereichen. Und da lassen wir nicht zu, dass Sie so mit den Menschen umgehen. Das ist menschenunwürdig.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Wer geht denn mit den Menschen wie um?]

Natürlich, wir wollen in Berlin, der klassischen Mieterstadt, keine Zustände wie in New York, London und Paris, wo nicht mal mehr ein Normalverdienender in der Lage ist, im Innenstadtbereich zu wohnen. Das wollen wir nicht.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Ja, dann tun Sie was dagegen!]

(Oliver Höfinghoff)

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Herberg?

Na, aber natürlich! Ich mache nicht das Gleiche wie Herr Höfinghoff mit der Bürgerin.

Herr Herberg!

Ja, danke schön! – Ist Ihnen bekannt, dass Ihre SPD und CDU gerade 500 Millionen Euro in die Schuldentilgung gepackt haben, statt dieses Geld z. B. für den Wohnungsbau bei den Wohnungsbaugesellschaften des Landes Berlin zu verwenden?

[Beifall bei den PIRATEN]