Protocol of the Session on January 30, 2014

Das gemeinsame Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands, was uns hier alle vereint, wird zu einer Senkung des Energieverbrauchs führen und wird immer mehr erneuerbare Energien in den Wärmemarkt führen, und dies wird zu einer Ausdünnung der Anschlüsse beim Gasnetz führen. Das führt dazu, dass immer weniger Anschlüsse immer höhere Netzentgelte zahlen müssen und eine Spirale des Abmeldens in Gang kommen kann, die zu einem Rückbau des Gasnetzes führen kann.

Zweiter Punkt: Wir sehen die energiepolitischen Ziele des Senats gefährdet.

[Daniel Buchholz (SPD): Jetzt wird es spannend!]

Der Staat hat die Aufgabe, dass er den Ordnungsrahmen für die Energiewende setzen muss. Das ist die Kernaufgabe des Staates. Wenn er sich jetzt eine zusätzliche Aufgabe an Land zieht, nämlich das Gasnetz wirtschaftlich zu betreiben, dann muss man sich doch fragen, steht das nicht im Widerspruch zu dieser Kernaufgabe des Staates? Wir sehen solche Zielkonflikte, sie sind sehr eindeutig. Je mehr wir uns für Energie-Gebäudeeffizienz einsetzen, je mehr wir uns für eine Verdichtung eines erdgasbetriebenen Fernwärmenetzes, je mehr wir uns für erneuerbare Energien im Wärmebereich einsetzen, umso mehr kommt das Gasnetz unter Druck und umso mehr leidet die Wirtschaftlichkeit dieses Gasnetzes. Das heißt, das Ordnungsinteresse des Landes würde hier im Widerspruch zum finanziellen Interesse als Gasnetzbetreiber stehen. Das macht keinen Sinn.

[Daniel Buchholz (SPD): Unglaublich!]

Dann kommen wir zum Dritten, zu den wirtschaftlichen Risiken. Wir sind der Überzeugung, dass wir bei unserer Entscheidungen hier in Berlin auch immer die Auswirkungen auf Berliner Unternehmen im Blick haben. Bei der von Ihnen angestrebten Verstaatlichung des Gasnetzes bleibt von der GASAG nicht mehr viel übrig. Sie ist dann ein vergleichsweise kleiner Gashändler mit einer sehr ungewissen Zukunft. Das ist nicht im Interesse Berlins.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Hier im Haus wird von den einen die Position vertreten, Verstaatlichung sei Teufelszeug, und von anderen, Rekommunalisierung sei ein Selbstzweck. Beide Positionen sind in der Koalition vertreten, und der Kompromiss spricht für sich selbst, wer sich da wieder nicht durchsetzen konnte. Wir meinen, die Einzelfallprüfung hier in Berlin steht aus. Wir brauchen eine Analyse der finanziellen Risiken, der Folgekosten. Das hat der Senat nicht geprüft. Die energiepolitischen Folgen hat der Senat nicht geprüft. Die wirtschaftspolitischen Folgen hat der Senat nicht geprüft. So eine Prüfung brauchen wir endlich!

Schlimmer noch: Sie können das Ziel überhaupt nicht benennen, den konkreten Nutzen dieser Verstaatlichung für die Berlinerinnen und Berliner. Bisher hat das kein Senator in irgendeinem Ausschuss erklären können, ob

wohl wir im Hauptausschuss, im Wirtschaftsausschuss, im Stadtentwicklungsausschuss nachgefragt haben. Keiner konnte den Nutzen erklären. Sie stolpern ohne Ziel und ohne Risikoanalyse blind in eine Schattenverschuldung von 1 Milliarde Euro. Berlin muss bürgen. Wir fragen uns: Haben wir denn aus der Landesbankenpleite überhaupt nichts gelernt? Herr Wowereit sitzt daneben im braunen Pullover und ist anderer Meinung als seine Koalition, tut aber nichts. Herr Nußbaum macht sich lieb Kind bei Herrn Saleh.

Wir meinen es ist Zeit, jetzt die Notbremse zu ziehen. In den nächsten Tagen werden die Konzessionsvertragsentwürfe, die Konsortialvertragsentwürfe versandt. Heute haben wir noch die Gelegenheit, sie hier zu stoppen. Das möchten wir tun, und deshalb wollen wir in der Aktuellen Stunde über dieses Thema reden. Damit der Senat uns einmal erklären kann, warum er diese Verstaatlichung des Gasnetzes überhaupt anstrebt, welche uns eine Schattenverschuldung in Höhe von bis zu 1 Milliarde Euro bringen würde. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Fraktion Die Linke jetzt Frau Kollegin Möller. – Bitte schön!

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Letzte Woche wurde der Bedarfsatlas über die Versorgung mit Kitaplätzen in den 136 Berliner Bezirksregionen veröffentlicht, und der zeigt deutlich: In einem Drittel der Regionen herrscht akuter Mangel, und der wird zumindest in den Gebieten, wo die Bevölkerung wächst, also in 86 Prozent der Regionen, weiter zunehmen. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich in 29 Regionen die Lage verbessert, in 15 aber wiederum verschlechtert.

Berlin braucht bis 2016 weiterhin 4 700 Kitaplätze, und ob diese Zahl hoch genug greift, wird sich erst noch zeigen, denn immerhin geht die neueste Bevölkerungsprognose von einem Zuwachs bei den unter Sechsjährigen von 11 300 Kindern aus. Das sind zusätzlich 6 Prozent. Ganz richtig gemacht, brauchte man noch eine Reserve von 10 Prozent aller Plätze, um das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern ernst zu nehmen, nicht zu schweigen von Platzreserven für Rücksteller, für dringende Kinderschutzfälle oder für Flüchtlingskinder, deren Zahl ebenfalls wächst und die natürlich genauso ein Recht auf einen Kitaplatz haben wie alle anderen Berliner Kinder auch. Aktuell beträgt diese Reserve nicht einmal 4 Prozent.

Die Ausbauförderprogramme von Bund und Land haben schon Ergebnisse gebracht. 2013 entstanden 7 000 Plätze.

(Michael Schäfer)

Fast 137 Vorschulkinder besuchen in Berlin eine Kita. Das klingt gut. Die Frage ist aber: Wie soll es weitergehen? Der Ausbau ist gerade in den dicht besiedelten Innenstadtbereichen längst am Limit. Es gibt teils keine bebaubaren Flächen mehr. Es gibt für die vielen Klein- und Kleinsteinrichtungen nicht genügend Freiflächen, also Spielplätze. In den begehrten Wohnlagen sind die Mieten oft so hoch, dass die pauschale Finanzierung der Kitaträger nicht ausreicht, und es gibt – das ist besonders dramatisch – auf der anderen Seite freie Kitaplätze, die nicht genutzt werden können, weil kein Personal zu finden ist. Das sind um die 800 freie Plätze allein im Brennpunktgebiet Neukölln.

Das heißt, Eltern finden nicht überall in der Stadt ausreichend Kitaplätze. Sie haben eben nicht die Wahl, die ihnen gesetzlich zusteht. Sie nehmen, was sie kriegen können, sie müssen schließlich arbeiten gehen, und sie beschweren sich nicht vor Ort, um sich und ihrem Kind keinen zusätzlichen Stress zu bereiten. Wer finanziell in der Lage ist, extra in die Nähe eines begehrten Kitaplatzes zu ziehen, hat Glück, der Mehrheit ist das nicht vergönnt. Wachsende Wartelisten und – schlimmer noch – immer mehr Anträge auf Betreuungsgeld sind die Folge.

Besonders gravierend ist der Mangel in Regionen, wo die soziale Lage schwierig und die Inanspruchnahme geringer ist wie in Neukölln oder im Wedding. Hier war es politisch erklärte Absicht, die Inanspruchnahme dort deutlich zu erhöhen. Die Koalition pocht so gern auf die nötige Sprachförderung und hat u. a. drastische Maßnahmen beschlossen, die – das nebenbei – bei keinem einzigen Kind zu besserer Sprachförderung führen werden. Und wie absurd ist das denn, wenn Eltern einerseits mit Bußgeld bedroht werden, weil sie ihr Kind nicht in die Kita schicken, und andererseits, weil sie in einer der unterversorgten Brennpunktsiedlungen wohnen, für sie überhaupt kein Kitaplatz zur Verfügung steht?

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Hier – viel treffender als der Neuköllner Jugendstadtrat kann man es nicht ausdrücken – vergaloppieren sich die Maßnahmen. Klar ist, dass der Kitaplatzausbau mehr konzeptionelle Steuerung statt Aktionismus braucht. Warum ist der Kitabau nicht längst konkret und verbindlich Bestandteil des Stadtentwicklungsplanes?

Deutlich wird jetzt: Die Fördergelder reichen nicht. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Senat die Mittel für das Landesprogramm zum Kitaausbau entgegen seiner eigenen, ursprünglichen Planung um fast die Hälfte abgesenkt hat. Für 2014 gibt es nur noch 8 Millionen Euro statt 16 Millionen Euro und für 2015 10 Millionen Euro statt 16 Millionen Euro. Die Linke hat in den Haushaltsberatungen gefordert, in beiden Jahren die Fördersumme wieder auf die geplanten 16 Millionen Euro anzuheben – abgelehnt. Der Senat erklärte stattdessen jüngst, dass er auf ein drittes Investitionsprogramm des Bundes warte,

damit der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für Kinder ab einem Jahr umgesetzt werden kann.

Abwarten ist hier wohl die falsche Option. Außerdem wurden noch nicht einmal die bisherigen Mittel aus dem Bundesprogramm zum Platzausbau für unter Dreijährige voll verausgabt. Für das Investitionsprogramm 2013/2014 standen dem Land Berlin ca. 27,6 Millionen Euro zu. Nur ein knappes Viertel davon, 6,5 Millionen Euro, waren bis Dezember 2013 abgerufen. Der Ausbau stagniert anscheinend. Woran liegt das? Hat der Senat einen Plan? Viele offene Fragen gibt es hier zu klären. Grund genug für die Linksfraktion, die Kitaplatzsituation zum Thema der Aktuellen Stunde zu machen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Beifall von Katrin Schmidberger (GRÜNE)]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die Piraten der Kollege Lauer, bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn meiner Begründung, warum die Piratenfraktion fordert, in der Aktuellen Stunde darüber zu reden, dass die SPD sich jetzt auf einmal für Innenpolitik interessiert und wir uns die Frage stellen, wann sie dann auch den Innensenator in dieser Legislaturperiode stellen möchte, würde ich gerne das, was der Kollege von der SPD hier vorhin behauptet hat, zurückweisen, nämlich dass es sich bei diesen Begründungsrunden um eine reine Inszenierung handeln würde.

[Lachen bei der SPD]

Wenn dem so wäre, müsste ich ja von vielen Sternstunden des Parlamentarismus, denen ich hier beiwohnen durfte – also wenn Sie z. B. begründet haben, warum 100 Tage rot-schwarze Koalition so großartig sind –, tatsächlich glauben, dass es sich dabei um eine Inszenierung gehandelt hat, und das möchte doch keiner in diesem Haus.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Zur Sache: Es ist tatsächlich ein aktuelles Thema, denn die Piraten haben sich sehr darüber gefreut, dass die SPDFraktion auf ihrer vergangenen Klausur in Braunschweig einige Dinge beschlossen hat, die sie künftig in der Innenpolitik in Berlin umsetzen möchte. Und wenn das fast deckungsgleich ist mit dem, was die Piratenpartei 2011 in ihrem Wahlprogramm für die Abgeordnetenhauswahl stehen hatte, dann können wir nur sagen: Ja, Piraten wirken!

[Beifall bei den PIRATEN]

(Katrin Möller)

Aber – und deshalb wollen wir heute mit Ihnen über dieses aktuelle Thema diskutieren, liebe SPD – wie wollt ihr das denn mit der CDU machen? Ihr habt dort stehen: Bekämpfung von Menschenhandel und Schleusertum! Ihr Koalitionspartner, der Innensenator hat gerade eine gemeinsame Ermittlungsgruppe Schleuserkriminalität aufgelöst. 26 Beamtinnen und Beamte, die seit 2005 Erfahrungen damit gesammelt haben, wie man Schleuserkriminalität bekämpft, sollen sich jetzt um Betrugsdelikte kümmern. Um den Rest soll sich die Bundespolizei kümmern. Wie passt das zusammen? Sie haben gesagt: Keine Taser für das SEK! – Da sagen wir: Super! Wie sieht das Ihr Koalitionspartner? Das hat sich bei der Besichtigung damals anders angehört.

Und Sie fordern auch: Überwacht die Überwacher! – Das finden wir großartig. Sie sagen – um da mal das Wort der Sicherheitsesoterik zu bemühen, was ich sehr charmant finde – übersetzt: Schluss mit der Sicherheitsesoterik! Wir wollen die Exekutive, die sich hier geheimdienstlicher Mittel bedient, um Berlinerinnen und Berliner zu überwachen, stärker kontrollieren. – Aber wie geht das denn mit einem Koalitionspartner und einem Innensenator, der den Sicherheitsbehörden vollstes Vertrauen ausspricht und sagt: Nein, das passt schon! – Wie geht das auch angesichts der Rede, die wir vorhin über Cybercrime und das ganze Missbrauchspotenzial gehört haben, und angesichts der öffentlichen Diskussion, die wir über Geheimdienste haben, die auch nicht kontrolliert werden und die – das sieht man dann ganz schön – auch vollkommen freidrehen, weil es keine Überwachung der Überwacher gibt?

Und – darüber habe ich mich am Ende am meisten gefreut – Sie fordern in Ihrem Papier tatsächlich eine unabhängige Beschwerdestelle für die Polizei, wo sich Berlinerinnen und Berliner über das Fehlverhalten von Polizistinnen und Polizisten beschweren können. Da sage ich Ihnen: Wir haben schon Erfahrungen damit gesammelt, Herr Saleh, und deswegen hätten wir gerne die Aktuelle Stunde genutzt, um mit Ihnen darüber zu diskutieren.

An der Stelle werfe ich auch noch mal ein – das geht an den Kollegen von der SPD –: Der Senat hat in der Begründungsrunde auch immer das Recht, sich zu Wort zu melden, weil er laut unserer noch geltenden Geschäftsordnung immer das Recht hat, sich noch mal zu Wort zu melden. Die machen das nicht, weil wir dann noch mal reden dürfen. Das will sich ja keiner anhören.

Herr Saleh! Ich weise Sie darauf hin, dass in der Vergangenheit Ihre Angebote nicht so ernst gemeint waren, wie sie vielleicht am Anfang klangen. Wenn Sie mit uns zusammen eine gemeinsame Beschwerdestelle der Polizei einrichten wollen – sehr gerne! Da sind wir sofort dabei, aber ich habe so meine Zweifel, dass das mit Ihrem Koalitionspartner geht. Deswegen hätten wir heute in der Aktuellen Stunde mit Ihnen gerne darüber diskutiert, wie

Sie sich die nächsten zweieinhalb Jahre Innenpolitik ohne einen SPD-Innensenator vorstellen. Im Vorfeld hat sich eine andere Mehrheit abgezeichnet. Wir werden dann im Ausschuss weiter darüber diskutieren. Aber aus der Nummer, dass Sie das alles beschlossen haben, was Sie jetzt machen wollen, kommen Sie nicht mehr heraus. Damit werden wir Sie in den nächsten zweieinhalb Jahren konfrontieren. – Vielen, lieben Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Danke schön! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich lasse nun abstimmen, und zwar zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD. Wer diesem Thema – Stichwort: Cybercrime – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und der fraktionslose Kollege. Gegenstimmen? – Das sind die drei Oppositionsfraktionen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Ersteres war die Mehrheit. Somit rufe ich dieses Thema für die Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 3 auf. Die anderen Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.

Ich mache Sie auf die vorliegende Konsensliste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten aufmerksam und gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte das im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um entsprechende Mitteilung.

Es liegt eine Entschuldigung von einem Senatsmitglied für die heutige Sitzung vor: Frau Senatorin Yzer ist von 13.00 Uhr bis ca. 14.15 Uhr abwesend – Grund: Teilnahme an einem Gespräch auf Einladung des Ministers für Wirtschaft und Energie zur Umsetzung der Energiewende.

Ich rufe nun auf

lfd. Nr. 1:

Mündliche Anfragen

gemäß § 51 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Drucksache 17/MA42

Bevor ich die erste Frage aufrufe, schlage ich vor, die beiden Fragen Nr. 6 und Nr. 7 zu verbinden, weil sie sich jeweils auf künftige Hochhäuser am Alexanderplatz beziehen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Frau Abgeordnete Franziska Becker von der SPDFraktion hat nun das Wort zu ihrer Mündlichen Anfrage über