Denn damit wird ihnen nicht nur die Schulauswahl erleichtert, sondern so macht ihr Engagement in den schulischen und eventuell auch überschulischen Gremien, Fördervereinen oder Elterninitiativen richtig Sinn.
Zweitens haben wir sichergestellt, dass Kinder wohnortnah zur Schule gehen können. Sollte nämlich der Erstwunsch für eine Schule nicht in Erfüllung gehen, so werden Bezirkskinder bei der Zweit- und Drittwunschschule vorrangig berücksichtigt. Dadurch verhindern wir einerseits, dass Schulkinder lange Schulwege in Kauf nehmen müssen. Andererseits können sie so die verschiedenen
Angebote und Dienstleistungen, die der Wohnortsbezirk zur Verfügung stellt, einfacher wahrnehmen. Der Bezirk hat gleichzeitig die Sicherheit, dass seine Dienstleistungen auch wirklich an die eigenen Bezirksbewohner gehen, denn sie bilden auch die Grundlage für die Mittelzuweisungen.
Drittens wollen wir durch die Einführung eines obligatorischen Beratungsgesprächs für Eltern, die ihre Kinder mit einem Notendurchschnitt von 3,0 oder schlechter auf ein Gymnasium schicken wollen, die viel zu hohe Anzahl von Schülern senken, die nach Ablauf der einjährigen Probezeit am Gymnasium feststellen, dass sie den Anforderungen nicht gewachsen sind und an eine Integrierte Sekundarschule wechseln müssen. Wir könnten uns sicherlich auch andere Beschränkungen des Zugangs auf das Gymnasium vorstellen, aber angesichts der Tatsache, dass die Grundschulempfehlungen aufgrund der fehlenden Vergleichbarkeit der Noten nur begrenzt aussagefähig sind, ist ein Beratungsgespräch ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Ich würde gerne erst zu Ende sprechen. – Wir sind für die Durchlässigkeit zwischen den beiden Schulformen, aber die Anzahl der Schüler, die zum Ende eines jeden Schuljahrs vom Gymnasium auf die ISS wechseln, ist einfach so hoch, dass wir regelmäßig große Probleme bei der Absorbierung dieser Schüler in die ISS haben. Da müssen wir Abhilfe schaffen.
Viertens: Mit der Einstufung der Nichtteilnahme an der obligatorischen Sprachstandsfeststellung als bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit unterstreichen wir die elementare Bedeutung, die die vorschulische Sprachförderung für den späteren Schulerfolg hat. Schon jetzt ist es Gesetzeslage, dass alle Kinder, die keine Kita besuchen und den Sprachstandsfeststellungstest dort ablegen, dieses ein Jahr vor Schulbeginn auf Einladung tun müssen und bei Sprachdefiziten an einer obligatorischen Sprachförderung in der Kita teilnehmen müssen. Insofern gilt rein rechtlich schon jetzt: Kein Kind, das längere Zeit in Berlin lebt, kommt ohne eine zumindest einjährige Sprachförderung in die Schule. Die Realität, liebe Frau Kittler, zeigt jedoch: Derzeit erscheint nur ein Viertel der eingeladenen Kinder zum Sprachfeststellungstest. Das heißt, dass rund 2 300 Kinder, die eventuell eine Sprachförderung nötig hätten, von diesem Instrument gar nicht erreicht werden und dann vor Schulbeginn völlig blank auf der Matte stehen. Mit der Einführung der Bußgelder wollen wir die zuständigen Stellen in die Lage versetzen, die bestehende Gesetzeslage noch konsequenter umzusetzen als bisher.
Eine weitere Änderung, die zugegebenermaßen nicht auf unsere Initiative hin vorgenommen wurde, die ich aber nicht nur als schul-, sondern auch als europapolitische Sprecherin sehr sinnvoll finde, ist folgende: In Zukunft soll es angehenden Oberstufenschülern einfacher gemacht werden, sich ein Jahr in einer Schule im Ausland aufzuhalten, indem die MSA-Prüfung abgeschafft und durch eine halbjährige Probezeit in Klasse 11 ersetzt wird. Das ist auch insofern eine interessante Neuregelung, weil dadurch zum Ausdruck kommt, dass für diejenigen, die ohnehin das Abitur anstreben und entsprechende Noten vorweisen, die MSA-Prüfungen in ihrem Lernverlauf offensichtlich eine Behinderung darstellen, weil es zu nicht zu einer Zäsur, zum Schulabgang kommt, für die ein Abschlusszeugnis erforderlich ist.
Über die Frage, ob diese Behinderung nicht schon vor der Erfahrung mit diesem neuen Verfahren zumindest an den Gymnasien abgeschafft gehört, können wir vielleicht an anderer Stelle beraten. Ich hoffe wie mein Kollege auch auf eine zügige Beratung im Ausschuss und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dem Paket ist noch einiges drin. Wir haben jetzt schon von verschiedenen Fraktionen – von allen außer den Piraten – gehört, welche Auswahl sie treffen. Ich gehe das mal durch.
Die Geschwisterregelung – wir haben sie jetzt schon mehrfach erklärt bekommen – finden wir aus den genannten Gründen gut.
Ich sehe ein, dass bei der Frage der kurzen Wege und der Bezirksregelung bei der Zweit- und Drittwahl noch Diskussionsbedarf besteht, auch wenn ich es nicht ganz so kritisch sehen würde wie Frau Kittler. Man müsste mal gucken, auf wie viele Schul-Bezirkskombinationen Ihr Beispiel zutrifft. Das ist noch unklar. Dass es auf jeden Fall so eine Vorzugsregelung geben soll, ob nach Entfernung oder Bezirk, sehen wir an sich als unkritisch an.
Ein Beratungsgespräch bei dem Übergang von der Grundschule zum Gymnasium ist auf jeden Fall sinnvoller als ein Notendurchschnitt und eine Empfehlung aus der Grundschule, muss dann aber auch mit einer klaren Verpflichtung des Gymnasiums einhergehen, die Kinder auch durchzubringen und das notwendige Engagement zu zeigen. Das können integrierte Sekundarschulen, also warum sollte das nicht auch ein Gymnasium schaffen?
Dann kann man noch die Frage stellen, ob es nicht sowieso besser wäre, flächendeckend Gemeinschaftsschulen einzuführen, um sich des Problems grundsätzlich zu entledigen. Aber ich glaube, so weit geht der Schulunfriede in Berlin nicht, dass solche Änderungen in dieser Legislaturperiode noch möglich sind.
Wir finden auch gut, dass es möglich sein kann, ohne MSA von der zehnten in die elfte Klasse zu rutschen, wenn man im Ausland gewesen ist. Das ist eine Zeit- und Belastungsersparnis.
Die Schulanfangsphase – Frau Kittler hat es erwähnt – geht nun bis zur dritten Klasse. Das ist teilweise schon Realität, ist jetzt nur rechtsicher durchzuführen.
Das waren schon die Punkte, die ich unkritisch sehe bzw. wo meine Kritik eher leise ist. Was ich noch nicht gehört habe – was mich überrascht –, ist eine Diskussion über den gefundenen „Kompromiss“ bezüglich der sogenannten bewährten Trägerregelung für freie Schulen und Initiativen im Bildungsbereich. Da ist es so, dass durch die Neuregelung in dem Gesetzesvorschlag explizit kleine Kiezinitiativen, kleinere freie Schulen, benachteiligt werden. Die Schulgründung wird deutlich erschwert, wird auch im Bereich der Berufsschulen aus verschiedenen Gründen deutlich erschwert, darauf ist Frau Remlinger schon eingegangen. Vor dem Hintergrund, dass die aktuell geltende bewährte Trägerregelung mir schon zu restriktiv und die Schulvielfalt in Berlin sehr stark einschränkt ist und gerade im Bereich der freien Träger soziales Ungleichgewicht schürt und schafft, frage ich mich, warum sie noch verschärft werden muss. Obwohl es ein „Kompromiss“ ist, ist mir unklar, warum das passieren muss. Der einzige Grund, den ich finden kann, ist ein dogmatischer, den findet man in verschiedenen Aussagen von SPD-Kollegen nach dem Motto, es kann nicht sein, was nicht sein darf; freie Träger wachsen zu schnell, und da gehen zu viele Kinder hin. Ich sage, es gibt offensichtlich einen Grund und einen Bedarf dafür, dass Eltern ihre Kinder an freie Schulen und freie Träger statt an staatliche Schulen schicken. Den Grund dafür würde ich aber eher bei den staatlichen Schulen suchen als bei dem offensichtlich attraktiven Angebot der freien Träger. Darüber werden wir uns aber sowieso noch intensiver unterhalten. Es gibt eine erfolgreiche Volksinitiative, die die Finanzierung sowohl von staatlichen Schulen als auch von Schulen in freier Trägerschaft zum Thema macht. Bezüglich dieser Regelung müssen wir auf jeden Fall noch über den Gesetzesvorschlag diskutieren.
Schulgründungen an sich – Sie müssen sich das mal vorstellen: Daran besonders ist, dass wir über die Vergleichbarkeit des Bildungsangebots die Möglichkeit haben, so was wie Elterninitiativschulen und -bildungseinrichtungen zu schaffen. Diese verhindern Sie komplett, wenn Sie sagen, sie müssen sich die ersten sechs bzw. zehn Jahre an einen großen freien Träger anschließen. Dann bleibt
nur noch so etwas übrig wie das Canisiuskolleg oder die evangelischen Schulen. Das können wir so nicht akzeptieren.
Zu der Sprachstandsfeststellung ist im Prinzip alles gesagt worden. Ich kann nicht verstehen, weshalb der Senat nicht erst mal eine ordentliche Ursachenanalyse macht, anstatt 70 Prozent der Eltern mit dem Vorwurf zu konfrontieren, sie hätten ihre Kinder abgeschrieben, was ja – wie Frau Bentele es ausdrückt – eine Verschärfung der schon existierenden Regelung mit dem Bußgeld bedeutet. Ich glaube auch nicht, dass es besonders effektiv sein wird, wenn das Bußgeld existiert. Ich glaube auch nicht, dass dadurch besonders viel in die Landeskassen gespült wird. Das ist Polemik. Da ist das Gesetz auch nicht zu befürworten. – Danke schön!
Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung der Gesetzesvorlage an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.
Zur Begründung der Großen Anfrage rufe ich ein Mitglied der Piratenfraktion auf mit einer Redezeit von bis zu fünf Minuten. Herr Kollege Reinhardt, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben diese vor einigen Monaten eingebrachte Große Anfrage mehrfach vertagt. Es ist gut, dass wir jetzt darüber reden, denn es hat sich einiges gezeigt in diesem Feld. Erst einmal: Kein Flüchtling verlässt freiwillig und ohne Not seine Heimat und geht in eine ungewisse Zukunft in eine fremdes Land.
Flüchtlinge riskieren ihr Leben auf der Flucht aus ihrem Heimatland über den Landweg und über das Mittelmeer. Aber zwischen 60 und 80 Prozent der Abschiebegefangenen bundesweit sind gar nicht inhaftiert, weil sie sich ihrer Abschiebung durch Untertauchen zu entziehen versuchen, sondern sind Asylsuchende, die erstmals deutschen Boden betreten haben und direkt inhaftiert werden.
In den ersten drei Quartalen des letzten Jahres 2013 haben Innensenator Henkel und die zuständige Behörde 336 Menschen abgeschoben. Die Ziele waren vor allem Serbien, Bosnien, Vietnam, Polen, Türkei, Russland und Lettland. Das sind bis September schon fast so viele Menschen, wie Sie 2012 insgesamt abgeschoben haben. Vor dem Winter hat der Innensenator beinahe monatlich ein Flugzeug von einem Berliner Flughafen in Richtung Südosteuropa starten lassen. Wir denken, dass Herr Henkel möglicherweise Angst und Schrecken unter den Asylsuchenden in Berlin verbreiten will. Eine gezielte Aktion der Abschreckungspolitik des Innensenators? Immer wieder heißt es aus Unionskreisen, dass Flüchtlinge gar nicht erst gezeigt werden soll, dass sie sich hier besonders wohlfühlen, sondern dass sie eben gleich merken sollen, dass sie hier nicht willkommen sind, weil sonst eben mit zu großen Migrationsströmen rechnet.
Herr Gram! Sie dürfen gern den Knopf drücken, dann können wir uns unterhalten. – Auf keinen Fall soll der Eindruck erweckt werden, dass Flüchtlinge oder Arbeitsmigrantinnen und -migranten in Berlin eine dauerhafte Perspektive haben oder sich auf faire und menschenwürdige Verfahren verlassen könnten. Es wäre ja auch schlimm, wenn Berlin diesen Ruf hätte.
Im August hat der Innensenator 32 Menschen nach Serbien abschieben lassen, im September nach Serbien und Bosnien, im Oktober 49 Menschen ins frühere Jugoslawien. Bei vielen handelt es sich um Angehörige der RomaMinderheit. Sie werden in der Regel direkt in die Obdachlosigkeit und völlige Perspektivlosigkeit abgeschoben. – Herr Senator! Ich freue mich, dass Sie schon wissen, was ich Ihnen erzähle, aber ich würde mich natürlich noch mehr freuen, wenn Sie zumindest so tun würden, als würden Sie zuhören.
Hinter jeder einzelnen Abschiebung sind menschliche Schicksale. Die Betroffenen werden zum Teil frühmorgens aus ihren Betten geholt und zum Flughafen gebracht, daher auch der Titel unserer Großen Anfrage „Bei Nacht und Nebel“. Darunter waren auch Menschen mit ärztlichen Attesten, die eindeutig zu krank für die Abschiebung waren. Durch Abschiebungen werden Familien getrennt, Existenzen zerstört und Menschen gefährdet. Wer jetzt zu Beginn der kalten Jahreszeit – und jetzt wird es richtig kalt – mit aller Gewalt abschiebt, handelt unanständig und herzlos.
In der letzten Plenarsitzung im Winter haben die Oppositionsfraktionen gemeinsam einen Winterabschiebestopp beantragt. In vielen anderen Bundesländern ist das die Regel. Aber hier in Berlin herrschen jetzt andere Sitten. Da wird dieser Antrag selbstverständlich mit Koalitionsmehrheit abgelehnt. Wer in seiner warmen Wohnung in Berlin sitzt, findet den Winter vermutlich nicht so bedrohlich für abgeschobene Asylsuchende. Für die RomaMinderheit gilt natürlich, dass das etwas anders wahrgenommen wird.
Nach Auskunft von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten führt die Ausländerbehörde Berlin erst seit Kurzem wieder unangekündigte Direktabschiebungen durch. Lange Zeit wurde von dieser für die betroffenen Menschen äußerst belastenden Praxis abgesehen. Die Fragen, die wir uns hier stellen, Herr Henkel, sind: Welche Gründe haben zu diesem Politikwechsel in Berlin geführt? Nach welchen Kriterien wird entschieden, ob eine Abschiebung angekündigt wird oder direkt – das heißt unangekündigt – durchgeführt wird? Wie viele weitere Sammelabschiebungen sind noch geplant, gerade jetzt noch in der kalten Jahreszeit? Welche Unterstützung erhalten die mittel- und obdachlosen Abgeschobenen in den Zielländern? Wie informiert sich der Senat darüber im Vorfeld? – Diese Fragen stellen wir hier und heute dem Senat. Deswegen haben wir diese Große Anfrage eingereicht und erhoffen uns doch noch ein bisschen Erhellung und einiges an Informationen vom Innensenator. – Danke schön!
Vielen Dank, Herr Kollege! – Zur Beantwortung der Großen Anfrage hat nunmehr Herr Senator Henkel das Wort. – Bitte schön, Herr Senator!