Vielen Dank, Herr Kollege Claus-Brunner! – Für die Fraktion der SPD erteile ich das Wort dem Kollegen Kreins. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für die Vorstellung Ihres Antrags zum Thema Shared Space. Da war aus der Debatte, die es um diesen Verkehrsraum gibt, einiges an relevanten Informationen. Ich will es noch einmal kurz einordnen. Shared Space ist in der Tat ein Konzept zur städtebaulichen Aufwertung der Verkehrsflächen, zur Verkehrsberuhigung, und es gibt einige Konzepte, wie die Philosophie des Shared Space in Europa umgesetzt worden ist.
Zielsetzung ist – das haben Sie auch richtig gesagt – die Temporeduzierung, die Aufwertung des öffentlichen Raums bei vollständigem Verzicht auf Markierungen, Beschilderung und Bordstein. Es ist quasi die Entregelung der Verkehrslandschaft in der Region.
Wenn man hier Shared Space fordert, muss man schon die derzeit möglichen Instrumente miteinander abgleichen. Es gibt so etwas wie die Schweizer Begegnungszone. Die ist im Gegensatz zu Shared Space verrechtlicht. In Deutschland gibt es den verkehrsberuhigten Bereich. Die Unterschiede liegen hier bei der Höchstgeschwindigkeit, die in der Schweiz bei 20 km/h und in Deutschland bei 7 km/h liegt, und auch des Vorrangs für Fußgänger oder PKW.
Shared Space ist in Deutschland leider nicht geregelt. Die Straßenverkehrsordnung kennt ein solches Verkehrsschild nicht. Das muss man vielleicht auch dazu noch mal sagen: Es ist auch kein verkehrspolitisches und städtebauliches Allheilmittel. Also, die Dinge, die Sie vorhin skizziert haben, sind punktuell durchaus möglich, aber sie sind nicht großflächig möglich, und die Regionen oder die Städte, in denen das stattgefunden hat, würde ich eher als Kleinstädte und ländliche Regionen bezeichnen. In Großstädten ist das noch nicht erfolgreich, jedenfalls über mehrere größere Flächen, umgesetzt worden.
Shared Space hat auch noch einen weiteren Nachteil, der sich auf die Systemlogik bezieht, dass der ruhende Verkehr aus der Region herausgenommen wird, denn relevant sind die Blickkontakte, die Blickachsen zwischen den Verkehrsteilnehmern und die Wahrnehmung des anderen, und das ist bei stehendem Verkehr, also PKWs, die an der Seite parken, deutlich schwierig. Kritik kommt daher auch von den Blindenverbänden, die sagen, bei niveauloser Straßenverkehrsanordnung, fehlenden Signalanlagen fehlen ihnen eindeutige Orientierungshilfen, und die auf den Blickkontakt ausgerichtete Verständigung zwischen den Verkehrsteilnehmern ist an der Stelle auch deutlich erschwert.
Herr Kollege! Wenn Sie eine Zwischenfrage haben, melden Sie sich. Es war eine nicht wirklich qualifizierte Zwischenfrage, aber bitte.
Herr Kollege Kreins! Weil Sie so gut über die Position der Blindenverbände in Berlin informiert sind, wie schätzen Sie denn die aktuelle Situation ein? Ist die gut, oder gibt es da auch größere Bedürfnisse, etwas zu verändern?
Da gebe ich Ihnen recht. Wir haben im Rahmen der Fußverkehrsstrategie etliche Mittel eingestellt, die auch dazu dienen sollen, Bordsteine so zu gestalten, dass sie von Blinden wahrgenommen werden, aber trotzdem für Rollstuhlfahrer erklimmbar sind. Wir haben an der Stelle auch
die Frage der Lichtsignalanlagen, wo wir auch zusätzlich ausstatten. Ich will gar nicht sagen, dass wir hier im Paradies leben und deswegen Shared Space nicht brauchen, ich sage nur, dass es eine differenzierte Debatte um die Standorte und den rechtlichen Raum geben muss, in dem wir uns an der Stelle bewegen.
Das, was der StEP Verkehr macht, das begrüßen wir auch. Das ist nämlich, die rechtliche Regelung, den rechtlichen Rahmen zu klären. Das kann nicht das Land Berlin, das ist die Frage der Bundesregierung, nämlich des Gesetzgebers im Bund. Die Straßenverkehrsordnung ist kein Landesgesetz, sonst würden die Leute in Bayern alle anders fahren als in Berlin.
Das ist im StEP Verkehr vereinbart, den wir im März 2011 als Abgeordnete zur Kenntnis bekommen haben. Das, denke ich, ist auch die Strategie, mit der der Senat in dieses Thema gehen wird.
Ich will die Debatte an der Stelle auch gar nicht weiter führen. Wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen geklärt sind, wird es auch noch mal interessant, an welchen Stellen man das macht. Aber die Debatte um Shared Space mit den Anmerkungen, die ich gemacht habe, führen wir im Ausschuss Bauen, Wohnen und Verkehr, und ich freue mich auf die Debatte. – Danke!
Danke, Herr Kollege Kreins! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort der Kollege Moritz. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Piraten haben hier mit ihrem Antrag das Thema Shared Space gesetzt. Wir reden gerne über dieses Thema. Unsere Fraktion hat Ende 2008 in einem Antrag schon die Umgestaltung geeigneter Straßenabschnitte nach diesem Grundsatz von Shared Space gefordert. Wir wollten und wollen das noch immer. Wir sehen, man kann da auch mehr Lebens- und Aufenthaltsqualität in diesen Straßenraum bringen, für mehr Sicherheit sorgen, und natürlich, die gegenseitige Rücksichtnahme bekommt einen viel höheren Stellenwert.
Damals hatten wir gefordert, dass der Senat die Bezirke bei der Umgestaltung und Auswahl von Standorten für Shared Space oder Begegnungszonen unterstützen sollte. Leider wurde von SPD, CDU und den Linken damals dieser Antrag abgelehnt. Aber guckt man heute auf die Internetseite der Senatsverwaltung, auch wenn es lange gedauert hat, sind sie dabei, diese Forderung zumindest bei drei Pilotprojekten umzusetzen. Sie sollen allerdings
auch nicht in klassischen Shared-Space-Vorgaben oder auch in der Vorgabe der Begegnungszone nach Schweizer Modell umgesetzt werden, sondern als verkehrsberuhigte Bereiche mit einer Höchstgeschwindigkeit bis 20 km/h, und die Trennung von Fahrbahn und Gehwegen wird auch noch bestehen bleiben. Entgegen dem Modell der Begegnungszonen in der Schweiz werden die Fußgänger keinen Vorrang haben. Es wird also auf die konkrete Umgestaltung dieser Straßenbereiche ankommen, ob es tatsächlich zu einem verträglichen Miteinander der verschiedenen Verkehrsteilnehmer führen wird, aber immerhin, es ist ein Anfang gemacht. Das Pilotprojekt in der Maaßenstraße ist jetzt in die Öffentlichkeitsbeteiligung mit verschiedenen Modellen und viel Platz für eigene Vorschläge gegangen. Wir haben auch – und das ist auch ein Projekt der Senatsverwaltung – den Bereich um Checkpoint Charlie vorgeschlagen, da kann man ja eigentlich gelebtes Shared Space beobachten. Auch wenn keine Umbauten oder verkehrsbehördliche Anordnungen getroffen wurden, kann man hier praktisch sehen, dass bei der Vielzahl der Passanten soziale Verhaltensregeln und nicht die StVO das Geschehen auf der Straße bestimmen.
Wir können uns auch andere Straßenabschnitte, die so umgebaut werden sollen, vorstellen, zum Beispiel zwischen Schloss und Lustgarten.
Dort könnte man die zerschneidende Wirkung der Straße aufheben und für eine hohe Aufenthaltsqualität sorgen. Der Piratenantrag hat die Debatte wieder belebt, das ist gut. Leider bringt der Antrag inhaltlich kaum neue Aspekte ein. Es sind neue Straßenabschnitte in die Diskussion eingebracht worden, allerdings sind etliche Straßenabschnitte auch schon vorher in der Diskussion gewesen und geprüft worden. Wir sind für Shared Space. Wir sind auch für eine zügige Umsetzung dieser Pilotprojekte und dafür, nicht – so lange, wie es jetzt vorgesehen ist – bis 2016 warten, bis das letzte Projekt angefangen wird. Ich denke, wir könnten da zügiger vorankommen. Wir sehen, wie gesagt, weitere Einsatzorte. Auch was die Gestaltung betrifft, muss man gezielt weiterdiskutieren. Wir freuen uns auf die Beratung im Verkehrsausschuss. – Danke schön!
Danke, Kollege Moritz! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Kollege Friederici. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem heutigen Antrag aus der verkehrspolitischen Mottenkiste versuchen uns heute wieder einmal die Piraten mit nichts Neuem zu überraschen.
Shared Space geht davon aus, dass bei Aufhebung jeglicher Rechts- und Verkehrsnormen der Verkehr lediglich bei grundsätzlicher Rücksichtnahme aller Teilnehmer auf Plätzen und in öffentlichen Bereichen und Straßen funktionieren soll. Das ist fragwürdig und international gar nicht mehr so der Renner, nicht einmal in mittelgroßen Städten, geschweige denn in irgendeiner Großstadt. In einem verkehrlich rechtsfreien Raum, der bislang nur in kleinen Städten und Dörfern in Deutschland und in den Niederlanden mit mäßigem Erfolg erprobt wird, macht sich doch hier auch wieder uns ganz plausibel die kleingeistige Welt der Piraten sichtbar.
Nein, keine Zwischenfragen! – Die Piraten sehen die verkehrspolitischen Konzepte von Dorf und Kleinstadt eben als Leitmotiv für Berlin, und da macht die CDU einfach nicht mit.
Die Piraten, eben in der Bundestagswahl gleich wie die FDP an der Fünfprozenthürde gescheitert, machen nun – nach unseriösen Versuchen einen Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr bei gleichzeitiger Zwangssteuerfinanzierung für alle einzuführen – ein neues Feld in ihrem verkehrspolitischen Piratenirrgarten auf. Die Frage, ob wir Shared Space einführen, ist bereits in der letzten Wahlperiode von Rot/Rot eindeutig mit Nein beantwortet worden. Daher ist der Antrag verkehrspolitisch überhaupt nicht neu. Gleichwohl, das sage ich ganz eindeutig, hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erklärt, dass es vorteilhafter ist, genau zu untersuchen, wie für die spezielle Berliner Situation von mehr Fußgängern und mehr Verkehr spezielle Begegnungszonen zu schaffen sind, beispielsweise in der Maaßenstraße, am Checkpoint Charlie oder in der Bergmannstraße. Lieber ist es mir, dass das richtig untersucht wird, als dass wir das Piratenmodell von Shared Space von Dorf und Land einfach von oben herab anordnen, ohne Bürgerbeteiligung, ohne Beteiligung der Anlieger. Wir wollen ein transparentes Verfahren, was die Piraten ja offensichtlich nicht wollen.
Da finde ich das Vorgehen der Senatsverwaltung und der Koalition aus SPD und CDU klüger, das erst einmal zu erproben und die Menschen, die Anrainer, die Gewerbetreibenden und auch die, die sich gerne immer dazu äußern, zu fragen, ob sie das wollen oder nicht. Ich finde, das ist fortschrittliche Verkehrspolitik.
Für die Verkehrsberuhigung haben wir inzwischen Fußgängerzonen, Spielstraßen, Fahrradstraßen, Tempo-30Zonen, Tempo-20-Zonen,
sogenannte Gehwegnasen, Mittelinseln, Mittelstreifen, Einbahnstraßen und Sackgassen. Alles das sorgt bei viel Verkehr in Berlin bereits heute schon für Verkehrsberuhigung, Verkehrssicherheit, Bevorrechtigung von Fahrrad- und Fußgängerverkehr und für Stau.
Ich denke, das Modell Shared Space brauchen wir da nicht. Shared Space wäre da nämlich auch ein Weg zurück, denn Plätze und Wege wären gleich und eingeebnet, verlässliche Ampeln würden abgeschafft, sichere Mittelinseln und Mittelstreifen fielen nach Vorstellung der Piraten gänzlich weg. Es gäbe künftig auch keine akustischen Signale mehr für mobilitätsbehinderte Menschen, vor allem in Kreuzungsbereichen. Wo liegt da der Fortschritt? Das ist gefährlich und fahrlässig, und dafür sind die Piraten deutlich verantwortlich.
Die CDU kann in diesen Forderungen der Opposition keinen Fortschritt erkennen. Daher können und wollen wir den Antrag nicht weiter befürworten. Denn auch heute sind die Piraten nicht in der Lage gewesen, logisch zu begründen, weshalb sie den Menschen das Leben im Straßen- und Fußgängerverkehr erschweren wollen.
Vielleicht gelingt es den Piraten aber im Fachausschuss, diese Zweifel zu zerstreuen, jedoch habe ich da erhebliche Zweifel, ob sie dazu in der Lage sind. Nicht Konzepte von Dorf und Land, wie bei den Piraten, sind für die Berliner Koalition von SPD und CDU bestimmend, sondern die Entwicklung der Millionenmetropole Berlin mit dem Ausbau von öffentlichem, Individual- und Wirtschaftsverkehr.
Entschuldigung, lieber Kollege! – Darf ich mal bitte um Ruhe bitten! Es ist wirklich laut im Saal. – Vielen Dank!
Wir setzen uns in der Koalition ganz massiv für die Förderung von Rücksicht und Einsicht im Straßenverkehr ein, durch Aufklärung, durch Reden, durch Angebote, und da, wo es nötig ist, auch durch Bestrafung.