Protocol of the Session on October 24, 2013

Beim Stadtwerk macht es einen Unterschied, ob es die Aktuelle Stunde ist oder eine Priorität. In der Aktuellen Stunde müsste Frau Yzer als zuständige Senatorin hier erstmals sagen, was sie denn machen will mit diesem Stadtwerk. Das wollen wir wissen! Deshalb muss es die Aktuelle Stunde sein. Denn die Leute, die abstimmen, die Berlinerinnen und Berliner, die aufgerufen sind abzustimmen, sollen erfahren, was die ab heute zuständige Senatorin zu diesem Thema zu sagen hat.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Stadtwerke Berlin – lassen Sie diesen großen Begriff einmal auf sich wirken. Stadtwerke Berlin – ein stolzes Unternehmen, das Energie für eine Metropole herstellt.

Raed Saleh und Florian Graf haben nach dem Druck des Volksbegehrens versprochen, die Stadtwerke Berlin zu schaffen. Wir alle haben gedacht, wir reden hier doch mindestens über die Liga Stadtwerke Hamburg, kleiner kann es ja wohl nicht sein. Dann kam der Senat, und es ist nicht die Liga Hamburg, es ist die Liga Pfarrkirchen: Nur je 1,5 Millionen Euro Zuschuss zwei Jahre lang, das entspricht dem Eigenkapital der Stadtwerke Pfarrkirchen, und Sie wollen das dann Stadtwerke Berlin nennen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Herr Müller hat ein Konzept dafür gemacht. Fünf Windräder und ein öffentlicher Stromhändler. Das ist sein Stadtwerk. Bei Podiumsdiskussionen fragt man: Fünf Windräder sind ja ein schönes Bild, aber wie groß ist die geplante Energieproduktion denn wirklich? Es sind wirklich fünf Windräder plus ein landeseigener Stromhändler. Wir haben gedacht: Kleiner geht’s nicht. Dann kam der Koalitionsausschuss und der Stromhandel wurde gestrichen und es waren nur noch die fünf Windräder übrig vom Stadtwerk. Dazu kommt, dass Sie die ganze Entwicklungsperspektive gestrichen haben. Sie haben gesagt: nur Strom aus erneuerbaren Energien, im Übergang Kraft-Wärme-Kopplung mit einem hohen Anteil erneuerbarer Biomasse. Das heißt, aus dem ganzen Wachstumsmarkt rein erdgasbetriebener Blockheizkraftwerke muss dieses Stadtwerk sich raushalten. Dafür darf dieses Stadtwerk dann wohl mit Palmöl betriebene KWK anbieten. Das ist ökologisch kontraproduktiv!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Dieser Koalitionsausschuss hat ein Stadtwerkskonzept ohne Sinn und Verstand gemacht, da saß ja auch keiner in diesem Koalitionsausschuss, der etwas von der Sache versteht, außer Herr Graf und Herr Wowereit, die das Stadtwerk aber beide nicht wollen.

[Lachen bei der CDU]

Das ist ein bisschen wie im Flughafenaufsichtsrat: wichtiges Amt, jeder Generalist und Stratege, und am Ende hat keiner von der Sache eine Ahnung.

Die fünf Windräder blieben. Und wir haben gedacht: Schlimmer kann es nicht kommen, kleiner kann es nicht sein, und jetzt kommt die Koalition. Die Koalition sagt, diese fünf Windräder sind uns nicht klein genug. Dieses Bonsai-Stadtwerkchen, das der Koalitionsausschuss schon gerupft hat, machen wir jetzt ganz kaputt. Wir nehmen dieses kleine Bonsai-Bäumchen von Herrn Müllers Schreibtisch wieder weg und tun es zu Frau Yzer.

Frau Yzer ist nun bekannt als die Frau im Senat, die von Stadtwerken überhaupt nichts hält. Die soll jetzt zuständig sein für dieses Stadtwerk. Ich hatte einmal einen Kollegen, der hasste Zimmerpflanzen. Der hat eine Zimmerpflanze geschenkt bekommen und die hat er immer

(Burkard Dregger)

dann gegossen, wenn ein bisschen kalter Kaffee in seiner Tasse übrig war. Genauso wird es diesem Stadtwerk bei Frau Yzer gehen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Sie haben heute beschlossen, dass Sie es Berliner Stadtwerk nennen, wenn Frau Yzer fünf Windräder nicht bauen will. Das ist ja wohl ein Witz. Damit möchten Sie dem Volksentscheid den Wind aus den Segeln nehmen? Wie naiv ist das denn? Das motiviert uns doch zu kämpfen. Das motiviert doch die Berliner, zur Wahl zu gehen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Wer ein starkes Stadtwerk will, der muss am 3. November mit Ja stimmen. Und wer möchte, dass Frau Yzer fünf Windräder nicht baut, der muss mit Nein stimmen. Und dann zählen wir aus.

[Starker Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Kollege Harald Wolf das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch meine Fraktion will in der Aktuellen Stunde über das Thema „Volksentscheid am 3. November“ diskutieren, weil wir der Meinung sind, dass es hier um eine wichtige Weichenstellung für die Stadt geht. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als die Frage, ob die Berlinerinnen und Berliner wieder einen Zugriff erhalten und es eine öffentliche Kontrolle über die Energieversorgung in dieser Stadt gibt oder ob die Energieversorgung weiter in den Händen der Privaten und überwiegend des VattenfallKonzerns bleibt, der im Übrigen vorhat, sich aus dieser Stadt zu verabschieden.

Deshalb wollen wir die Gelegenheit nutzen, hier im Parlament noch einmal darüber zu diskutieren und die Berlinerinnen und Berliner dazu aufzurufen, trotz der Versuche des Senats und der Koalition, zu demobilisieren, möglichst zahlreich an dieser demokratischen Mitwirkungs- und Entscheidungsmöglichkeit teilzunehmen und ihren klaren Willen zu bekunden. Wir hoffen, dass es eine klare Mehrheit dafür gibt, dass Energieversorgung wieder zur öffentlichen Angelegenheit in dieser Stadt wird.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Wir wollen auch darüber diskutieren, welche irreführende Desinformationskampagne die Koalitionsfraktionen, der Senat und die Unternehmerverbände in dieser Stadt zu organisieren versuchen.

[Heiko Melzer (CDU): Und die Gewerkschaften!]

Wir wollen über die Absurdität reden, dass auf der einen Seite der Senat von Berlin, getragen von SPD und CDU, gegenüber dem Energietisch amtlich erklärt hat, dass alles, was im Gesetzentwurf des Energietisches steht, rechtlich zulässig ist, und gleichzeitig die Koalitionsfraktionen hier im Abgeordnetenhaus in der letzten Sitzung beschließen lassen, dass dieser Volksentscheid bzw. der Gesetzentwurf rechtswidrig sei. Ich frage: Halten Sie Ihren Senat für so bescheuert, dass er nicht in der Lage ist zu erklären, was rechtswidrig ist, oder versuchen Sie hier eine bewusste Irreführung und Verunsicherung der Öffentlichkeit im Vorfeld des Volksentscheids zu organisieren?

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Wir wollen zudem über die öffentliche Kontrolle eines solchen Stadtwerks diskutieren. Hier wird auch wahrheitswidrig behauptet, dass dieses vom Energietisch geforderte Stadtwerk keiner öffentlichen Kontrolle unterliege. Wenn dem so ist, ist das die Ankündigung der Koalitionsfraktionen, dass sie ihren parlamentarischen Kontrollpflichten nicht nachkommen wollen. Wir werden als Abgeordnete unseren Kontrollpflichten gegenüber einem Stadtwerk künftig nachkommen – so, wie wir das gegenüber jedem anderen öffentlichen Unternehmen in dieser Stadt tun. Das ist die verdammte Pflicht und Schuldigkeit dieses Parlaments.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Es ist die Aufgabe des Senats, der im Verwaltungsrat vertreten sein wird und der natürlich die Funktion eines Gewährträgers bei einer öffentlichen Anstalt hat, diese Anstalt zu kontrollieren und auch zu klären, welches Eigenkapital dieser Anstalt zur Verfügung steht. Das ist öffentliche Verantwortung, und wir werden verlangen, dass sie wahrgenommen wird. Ihre Desinformationskampagne läuft ins Leere.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Wir werden deutlich machen, dass bei diesem vom Energietisch geforderten Stadtwerk mit den Transparenzregelungen, die damit verbunden sind, mit der Möglichkeit der Direktwahl und mit den Initiativrechten von Bürgerinnen und Bürgern eine neue Form öffentlicher Kontrolle, eine Öffentlichkeit und Transparenz hergestellt werden, die gegenwärtig kein öffentliches Unternehmen in Berlin hat. Sagen Sie mir doch mal, wo eine Wohnungsbaugesellschaft oder andere öffentliche Unternehmen in Berlin derartige Mitwirkungs- und Kontrollmöglichkeiten haben! Ich sage an dieser Stelle: Desinformationskampagne und Angstmache! Nichts anderes wird von dieser Koalition betrieben.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

(Michael Schäfer)

Dann würden wir gern über das Trauerspiel Stadtwerk diskutieren. Kollege Schäfer hat es schon angesprochen. Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man darüber lachen. Es ist eine Farce. Aber es ist leider traurig. Sie kommen im Dezember an und sagen: Wir wollen ein Stadtwerk, das eine Tochtergesellschaft der BSR sein soll. – Mit dem Unternehmen wurde aber im Vorfeld nicht geredet. Das Unternehmen erklärt: Das finden wir eine dumme Idee. Das hat mit unserem Geschäft nichts zu tun. – Jetzt kommen Sie kurz vor der Angst an, bringen ohne irgendeine Begründung eine Tischvorlage in den Ausschuss und sagen: Es soll eine Tochtergesellschaft der BWB sein. – Auf meine Frage, welche Konzeption dahintersteht und was mit dem Vorstand und dem Aufsichtsrat der BWB diskutiert worden ist, kommt die Antwort von der SPD: Gar nichts, denn wir können mit denen noch gar nicht diskutieren, weil uns das Unternehmen noch nicht zu 100 Prozent gehört. – Ja, mein Gott, wie irre ist das denn? Ihr wollt ein Gesetz beschließen, wo ihr denen die Aufgabe übertragt, aber sagt, dass ihr darüber nicht diskutieren könnt. Das ist doch eine Posse vom Allerletzten. Eine Posse!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Dieses Stadtwerk wird die Attrappe eines Stadtwerks sein. Kollege Schäfer hat es schon gesagt. Das Absurdeste ist, dass die Sozialdemokraten in einem Anfall von Verblendung – ich kann es nicht anders beschreiben – ihrem Senator Müller, seines Zeichens Sozialdemokat und der einzige in diesem Senat, der wenigstens in Ansätzen versucht, ein Stadtwerk auch anzugehen und umzusetzen, jetzt die Zuständigkeit nehmen, um sie an die Wirtschaftssenatorin zu geben, die nicht müde wird, Interviews zu geben, in denen sie erklärt, wie schwachsinnig die Idee eines Stadtwerkes ist. – Herzlichen Glückwunsch, liebe Berliner Sozialdemokraten! Ich kann nur sagen: Ihr seid nicht mehr zurechnungsfähig.

[Starker Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Für die Piratenfraktion jetzt der Kollege Herberg.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Abgeordnete! Bis gestern hatte ich noch eine Rede, die ich ausformuliert hatte und hier halten wollte, aber das ist durch die gestrigen Ereignisse ad absurdum geführt worden. Wir haben ein Verhalten von SPD und CDU erlebt, das auch noch im weiteren Verlauf dieser Plenarsitzung diskutiert werden wird und das unter aller Kanone ist. Dass zu Gesetzen, die die gesamte Stadt beeinflussen werden, mit Tischvorlagen gearbeitet wird, die mitten in Ausschüsse oder am Ende der Tagesordnung in Ausschüsse hineingeworfen werden, sodass überhaupt keine Zeit bleibt, zu

diskutieren oder Änderungsanträge vorzulegen oder überhaupt nur deren Inhalt einzuordnen, halte ich persönlich für eine Frechheit. Da fehlt es an Vertrauen in dieses Parlament und in Ihre eigenen Abgeordneten.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Wir als Piratenfraktion haben ebenfalls das Thema Volksentscheid für die heutige Aktuelle Stunde vorgeschlagen, und zwar aus einem Grund: In zehn Tagen kommt der Volksentscheid. Bisher war es so, dass die Berlinerinnen und Berliner die Möglichkeit hatten, ohne dass sich dieses Parlament bisher in größerem Maße eingemischt hat – ich nenne es mal so –, darüber abzustimmen und zu entscheiden: Bekommt diese Stadt ein Stadtwerk, und zwar ein demokratisches, ökologisches und soziales – nach den Kriterien, die aufgestellt worden sind –, oder bekommt sie das nicht? Sie haben sich nun Folgendes gesagt: Wir packen kurz vor dem Volksentscheid den Berlinerinnen und Berlinern ein Stadtwerk vor die Füße von einer Größe, mit der man noch nicht mal einen kleinen Kiez ordentlich versorgen könnte, wie Herr Schäfer schon so schön gesagt hat. Das ist doch – ich darf das wahrscheinlich wieder nicht sagen – absurd.

[Torsten Schneider (SPD): Das dürfen Sie sagen!]

Ja, ja! Ich wollte etwas anderes sagen. Deshalb ging die Handführung woanders hin. Aber das darf ich ja nicht.

[Torsten Schneider (SPD): Das weiß ich doch!]

Über die parlamentarische Sitte und darüber, wie Sie mit der Sitte dieses Hauses umgegangen sind, will ich jetzt gar nicht erst reden. Darüber werden andere gleich demnächst reden.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Ich kann gar nicht oft genug betonen – und das sage ich auch den Leuten draußen seit 9 Uhr die ganze Zeit über –: Gehen Sie bitte alle am 3. November zur Wahlurne – Sie können auch immer noch die Briefwahlunterlagen beantragen, und das per Brief machen –, und stimmen Sie bei diesem Volksentscheid bitte für Ja, um dieser Koalition den Stinkefinger zu zeigen

[Sven Kohlmeier (SPD): Genau darum geht es: den Stinkefinger zu zeigen!]

und zu sagen: So nicht! So können Sie mit uns Berlinerinnen und Berlinern nicht umgehen.